Ist es nicht das ganze jämmerliche Rechtfertigungsgerede, das Anton-Andreas Guha heute (in seinem Beitrag zur Goldhagen-Debatte) zusammengestellt hat, vom „die andern auch“ über „Versailles“ bis zu den gesellschaftlichen Umständen der 20er und 30er Jahre? So hofft er, den Schrecken, an den Goldhagen erinnerte, neutralisieren zu können (mit der besonderen Infamie, mit der der Kollektivschuld-Vorwurf, den wir aus dem Ausdruck „die Deutschen“ reflexartig heraushören und offensichtlich nur noch rassistisch verstehen können, dann auf den Autor zurückprojizieren: weil der Kollektivschuld-Vorwurf zu den Wurzeln des Rassismus gehört, sind Rassisten gegen ihn immun?).
Die Verführung der Urteilsmagie liegt in ihrem Rechtfertigungseffekt: Deshalb schlagen die Rechtfertigungszwänge, die Wiederholungszwänge sind, den Takt zu den kunstvollen Eiertänzen, zu denen Goldhagen seine Kritiker gezwungen hat. Die Rechtfertigungsorgie funktioniert nach der Logik „100 Millionen km Schweif! – Was sind wir doch für kleine Würstchen“.
Steckt nicht in den Rechtfertigungszwängen, die in dem „jämmerlichen Schauspiel“ sich manifestieren, das Bedürfnis und der Trieb nach neuen Objekten der Eliminierung?
Das Kind der Ehe, die die Gnade der späten Geburt nach dem Krieg mit der Urteilsmagie eingegangen ist, wird der neue Faschismus sein.
Käme es nicht endlich darauf an, das apokalyptische Bild des „großen Zeichens am Himmel“ (Off 12) ins Sprachlogische zu übersetzen?
Auch der Naturschutz ist ein Instrument der Ausgrenzung, der Perhorreszierung des Eingedenkens.
Jede Rechtfertigung beruft sich auf die Natur, wenn sie die Freiheit verleugnet.
Die Rechtfertigungslehre ist längst an der Hoffnung verzweifelt, daß der Himmel sich zu öffnen vermag.
Monaden sind fensterlos: War die Leibniz’sche Monadenlehre der Anfang der Selbstreflexion einer anderen Planetentheorie, gehört nicht zu den „Wegen des Irrtums“ der nach außen versperrte Blick? Der aber war das Werk der kopernikanischen Wende.
Die Hypothese, daß die RAF derzeit in ihre autistische Phase kommt, greift weit über den Bereich der RAF hinaus. Die Angriffe von Vertretern der naturwissenschaftlichen Medizin in den letzten Tagen gegen die psychosomatische Medizin (auch gegen die Homöopathie und andere alternative Methoden) hängt mit der Unfähigkeit zur Reflexion zusammen, die jetzt auf die Objekte und Inhalte der Medizin zurückzuschlagen scheint. Das in die Naturwissenschaften eingebaute Unschuldssyndrom (die mit der kopernikanischen Wende begründeten und dann automatisierte Rechtfertigungszwänge) entfaltet sich als Leugnung des Objekts, wird zu eliminatorischen Gewalt. „Objektiv“ ist nur noch das Innere der Monade.
Es käme darauf an, an den Punkt heranzukommen, an dem die Reflexion die Kraft gewinnt, die Gewalt der Rechtfertigungszwänge zu sprengen.
Der Autismus und die Geiselhaft-Logik der RAF sind der ohnmächtige Reflex der zugrundeliegenden Logik des Staatsschutzes.
Ähnlich wie die RAF-Unterstützer die Gefangenen nehmen heute die Ärzte die Kranken als Geisel. Gibt es zum Korpuskel-Welle-Dualismus, dem Reflex der Verdinglichung in der modernen Physik, eine Entsprechung in der Medizin (sind nicht schon Proton und Elektron Produkte des Korpuskel-Welle-Dualismus, Emanationen der grammatischen Logik des Substantivs)?
Der Terrorismus der RAF und die Unfähigkeit, den Schrecken des Faschismus zu reflektieren, sind Teile der gleichen Logik. Die RAF hat die Logik der Verurteilung, die die Erinnerung an den Schrecken bannen sollte, nur exekutiert.
Identitätsprinzip: Im Autismus schlägt der horror vacui, den die philosophischen Idee des Subjekts auf die Welt abzuleiten versucht, aufs Subjekt zurück. Im Autismus erfährt sich das Subjekt selbst als Objekt der Logik, mit deren Hilfe es gegen die Welt sich zu behaupten versucht.
Die Fensterlosigkeit der Leibniz’schen Monade ist ein sprachlicher Sachverhalt: das Resultat der Tilgung der erkennenden Kraft des Namens.
War der Hitlerismus nicht ein Reflex des heliozentrischen Systems?
Das Entscheidende am Werk Einsteins waren nicht seine mathematischen Konstruktionen, die auch von anderen hätten erarbeitet werden können, sondern das, was er damit „beweisen“ wollte: seine „intuitiven“ oder auch „spekulativen“ Einsichten, die im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und im Postulat der Identität von träger und schwerer Masse sich ausdrücken.
Marx, Freud und Einstein sind Opfer der gleichen Verblendung, zu deren Kritik sie den Grund gelegt haben.
Hat der Anfang des Matthäus-Evangeliums, das „Wir haben seinen Stern gesehen“ und die Träume der Magier und Josephs, etwas der Apokalyptik, mit Daniel, zu tun?
War es Jakob Taubes, Emmanuel Levinas oder Jeshajahu Leibowitz, der die Halsstarrigkeit als metaphysischen Teil der jüdischen Anatomie erkannt hat? Haben nicht das Dogma und die Bekenntnislogik diese Halsstarrigkeit zum kosmologischen Prinzip gemacht?
Die schärfsten Kritiker Netanjahus (und zuvor des Zionismus) sind die, die ihn immer schon als Alibi ihrer Unfähigkeit zur Reflexion brauchten.
