Rassismus

  • 23.10.95

    Die Bekenntnislogik ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Rachetriebs. Das Christentum hat den Satz „Mein ist die Rache, spricht der HERR“ mit der Opfertheologie ins Affirmative gewendet und zugleich den „jüdischen Gott“ zum „altorientalischen Rachegott“ erklärt. Diesem Vorgang verdankt sich das Schuldverschubsystem, das der christlichen Gnaden- und Erlösungslehre zugrundeliegt (die Vorstellung von einem gnädigen und barmherzigen Gott, der die Sünden vergibt, ohne noch das sicut et nos dimittimus debitoribus nostris zu fordern).
    Der Schrecken Isaaks: Liegt das Befreiende des Lachens nicht darin, daß man lernt, mit dem Schrecken zu leben?
    Was war der Grund für den Untergang, die (unblutige!) Vernichtung, der Rotte Korah, die „lebendig in die Unterwelt gefahren“ ist? Nur Korah war ein Levisohn, Dathan und Abiram waren Rubensöhne, wer waren die 250 Männer (Num 16)?
    Der Satz, daß es einen Gott gibt, begründet keine Theologie, nur eine Religion für andere. Dieses „es“ repräsentiert die Welt, deren Logik das „es gibt“ die Gottesvorstellung unterwirft. Auch der Begriff der Existenz ist theologisch unbrauchbar: Die Existenz ist in sich selbst gesellschaftlich vermittelt. Nachdem der ontologische Gottesbeweis am Ende auf die Existenzphilosophie zusammengeschrumpft ist, ist der Begriff der Existenz zum Decknamen der Hybris geworden.
    Der Tod ist für die Existenzphilosophie der reine Aggressor und das „Vorlaufen in den Tod“ der Akt der Identifikation mit dem Aggressor. Nur durch Identifikation mit dem Aggressor kann man innerhalb der Logik der Existenzphilosophie sich vor diesem Aggressor noch schützen.
    Esel und Rind: Das Nachfolgegebot verlangt, das Kreuz auf sich zu nehmen, nicht es den andern als Joch aufzuerlegen.
    Eine Musikphilosophie heute hätte von der Allgegenwart einer „Musik“ auszugehen, die längst zum schwarzen Loch geworden ist, das alles Licht in sich aufsaugt, keines mehr ausstrahlt.
    Das neue „Asylrecht“: Die Fortsetzung von Hoyerswerda mit anderen Mitteln.
    Die Empörung gehorcht bewußtlos dem Schuldverschubsystem.
    Barmherzigkeit, nicht Opfer: Nicht auf die Unschuld kommt’s an, sondern aufs Tun.
    Wer das eigene Sehen als In-Augenschein-Nehmen erfährt, sollte sich nicht wundern, wenn er am Ende wie ein Auto ausschaut.
    Waren die Pyramiden Einrichtungen zur Ehrung der Toten oder zum Schutz gegen sie? Waren sie der Preis für die pharaonische Herrschaft, die präventive Absicherung, daß die Pharaonen nach ihrem Tod nicht wiederkommen werden? War das Grab nicht seit je auch ein Schutz vor den Toten (augenfällig das Hünengrab, dessen Last der Tote niemals würde abwerfen können: waren die Toten in den Hünengräbern nicht gefesselt, in „Hockstellung“)? Und war das Gefühl der Trauer nicht auch seit je ambivalent, der geheuchelte Schmerz, hinter dem die Erleichterung sich verbarg?
    Ist die Priesterschaft der Kirche die Wache vor dem Grab, zu dem der Himmel am Ende geworden ist: die Absicherung der Verhinderung Seiner Wiederkunft? Nur der „zur Rechten des Vaters“ sitzende Herr scheint für kirchliche Zwecke brauchbar zu sein.
    Für den Fundamentalismus ist das Licht eine Fluchtburg, keine öffnende und offensive Befreiung von der Blindheit. So darf er sich nicht wundern, wenn er das Licht unterm Scheffel wiederfindet. Der Missionsauftrag der Kirche kann nicht darin sich erfüllen, daß am Ende alle unter dem Scheffel sich versammeln.
    Durch den Export der Armut ist die Arbeitskraft draußen billiger und zur Konkurrenz der Arbeitskraft im eigenen Lande geworden. Das ist der ökonomische Grund des Reimports der Armut.
    Der Lauf der Welt: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg militärisch zwar verloren, den Raub des jüdischen Eigentums und den Gewinn aus der Ausbeutung der KZ-Sklaven, der Fremdarbeiter und der Kriegsgefangenen aber behalten dürfen. Sie waren ein Teil der Grundlagen der ökonomischen Revision des verlorenen Krieges unter den Bedingungen und in der Folge des „Kalten Krieges“, zu dessen Gewinnern Deutschland gehört. Das Land, das die ganze Last des Zweiten Weltkrieges getragen hat, Rußland, war am Ende der wirkliche Verlierer.
    Ökonomie und Rassismus: Sind nicht die Stabilität der DM und der „Standort Deutschland“ die Erben der faschistischen Rassenideologie, die zynische Aufdeckung ihres ökonomischen Kerns?
    Der Slogan „Standort Deutschland“ (der auf die Probleme der Geldwertstabilität, der Außenhandelsbilanz sich bezieht) ist ein Stichwort für die Verwilderung der ökonomischen Sitten.
    Heute gibt es (als Pendant zum Gesinnungs-Marxismus) einen Bereicherungs-Kapitalismus, der dabei ist, die eigenen produktiven Grundlagen zu zerstören. 90 % der Geldbewegungen auf den internationalen Märkten sind spekulative Bewegungen, nur noch 10 % beziehen sich auf den Warenverkehr und auf Dienstleistungen.
    Der Rechtfertigungszwang (das moralische Pendant zum kapitalistischen Prinzip der Gewinnmaximierung) macht das Schuldverschubsystem irreversibel.
    Der Staat, der nur an marktwirtschaftlichen Grundsätzen sich orientiert, ist ein Profitmaximierungsmaschine, ein Instrument der Umverteilung und Ausbeutung.

