Popper

  • 6.1.96

    Die Theorie des kommunikativen Handelns, der ihr zugrundeliegende Begriff der Sprache, verwechselt Wort und Schrift, sie verdrängt die sprachlogische Differenz beider. Die Sprache, deren Begriff dem Konzept zugrunde liegt, ist die einer bücherinternen Kommunikation. Die Levinassche Asymmetrie gründet in der Beziehung zwischen mir und dem Andern (zwischen Ego und Alter), sie ist der Grund der Differenz zwischen Wort und Schrift, in deren Kontext sie sich (im Staat, im Recht, in der Wissenschaft) entfaltet. Sie begründet die Logik der Schrift und am Ende das Konzept einer „Erkenntnistheorie ohne erkennendes Subjekt“ (Titel eines Vortrags von Karl Popper, vgl. Habermas, S. 115). Die Logik der Schrift bringt die Stimme zum Schweigen, ersetzt das Gebot durchs Gesetz, schafft eine Welt (ex nihilo), in der man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen (der Nominalismus hat gleichsam grundsätzliche Vorkehrungen gegen das Erwischtwerden getroffen; vgl. das Feigenblatt und die Bekenntnislogik).
    Habermas‘ „Verletzlichkeit der Person“ und seine Ranküne gegen Adorno gründen in seiner Abwehr der Theologie.
    Ist in dem Gleichnis vom Weizen der steinige Grund die Kirche („auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“), und sind die Dornen und Disteln der Staat und die Ökonomie?
    Nicht die Kirche, sondern der Kapitalismus, die Ökonomie, ist das steinerne Herz der Welt; er hat deshalb gesiegt, weil er der Erbe und die Verkörperung aller Sieger ist: das Subjekt des Hegelschen Weltgerichts.
    Enthält nicht Mt 16 (zusammen mit Mt 18) über die Gründungs- und Bestandsgarantie der Kirche hinaus eine weit darüber hinausreichende Dramatik?
    Das Inertialsystem ist als Instrument der Instrumentalisierung der externe (anorganische) Kern des Animalischen. Das Tier unterscheidet sich von der Pflanze durch seine sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit, durch die Selbstbewegung und durch seine objektivierende Tätigkeit (sein „kommunikatives Handeln“). Nur daß beim Tier diese objektivierende Tätigkeit insgesamt zwangshaft ist: instinktgebunden.
    Indikativ und Imperativ: Wäre Gott allwissend, wäre er nicht barmherzig.
    Die Sprache lebt aus der Kraft des göttlichen Namens. Deshalb können Tiere nicht sprechen.

  • 7.12.1994

    Das Geld (der Marktautomatismus) läßt die Armen schuldig werden (die Begründung findet sich dann schon). Das war der Grund, weshalb seit den Kirchenvätern die concuspicentia als Träger der Erbschuld begriffen wurde: Opfertheologie und Vergöttlichung Jesu, Folgen der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, gehorchten gleichsam in vorauseilendem Gehorsam immer schon der Logik des Kapitals; so haben sie ihr vorgearbeitet. Eine wichtige Rolle in diesem Prozeß spielte die neudefinierte Funktion der Sexualmoral, der die Kirche verfallen ist, weil sie den Mechanismus nicht durchschauen konnte. (Vgl. hierzu Hinkelammert, Kritik, S. 269ff, insbesondere auch die Anm. S. 271, sowie den transzendentallogischen Zusammenhang des Marktautomatismus mit dem Inertialsystem.)
    Der „persönliche Gott“ ist der magische Helfer der Einsamen, der Gott der Sexualmoral.
    Läßt sich die Beziehung von Barbaren und Hebräern aus der unterschiedlichen Stellung zur Schuldknechtschaft, und d.h. zur Logik des Kapitals, herleiten?
    Der Erkenntnisbegriff reicht weiter als der des Wissens. Es war der Grundfehler des deutschen Idealismus, daß er beide in eins gesetzt hat. (Hängt nicht auch das mit dem Wort vom Rind und Esel zusammen: das Rind ist ein Opfertier, während die Erstgeburt des Esels durch ein Lamm ausgelöst wird?)