Thematische Wünsche an eine Theologie, die die Impulse der jüdischen Aufklärung in Deutschland aufnimmt, den durch sie gesetzten Standards genügt:
– die Verstockung des Herzens Pharaos,
– Daniel und der Traum Nebukadnezars,
– das Menetekel und der wie eine Buchrolle sich aufrollende Himmel (Lev 26 und Dt 28),
– Rezeption des Jakobusbriefs („Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“, „Wer einen Sünder von den Wegen seines Irrtums bekehrt …“),
– Barbaren und Hebräer (Philosophie und Prophetie),
– Kritik der kantischen Totalitätsbegriffe und Hegels Hinweis zum Begriff der Geschichte (Rosenzweigs Kritik des Historismus und der Stern der Erlösung),
– die Logik der Schrift.
Rosenzweig
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8.4.1997
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26.3.1997
Ist das Ende des Sündenfalls ein Echo des Anfangs der Schöpfung? Beziehen sich der Acker, der Dornen und Disteln trägt, der Staub, aus dem Adam geworden ist und zu dem er wieder werden wird, und die Wehen der Geburt auf das Tohuwabohu, die Finsternis über dem Abgrund und den über den Wassern brütenden Geistes?
Hängt die Scham mit der Grenze der Individualität, mit der inneren Beziehung von Individuum und Gattung zusammen, mit der Beziehung von Objekt und Begriff? Ist der Boden, in dem der Sich Schämende versinken möchte, die Allgemeinheit des Begriffs, ist die Kollektivscham die Wurzel des Nationalismus?
Hiermit hängt es zusammen, daß die schlimmsten Gemeinheiten die sind, die man selbst nicht mehr wahrnimmt.
Sich den Kopf anderer Leute zerbrechen: Heißt das nicht, den andern die Erfahrung verbieten?
Ist nicht der Antikommunismus immer noch ein Alibi für den Antisemitismus, verschärft seit dem Zusammenbruch des Ostblocks? Nur ist das keine Rechtfertigung des real existierenden Sozialismus.
Strukturwandel der Öffentlichkeit: Die Doppelbödigkeit der faschistischen Öffentlichkeit, das Zusammenwirken des öffentlichen Gerüchts (in dem Wahrheit und Paranoia untrennbar sich mischten) mit seinem macht- und terrorgestützten Dementi (die offizielle Leugnung der Wahrheit, das Verbot, über das offenkundige Grauen zu reden), war ein Produkt des politisch instrumentalisierten double bind. Liegt nicht der eigentliche Strukturwandel der Öffentlichkeit in dem perfektionierten Gebrauch dieses Instruments, insbesondere in den Fortschritten seiner rechtlichen Absicherungen (der gesamte Apparat der Geheimhaltung, des Staats- und Verfassungsschutzes)? Auf das, was die beiden Öffentlichkeitsebenen trennt, verweist der Begriff der Kollektivscham, die Grundlage des neuen Nationalismus, der tiefer gründet, als in einer bloßen Gesinnung: nämlich im logischen Kern der politischen Ökonomie.
Was die Nazis Volksgemeinschaft nannten, heißt heute Standort Deutschland. Damit hängt es zusammen, wenn heute alle sich die Köpfe aller anderen zerbrechen (wenn die Religion unwiderruflich zur Religion für andere geworden ist, deren blasphemische Struktur den Nachkriegs-Atheismus fundiert). Entsetzliche Mischung von Empfindlichkeit und Unsensibilität im Bann der Abwehrmechanismen und Rechtfertigungszwänge. Vgl. hierzu (vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Vergesellschaftung) die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos.
Haben Kreuz und Kelch etwas mit der Beziehung der Orthogonalität zur Form der äußeren Anschauung zu tun (gehört das Kreuz zur babylonisch-römischen Tradition)?
Zum Ursprung des Begriffs des Wissens (zu seinen logischen Konstituentien) gehört der Name der Barbaren. Gibt es dazu ein Äquivalent im Sanskrit, in der indischen Urgeschichte (vgl. hierzu die logische Stellung Indiens im Stern der Erlösung)? Oder dringt der Feindbegriff erst in der griechischen Vollendung der mythischen Logik (mit der Schicksalsidee, die dem Ursprung der Philosophie vorausgeht) in den Begriff des Wissens ein? Sind die chinesische und die indische Welt getrennte Formen der Wendung des Feindlichen nach innen und außen?
Der Kapitalismus hat die teleologische Logik der Selbsterhaltung durch Instrumentalisierung in eine Kausallogik transformiert. -
25.3.1997
Konkretismus und Personalisierung: Die Einheit der Raumvorstellung ist der Grund der Verwirrung des Namens.
Auch ein sexueller Mißbrauch: Ist das Neutrum ein Produkt der Vergewaltigung, ihr sprachliches Äquivalent?
Barmherzigkeit, nicht Opfer: Der Ausdruck „seine Kleider im Blute des Lammes waschen“ ist ein anderer Ausdruck für Barmherzigkeit. Ist dies das missing link, das die Barmherzigkeit und das Opfer mit einander verbindet?
Zur biblischen Geschichte des Opfers gehören:
– die Opfer Kains (von seinen Feldfrüchten) und Abels (von den Erstlingen seiner Schafe und von ihrem Fett),
– das Opfer Noahs (von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln,
– das Opfer des Melchisedech (Brot und Wein),
– die Bindung Isaaks,
– der Altar Jakobs in Bethel,
– beim Exodus, das Opfer drei Tagereisen weit in der Wüste (Ex 318 etc.); ein Opfer dessen, was den Ägyptern ein Greuel ist (826).
Ist nicht das Wort Gottes als Opfer ein geradezu überdeutliches sprachlogisches und sprachgeschichtliches Symbol?
Zur Frage des einen Sünders (und der Freude im Himmel darüber) gibt es – neben dem letzten Satz des Jakobusbriefs – den prophetischen Satz von der Abhängigkeit der Umkehr Gottes von der der Menschen (das „Gereuen“ Gottes: die Transformation der Rache in Barmherzigkeit). Und dieser Satz hat sein Echo im Wort vom Binden und Lösen.
Wer in der Fassung des kategorischen Imperativs, in der es heißt, daß man einen Menschen niemals nur als Mittel ansehen darf, das „nur“ streicht, der muß in den Satz vom „Eingedenken der Natur im Subjekt“ das Adjektiv „gequält“ einfügen.
Hat nicht der Rosenzweigsche Hinweis auf den Zusammenhang der Begattung mit dem Tod etwas mit dem Jesussatz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ zu tun: mit dem Problem der Väter in den Evangelien?