  • 14.10.1995

    Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und das Plancksche Wirkungsquantum sind Hinweise auf die Irreversibilität der Richtungen im Raum.
    Die Linguistik reicht ebensowenig an die Ursprungsgeschichten der Sprachen heran wie die Naturwissenschaften an die der Welt. Ist nicht die Urknalltheorie rassistisch, bezeichnet sie in der Physik die Stelle, die in der Linguistik das Problem des Ursprungs der indogermanischen Sprache bezeichnet?
    Hegels Begriff der List der Vernunft ist das Eingeständnis, daß die bürgerliche Vernunft sich vom Betrug nicht freimachen kann. Dieser Betrug steckt in den Fundamenten der Welt, sein Kern ist der Weltbegriff, sein Grund das Herrendenken.
    In welchem Zusammenhang stehen die Begriffe Verdacht, Unterstellung und Behauptung?
    Hegels Philosophie gleicht der Katze, die sich selbst in den Schwanz beißt, sie gleicht dem Swinegel un sin Fru, die den Hasen sich zu Tode rennen lassen, weil er sie nicht unterscheiden kann, wenn sie rufen „Ick bün all do“. Sie unterschlägt, daß die Katze eigentlich die Maus meint, und daß das Ich des Swinegels und das siner Fru nicht dasselbe Ich ist. Grund des Betrugs ist in beiden Fällen die List, die das Ungleichnamige gleichnamig macht. Diese List zerstört den Namen, ersetzt ihn durch den Begriff.
    Sind Begriffe terroristische Vereinigungen, bildet das strafrechtliche Konstrukt der terroristischen Vereinigung ein Moment im Prozeß der Begriffsbildung ab? Wenn ich einen, der gemordet hat, Mörder nenne, subsumiere ich ihn unter einen Allgemeinbegriff, der ihn terrorisiert („abschreckt“). Gilt das Gleiche nicht auch, wenn ich eine Katze eine Katze, ein Rind ein Rind und einen Löwen einen Löwen nenne? Was ist wirklich passiert, als Adam die Tiere benannte?
    Wenn ich aus dem Begriff „Rache des Objekts“ das Psychologische herausnehme, trifft er einen sehr realen Sachverhalt.
    Die Hegelsche Idee des Absoluten ist die Rache des Objekts am Begriff.
    Beweislogik und Objektivität: Ist nicht das Recht der Beweis, daß die Logik ein Instrument der Rache des Objekts (die instrumentalisierte Rache des Objekts) ist?
    Das Prophetenwort: Mein ist die Rache, spricht der Herr, ist der Kern der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung, der Kern des Bilderverbots, und ein Hinweis auf das mit der Heiligung des Gottesnamens Gemeinte.
    Wer ist das Subjekt der Geschichte? Erst durch den Begriff wird das Objekt zum Objekt (der Begriff konstituiert den Raum, in dem das Objekt als Objekt erscheint): Erst durch die Geschichtsschreibung, die die Geschichte in die Vergangenheit bannt, sie zum Gegenstand der Anschauung macht, wird die Geschichte zur Geschichte.

  • 13.10.1995

    Die Berufung auf Adam in der Vorrede zum „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ ist ambivalent. Die Benennung der Tiere durch Adam war die Aufhebung der Gemeinschaft mit ihnen, der erste Akt ihrer Objektivierung und Unterwerfung. In den Tieren erkannte Adam seine Einsamkeit, und die Tiere sahen sich erkannt von einem, mit dem sie keine Gemeinschaft hatten. Hat nicht Adam schon „gebunden“, und war das nicht die „Sünde der Welt“, auf die Joh 129 (und das Wort vom Binden Lösen bei Mt) sich bezieht?
    Die Verführung des Beamten: Er gewinnt sein Selbstbewußtsein aus einer Tätigkeit, die ihn zugleich exkulpiert. Er ist nur ein unschuldiges Rädchen im Getriebe der staatlichen Verwaltung, hat aber kraft der ihm obliegenden „hoheitlichen Aufgaben“ zugleich teil am Gewaltmonopol des Staates. Er vertritt den Staat, der ihm zugleich die Last der Verantwortung für sein Tun abnimmt, gegen seine Bürger. Das Resultat ist eine Mischung aus Verantwortungslosigkeit und Allmachtsphantasien.
    In einer Welt, in der es Ziele nur noch in der Gestalt von Mitteln, die zu Selbstzwecken geworden sind, gibt, kann die Humanität des Handelns nicht mehr an den Zielen, sondern allein an den Mitteln gemessen werden.
    „Gesegnet sei mein Volk Mizrajim, meiner Hände Werk Aschur, und mein Erbe Jisrael.“ (Jes 1925) War nicht Mizrajim das aus den Zwängen der kollektiven Selbsterhaltung hervorgegangene Sklavenhaus, Aschur die aus Verteidigungszwängen hervorgegangene brutale Militärmacht?
    Zwischen der griechischen und lateinischen Sprache liegt die Wasserscheide des Dogmas. Wenn die griechische Sprache eine prädogmatische und die lateinische eine postdogmatische Sprache ist, was hat es dann zu bedeuten, wenn im Deutschen der bestimmte und der unbestimmte Artikel, im Griechischen, das den unbestimmten Artikel nicht kennt, der bestimmte Artikel der Deklination unterliegt, während das Lateinische überhaupt keinen Artikel kennt? Dem griechischen zoon politikon entspricht in der Sprachlogik des Lateinischen die res publica, wobei die res dem pragma entspricht; erst im Deutschen werden Ding und Sache getrennt, Reflex der Trennung von Objekt und Prädikat, des bestimmten und unbestimmten Artikels.
    Krankte nicht die 68er Bewegung daran, daß sie Verwaltung und Recht aus der herrschaftskritischen Reflexion ausgeschlossen (oder sie schlicht vergessen) hat? Verwaltung und Recht waren für sie ein Stück Natur, das für sie nur gegeben und hinzunehmen, dann im „Marsch durch die Institutionen“ auch zu nutzen war. Beide, Verwaltung und Recht, verkörperten eine objektive Gesetzmäßigkeit, die falsch angewendet werden konnten, deren richtige Anwendung demnach allein von den Personen abhing, die dieses Instrumentarium beherrschten. In der instrumentalisierten Welt waren die Instrumente naturgegeben, jede Erinnerung an ein An-sich getilgt.
    Das Geschlecht bezeichnet ebensosehr einen biologischen wie einen sprachlichen Sachverhalt. Der Idealismus, der mit Hilfe der Sexualmoral den biologischen Anteil leugnet, ist frauenfeindlich, der Biologismus, der den sprachlichen Anteil leugnet, männerfeindlich.
    Die Vergöttlichung der Heroen hat der Erkenntnis Gottes, der Heiligung Seines Namens, den Weg versperrt.
    Die Unfähigkeit, mit Fehlern umzugehen (Fehler einzugestehen), die Tendenz aus einmal gemachten Fehlern feste Eigenschaften abzuleiten („wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“), der Rechtfertigungszwang und die unaufhebbare Ungeduld, die Unfähigkeit, eine Sache reifen zu lassen, gründen in der Logik des Weltbegriffs: sie hängen mit der Verschiebung des Perfekts in die Vergangenheit zusammen, mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. Der Rassismus ist der genaueste Ausdruck der Logik des Weltbegriffs (Ableitung der Sexualmoral!).