    Die prophetische, die messianische und die parakletische Erkenntnis sind drei Stufen der Erkenntnis, die auf die Trinitätslehre zurückweisen (auf die Gründe des Antijudaismus, der Ketzerverfolgung und der Frauenfeindschaft). Hat die dritte Leugnung etwas mit der Sünde wider den Heiligen Geist zu tun, die Selbstverfluchung Petri mit der Leugnung der parakletischen Form der Erkenntnis?
    Das Urteil ist das Instrument der Veranderung oder der Verweltlichung des Denkens.
    Joch und Last: Wird mit dem Jesaia-Wort nicht die Sünde der Opfertheologie bezeichnet, die das Auf-sich-Nehmen der Last, der Sünde der Welt, zum Joch (zur Last für andere) gemacht, es zur Rechtfertigung der Unterdrückung benutzt hat? Die Last nehme ich auf mich, das Joch lege ich anderen auf. Und das ist die Verführung des Inertialsystems wie auch des Tauschprinzips (insgesamt des Schuldverschubsystems), daß sie Last und Joch identifiziert. Adornos Kritik des Identitätsprinzips zielt genau auf diesen Sachverhalt. Der Satz über Rind und Esel enthält die Kritik des Weltbegriffs, der die Identifizierung von Joch und Last zur Grundlage hat. Vgl. hierzu Rosenzweigs Satz: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr, oder auch das Jesus-Wort: Mein Joch ist sanft und meine Bürde leicht (Mt 1130).
    Die Philosophie, und nach ihrer Hellenisierung auch die Theologie, hat seit je das Herrendenken frei- und seine Opfer schuldiggesprochen.
    Erwarten sich die Menschen heute nicht von der Religion und von der sie beherrschenden Gottesvorstellung einen Schutz gegen Gott? Die Idee des Absoluten ist nicht nur ein grandioses philosophisches Konstrukt, sondern das Produkt der Instrumentalisierung Gottes, das die Religion heute beherrscht. Mit der Instrumentalisierung Gottes wird das Aggressionspotential, das in uns steckt: die unaufgearbeitete Schuld, auf die Außenwelt abgeleitet; vergessen wird, daß die Sündenvergebung ans Sündenvergeben gebunden ist.
    Drückt sich beim Hinkelammert (in den Partien, in denen er über Popper nur schimpft) nicht noch ein Stück Hilflosigkeit aus?
    Dieser ungeheuerliche Mechanismus: Wir haben die Armut in die Dritte exportiert, und nutzen sie nun als Hebel, um sie über den Lohndruck, den sie heute erzeugt, wieder zu reimportieren.
    Massen sind nur durch ihr „Gewicht“ in einem Gravitationsfeld (auf einer Waage) meßbar. Ist diese Logik auf den Ursprung des Gravitationsfeldes (beim fallenden Apfel auf die Erde, beim Planetensystem auf die Sonne) überhaupt anwendbar, übertragbar? Können die Sonne, die Erde, der Mond oder die Planeten gewogen werden?
    Merkwürdige Vermischung von Empirie und Logik: „Den entscheidenden Erkenntnisfortschritt über den Anfang unseres Universums hat 1929 der amerikanische Astronom Edwin Powell Hubble bewirkt. Er stellte bei seinen Beobachtungen im Weltall fest, daß je weiter die Galaxien von uns entfernt sind, sie umso schneller von uns wegfliegen.“ (Amand Fäßler, Direktor des Instituts für theoretische Physik und Dekan der Fakultät für Physik der Universität Tübingen, in Publik Forum vom 02.12.94, S. 50). Hubble hat die Rotverschiebung der Spektrallinien der Sterne in Abhängigkeit von ihrer Entfernung entdeckt. Die Vorstellung der Expansion des Weltalls beruht auf einer Interpration dieses Sachverhalts auf der Basis des Doppler-Effekts. (Auf S. 52 fordert Fäßler: „Wir müssen gegenüber allen Ideologie sehr skeptisch sein …“)
    Was das kopernikanische System so nützlich gemacht hat, war, daß man sich dieses Planetensystem so schön vorstellen konnte, daß man es auf eine Bildebene projizieren (es der Logik der Schrift unterwerfen) konnte. Die Vermittlung dieses Bildes durch die Logik der Schrift blieb unreflektiert. So wurde die Unterscheidung zwischen dem Im Angesicht und dem Hinter dem Rücken gegenstandslos: Es gab nur noch ein Hinter dem Rücken. Dieser Schritt hat die „Wirklichkeit“ zur Erscheinung gemacht. Nicht zufällig hat Kant sein Konstrukt der transzendentalen Ästhetik, der subjektiven Formen der Anschauung, aus denen die transzendentale Logik abgeleitet ist, als eine Konsequenz aus der „kopernikanischen Wende“ verstanden.