Zur Sprachtheorie (Kritik der Kommunikationstheorie): Hat das Wort von dem Namen, den niemand kennt außer dem der ihn empfängt bzw. trägt, etwas mit Jer 3134 zu tun? Ist der Name das Herz, in das nur Gott sieht?
Das Selbstverständnis der Kirchen ist durch den Umgang mit den Häresien (und deshalb durch den Begriff der Orthodoxie) geprägt: durch das Verfahren der Beantwortung hilfloser Fragen mit dem Instrument der Verurteilung. Das reproduziert sich heute in dem hilflosen Antifaschismus, der den Schrecken, der zu reflektieren wäre, durch bloße Verurteilung zu bannen versucht.
Der Hinweis auf die Entrückung in den dritten Himmel ist ein Hinweis auf die Grenze der paulinischen Theologie. Stephanus sah den Himmel offen.
Zum Begriff der Finsternis: Die Irreversibilität der Beziehung von oben und unten (von Begriff und Objekt) ist der Preis für die Verdrängung der Erinnerung. Welche Bedeutung hat die „irre Fahrt zu den Sternen“ für die Konstituierung der Geschichte? Gehört das Bild vom Himmel, der wie eine Buchrolle sich aufrollt, in diesen Zusammenhang?
Wer fragt „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, für den gibt es nur noch einen unbeweglichen Gott, die Rechtfertigung und keine Umkehr. Für ihn gibt es im Himmel keine Freude.
Maria Magdalena wurde von den sieben unreinen Geistern befreit, Petrus hat ihn dreimal verleugnet, Jakobus und Johannes hat er angekündigt, daß sie den Kelch trinken werden.
Erinnert nicht der Naturschutz inzwischen auch an den Schutz der eigenen Natur (den Schutz der Sentimentalität, der Empfindlichkeit, an die Pflege des Selbstmitleids)?
Die Reichweite der Logik des Gerüchts reicht von der experimentellen Hypothesenbildung bis zur manifesten Paranoia.
Der Faschismus ist nicht zuletzt ein Problem der Öffentlichkeit.
Der Fundamentalismus ersetzt die politische Moral durch die Sexualmoral. Wie hängt das mit dem „wörtlichen Schriftverständnis“ zusammen? Ist dieses „wörtliche Schriftverständnis“ der Unzuchtsbecher?
Was ist mit einer Welt, in der Empfindlichkeit die Sensibilität endgültig verdrängt hat? Empfindlichkeit verhält sich zur Sensibilität wie die Wut zum Zorn. -
17.3.1997
Die Natur ist der blinde Fleck der Theologie, das Wissen ihre Versuchung, die Welt ihr Gefängnis. Ist dieser Naturbegriff der Schlüssel zu Rosenzweigs Stern der Erlösung?
Das Wissen kommt von Gesehenhaben. Ist das Licht der dritte Brennpunkt der elliptischen Planetenbewegungen?
Die kopernikanische Wendung hat die astrologische Welttheorie (das „mathematische Ganze“) der Planetenbewegungen in eine Naturtheorie (das „dynamische Ganze“) transformiert. Die theologische Planetentheorie wäre eine Theorie der Wege des Irrtums.
Die Welt ist der Inbegriff der Herrschaft, die Natur der Inbegriff ihrer Objekte. Beide sind in die Herrschaftsgeschichte verstrickt. Der aristotelische „unbewegte Beweger“ ist der, der andere für sich arbeiten läßt und nur zusieht. Das Symbol des unbewegten Bewegers der Welt ist der Buddha, dessen letzte Verkörperungen sind die Teilnehmer der „Elefantenrunde“, als Einzelverkörprung Kohl, der alle Probleme nur noch aussitzt.
Ist der Raum, die subjektive Form der Anschauung, der Erbe der noesis noeseos?
Ist das Licht der Quellgrund jener Beziehung zu den Anderen, die in der Theologie Gnade heißt (vgl. den Titel Simone Weils „Schwerkraft und Gnade“)? Die Welt, die alles ist, was der Fall ist, ist ohne Licht.
Die Geschichte vom Sündenfall ist kein Mythos, sondern der Beginn der Auflösung des mythischen Banns: die Hilfe zur Reflexion der Schicksalsidee.
Die Schicksalsidee war ein Versuch, den Sündenfall durch Übersetzung in Statische, ins Welthafte, zu exkulpieren, den Schuldzusammenhang zu neutralisieren.
Der Raum ist in sich selber beides: statisch und dynamisch zugleich. Das drückt in der Physik im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, das die starren Strukturen des Raumes verflüssigt, sich aus.
Ist das Problem des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ein Problem des Maßes? Jedes Maß wird von außen an eine Sache (auch an eine Gerade im Raum) herangetragen. Es gibt insbesondere kein inneres Längenmaß einer Strecke. Aber wie konstituiert sich die Äußerlichkeit des Maßes gegenüber dem Gemessenen anders als durch die Form der Äußerlichkeit selber?
Das Tauschprinzip ist das Relativitätsprinzip der politischen Ökonomie. Hier reproduziert sich das Problem des Maßes im Geld.
Gegen Weizsäckers Bemerkung über die „Explosion von Genie“ hat Adorno schon das befreiende Stichwort geliefert: Eingedenken der Natur im Subjekt.
Hat nicht die deutsche Fraktion der „Kopenhagener Schule“ eine ähnliche Beziehung zu Niels Bohr wie die Habermas’sche Fraktion der Frankfurter Schule zu Horkheimer und Adorno? Beides sind Beispiele des konstitutiven Mißbrauchs.
Die Philosophie ist die Taschenlampe (oder der Scheinwerfer), die Licht in einen an sich dunklen Raum bringen soll, die Theologie lebt in Erwartung des Morgensterns, des aufgehenden Lichts.
Aufklärung bezieht ihre Energien aus dem Potential der Wut.
Welche Implikationen hat das nationale Votum für die „Härte“ der DM, was verhärtet sich mit der DM?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind Balken und Splitter im Auge.