  • 4.10.1995

    Die Rede ist das politische Pendant der (theologischen) Predigt. Von der Kanzel (ex cathedra) wird nicht geredet, sondern gepredigt, nämlich mit einer Autorität, die der parteilichen Rede nicht zusteht. Die Rede lebt von der Argumentation, von ihrer Wirkung auf den Zuhörer, die Predigt will dem Glauben, dem Lebensprinzip der Gemeinde, Sprache verleihen. Heute, da die Politik selber anderen, nicht mehr kommunikablen Gesetzen gehorcht, ist die Rede zur Reklame, bestenfalls zur bloßen Meinung, die einer „vertritt“, geworden; mit der Rede soll Politik wie ein neues Waschmittel verkauft oder wie ein neuer Staubsauger angepriesen werden. Die einzige Autorität, auf die eine Rede sich berufen kann, ist, da im Bereich des Parteilichen die Gründe nicht hinreichen, nur noch die persönliche. Deshalb sind Fragen der persönlichen Integrität eines Politikers inzwischen wichtiger als seine politischen Ziele (die weithin ohnehin nicht mehr sich unterscheiden lassen) geworden. Was bedeutet vor diesem Hintergrund die theologische Rezeption des Begriffs der Rede: die „Rede von Gott“, die „theologische Rede von Schuld“. Nach Kluge weist das Wort zurück auf einen gemeinsamen Ursprung mit der lateinischen ratio und auf eine gemeinsame Bedeutung, etwa: Rechenschaft ablegen, (sich oder etwas) rechtfertigen. Unverkennbar der apologetische Ton. Verweist nicht die „Rede von Gott“ auf den fatalen Zusammenhang, daß man eigentlich von Gott nicht mehr reden kann? Dementiert nicht jede Rede genau das, wovon sie redet? Verweist dieser Sprachgebrauch nicht darauf, daß – wie in der Politik, so jetzt auch in der Religion – niemand mehr weiß, wovon er redet? Die Fragen, die heute in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund stehen: die Sexualmoral, das Zölibat, das Frauenpriestertum, gründen in einem Religionsverständnis, dessen Hauptzweck die „persönliche Anerkennung“, das „Sich-Wohlfühlen“, der Komfort eines schuld- und belastungsfreien Bewußtseins ist, eines Bewußtseins, das mit den realen Problemen: den Problemen der Welt, des Geschäfts, der Politik, in der Religion nicht mehr behelligt werden möchte. Die Religion soll das Gewissen nicht mehr sensibilisieren, sondern zusammen mit der Sache, für die es steht, abschaffen (als Hilfe bei der Erzeugung eines pathologisch guten Gewissens, ggf. über die Bereitstellung eines Ersatz-, eines Alibi-Gewissens, eines Zuschauer-Gewissens, eines Gewissens für andere).
    Das Benennen, oder der Indikativ als Instrument des Schuldverschubsystems: als Generator des Gewissens für andere. Apriorisches Objekt des Benennens ist das Tier (hier gründet die Unterscheidung zwischen dem Tier aus dem Meere und dem Tier vom Lande); worauf es jedoch ankäme, wäre die Erkenntnis des Namens Gottes, zu deren Grundlagen die Reflexion der benennenden Kraft der Sprache gehört. Das Benennen gehört wie das Bekennen, das Bekehren und andere mit dem Präfix be- behaftete Tätigkeiten zu den Handlungen der Hybris.
    Benennen ist eine Kategorie des Schuldverschubsystems.
    Säkularisation der Religion als Ausverkauf der Theologie: Die Religion ist heute in den Händen derer, die nur noch ein Gewissen für andere haben; aber auch so kann man gewissenlos werden. Der Indikativ und die Wertethik sind Verkörperungen des Gewissens für andere.
    In einer Fernsehdiskussion über den Zerfall der deutschen Sprache: „Es gibt Leute, die im Ernst ‚cool‘ sagen.“ – Kann man den Zerfall der Sprache überhaupt an einzelnen Wörtern festmachen; können nicht auch diese Wörter etwas ausdrücken, was anders nicht ausgedrückt werden kann, wenn sie durch den Kontext, in dem sie erscheinen, konkret werden? Sind nicht verräterischer und auch gefährlicher grammatische Konstruktionen, die mit der Sprachlogik auch die Humanität, die Fähigkeit, in den andern sich hineinzuversetzen, verletzen?
    Gnade der späten Geburt: Durch seine Verwendung als Prädikat und als Adjektiv wurde der Faschismus in den blinden Fleck der Sprache gerückt. Der Begriff des Rassismus, der den Faschismus zum Bekenntnis neutralisiert und selbst der Reflexion bedarf, hat dazu beigetragen, die Erinnerung an den Ursprung des Grauens zu verdrängen, damit aber das Grauen selbst virulent gehalten und reaktivierbar gemacht.

  • 22.9.1995

    Zu Off 133: Den Faschismus nicht als Feind, sondern als Verführung begreifen, heißt, auch das Feindbild Faschismus, das mit der Realität seiner Vergangenheit aufs fatalste zusammenhängt, noch als Verführung begreifen. Erst als vergangener siegt der Faschismus (eigentlich dürfte es nach dem Faschismus nichts mehr geben, was ihn nur überlebt).
    Das Feindbild ist (als Teil der Bekenntnislogik) gemeinschaftsbegründend: ein gesellschaftlicher Kitt.
    Die Todesangst wird durch den Historismus, die Vergegenständlichung und Instrumentalisierung der Vergangenheit, verdrängt und begründet zugleich.
    Stammen nicht das Bekenntnis, das Dogma, die Orthodoxie aus dem (weltkonstituierenden) Geiste des Rechts? Und ist nicht der „rechtsfreie Raum“, den es nach Meinung des Münchener Bischofs Wetter nicht geben darf, der Raum, in dem sich die Juden, die Ketzer, die Frauen bewegen?
    (Ist die Existenz der Juden, der Häretiker und der Frauen der Beweis dafür, daß der Raum in keiner seiner drei Dimensionen ins Unendliche sich erstreckt? – Im Kontext der Vorstellung des unendlichen Raumes sind der Antisemitismus, die Unfähigkeit, abweichende Anschauungen zu ertragen, und die Frauenverachtung unvermeidlich.)
    Gerichte, die unter dem Bann des Feindbildes stehen (z.B. in Mord- oder in Staatsschutzprozessen), stehen unter dem Bann des synthetischen Urteils apriori; sie haben nicht mehr die Freiheit, abweichende Fakten zu tolerieren, ohne sie – zynisch und paranoid zugleich – nach Maßgabe des Feindbildes einzuordnen. Jede humane Regung gegenüber einem Angeklagten (der in Wahrheit ein Feind ist) wird zwangsläufig als Unterstützung des Feindes und als Angriff auf das Gericht wahrgenommen.
    Ist nicht der 129a die endgültige Grundlage für die Produktion synthetischer Urteile apriori im Strafrecht? Mit dem Tatbestandsmerkmal „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ wird die Zurechnung einer Tat auch ohne Tatbeteiligung möglich (vgl. den Mordvorwurf wg. des Todes des GSG 9-Beamten im Hogefeld-Prozeß). Eine konkrete Tatbeteiligung braucht nicht mehr nachgewiesen zu werden. Soweit sie dann doch noch erforderlich ist, hat die Kronzeugenregelung die letzte Lücke geschlossen (so im Falle Eva Haule, Christian Klar, Sieglinde Hofmann).
    An der bayerischen Reaktion auf das Kruzifix-Urteil läßt sich erkennen, daß genau jene, die nur noch ein instrumentalisiertes Verhältnis zum Christentum haben, sich über das Urteil empören. Das begründet die Frage, ob das Kruzifix nicht genau dafür das Symbol ist. Der Gebrauch dieses Symbols in den Kreuzzügen, in der Geschichte der Ketzerverfolgung und im Umkreis der Inquisition belegt den gleichen Sachverhalt.
    (Zu Erika Steinbachs Angriff auf die evangelische Kirche in Hessen: So wie den Herrn Hintze hätte die CDU gern alle Pfarrer. Aber verhalten sich nicht in gleichsam vorauseilenden Gehorsam die meisten, allen voran die katholischen Bischöfe, schon entsprechend?)
    Ist der Ausdruck „die Dinge beim Namen nennen“ nicht ein Hinweis auf die fortschreitende Umformung der Sprache zu einem Instrument der Verurteilung (mit ihrer Transformation in den Indikativ)? Ist die benennende Kraft der Sprache endgültig an den gesellschaftlichen Schuldzusammenhang übergegangen? Bezeichnungen wie Nazi, Terrorist, Mörder sind real nur im Kontext eines Schuldverschubsystems, das von der Realität nicht mehr sich unterscheiden läßt.
    Staatsschutzverfahren haben nicht mehr die Kraft zu belehren, weil sie selbst nicht mehr belehrbar, nicht lern- und erfahrungsfähig sind. Es bleibt nur die „Belehrung nach außen“, die Abschreckung, das Errichten eines Tabus (jede „Belehrung nach außen“ ist zugleich eine nach innen, ein Instrument der Verdrängung). Staatsschutzverfahren sind Verfahren der Vorverurteilung, des Vorurteils.
    Zur Genese und zum Begriff des Rassismus: Verdacht und Unterstellung sind experimentelle Anwendungsformen des kontrafaktischen Urteils. Ihre Verwandlung in synthetische Urteile apriori (ihre Biologisierung) macht sie zu Instrumenten des Vorurteils.
    Wie hängt das kontrafaktische Urteil mit dem liberum arbitrium, dem moralischen Äquivalent der „Freiheitsgrade des Raumes“, und wie hängen beide mit den kantischen Antinomien der reinen Vernunft zusammen?
    Erbaulichkeit ist ein Produkt der Übersetzung der Schrift in gegenständliche Vorstellungen, die dann kontrafaktisch ausgemalt werden können (der Mythos war die Einübung dieser kontrafaktischen Ausmalung, der Film ist das Produkt seiner Anwendung). Erbaulichkeit leugnet die Kraft der Sprache. Im Medium kontrafaktischer Urteile hat die transzendentale Ästhetik und Logik (als Inbegriff der Subjektivität) sich konstituiert. Erbaulichkeit nimmt „die Rechte“ der Subjektivität gegen die Idee der Wahrheit wahr. Erbaulichkeit ist blasphemisch.
    Reich der Erscheinungen: Gegenständliche Vorstellungen werden kontrafaktisch ausgemalt, aber durch Musik werden sie verkörpert. Musik verleiht den Vorstellungen Tiefe: Deshalb ist Musik eine aus dem Geist des Christentums (nicht immer jedoch aus christlichem Geist) erzeugte Kunstform, und deshalb bedarf der Film der Musik, um plastische und lebendige Präsenz zu gewinnen.