    War nicht die machsche Kritik der Atomistik ein Versuch der Rekonstruktion des Objekts aus Empfindung und Logik, der sehr kantisch ist, zugleich ein Reflex der Probleme der damaligen Äthertheorien? Die Auflösung dieses Problems (u.a. durch die spezielle Relativitätstheorie Einsteins, durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) war einer der Gründe des Ursrpungs des Neopositivismus, des logischen Empirismus, für den die Rekonstruktion des Objekts aus dem Chaos der Empfindungen nicht gelöst, nur obsolet geworden ist. Die veränderte Logik der neuen Naturwissenschaften (die mit der veränderten Logik der Ökonomie aufs merkwürdigste konvergierte) drückte dann in veränderten Positionen sich aus (Problem der Kausalität, der Anschauung, des „Beobachters“). Das ist das Problem der Beziehung der Naturwissenschaften zum „kulturellen Milieu“. Aus dem Konstitutionsproblem wurde ein innerlogisches Problem, dessen Gegenstandsbedeutung ungeklärt geblieben ist (vgl. Poppers „Falsifikations“-Theorem).
    Wer an der Atomvorstellung festhält und weiterhin nach den letzten Bestandteilen der Materie sucht, wird sich damit abfinden müssen, daß er auf immer neue Zwiebelschalen stößt.
    Wer die Postmoderne für ein weltanschauliches Problem, gleichsam für ein Bekenntnisproblem, hält, verharmlost das Problem; die Postmoderne spiegelt in Wahrheit die innerlogischen Probleme des derzeitigen Standes der Aufklärung wider.
    Sind die flektierenden Sprachen nicht Fortbildungen der agglutinierenden Sprachen, die Affixbildungen Weiterbildungen der Determinanten, die selber schon als erste Spuren der Logik der Schrift in der Sprache zu begreifen sind? Spiegelt die Trennung der Sprachen nicht verschiedene Phasen der Verschriftlichung der Sprache wider, und war vielleicht das Bilderverbot gegen den „Fortschritt“ der indogermanischen Sprachlogik gerichtet?
    Kann es sein, daß das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande sich auf die Geschichte der christlichen-jüdischen Beziehung seit dem Urschisma bezieht?
    Der Begriff des „vollkommenen Wissens“ wäre anwendbar nur auf eine tote Welt, auf eine endgültig abgeschlossene Vergangenheit. Die Allwissenheit als Attribut Gottes unterscheidet sich von der Erkenntnis, die Gott allein zugesprochen werden kann, durch eine qualitative Differenz: durch die Abwesenheit der Barmherzigkeit. Wissen ist gnadenlos, ihrem eigenen Objekt, auf das es sich von nur außen bezieht, fremd; die göttliche Erkenntnis wäre das Gegenteil davon: das Angesicht Gottes als eine Erkenntnis, in der seine Objekte sich selbst ohne Angst wiedererkennen.
    Das Wissen ist (wie die Begriffe Natur und Welt) ein Produkt der Logik der Schrift; auf ein „All“, das vorauszusetzen wäre, wenn es so etwas wie ein vollkommenes Wissen geben sollte, läßt es ohne Selbstwiderspruch nicht sich beziehen (die Entfaltung dieses Selbstwiderspruchs ist die Hegelsche Logik, in der die Stelle des „vollkomenen Wissens“ von der Idee des Absoluten, der Spiegelung des Subjekts im Unendlichen, besetzt wird).