Das Selbsterhaltungsprinzip begründet eine doppelte Grenze der Barmherzigkeit. Die eine liegt im Subjekt, das für andere Ziele als die der Selbsterhaltung keine Luft mehr hat, die andere im Objekt, das das Mitleid der Anderen nicht mehr erträgt und jeden Versuch zu helfen als Angriff und als Demütigung erfährt.
Wie das Inertialsystem die Dinge zur Trägheit verurteilt, so das Geld die Menschen zur Selbsterhaltung (und die Bekenntnislogik zu einer Unsterblichkeitsvorstellung, die am Zustand der Welt nicht mehr sich interessiert).
Seit es keine unzweideutige Sprache mehr gibt, gibt es zur Personalisierung (zur Empfindlichkeit und zur Ausgrenzung anderer) keine Alternative mehr. Deshalb ist Reklame nicht unpolitisch. -
9.3.1997
Die Nachkriegsgeneration: Kinder der Dingwelt.
Selbstverdinglichung, der Versuch, die Last, die auf uns liegt, durch Abwälzung auf andere (durchs Schuldverschubsystem) zu reduzieren, potenziert die Last.
Rechts und Links nicht unterscheiden können: Die Umkehr wird in der Regel auf die Beziehung zwischen vorn und hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken) oder oben und unten (Gott und Kreatur) bezogen, nicht auf die von rechts und links (über die ich, wie es scheint, nichts vermag). Rechts und Links: Diese Umkehr wäre die Bekehrung des Andern, ein Motiv, das die Kirchen – über das Verfahren der Mission – zu willigen Helfern des Imperialismus gemacht hat. Aber gibt es nicht auch das andere Motiv, daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, seine eigene Seele rettet, und daß über die Bekehrung des einen Sünders größere Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte?
Hängt die Blut-Symbolik (das Abwaschen der Sünde, das Reinwaschen der Kleider durchs Blut des Lammes, aber auch die Blut-Symbolik in der Thora und bei den Propheten) mit diesem Rechts-Links-Paradigma zu tun? Ist sie vielleicht nur so vom Schein der Metzgertheologie zu befreien? Liegt hier die Lösung des Rätsels des Rassismus (das selbst bei Rosenzweig in einer Weise anklingt, die nach Auschwitz unerträglich geworden ist)? Liegt an der Frage der Unterscheidung von Rechts und Links die Umkehr Gottes (die Möglichkeit einer Theologie im Angesicht Gottes)? Unsere eigene Seele ist in den Wegen des Irrtums des Sünders (in den subjektiven Formen der Anschauung, in der Logik des Geldes und in der Bekenntnislogik) mit gefangen.
Oh wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß: Enthält das Gespräch, das Heisenberg im Krieg mit Nils Bohr geführt hat, den Schlüssel zum Verständnis des Versuchs, nach dem Krieg eine „einheitliche Weltformel“ zu entwickeln? Hat sich das nationalistische Erbe in diesen hilflosen Versuch, Einstein zu übertrumpfen, zurückgezogen, verkapselt und in einen Objektivismus entstellt, der seitdem endgültig nicht nur die Naturwissenschaften, sondern die Welt verhext?
Stand der Aufklärung: Heute reden alle übereinander, weil sie die allgemeine pathologische Empfindlichkeit daran hindert, mit einander zu sprechen. Selbst die Theologie ist zur „Rede von Gott“ verkommen.
Am Beispiel des Begriffs der Empfindung wäre nachzuweisen, daß der historische Subjektivierungsprozeß (die Rückseite des Objektivierungsprozesses) ein Vergiftungsprozeß ist. Der Begriff der Empfindung verweist auf die pathologisierende Gewalt der Aufklärung, die zu reflektieren wäre. Statt dessen haben die Nachfolger der kritischen Theorie die Dialektik der Aufklärung liquidiert.
Hängen nicht die Objekte der Subjektivierung: Empfindung, Kritik und Schuld, wie der Verblendungs-, Schuld- und Herrschaftszusammenhang mit einander zusammen?
Gesellschaftskritik als Waffe ist ein Instrument der Potenzierung des Kritisierten, Gesellschaftskritik hat nur ein Recht als Mittel der Reflexion.
Die Subjektivierung der Empfindungen, der Meinungen und der Schuldgefühle sind Attribute der Feindbildlogik.
Hat nicht Paul Watzlawik zum Gespräch zwischen Heisenberg und Bohr ein aufhellendes Beispiel geliefert, das nur den einen Mangel hat, das es nur die Psychologie, nicht die Logik dieses Gesprächs beleuchtet?
Verstricken sich nicht die „Alternativen“, die außerhalb des Systems (in der Natur oder in der Religion) die Nischen einer „heilen Welt“ suchen, eben damit in den Netzen des Systems? Sie möchten dem Schuldzusammenhang nur entrinnen, anstatt der Mühe sich zu unterziehen, ihn durch Reflexion zu sprengen.
„In vierzig Tagen wird Ninive zerstört“: Liegt der Unterschied zwischen Jonas und Tobias vielleicht nur in dieser Frist?
Ersetzt nicht der Begriff der Buße, und zwar schon im Namen der lateinischen paenitentia, die Umkehr durch die Selbstbestrafung, durch die Verinnerlichung von Herrschaft? Buße ist gnadenlos.
Drückt nicht in der Darstellung der Buße im Buch Jona in der Tat die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, sich aus?
Haben Rechts und Links mit Tod und Auferstehung zu tun, und die Unterscheidung von Rechts und Links mit der Umkehr Gottes?
Es gehört zur Logik der Unsterblichkeitslehre, daß sie mit dem eigenen Tod den der Anderen verharmlost, in Kauf nimmt, daß sie hilft, den Verdrängungsprozeß gegen die Vergangenheit zu legitimieren: die Finsternis zu befördern. Ist die Finsternis das Licht der Aufklärung (der Begriff der Klarheit erinnert an die klaren Verhältnisse, die das Feindbild hervorbringt)?
Zur Geschichte der Aufklärung gehört das Bild der Wilden wie zum Ursprung der Philosophie das der Barbaren. Sind die Wilden das Produkt der Hellenisierung der Barbaren, die nur durchs Christentum möglich war?