  • 18.9.1995

    Die theologische Übersetzung der Schrift in den Indikativ läßt sich insbesondere am Begriff des Wunders, der in der christlichen Tradition an der Abweichung vom Naturgesetz, in der jüdischen an seiner Beziehung zur Prophetie – als deren Erfüllung – gemessen wird, nachweisen: daran, daß die Theologie hinter dem Rücken Gottes keinen Spaß mehr versteht (der durch das theologische Apriori ausgeschlossen wird). Die Folgen sind dann selber komisch, wenn z.B. ein von Grund auf ironischer Text wie das Buch der Richter (vgl. die Untersuchung von Lillian Klein) blindwütig als historischer Text verstanden wird (in den gleichen Kontext gehört das nationalistische Verständnis der Erwählung Israels, der Prophetie, des jüdischen Messianismus: auch der Nationalismus versteht – ähnlich wie ein Alkoholiker – keinen Spaß). Wie hängt die Unfähigkeit, Spaß zu verstehen, mit der Neutralisierung und Verdrängung der Idee des seligen Lebens, mit der Privatisierung der Religion, zusammen: mit dem Ausschluß der durch das Motiv der Reflexion von Herrschaft vermittelten politischen Relevanz dieser Idee?
    Die Quellentheorie ist die logische Konsequenz der Übersetzung der Schrift in den Indikativ (ihre Validität gleicht der der rassistischen Lösung des Problems des Ursprungs der indoeuropäischen Sprachen, selber ein Produkt der Anwendung des indoeuropäischen Indikativs auf das Problem des Ursprungs der Sprache, in der dieses Problem allein als Problem sich konstituiert).
    Der Rassismus ist das Produkt der Selbstanwendung des Indikativs. So hängt er mit den kantischen Antinomien der reinen Vernunft (mit der Selbstanwendung der subjektiven Formen der Anschauung) zusammen. Der Rassismus ist das absolute synthetische Urteil apriori.
    Wer keinen Spaß versteht, säuft und macht Witze. Deshalb gilt im deutschen Recht Trunkenheit als Strafmilderungsgrund.
    Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Wenn auch dieser Satz im Imperativ, und nicht im Indikativ steht, ist er dann nicht identisch mit der Idee des Heiligen Geistes: dem verteidigenden Denken?
    Der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, findet seine Begründung in den Grenzen der Beweislogik: Gemeinheit ist mit den Regeln der juristischen Beweislogik nicht nachweisbar. Es gibt keine juristisch faßbaren „Fälle“ von Gemeinheit. Wer die Realität mit ihrer Beweisbarkeit gleichsetzt, schließt damit die Erkennbarkeit der Gemeinheit aus. Darauf bezieht sich der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und darin gründet der Horkheimersche Satz, daß außerhalb des theologischen Zusammenhangs Moral sich nicht begründen läßt. Hängen nicht die kantischen Antinomien der reinen Vernunft, die alle auf den Bereich der transzendentalen Ästhetik sich beziehen, auf die subjektiven Formen der Anschauung, auf Raum und Zeit, zusammen mit der Abstraktion von der Unterscheidung (der qualitativen Differenz) zwischen Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie Oben und Unten, die im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung ebenso wie die sekundären Sinnesqualitäten subjektiviert werden? Ist nicht die Gemeinheit der blinde Fleck des mathematischen wie auch der begrifflichen Erkenntnis (wie auch der Grund der Trennung beider)?