    Die Geschichte ist ebensowendig das Weltgericht, wie Gott der Herr der Geschichte ist. Nach Hegel bezeichnet der Begriff der Geschichte sowohl die vergangenen Begebenheiten als auch ihre Darstellung, die erinnernde Vergegenwärtigung des Vergangenen; verweist das nicht auf einen logischen und sachlichen Zusammenhang beider? Wird nicht das Vergangene erst durch seine Erinnerung zum Vergangenen? Vollzieht die historische Erinnerung und Vergegenwärtigung des Vergangenen (seine Vergegenständlichung im Kontext der Fundierung der Institution des Privateigentums und der Begründung des Begriffs) erst die Taufe der Vergangenheit am Vergangenen? In welcher Beziehung steht dieser Begriff der Geschichte zum Weltbegriff (zum Wertgesetz und zum Inertialsystem)? Gibt es einen Weltbegriff ohne die Abtrennung (und Vergegenständlichung) der Vergangenheit als Geschichte? Gehört diese Abtrennung nicht als ein konstitutives Moment zum Begriff der Geschichte und zur Konstituierung ihres Objekts, der Gegenwart, die nur so zu einem Teil der Geschichte wird (zur Konstituierung sowohl der Geschichte als auch der Welt, die erst durch ihre Beziehung zur eigenen Geschichte als Welt sich konstituiert)? Aber bedeutet das nicht auch, daß sowohl der Bann der Natur als auch der der Geschichte beide in einen Schuldzusammenhang rückt, der ihre Beziehung zur Wahrheit verhext? (Epos, Gegenständlichkeit, Logik der Schrift: nicht nur die Naturwissenschaft, auch die Geschichte ist ein Verdrängungsinstrument; vgl. die Funktion kontrafaktischer Urteile in der Geschichte; Prophetie und Apokalyptik; Fälschungen in der Geschichte).
    Durch ihre historische Vergegenständlichung ist die Geschichte zu einer Kolonie der Gegenwart geworden. Die Gegenständlichkeit der Geschichte ist eine ästhetische, keine reale: Grund des Objektbegriffs und des Begriffs des Wissens, der ohne das Moment des Scheins nicht zu begründen ist.
    Ohne den Weltbegriff kein „persönlicher Gott“; beide stützen sich gegenseitig. Atheistisch ist erst die zur kritischen Masse zusammenschießende verweltliche Welt (der Faschismus, der zum Staatskapitalismus gewordene „real existierende Sozialismus“).
    Ist das Präsens Produkt der erinnernden Vergegenwärtigung des Vergangenen, die versperrte Gegenwart (durch die zeitlichen Formen des Konjugationssystems – durch Präteritum, Plusquamperfekt, Futur II – vermittelt wie der Nominativ durch die Kasus, durch Akkusativ, Genitiv und Dativ)?
    Zur Ableitung und Kritik des Gehorsams: Die Attribute Gottes stehen im Imperativ. Ihre Erkenntnis ist prophetische Erkenntnis, die nicht den Gehorsam begründet, sondern das autonome Tun als Erfüllung des Worts. Der Gehorsam verwandelt den Imperativ in einen Indikativ, das Gebot ins Gesetz: er steht unter dem Bann der Logik der Schrift (Folge der Objektivierung des Attribute Gottes).

  • 6.12.1994

    Das Subjekt und die Person sind die Korrelate des Natur- und des Weltbegriffs, der in ihnen sich manifestierenden Objektivationsmechanismen (das Tier aus dem Meere/ das Tier vom Lande): Das Subjekt konstituiert sich im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung (der Geschichte der Philosophie und Wissenschaft), die Person im Kontext des Geldes (der Ökonomie und des Rechts: des Staates). So ist die Natur fürs Subjekt ein Gegenstand der Kontemplation (der Anschauung), die Welt für die Person ein praktischer, sein Handeln bestimmender Begriff. Die Person verhält sich zur Welt wie die Natur zum Subjekt, oder: Während das Subjekt gegen die Natur (die sich in desem Zusammenhang überhaupt erst konstituiert) die Welt vertritt, regrediert die Person in ihrem Verhältnis zur Welt in Natur.