Ist der Streit in der Prozeßgruppe ein nachträglicher Sieg Hembergers und Schiefersteins, eine Folge der Unfähigkeit, das, was im Prozeß passiert ist, zu reflektieren? Und macht uns nicht unsere Empfindlichkeit zu Marionetten des Systems, zu willigen Vollstreckern der BANK, DIE IMMER GEWINNT? -
6.3.1997
Thomas Powers „Heisenbergs Krieg“ ist in Wirklichkeit Heisenbergs Legende: Es ist schon erstaunlich, wie dreist der Nationalismus Heisenbergs (und der Antisemitismus E. v. Weizsäckers) heruntergespielt wird, so als sei es normal, angesichts der Vertreibung der jüdischen Kollegen, des Kriegs und des Genozids nationalgesinnt zu sein, und als sei es verständlich, wenn Heisenberg den Anstand im faschistischen Deutschland erst in dem Augenblick als bedroht ansieht, als es um die eigene Karriere (um die Berufung auf den Lehrstuhl Sommerfelds in München) geht. Da sieht er selbst in dem Versuch, Himmler einzuschalten, noch kein Problem. Andererseits trägt Powers doch sehr dick auf, wenn er die Bemühungen in den USA, nach Hahns Entdeckung der Atomspaltung die Möglichkeiten einer militärischen Nutzung der Atomenergie auszuloten, als gierig und irrational beschreibt (und auf die Sensibilisierung der Emigranten, die Art und Ausmaß der Nazigefahren am eigenen Leibe erfahren haben, für eine mögliche deutsche Bedrohung nicht eingeht), während beispielsweise ein mindestens vergleichbarer Hinweis Weizsäckers an das Heereswaffenamt auch im unmittelbaren Anblick der Gefahr eines von Deutschland ausgehenden neuen Weltkrieges für ihn nur normal ist.
So läßt sich denn auch die in der Tat unsägliche Rolle Philip Lenards und Johannes Starks und der „deutschen Physik“ als Alibi verwenden, um die wirkliche Beziehung der „seriösen“ deutschen Physiker wie Heisenberg und Weizsäcker, um von Pascual Jordan zu schweigen, zu Einstein nicht aufklären zu müssen. Dabei wäre es an der Zeit, einmal im Ernst zu untersuchen, welche ideologische Rolle die sogenannte „Kopenhagener Schule“ (die seit je Nils Bohr nur als Alibi benutzt hat) im faschistischen Deutschland (und in der Folgezeit) wirklich gespielt hat.
Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ ist der fundamentale Einspruch gegen das Herrendenken. Den gleichen Sachverhalt hat Rosenzweig in seiner Kritik des All zu formulieren versucht. Es ist der Einspruch gegen einen Universalismus, für den die Totalität zur Verfügungsmasse geworden ist. Der Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ hält die Idee der Versöhnung bis ins Innere des Gedankens (und d.h. auch: bis in den Kern der Natur) offen. Die Idee einer Zukunft, die nicht unter die Vergangenheit subsumiert ist, ist anders nicht mehr zu halten.
Kritik der Naturwissenschaft oder
– der Seitenblick, in dem Natur als Natur überhaupt erst sich konstituiert, oder
– Kritik der zukünftigen Vergangenheit oder
– der asymmetrische Wahrheitsbegriff (Name und Begriff).
Die kantische Frage, wie es möglich ist, daß Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung gleichwohl objektiv sind, erstreckt sich heute auf Natur und Geschichte insgesamt.
Der terminus ad quem der resurrectio naturae ist die Erkenntnis des Namens. Natur steht unterm Bann der Feindbildlogik. Deshalb gehörten zum Selbstverständnis des Hellenismus als Projektionsfolie die Barbaren.
Die modernen Naturwissenschaften (deshalb ist der Begriff der naturwissenschaftlichen Erkenntnis emotional so hoch besetzt) haben die Idee der Erlösung und damit die Wurzel des Christentums selber angegriffen und säkularisiert. Bezieht sich das Wort „Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein“ auf dieses dem Begriff der naturwissenschaftlichen Erkenntnis innewohnende Problem? Steckt darin nicht die Lösung des Problems des zweiten Tags (zur Feste des Himmels fehlt der Satz „und er sah, daß es gut war“)?
Die Kritik der Naturwissenschaften ist von dem Problem der Kritik der politischen Ökonomie und dem der Kritik der Bekenntnislogik nicht zu trennen. Verweisen die „Völker, Nationen und Sprachen“ in den Apokalypsen auf diese Konstellation (vgl. auch das Wort über Assur, Ägypten und Israel in Jes 1925)?
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist: Ist das Geld nicht ein „außenpolitisches“ Institut, ein Mittel der Tributerhebung, damit aus seiner eigenen Logik heraus ein kaiserliches Institut (Dareiken)?
Kann es sein, daß die karolingische Münze, die als Beweis für die Existenz des karolingischen Reiches angesehen wird, als Schlußstein zu den Fälschungen gehört, die das mittelalterliche Imperium legitimieren sollten: daß sie „Falschgeld“ ist? War dieses Geld ein Instrument der Selbstbegründung der Reichsidee und des Kaisertums?
Aus welcher Zeit stammt das Attribut „der Große“, auf wen wurde es angewandt (von Alexander über Karl bis zum preußischen Friedrich) und was drückte in diesem Attribut sich aus?
Das Traumproblem in der Schrift scheint darauf hinzudeuten, daß der Joseph in den Evangelien vielleicht doch etwas mit dem gleichnamigen Sohn Israels etwas zu tun hat? -
5.3.1997
Die subjektiven Formen der Anschauung sind intersubjektive Formen der Anschauung, sie sind in den Prozeß des Vergehens eingebunden. Und die Unfähigkeit, diesen logischen Mechanismus der Anschauung zu reflektieren und zu durchschauen, gehört zu den Konstituentien des Blocks, der versteinerten Welt.
Ursprung des Manichäismus: Sind nicht Werkzeuge, die ihre Erfinder, ihre Hersteller und ihre Verwender überleben, die eigentlichen Symbole der Unsterblichkeit? Ist die Unsterblichkeitslehre nicht ein Instrument der Selbstinstrumentalisierung? Es ist kein Zufall, daß die Unsterblichkeitsvorstellung in Ägypten, im Sklavenhaus, entstanden ist. Ebenso wie die Unsterblichkeitsvorstellung die Knechtsgesinnung begründet, ist sie ein Symbol des Siegs über die Materie: Das Werkzeug besiegt und überlebt die Materie, die es bearbeitet. In der Idee der Auferstehung drückt die Hoffnung der Materie, der Unterlegenen, der Besiegten: die Hoffnung der Armen, der Frauen und der Fremden, nicht die des Herrn, der selbst der Selbstinstrumentalisierung sich verdankt, sich aus.