  • 26.8.1995

    Seit wann wird Geschichte als Legitimationshilfe (und d.h. nationalistisch) verwendet, und aus welchen Gründen? Steht nicht das heutige Bibelverständnis unter dem Bann dieses Konstrukts (Bibel als „hebräische“ Nationalgeschichte, Bibel als Sammlung imperativer, vom Heiligen Geist inspirierter, exemplarischer Texte)? Ist dieses Schriftverständnis nicht die Rache des Indikativs? (Und sind die mittelalterlichen Fälschungen, die ihre Vorläufer in der Römischen Geschichtsschreibung haben, nicht im Kontext dieses Legitimationszwangs (dem noch die moralische Verwerfung gehorcht, die im Begriff der Fälschung mitklingt) zu verstehen?
    Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Logik der historischen Erkenntnis, wenn man begreift, daß der Ursprung der kontrafaktischen Urteile in der Theologie liegt. Gehört nicht die Theologie, in der es kontrafaktische Urteile gibt, zum Begründungszusammenhang der Geschichte (der Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit)?
    Sind nicht in der Trinitätslehre die beiden antagonistischen Elemente des Geschichtsbegriffs vereinigt: die legitimatorische Funktion der Geschichtsschreibung und die gleichzeitige Unterwerfung der Vergangenheit unter die richtende Gewalt der Gegenwart (asymmetrische Spiegelung: Vater und Sohn)?
    Begriffe sind Brechungen und Reflexionen des Lichts, in dem die erkennende Kraft der Sprache gründet: des Namens. Verweist nicht die Geschichte vom Bogen in den Wolken nach der Sintflut auf diese Brechungen und Reflexionen? Vergleiche hierzu den Text des Basilius (der den Regenbogen als Erkenntnismodell benutzt). Ist nicht die Trinitätslehre das gebrochene und reflektierte Licht des göttlichen Namens (das gebrochene und gespiegelte Leuchten seines Angesichts)? Das Medium dieser Brechungen und Spiegelungen ist aufs genaueste bezeichnet in dem Satz (der die subjektiven Formen der Anschauung, ihre logisch-ästhetische Struktur, in sich abbildet): Das Eine ist das Andere des Anderen. Dieser Satz konstituiert den Weltbegriff und rührt an das Rätsel des Indikativs und der Urteilsform. Die Begriffe Spekulation und Reflexion gründen in diesem Zusammenhang. Der Gottesname ist im System der asymmetrischen Spiegelung gefangen (und zur Idee des Absoluten verandert).
    In der transzendentalen Logik hat Kant das System von Spiegelung und Brechung (mit den Formen der Anschauung als Symmetrieebene) aufs genaueste reflektiert. Hegels Philosophie war die letzte Gestalt des „Bogens in den Wolken“ (ihr Vorläufer war die Trinitätslehre).
    Das Feuer trennt das Licht von der Sprache, durch das Feuer sind beide aufeinander bezogen. Ist das Feuer die Manifestation des redundanten, sich auf sich selbst beziehenden Systems von Spiegelungen und Brechungen? Ist die Hegelsche Logik die genaueste Selbstabbildung des Feuers?
    Die Eucharistie-Verehrung war ein Vorläufer der Exkulpationsautomatik: Die Anbetung des heiligen Dings war die Anbetung des Objekts, auf das man die eigene Schuld abladen, verschieben konnte. Durch den, den dieses Sakrament vergegenwärtigt, war die Welt entsühnt.
    Die Todesfurcht (im Stern der Erlösung) rührt an das Problem der Vergangenheit. Sie rührt damit an den Grund des Problems des Wissens. Wissen können wir nur von Vergangenem, und im Konstrukt des Wissens steckt der Todeskeim der Vergegenständlichung, der seine Wurzeln im Begriff der Vergangenheit hat. Es ist dieser Todeskeim, der in der objektivierenden Erkenntnis und im objektivierenden Handeln (in der Praxis und in den Institutionen der Herrschaft) sich entfaltet. Benjamins Engel der Geschichte ist die Verkörperung der Trauer über das Vergangene.
    Spekulation und Reflexion gehören zur Logik des Begriffs, und die ersten Begriffe waren die Namen, mit denen Adam im Garten die Tiere benannte, während der erste Name der Name war, mit dem Adam sein Weib nach dem Sündenfall benannte: Chawah, Mutter aller Lebenden, der Name einer „Gehilfin gegen ihn“.
    Wenn Adam die Tiere benannte, und in dieser Benennung der Tiere seinen ersten Weltbegriff gewonnen hat, dann ist die Hegelsche Philosophie die Reflexion dieses Namens von innen (der ihm dann nicht zufällig zum Singular zusammenschießt: eigentlich dürfte es nach der Logik des Systems nur eine Art des Tiers geben, unterschiedene Tierarten gibt es Hegel zufolge nur, weil „die Natur den Begriff nicht halten kann“).
    Die Austreibung des Mitleids aus dem Sehen ist das Gegenstück zur Austreibung des dialogischen Elements aus der Sprache (die subjektiven Formen der Anschauung sind ein Produkt der Monologisierung der Sprache, ihrer „Theoretisierung“).
    Prophetie und Geschichte: Die Bücher Josue und Richter, Samuel und Könige gehören zu den prophetischen Büchern wie die transzendentale Ästhetik zur transzendentalen Logik: Sie liefern der Prophetie ihr „apriorisches“ Objekt.
    Im Begriff (und d.h. schon im Benennen der Tiere durch Adam) verliert der Name seine Unschuld, die nur durch Reflexion der Herrschaft im Begriff (durch Reflexion des Weltbegriffs, durch „Übernahme der Sünde der Welt“) wiederzugewinnen ist. Hängt hiermit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligen in der Kirche nach der Märtyrerzeit zusammen: die Aufteilung in Confessores und Virgines?
    Wird nicht die Linguistik heute noch vom Rassismus beherrscht, wenn sie nach einer „indogermanischen Ursprache“, die von einem „indogermanischen Urvolk“ gesprochen worden sein muß, fahndet, anstatt durch Reflexion der Sprachlogik, die in der Geschichte der Grammatik, dem Reflex der Herrschaftsgeschichte in der Sprache, sich entfaltet, den historisch-gesellschaftlichen Grund der Trennung und Verwirrung der Sprachen zu bestimmen? Steht nicht diese Reflexion der Sprachlogik, die Idee einer historischen Grammatik, immer noch unter einem Tabu?
    Läßt die Vermutung sich begründen, daß die drei Totalitätsbegriffe der kantischen Philosophie, die Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt, ebenso wie auf ein systematisches auch auf ein sprach- und geschichtsphilosophisches Problem verweisen, daß sie in die Logik der Sprachgeschichte mit hereinspielen? Kann es sein, daß das Sanskrit den Ursprung des Wissens, die griechische Grammatik den des Naturbegriffs und die lateinische die Entfaltung und Stabilisierung des Weltbegriffs in sich abbilden und repräsentieren? Und bezeichnen diese Phasen der indogermanischen Sprachlogik (die an den jeweiligen grammatischen Konstruktionen sich müßten ablesen lassen) nicht Phasen der Beherrschbarkeit, der Instrumentalisierung dieser Totalitätsbegriffe (die dadurch erst zu Totalitätsbegriffen werden)? Verweist nicht insbesondere der Weltbegriff auf ein praktisches Moment in seiner Konstituierung: Gibt es die Welt im strengen Sinne nicht erst in der Gestalt der Weltherrschaft, des Imperiums? (Im lateinischen Weltbegriff verankert das Römische Imperium sich in den Köpfen der Beherrschten selber: In diesem Weltbegriff wird die verandernde Gewalt seiner Logik universal.) Und knüpft sich hier nicht die Verbindung zum Christentum, in dessen Gründungstexten der Weltbegriff eine ebenso zentrale wie rätselhafte Rolle zu spielen scheint? Nur im Kontext der römischen Herrschaft (und der Formen seiner Verankerung in den Köpfen der Bürger dieses Reiches) war es möglich, die weltsprengende Kraft der Tradition (durchs konservierende Dogma und durch die Gewalt der Bekenntnislogik) in eine weltkonservierende Macht zu transformieren. Nur so hat diese Tradition zweitausend Jahre Christentum überleben können.