    Das Verhältnis von Subjekt und Person gehört zu den Grundlagen des modernen Materiebegriffs. Bezieht sich nicht hierauf das prophetische Verbot, mit Rind und Esel gemeinsam zu pfügen, Joch und Last in eins zu setzen (Hinweis auf die Elemente einer Kritik der Logik der Schrift)?
    Der Markt frißt den Himmel und die Erde auf.
    Sind nicht die Atome (die Objekte der Mikrophysik) Objekte der Physik jenseits der Feuergrenze (jenseits der Lichtgeschwindigkeit)? Davon abstrahiert die Vorstellung des „leeren Raumes“, des Vakuums (der horror vacui ist der Schrecken, den der Herr um sich verbreitet).
    Die Diskussion des Kausalitätsprinzips verweist auf die Grenze der Naturbeherrschung: die Grenze, an der „die Natur“ zurückschlägt, an der die Wirkungen von den Nebenwirkungen nicht mehr sich trennen lassen (die atomare Strahlung läßt sich weder verhindern noch beseitigen, vgl. auch die „Nebenprodukte“ der Giftküche Chemie)?
    Zu der Feststellung, daß ich in der Schule Schizophrenie gelernt habe, gibt es noch eine Steigerung. Heute trennt die Verstellung, zu der ich damals gezwungen war, nicht mehr nur Außen- und Innenwelt (Schule und Privatsphäre), sie ergreift auch das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern (die gegen sie die Außenwelt repräsentieren). Gründet in dieser Konstellation nicht das Antlitz des Hundes (und in letzter Konsequenz die Ursprungsgeschichte der Tiergattungen)?
    Das Angesicht ist das Produkt einer Umkehr, die die Seele, das Subjekt und die Person nicht mehr bloß beiseite läßt, von ihnen absieht, sondern sie vielmehr in sich auflöst, sie gegenstandslos macht. Zur Idee des Angesichts gehört es, daß es ein Hinter dem Rücken nicht mehr gibt. Darauf haben sich einmal die Idee der Auferstehung und das Wort Verklärung bezogen.
    Gleicht nicht Poppers Versuch, die Idee der Unsterblichkeit mit dem Hinweis auf Bakterien und Krebszellen zu beweisen, dem Versuch, die Idee des seligen Lebens durch den Hinweis auf den „Wurm, der nicht stirbt“ zu bestimmen?
    Steht Martin Buber nicht unterm Bann der Welt? Was bei ihm zur Grundlage von Befreiung oder Erfüllung wird, die „Du-Bezogenheit“, wird bei Emmanuel Levinas zum Begriff der Geiselhaft.
    Ist die Trennung (der Ursprung) des Männlichen und Weiblichen durchs Neutrum vermittelt?
    Gehorcht nicht die Sprachgeschichte einer Logik, die die Musik zu reproduzieren (der sie durch Mimesis sich zu assimilieren) versucht? Die Logik der Sprache ist die Musik, nach der alle tanzen. Das Wort aber erfüllt sich jenseits der Musik.
    Erkenntnis führt nicht immer zum Wissen; Wissen ist vergesellschaftete Erkenntnis. Das Wissen verandert die Erkenntnis (und den Erkennenden), nimmt die Reflexion auf den Andern in die Erkenntnis mit herein (ersetzt Gott durch die Idee des Absoluten). Hier (in der realen historischen Abfolge des philosophischen Gedankens, in der die Idee des Absoluten sich entfaltet) liegt der Grund der Dialektik. Es kommt darauf an, diesen Vergesellschaftungsprozeß in der Genese der subjektiven Formen der Anschauung zu begreifen und so deren Bann über alle Erkenntnis zu lösen.
    Die Kirche verhindert die Auferstehung des Wortes Gottes, indem sie den Kreuzestod Jesu instrumentalisiert. Diese Instrumentalisierung war das einzige Mittel, das katastrophische Moment in der Geschichte, auf das der Kreuzestod verweist, zu verdrängen.
    – Brot: Weizen, Mühle, Sauerteig und Backofen,
    – Wein: Weintraube, Kelter, Gärung und neue Schläuche.