Asymmetrie: Die Unsterblichkeitslehre bezieht sich auf mich, die Idee der Auferstehung der Toten auf die Anderen. Unsterblichkeit ist die Hoffnung, die ich für mich hege, Auferstehung die Hoffnung, die ich für andere hege (so wie ich den Tod nur als Tod der Anderen erfahre).
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Unterwelt?
Die subjektive Form der äußeren Anschauung ist das Feindschaftsprinzip, die Außenwelt ist die Feindwelt. Die subjektive Form der inneren Anschauung ist der Stein vor dem Grab, der Schlüssel zum Abgrund: das Symbol des Sieges, der Unterwerfung.
In der Dingwelt gewinnt der unterworfene Feind Macht über den Sieger. Die erste Gestalt der verdinglichten Objektwelt stand den heroischen Urhebern der Zivilisation in den Tieren und den Planeten vor Augen.
Natur und Verwirrung, die Wege des Irrtums, zum Verständnis des Naturbegriffs: Wer die Schuld auf andere verschiebt, verstellt sich selbst den Weg.
„Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“: Gehört es nicht zu den Leistungen der subjektiven Formen der Anschauung, daß sie dem Objekt die Qualität des Begriffs und dem Begriff die des Objekts verleihen, indem sie beide instrumentalisieren? Allein in der naturwissenschaftlichen Formel, die die Sache, auf die sie sich bezieht, ausblendet, „stimmen“ Begriff und Gegenstand „überein“.
Ist nicht der Traum des Nebukadnezar, den Daniel, bevor er ihn deuten kann, selbst erst finden, rekonstruieren muß, die mythische Welt, ist nicht die Vorwelt des Rosenzweigschen Stern der Erlösung der Ansatz ihres gegenwärtigen Begriffs? -
18.2.1997
Das Gewissen ist das Organ der Sensibilität, der moralischen Wahrnehmung: es ist ein Erkenntnisorgan. Wer das Gewissen (im Kontext der transzendentalen Ästhetik, unterm Bann der subjektiven Formen der Anschauung) zu etwas rein Innerlichem macht, macht es zur Quelle von „Schuldgefühlen“. Dieses Gewissen beurteilt nur post festum die vergangenen Handlungen (das eigene Tun); zu diesem Gewissen gehört der Rechtfertigungszwang (gehören die Abwehrmechanismen und die Feindbildlogik).
Was ist das für ein merkwürdiges Konstrukt, das, indem es rechtfertigt, verurteilt und freispricht zugleich? Ist dieses „Gewissen“ nicht der Inbegriff der Logik der subjektiven Formen der Anschauung, der transzendentalen Ästhetik?
Das Gewissen, das nur noch innerlich ist, ist der Luxus in einer versteinerten und gnadenlosen Welt.
Ist nicht der letzte Satz des Jakobusbriefs der Schlüssel zur Gnadenlehre?
Zu Hegels Satz: „Für den Kammerdiener ist der Held kein Held“ ist zu bemerken: Ein Held, der einen Kammerdiener hat, ist kein Held.
Ist Held eine ästhetische Kategorie? Was (nicht „wer“) ist der Held des Romans (ein Identifikationsobjekt, das ästhetische Pendant des Objekts: Beziehung zum Weberschen „Charisma“)? Gibt es Helden ohne Feindbildlogik, und gehört nicht zur Figur des Helden die Idee des stellvertretenden Opfers? Ist nicht die Figur des Helden der Knotenpunkt der Instrumentalisierung (im Helden gewinnt die Logik der Instrumentalisierung, die transzendentale Ästhetik, Selbstbewußtsein)? – Was hat die Figur des Helden mit dem „Fürsten dieser Welt“ und mit der Astronomie zu tun? Helden sind fleischgewordene Götter. Helden sind die Abgeltung des Opfers als Opfer an das Selbst.
Gibt es außer dem biblischen Schöpfungsbericht noch eine andere Kosmogonie, die auch die Entstehung des Lichts mit einschließt?
Pharao, der Titel des ägyptischen Königs: Hat die aristotelische Unterscheidung von oikos und polis etwas mit der Unterscheidung von Mizrajim (Pharao und das Sklavenhaus) und Babylon (Tempelwirtschaft) zu tun?
Stecken nicht im Namen der politischen Ökonomie, deren Kritik Marx sich vorgesetzt hatte, die polis und der oikos?
Bei Rosenzweig kommen Ägypten und Babylon nicht vor, dafür neben Griechenland Indien und China und neben Juden und Christen der Islam. Das aber heißt: Rosenzweig war kein Prophet, sondern ein Philosoph.
Bei Daniel kommt Ägypten nicht vor (erst bei Johannes kommt neben Babylon auch Ägypten vor: die Plagen). Wer Ägypten verstehen will, muß die Finsternis begreifen.
War die Erfindung der Sumerer ein Konstrukt zur Absicherung des Antisemitismus, gehört sie nicht in den Kontext der historischen Bibelkritik, deren Ziel die Neutralisierung der Prophetie gewesen ist? War nicht das Ziel der historischen Bibelkritik die Kritik der Erwählung Israels, die sie zu einem Exempel des Nationalismus gemacht hat, um so die exkulpatorische Logik zu retten? Kern der historischen Bibelkritik war die Verwerfung der Gottesfurcht.
Hat die kabbalistische These. daß die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, etwas mit der apokalyptischen Versiegelung (und mit der Lösung der sieben Siegel) zu tun?
Gibt es nicht Motive aus der heroischen Tradition, die sowohl auf Moses als auch auf Jesus sich anwenden lassen?
Ist die Stummheit des Helden die Folge seiner Beziehung zum Ursprung der Kunst, zur Ästhetik, auch zu den subjektiven Formen der Anschauung? Sind Helden die ersten Objekte der Anschauung? Wenn die Stummheit des Helden mit dem Ursprung der Raum- und der Objektvorstellung zusammenhängt, ist sie eine Bestimmung innerhalb der Sprache. Und wie hängt die Distanz zum Objekt, die in der Stummheit des Helden sich ausdrückt, mit dem bara, mit dem biblischen Schöpfungsbegriff zusammen (wie auch mit dem Namen der Barbaren und der Hebräer)?
Ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht: Ist nicht das Himmelsblau das über die Finsternis gezogene Licht, das Rot des Feuers die über das Licht gezogene Finsternis? – Vgl. Goethes Farbenlehre.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Haben Mond und Sonne etwas mit der Scham und mit dem Blick der Andern, mit dem Urteil, zu tun?
Et verbum caro factum est: Ist dieses Fleisch der Inbegriff der Nacktheit und der Scham. Der ans Kreuz Geheftete war nackt.
Drückt in der Apokalypse die Beziehung der Wahrheit zur Öffentlichkeit sich aus, die auch dem Martyrium zugrunde liegt?
Mene, tekel upharsin: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden. Die Wand ist die Projektionsfläche, die die Rationalität der Naturwissenschaft begründet. Ist das Menetekel (die Schrift an der Wand) der Grund der Naturwissenschaft? Das Menetekel ist das Symbol der Logik der Schrift; und hat es nicht auch etwas mit dem Geld, mit Mine und Schekel, zu tun? Ist die Kunst (der subjektlose Traum der Politik, den das Genie, die „Natur im Subjekt“, träumt) der Traum des Nebukadnezar? -
17.2.1997
Zu Rosenzweigs Kritik des „All“: Der Allbarmherzige ist der Unbarmherzige. Allbarmherzigkeit ist eine Barmherzigkeit, die nur noch rechtfertigt, nicht mehr gerecht macht, die vor der Macht als Grund der Welt kapituliert (vgl. die Ausführungen Kippenbergs zur islamischen taqiyya in „Die vorderasiatischen Erlösungsreligionen“, S. 459ff). Eine Sündenvergebung, die nicht mehr gerecht macht, ist nur noch eine Verdrängungshilfe: Das leisten die subjektiven Formen der Anschauung besser. Die Abstraktion vom Blick des Andern ist die Abstraktion von Schuld (vom verurteilenden Blick des Andern), nicht ihre Aufhebung; sie dispensiert von der Anstrengung der Versöhnung. Deshalb gehört zu der mit der Geschichte der Naturwissenschaften verbundenen Subjektivierungsgeschichte die Subjektivierung der Schuld zu Schuldgefühlen. Die subjektiven Formen der Anschauung haben die Erlösung automatisiert. Der Allbarmherzige ist der Prototyp der subjektiven Formen der Anschauung (ohne die es den Begriff des All nicht geben würde). Die Barmherzigkeit hingegen ist konkret. Barmherzigkeit ist die individualisierende Kraft der Erkenntnis, sie hat Teil an der erkennenden Kraft des Namens. Gerechtigkeit hingegen ist die gleichmachende Gewalt, Ursprung des Begriffs: Sie kann Rechts und Links nicht mehr unterscheiden (und in der Folge auch Oben und Unten, Vorn und Hinten). Der Welt liegt die Gewalt zugrunde, der Erde die bis heute verborgene und ungehobene Barmherzigkeit.
Liegt nicht der Fehler der LXX und der gesamten, darauf sich stützenden hellenistischen Tradition darin, daß hier adonai, der Deckname des Gottesnamens, mit „der Herr“ anstatt mit „mein Herr“ übersetzt worden ist?
Die irdischen Väter repräsentieren in der Familie die Außenwelt und das Realitätsprinzip, der himmlische Vater Jesu dagegen die Barmherzigkeit als Inbegriff der zukünftigen Welt.
Beim Versuch, die Schrift zu verstehen, wird man eines beachten müssen: In der Schrift ist ein Vergleich niemals nur ein Vergleich, ist ein Gleichnis nicht nur ein Gleichnis. Wer in der Verheißung an Abraham das „Wie“ (zahlreich wie der Sand am Meer und wie die Sterne des Himmels) begreift, hat die Schrift begriffen.
Ist die Geschichte vom barmherzigen Samariter nicht mehr als eine moralische Fabel, und hat sie nicht etwas mit der Begegnung Jesu mit der Samariterin am Brunnen zu tun? -
9.2.1997
„Ein Mischnalehrer lehrte vor Raw Nachman, Jitzchaks Sohn: Jeder, der das Gesicht seines Gefährten vor den Vielen erbleichen läßt, ist, als ob er Blut vergießt.“ (Bawa mezia 58a, zitiert nach Der Talmud, ausgewählt, übersetzt und erklärt von Reinhold Mayer, Goldmann München, S. 508) Läßt nicht die Theologie das Angesicht Gottes „vor den Vielen erbleichen“, ist diese Beschämung nicht der genaueste Ausdruck des Paradigmas „Hinter dem Rücken“ (des „Redens von Gott“), eigentlich des Objektivierungsprozesses insgesamt? Ist die Natur die Schöpfung im Zustand dieses Erbleichens? Und ist das Beschämen (das den Andern Nackt-Vorführen) nicht das Werk der subjektiven Formen der Anschauung: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren?
Der intentio recta ist alles nackt. Und eine Theologie im Angesicht Gottes läßt auch als der Versuch, die Nackten zu kleiden, sich begreifen. Ist das nicht ein Hinweis auf das in dem Wort von den im Blut des Lammes gereinigten Kleidern Gemeinte?
Durch die intentio recta wird der Taumelkelch zum Unzuchtsbecher.
Der Ankläger läßt den Angeklagten erbleichen, der Verteidiger stellt ihn wieder auf die Füße. Das Beschämen gründet im Vorrang des Sehens vor dem Hören.
In welchen Zusammenhängen erscheint der messianische Titel kyrios, Herr, und wer nannte Jesus zum erstenmal Herr (und wer nannte ihn Herr, und wer Meister, Rabbi)?
Bedeutet der Satz, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden, eigentlich auch, daß die Kirche ewig sein wird? Gibt es einen biblischen Hinweis auf den Namen der ecclesia triumphans?
Ist der Ausdruck Sternendiener (für die Angehörigen der Völker) talmudisch, oder ist er biblisch begründet? Hat er nicht etwas mit dem Namen des Sünders und den Wegen des Irrtums zu tun?