  • 9.8.1995

    Die Bewußtseinsgeschichte ist in die politische Geschichte eingebunden: Bezieht sich nicht die große Prophetie auf die Geschichte des Ursprungs der (assyrischen und babylonischen) Großreiche? Die Verinnerlichung des Opfers (und das Ende der Prophetie) ist ein Teil des politisch determinierten Ursprungs des Weltbegriffs.
    Bekenntnisfragen sind Machtfragen. Deshalb ist Überzeugen unfruchtbar.
    Doppelbedeutung des Seins (und Doppelbedeutung des Sinns, die in der des Seins begründet ist): Die verandernde Kraft des Wörtchens „ist“ gründet darin, daß es das An-sich zu einem Für-mich macht; und das läuft über das Prädikat und den Begriff: seine Eigenschaften machen das Ding (so wie der Begriff das Objekt) verfügbar.
    Wenn der speziellen Relativitätstheorie zufolge die Zeit richtungsbezogen ist, wären dann nicht drei (sich wechselseitig durchdringende) Chronologien anzusetzen: durchsetzt mit katastrophischen Zeitbrüchen? Bezieht sich nicht die Geschichte der drei Leugnungen auf diese Zeitbrüche?
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind Formen der Selbstzerstörung ihrer eigenen Grundlagen: die Form der äußeren Anschauung zerstört das Licht und das Sehen, die der inneren Anschauung die Erinnerung. Beide sind Produkte der Instrumentalisierung des Todes (der Opfertheologie).
    Ist nicht die Opfertheologie der Greuel am heiligen Ort (und das Substantiv ein Produkt der Opfertheologie)?
    Hängt nicht der Begriff der Allseitigkeit in der marxistischen Tradition mit der Herrschaft des Tauschparadigmas zusammen?
    Es gibt keine Verwaltung ohne Kollektivschuld. Die Kollektivschuld ist das Subjekt-Objekt der Verwaltung.
    Der Unterschied zwischen Himmel und Erde und der Welt drückt sich auch in ihrer Beziehung zur Schöpfungsvorstellung aus: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“. Der Schöpfungstheologie zufolge aber „hat Gott die Welt erschaffen“. Es ist der Unterschied zwischen Imperfekt und Perfekt.
    Ziel des „Rechtsstaats“ ist nicht die Gerechtigkeit, sondern die Entsühnung der Welt: die Exkulpation der Bürger.
    Wenn nicht Ham, sondern Kanaan vom Fluch wegen der Sünde Hams getroffen wird, ist das nicht das Urteil über die „freie Marktwirtschaft“, aber auf keinen Fall eine Begründung der Apartheid, des Rassismus? Hängt Kanaan mit Merkur und Hermes zusammen?
    Der jüdische Tempel war das Haus des Namens Gottes: Rührt nicht die Idee des Heiligen an den Grund der Sprache, an den Grund ihrer Beziehung zur Logik der Schrift? In welcher Beziehung stehen die Ideen des Heiligen und des Ewigen?
    Die Vertauschung von Genitiv und Dativ ist an bestimmte Konstellationen, insbesondere an ihre Verknüpfung mit bestimmten Präpositionen gebunden. Kann es sein, daß es hierbei um die Gewinnung eines Begriffs der Objektivität geht, die gegen Begründungsforderungen als immun sich erweist? Für die Medien spaltet die Sprache sich auf in das bloß feststellende, konstatierende Sein und die Meinung dazu. Die Meinung wird aber erst zur Meinung, wenn sie den Anspruch auf eingreifende Kraft leugnet. Die Meinung läßt die Dinge, wie sie sind. Die feststellende Gewalt der kommunikativen Wahrnehmung hebt die Veränderbarkeit (das Flüssige) nicht auf, sondern verdrängt sie bloß. Der Indikativ (die durch die ästhetische Grenze von den Dingen getrennte Sprache des Zuschauers) stabilisiert das Herrendenken, entzieht der Kritik den Boden. Die Trinitätslehre macht Gott zu einem ästhetischen Objekt.
    Wenn die Sprache im Namen Gottes gründet, dann hat Gott in der Sprache uns sich selbst offenbart.
    Die Ontologie ist die Leugnung der Idee des Heiligen und der des Ewigen zugleich.

  • 19.5.1995

    Hodie, si vocem eius audieritis: Ist nicht Seine Stimme die der schreienden Ungerechtigkeit? Aber die Allgegenwart dessen, was man heute Musik nennt, verstopft die Ohren, anstatt sie zu öffnen.
    Sein, Haben, Werden: Kategorien der Selbstbehauptung der Dinge gegen den horror vacui, den Schrecken des Raumes.
    Im Rechtsstreit gibt es synthetische Urteile apriori nur mit Hilfe falscher Zeugen. Darin liegt die besondere, aus allen Rechtskodifikationen der Alten Welt herausragende Bedeutung des achten Gebots im Dekalog. In der transzendentalen Logik wird die Zeugenschaft ersetzt durch die subjektiven Formen der Anschauung; diese sind die falschen Zeugen in dem gegen Gott geführten Rechtsstreit um die Schöpfung.
    Ist nicht die Begründung, die Argumentation, die letzte Gestalt der Reflexion auf den Andern in der Philosophie? Aber sie ist zugleich eine Form der Reflexion auf den Andern, die schon durch das agonale Prinzip, durch das Konkurrenzprinzip, verhext ist: Deshalb geht, was aus dem Grunde kommt, wieder zugrunde. Und deshalb bleibt aus der Grundbeziehung nur die Reflexion, der Schein und das Wesen.
    Die Hegelsche Logik zeichnet sich dadurch aus, daß sie das, wovon die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren, über die Reflexion in die Logik wiederum mit aufnimmt, wobei sie vergißt, daß die Logik insgesamt unter dem Bann der subjektiven Formen der Anschauung steht, der in ihr nicht gebrochen. sondern nur reflektiert wird. Damit hängt es zusammen, daß die geschichtliche Seite der Hegelschen Logik die herrschaftsgeschichtliche ist, und daß die Hegelsche Logik nur bis zum Bewußtsein der Freiheit, aber nicht zur Freiheit führt.
    Ist nicht das Bewußtsein der Reflex der Öffentlichkeit (der Logik des Weltbegriffs) in der Subjektivität, und die Sexualmoral eine Moral zur Etablierung und Stabilisierung dieses Bewußtseins (und des Weltbegriffs, von dem es abhängt)?
    Rassismus: Ein durch die Logik des Weltbegriffs (und der Sexualmoral) determinierter Kurzschluß eines sprachlogisch begründeten Sachverhalts. Stammt dieser Kurzschluß nicht aus dem gleichen logischen Kraftfeld, aus dem auch der Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre hervorgegangen ist?
    Das Lateinische hat die Kraft der Erinnerung in die grammatischen Begriffe verlegt: Der Akkusativ verweist durch seinen Namen auf seine objektkonstituierende Kraft; das ne-utrum ist der Statthalter der Logik des Raumes in der Sprache, Instrument der „Neutralisierung“ der Richtungsdifferenzen (vorn und hinten, rechts und links, oben und unten), erst durchs Neutrum ist der Sprachgrund für das Bewußtsein der Reversibilität aller Richtungen im Raum geschaffen worden. Ähnliches gilt für Genitiv und Dativ, Praesens, Praeteritum, Plusquamperfekt, Gerundium, Gerundivum etc.
    Im Hebräischen und im Deutschen gründet der Name des Wassers in der Pluralisierung des auf Sachen (nicht Personen) bezogenen Fragepronomens Was, während das lateinische aqua das Wasser in eine logische Abhängigkeit vom sächlichen Fragepronomen rückt. Auf welchen Sprachhintergrund verweist das griechische hydor? – Gibt es einen vergleichbaren sprachlichen Kontext zum Feuer (ist im Hebräischen die Beziehung zum Namen des Mannes: esch/isch nachweisbar: die Beziehung zum Wer; vgl. die in der Kabbala notierte Beziehung des Namens des Himmels zu Feuer und Wasser, zu Wer und Was)?
    Hat der über den Wassern brütende ruach etwas mit dem Symbol des Kelchs zu tun: Ist es der Kelch, der den ruach in den Zorn, den Grimm transformiert, macht der ruach den Kelch, den die Herrschenden trinken, zum Taumelkelch und am Ende zum Unzuchtsbecher? – Der Kelch: Ist das die Mathematik, die Beziehung der Mathematik zur Sprache?
    Zorn und Grimm: Drückt der Zorn in den Augen, der Grimm in der Mundpartie sich aus?
    Was ist das: Im Magen bitter und im Munde süß (Off 109, vgl. Ez 28 bis 33)?