    – Ölbaum: der Ölberg, die Lampen der klugen Jungfrauen und die Salbung.
    Gibt es einen Zusammenhang der Teilnahme an den sportlichen Wettkämpfen im Hellenismus, der Vergesellschaftung der Salbung (2 Makk und Jotam-Fabel), mit dem Ursprung des Christentums?
    Steht das Sakrament nicht unter dem Zeichen des Täufers (der Taufe mit Wasser), während die Taufe mit dem Geist noch aussteht? Erst dann wird der Geist die Erde erfüllen, wie das Wasser den Meeresboden bedeckt.
    Das englische man, das sowohl den Mann als auch den Menschen bezeichnet, ist ein sprachlogische Folge (eine Funktion) des to be.
    Die Präfixe sind Operatoren, die die Verben qualifizieren, die Suffixe sind Determinatoren der Substantivierung. Wirft das nicht nachträglich eine Licht auf die Bedeutung und Funktion der Suffixe in den klassischen Sprache, in denen sie die Flexion beherrschten. Über die Form der Artikel, die Personalpronomina und die Hilfsverben sind sie aus Bildung der Nomina und Verben wieder herausgenommen worden (bei gleichzeitiger Änderung der Affinität von Begriff und Sprache: Ursprung des Nominalismus).
    Das Substantiv ist eine Endgestalt der Sprachgeschichte (ein End- und Zielpunkt des Falles). Zusammenhang des „Hauptworts“ mit der „Tatsache“ (und der Mathematik)?
    Frohe Weihnachten: „Was hast du denn da wieder angerichtet, Das ist ja eine schöne Bescherung.“

  • 4.12.1994

    Zur Kritik des Sollens: Wer sieht, daß ein Kind in einen Brunnen fällt, handelt, ohne sich in einer Ethik (in einer „Gewissensentscheidung“) rückzuversichern. Sein Handeln ist spontan, weil notwendig: Er holt das Kind heraus. Ein Sollen würde erst entstehen, wenn dieses Handeln (unterm Rechtfertigungszwang) nicht mehr das Normale, sondern durch Reflexion erst zu begründen wäre: Aber ist dieses Nicht-mehr-Normale, wenn man heute auf die Knäste, die Asylpraxis, den Zustand der sogenannten Dritten Welt sieht, nicht mittlerweile das Normale: Brennt nicht die Welt, während wir den Schrei der Verbrennenden als Unterhaltung genießen? Das ist gemeint, wenn nach Levinas die Attribute Gottes im Imperativ und nicht im Indikativ stehen. Die prima philosophia ist nicht die Ontologie, sondern die Ethik (und nur so, nicht als zweite Disziplin der Philosophie ist die Ethik noch zu begründen).
    Die Form des Raumes (die sich in den grammatischen Strukturen der indoeuropäische Sprachen vorbereitet und ankündigt) trennt die Logik der Schrift von der Sprache. Deshalb wurde das Licht durchs Wort erschaffen.
    Mit dem Präfix be- gebildete Verben haben im Passiv und im Perfekt die gleiche Form; die Perfektbildung mit ge- entfällt. Begründet das be- den passivisch-perfektiven Objektstatus, ein durchs Haben (durch den im Haben begründeten Zwang) bestimmtes Sein, und seine Vorform das griechischen sym-/syn bzw. des lateinischen con-/cum (vgl. symbolum, confessio, Bekenntnis)? Ist das be- der sprachliche Reflex eines durchs Tauschprinzip definierten Eigentumsverhältnisses (des Staates)?
