Reagan

  • 16.4.1997

    Gibt es – neben den fundamentalistischen Religionen – auch einen fundamentalistischen Staat, und kommen nicht die USA in dem gleichen Maße, in dem sie tendieren, eine „neue Weltordnung“ zu verkörpern, dem sehr nahe (vgl. die „moral rearmament“, Reagans Hamaggedon-Phantasien, die Fernseh-Religionen, den Golfkrieg und die amerikanische Weltwirtschaftspolitik)?

    Ausstellung in der Paulskirche, Frankfurt: Der Rußlandfeldzug hat den Nazis die Unterstützung der Kirchen gebracht, er hat zugleich das Klima geschaffen, in dem die „Endlösung der Judenfrage“ in Angriff genommen werden konnte, der Holocaust möglich geworden ist. Zugleich hat der Rußlandfeldzug den kollektiven Verdrängungsprozeß eingeleitet, die Kritik- und damit die Erinnerungsfähigkeit zerstört. Der Rußlandfeldzug, der als Weltanschauungskrieg ein Vernichtungskrieg war, hat die nationalsozialistischen Logik und ihr immanentes Ziel, ihren unbewegten Beweger, vollendet. Im Rußlandkrieg hat sich die Bekenntnislogik als Enthemmungslogik, als schwarzes Loch der Moral enthüllt.

    Hat nicht Hegel schon auf die weltgeschichtliche Konstellation der heraufziehenden neuen Weltmächte, auf Rußland und Amerika hingewiesen? Was drückt (vor diesem Hintergrund) im Ende des Kalten Krieges, der mit dem „Sieg“ des Westens über den Osten endete, sich aus?

    Folgen des Antisemitismus: Nach dem Krieg ist die projektive Gewalt der Feindbildlogik umgeschlagen in den Rechtfertigungszwang.

  • 1.2.1997

    Die versteinerten Verhältnisse sind das Korrelat des Herrendenkens (des steinernen Herzens). Nur die Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen, vermag den Bann zu brechen. Der Bann, der zu brechen wäre, ist der Bann der Anschauung; in der Kritik der Anschauung findet Barmherzigkeit ihren Grund.
    Mitleid verbleibt im Bann des Anschauens; sie verstellt der Barmherzigkeit den Weg.
    Das Neutrum ist der sprachlogische Grund der Ästhetik: des Mythos und der Kunst.
    Das Neutrum ist das Unwiderlegbare, das Richtige, das von der Wahrheit zu unterscheiden ist. So sind die subjektiven Formen der Anschauung, auch die synthetischen Urteile apriori, zwar unwiderlegbar, aber damit nicht schon wahr.
    Unwiderlegbar sind: das richtende Urteil, das Dogma, die Welt und die Natur.
    Der historische Abstraktionsprozeß ist ein dämonischer Prozeß. Das, wovon abstrahiert wird, ist selber das Produkt und der Inbegriff der Abstraktion: das Ding; während das, wovon in Wahrheit abstrahiert wird, in diesem Prozeß nur verdrängt, unsichtbar gemacht, zum Verschwinden gebracht worden ist: der Name.
    Der Objektivationsprozeß ist auch ein Verdrängungsprozeß: Was wir in der Geschichte verwerfen, ist genau das, an das wir nicht erinnert werden wollen.
    Isaak hatte einen Halbbruder: Ismael, Jakob hatte einen Zwillingsbruder: Esau.
    Die Naturwissenschaften haben endgültig das Licht durch die klarheitschaffende Feindbildlogik ersetzt, die Welt zu einer feindlichen Welt gemacht. Die Naturwissenschaften sind das universale Alibi des „feindlichen Lebens“, in das der Mann hinaus muß.
    Wie hängt das Schaffen mit der Schöpfung zusammen? Ist nicht das Schaffen (die Parodie der Schöpfung) der Sprachgrund des Rassismus?
    Die Tempel, das waren nicht nur die Kultstätten der Völker, sie waren zugleich Banken, Finanzämter, Schlachthäuser und die Zentren der Unterhaltungsindustrie.
    Der Zehnte stand den Tempeln zu; wovon lebten die Könige, womit unterhielten sie ihre Herrschaftseinrichtungen? Wie sind die Steuern entstanden (die Geldhoheit lag bei den Königen)? Waren auch die Tempel königliche Einrichtungen (in Israel hat Salomo den ersten Tempel erbaut, Nehemia den zweiten und Herodes den dritten)?
    Was ist das, was die Reagans, die Thatchers, die Gerhards, die Haiders, die Netanjahus (und wer noch?) gemeinsam haben?
    Wenn es keinen Objektbegriff ohne Feindbildlogik gibt, dann gibt es keine Erlösung ohne die Auferstehung der Toten.
    Barmherzigkeit: die Selbstreflexion in der dritten Person, im Andern.

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