  • 6.4.1995

    Naturwissenschaften als Umkehr der Prophetie: Theoretisches Handeln (das Handeln des Begriffs und die Entfaltung der Raumvorstellung) ist symbolisches Handeln, das umso wirksamer ist, als es namenlos ist: Es hat kein Bewußtsein seiner selbst. Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist das Produkt der Neutralisation der Umkehr und zugleich Symbol der Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (darauf bezieht sich das Wort vom horror vacui, den wir längst erinnerungslos verinnerlicht haben). Die Geschichte der Entfaltung der Raumvorstellung gehört zur Geschichte der Konfessionalisierung des Symbolums. Die Säkularisierung aller theologischen Gehalte: Das ist schon geleistet in den Naturwissenschaften. Umkehr- und Spiegelpunkt dieser Geschichte war das Symbolum (das Dogma, in dem die Vergangenheit verdrängt, die Zukunft verdunkelt, der prophetische Geist gelöscht wurde). Der verworfene Eckstein: Joh 129. Das Symbolum ist die Erinnerungsspur des vergessenen Traums des Nebukadnezar.
    Die Reversibilität aller Richtungen im Raume und die Neutralisierung der Unterschiede zwischen den einander entgegengesetzten Richtungen ist eine Folge der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, sie ist das Werk der Neutralisierung aller theologischen Gehalte.
    Woher stammt der Ausdruck „nordische Rasse“? Hat er etwas mit der biblischen Richtungssymbolik zu tun (mit dem Norden der Schrift)?
    Ist nicht die Idee des Absoluten der Inbegriff der vergessenen göttlichen Namen, auf die die sechs Richtungen des Raumes nach einer kabbalistischen Tradition versiegelt sind?
    Die Sodomie ist ein anderer Ausdruck für Xenophobie: Auch der Fremdenhaß hat etwas mit der Unzucht mit Tieren zu tun.
    Verweisen nicht die Frauen im Stammbaum Jesu darauf, daß im Christentum (aufgrund seiner Beziehung zum Weltbegriff und durch die Kraft des Neutrum) das Fremdheitsmotiv auf die Frauen übertragen worden ist und seitdem durch sie repräsentiert wird? Merkwürdig auch die Rolle der Frauen in den drei Xenophobie-Geschichten: In Sodom Lots Frau und Töchter, in Jericho die Hure Rahab und in Gibea die bethlemitische Nebenfrau des Leviten.
    Die Schrift ist ein durchsichtiger Körper, dessen Dimensionen im Objektivationsprozeß um den Preis der Verdunkelung des Körpers herausgearbeitet worden sind.
    Zur Abtreibungsdebatte: Der Biologismus der kirchlichen Sexualmoral ist nicht weit vom Rassismus. Das Keuschheitsgebot scheidet sich wie das Gehorsamsgebot am Weltbegriff: Im Bann der Logik des Weltbegriffs sind sie Instrumente der Neutralisierung (der Desexualisierung und Dinge und ihrer Entfremdung gegen die Sprache), während sie im Lichte der göttlichen Verheißungen als Grund der Gewaltkritik und als Mittel der Barmherzigkeit sich enthüllen. Die gnadenlose und gewaltevozierende Abtreibungsdebatte ist ihr eigener Gegenstand, sie weiß es nur noch nicht.
    Die Verwandlung des Singulars tän hamartian in den Plural peccata mundi bezeichnet genau den Ursprung des Symbolon: Die (gegenwärtige) Sünde der Welt ist in der gleichen Bewegung zu „Sünden der Welt“ vergegenständlicht und pluralisiert worden, als die symbolische Erkenntnis durch ihre Dogmatisierung ins Vergangene des toten Bekenntnisses verdrängt worden ist (Sterben: ire ad plures).
    Islamisierung und und Objektivationsprozeß: Das All ist das Viele, das dem Prinzip der Einheit unterworfen worden ist. Bezieht sich hierauf (und auf die logische Beziehung von Materie und Form, die im Inertialsystem sich vollendet) der Begriff der Unzucht?