    Zur Geschichte der Banken wäre der Hinweis wichtig, daß
    – der Modernisierungsschub in der politischen Ökonomie, aus dem auch der Faschismus abzuleiten wäre, sich auf eine merkwürdige Weise widerspiegelt in der Geschichte des Positivismus (von Mach zum Wiener Kreis) und ihrer Affinität zum Ursprung des Neoliberalismus (Hinkelammert, Popper);
    – es ist die gleiche Geschichte, in der der Staat immer mehr seiner Funktionen abgibt an politisch nicht mehr zu kontrollierende Instanzen (Bundesbank, Bundesverfassungsgericht, Europäische Gemeinschaft), parallel dazu immer größere Teile seiner Aufgaben privatisiert;
    – mit der Ausweitung der Funktionen des Marktes (mit den Banken als Clearingstellen) degeneriert Politik zusehends zum Wechselspiel von Privatwirtschaft und Verwaltung, während die Regierung immer deutlicher auf die auf die immer weniger zu erfüllende Funktion der Erhaltung und Garantie des Privateigentums zusammenschrumpft (mit einem Militärapparat, der die einfachsten Funktionen nicht mehr zu erfüllen in der Lage ist – vgl. den Golfkrieg, den Somalia-Einsatz und den Jugoslawien-Krieg mit dem Vietnam-Krieg -, und einer zusehends von innen sich kriminalisierenden Polizei).
    Hat der Abbau der Sozialleistungen (die „Verschlankung des Staates“ im Kontext der Privatisierung seiner Aufgaben und der Delegation von Regierungsaufgaben an „autonome“, d.h. nur dem Gesetz der Eigentumserhaltung, dem Wertgesetz des Marktes, verpflichtete Institutionen) etwas mit dem Problem der Energieerzeugung zu tun, mit der Senkung der Lohnkosten und der Steigerung der Energieausbeute (Ausbeute und Ausbeutung)?
    Poppers Konzept der wissenschaftlichen Erkenntnis, die aus Hypothesen hervorgeht, die sich im strengen Sinne nicht verifizieren lassen und nur so lange gelten, wie sie nicht falsifiziert (empirisch widerlegt) worden sind, orientiert sich am Modell der freien Marktwirtschaft, in der das Ergebnis des wirtschaftlichen Handelns sich auch nicht antizipieren (höchstens durch begleitende Strategien bis zu einem gewissen Grade absichern) läßt: Über das Ergebnis entscheidet letztendlich – wie in der empirischen Naturwissenschaft das Experiment – der Erfolg oder Mißerfolg am Markt. Der Neoliberalismus ist der Versuch, das Äquivalenzsystem der Naturwissenschaften auf die Ökonomie zu übertragen.

  • 08.11.92

    Sind die Gestalten des Atheismus heute nicht Metastasen des steinernen Herzens der Welt, zu dem die Kirche geworden ist; und wird sie darüber nicht einmal Rechenschaft ablegen müssen?
    Kann man die Zivilisationen aufteilen nach ihrer Stellung zur Erbschaft (zum Privateigentum), ob in ihnen die Kinder von den Vätern oder die Väter von den Kindern leben?
    Das Blasphemie-Verbot hat einen ähnlichen Stellenwert wie die Sexualmoral: Beide sind Instrumente zur Verhinderung von Herrschaftskritik. Und wirksam sind beide nur über die Mechanismen von Empörung und Entrüstung. Grund beider ist das sakralisierte Privateigentum, dessen Verletzung noch vor dem Mord rangiert.
    Die Kirche seit der Konstantinischen Wende hat die Erinnerung an die Märtyrer durch Heiligsprechung nicht nur gerettet, sondern zugleich verraten.
    Wenn das Wort stimmt: Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren, dann hat die Kirche mit dem Unsterblichkeitsglauben ein Spielchen eröffnet, in dem der Gläubige nur verlieren kann.
    Die Kopernikanische Wende war einmal ein Instrument der Befreiung, die Mittel dieser Befreiung aber sind dann zu einem Netz der Verstrickung geworden, in dem das Bewußtsein langsam aber sicher erstickt. Letzter (und tödlicher) Beweis für die Wahrheit des Satzes „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“.
    Karl Popper ist der liberale Wissenschaftstheoretiker, der entscheidend dazu beigetragen hat, den Ideologiebegriff so zu instrumentalisieren, daß die Wahrheit dahinter verschwindet.
    Nach dem Sündenfall: Adam beruft sich auf Eva, Eva auf die Schlange, und dann spricht Gott den Fluch über die Schlange, Eva und Adam: Stufen der Vergegenständlichung? Gibt es hierzu eine Beziehung in der Geschichte der drei Versuchungen Jesu?

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