  • 31.3.1995

    Schaffen nicht die Law- and Order-Leute die Voraussetzungen dafür, daß alle Widerstände gegen den Ausbruch jugoslawischer Verhältnisse abgebaut werden?
    Welche logischen Widerstände mußten abgebaut werden, um das heliozentrische System zu installieren?
    Das Christentum ist bis heute eine Bekehrungsreligion (die Voraussetzungen dafür hat Paulus geschaffen), aber keine Religion der Umkehr.
    Die Mathematik (und der Begriff des Wissens), Bekenntnislogik (und Naturbegriff), der Staat (und Weltbegriff): In welcher Beziehung stehen diese drei Dinge zu einander? Ist nicht die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) ein Bild der Form des Raumes, seiner Dreidimensionalität, Grund der Unterscheidung von Gesetz, Begriff und Erscheinung in den mathematischen Naturwissenschaften?
    Der Staat hat den Nominalismus begründet, indem er die Stummheit des Helden (Prototyp des platonischen und gnostischen Demiurgen) in die Objektivität hineingetrieben hat.
    Der theologische Ursprung des Rassismus liegt in der Vater-Sohn-Beziehung und in dem „gezeugt, nicht geschaffen“.
    Modell des Relativitätsprinzips war die Äquivalenz und Reversibilität von Geldbewegung und Warenbewegung, begründet im Kreislauf des Geldes nach Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (zusammen mit der Eröffnung des unendlichen Raumes und der Konstituierung der Gravitationszentren im Banken- und Kreditwesen). Erst mit der Möglichkeit der wechselseitigen Substitution (der wechselseitigen Vertretung) und der Reversibilität beider konstituiert sich das Tauschprinzip und das Trägheitsgesetz zugleich.
    Ist nicht die Abtreibungsdebatte ein nachgerade apokalyptisches Beispiel des Schuldverschubsystems?
    Bekenntnislogik: An ihren Feinden kannst du sie erkennen (jedes Bekenntnis hat eine Leiche im Keller).
    Exkulpationslogik: Sich über jemanden empören, mit dem man um keinen Preis identifiziert werden möchte (weil man in ihm nicht erkannt werden möchte).
    Apologetik, sakramentale Gnadenverwaltung und Konfessionalismus: die Erbsünden der Theologie. Gegen die Apologetik steht das verteidigende Denken, gegen die sakramentale Gnadenverwaltung das Wort: „Barmherzigkeit, nicht Opfer“, und gegen den Konfessionalismus die Kritik der Bekenntnislogik und das Bekenntnis des Namens.
    Die verhängnisvolle Rolle insbesondere der schelerschen Wertphilosophie lag darin, daß sie die Selbstreflexion der Objektivität abgeschnitten und durch die Mechanismen der Empörung ersetzt hat. Die Empörung liefert der Unmoral den Komfort des moralischen Bewußtseins, auf den keiner mehr verzichten möchte. Hier liegt die Wurzel eines jeden Fundamentalismus.
    Wodurch unterscheidet sich die Entomologie Ernst Jüngers von den Insektenforschungen Reinhold Schneiders (Winter in Wien)?
    Zwei Hinweise auf den Zusammenhang von Sprache und Theologie:
    – Ist nicht die Schlange in der Geschichte vom Sündenfall ein Symbol für die sprachlogische und sprachhistorische Funktion des Neutrum (im Ursprung der indoeuropäischen Sprachen); und
    – hat nicht der Satz Wittgensteins: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ etwas mit dem Sündenfall zu tun?
    Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben mehr fähig ist: Dieser Satz trifft die Rechtfertigungszwänge, denen alle nach Auschwitz unterliegen, im Kern.

  • 8.3.1995

    Der Plural majestatis ist ein Produkt der Logik der Schrift. Durch die Monologisierung der Sprache (eine Folge der Logik der Schrift) wird sie zum Selbstgespräch. Ein König hat Berater, aber entscheiden muß er für sich (dieser Satz scheint eine conditio des autoritären Charakters zu sein, der wie die Majestät, dialogunfähig ist).
    Scheler hat das Paradigma einer Religionsphilosophie geliefert, deren Grundlage die theologischen Mucken der Ware sind.
    Die Prophetie ist der Eckstein, den die Bauleute verworfen haben.
    Die Grundlage des theologischen Satzes von der Erhaltung der Welt ist nicht die Form des Raumes (das Inertialsystem), sie liegt in der Konstruktion des Himmels verborgen.
    Was bedeutet es, wenn nach islamischer Tradition Gott jeden Tag die Welt neu erschafft? Wie verhält sich der islamische Schöpfungsbegriff zum biblischen Schöpfungsbericht (insbesondere zum siebten Tag)?
    Haben das tohu wa bohu und die Finsternis über dem Abgrund und der Geist Gottes, brütend über den Wassern, etwas mit den drei abrahamitischen Religionen zu tun, mit Judentum, Islam und Christentum (jeweils in dieser Reihenfolge)?
    Eine Kritik des Ansatzes der Kant-Laplaceschen Weltentstehungs-Theorie würde auch deren moderne Derivate (Urknall und schwarzes Loch) treffen.
    Der Orion und die Plejaden: Sind sie die Reflexion des Planetensystems am Fixsternhimmel?
    Die Naturwissenschaften rücken die Welt in die Perspektive des Eigeninteresses. Aber dieses Eigeninteresse steht unterm Bann der Äquivalenz von Einzelnem und Allgemeinem (der Beziehung von Privateigentum und Staat). Das Gewaltmonopol des Staates und der Nationalismus (das logische Fundament der Privateigentums-Gesellschaft) gehorchen einer Logik, die in den Naturwissenschaften gegen die Natur sich richtet. Kein Zufall, daß die Objektivation der Natur zu Beginn sowohl der alten als auch der neuen Geschichte mit der Astronomie anhebt (als Legitimationswissenschaft des Staates: Newtons „absoluter Raum“ war einer der logischen Gründe des politischen Absolutismus: der Privatisierung der Herrschaft).
    Die kopernikanische Wende hat die „Völker, Stämme, Sprachen und Nationen“ im Begriff der Nation kontrahiert (und neutralisiert): Die rassistische Wendung der Sprachwissenschaft (die Rückführung der indogermanischen Sprachen auf eine indogermanische Rasse) gründet in dieser Logik. Die sprachgeschichtliche Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts wird erst möglich sein, wenn es gelingt, den sprachlogischen Grund der indogermanischen Sprache zu entschlüsseln.
    Einstein hat die im Relativitätsprinzip verkörperte Beziehung von Bewegung und Ruhe neu definiert und durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit konkretisiert. Das Licht, nicht der Raum definiert die Dauer, von der Folge und Zugleichsein (die anderen Attribute der Zeit) unterschieden werden müssen. Nicht mehr zu halten ist das im Raum verkörperte Moment des Zugleichseins, zumindest in dem Sinne, in dem es Vergangenheit und Zukunft von sich (vom Präsens) ausschließt, den Raum zur Wasserscheide der durchs Inertialsystem äqualisierten (zum Zeitkontinuum verräumlichten) Dimensionen der Zeit macht. Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist die Rache der Asymmetrie von Zukunft und Vergangenheit an der homogenisierten Zeitvorstellung. Es gibt ein Zugleichsein mit dem Vergangenen (die auch die zukünftige Vergangenheit umgreift): das Überzeitliche, und mit dem Zukünftigen (auch der vergangenen Zukunft): die Idee des Ewigen.
    Hat der Satz über die „Lichter … an der Feste des Himmels“: „sie sollen als Zeichen dienen und zur Bestimmung von Zeiten, Tagen und Jahren“ (Gen 114), etwas mit den Zeichen an Hand und Stirn (in Ex 131ff, 1311ff, Dt 64ff und 1113ff) und haben beide etwas mit den Zeichen an Hand und Stirn in Off 1316 zu tun? Hat die kopernikanische Wende das Zeichen an Stirn und Hand geheftet (sowohl Kopernikus als auch Newton waren Geldtheoretiker), und hat dieses Zeichen etwas mit dem Zeichen des Kain zu tun?
    Der Traum von einer Laientheologie, den ich mit einigen Freunden während des Theologiestudiums kurz nach dem Krieg geträumt habe, war ein Nebukadnezar-Traum: Ich mußte den Traum erst finden, um ihn dann deuten zu können.
    Heute morgen eine Karikatur in der FR, zum Welt-Frauentag: ein Globus mit dem Abdruck eines Kußmundes. Angesichts der Zustände, an die dieser Tag erinnern soll, schlicht eine Geschmacklosigkeit. Aber erinnert es nicht an das Problem der Schiller-Beethovenschen Ode an die Freude: Auch hier gibt es „diesen Kuß der ganzen Welt“, und das im Kontext einer schrecklichen (dazu anatomisch unmöglichen) Vision: Alle Menschen werden Brüder. Wäre es nicht an der Zeit, daß endlich alle Brüder Menschen werden?

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