Im Begriff der Geschichte und im Verfahren des Historismus steckt ein apriorisches Element (gegen das Franz Rosenzweig seinen Stern der Erlösung geschrieben hat).
Beamtenmentalität: Sich auf eine Weise den Kopf anderer Leute zerbrechen, daß man unfähig wird, sich in sie hineinzuversetzen.
Nicht die frontale Anklage, der man sich stellen kann, sondern das Urteil hinter dem Rücken, gegen das man sich nicht wehren kann, ist tödlich.
Das Verfahren der RAF-Prozesse gründet in der Anklage hinter dem Rücken, die nur pro forma der Gegenwart des Angeklagten bedarf. In einer Gesellschaft, in der alle über alle reden, aber niemand mehr mit dem, über den er redet, wird die verhängnisvolle Logik dieses Sachverhalts nicht einmal mehr wahrgenommen.
Birgit Hogefeld hat sich nicht in die Rolle gefügt, in die die Unterstützer sie hineinzwingen wollten, sie hat sich nicht zur Geisel der „Unterstützer“ machen lassen; deshalb haben sie sie fallen gelassen.
RAF-Phantom: Dieser Prozeß und dieses Urteil hatten mit der Angeklagten ebensoviel oder ebensowenig zu tun wie der Antisemitismus mit den Juden. Es gibt nur einen Unterschied, durch den die RAF-Prozesse deutlich vom Antisemitismus sich unterscheiden. Die RAF, die unter dem Programm angetreten ist, den Staat zu zwingen, sein wahres Gesicht zu zeigen, hat diese Vorurteilssituation selber provoziert und durch ihr Handeln geholfen, sie herbeizuführen.
Es gibt zwei Begriffe des Irrationalen, die sich durch das Kriterium, an dem sie sich messen, unterscheiden. Der eine orientiert sich an der Logik der Selbsterhaltung (in der das Programm der Aufklärung gründet), der andere am Zustand der Welt, der nur im Kontext der Selbstreflexion und nur durch Erinnerungarbeit sich begreifen läßt. -
7.2.1997
Wie hängt das Planetensystem mit dem Fleischessen und mit der hierarchischen Logik zusammen?
Wer vom jüdischen Monotheismus spricht, hat Hermann Cohen und Franz Rosenzweig nicht verstanden: In diesem Begriff setzt sich das Greuel des Hellenismus fort.
Magdala, der Ort, aus dem Maria Magdalena kommt, heißt ursprünglich Migdol. Steckt darin das gleiche Mi-, das auch in Michael enthalten ist, und hat das -gdol etwas mit gadol, Held, zu tun?
Sind mit den Namen Bethlehem, Nazareth, Magdala, Kana eigentlich wirklich nur geographische und nicht auch logische Orte gemeint?
Rückt nicht bei Paulus der Begriff der Natur in die Nähe der Konvention. des Brauchs? Bei Paulus ist das, was „von Natur“ ist (wie die Tatsache, daß Männer keine langen Haare haben), weder etwas physisch Notwendiges (und somit Unabänderliches) noch etwas moralisch Gefordertes. Natur ist – übrigens nicht nur bei Paulus – kein moralischer Begriff. Dazu ist er erst geworden durch die Konfundierung der Moral mit dem Recht, mit der Transformation des Gebots, das nur als Richtschnur des Handelns sich begreifen läßt, in einen Maßstab des Urteils. Zu prüfen bleibt, ob sich nicht der Naturbegriff generell der Konfundierung der Moral mit dem Urteil verdankt, die dann zwangsläufig die Sexualmoral ins Zentrum der moralischen Reflexion rückt. Nicht zufällig bezieht sich der Begriff des „Widernatürlichen“ (der fast automatisch der moralischen Verurteilung der Homosexualität sich assoziiert) ausschließlich auf sexuelle Sachverhalte, auf etwas, das „unbedingt zu verurteilen“ ist. Das Widernatürliche ist eine Kategorie der Logik des Urteils, es gehört zu den Konstituentien des modernen Objektbegriffs, mit dem die Logik der sexualmoralischen Urteils mitgesetzt ist. Liegt hier nicht die sprachlogische Wurzel des apokalyptischen Symbols des Unzuchtsbechers? Bezieht sich der Unzuchtsbecher, den die Hure Babylon in der Hand hält, auf die Logik der Verurteilung? Und ist die Natur dieser Unzuchtsbecher? Und hat dieser Unzuchtsbecher (der Naturbegriff) etwas mit dem Problem der Norm (der normierenden Gewalt der Oben-Unten-Beziehung) zu tun? Natur ist keine moralische, sondern eine Herrschaftskategorie, eine Kategorie der Herrschaftsgeschichte. Sie gehört (wie der Name der Fremden, der Barbaren) zu den Konstituentien des Begriffs, und es ist ein falscher Ausdruck eines richtigen Sachverhalts, wenn Hegel zufolge „die Natur den Begriff nicht halten“ kann. Zu den Konstituentien der Natur gehört die Urteilslust, genauer die aus Abwehr, Rechtfertigungszwang und Rachetrieb gespeiste Lust der Verurteilung, das Schuldverschubsystem. -
5.2.1997
Wenn ich weiß, wie etwas geht, beherrsche ich die Sache. Das Wie eröffnet die Herrschaftsfrage. So paßt die Frage Leopold von Rankes, wie es denn eigentlich gewesen sei, zu seiner These, daß alle Geschichte unmittelbar zu Gott ist: Sie macht den Historiker zum lieben Gott, zum ohnmächtigen Herrn der Geschichte.
Sind Seraphim und Cherubim die Verkörperungen von Wasser und Feuer? Daniel hatte das Gesicht vom Widder und vom Ziegenbock in der Burg Susa, die in der Landschaft Elam liegt, am Flusse Ulai (Ezechiel hatte seine Merkaba-Vision am Flusse Kebar). Hat der Strom im Paradies, der sich „von da aus“ in vier Arme teilt, etwas mit den vier Himmelsrichtungen und der Sündenfall etwas mit der Norm auf der Ebene, die durch die vier Richtungen sich konstituiert, zu tun?
Die kirchliche Unsterblichkeitslehre, die Vorstellung, ich könnte selig werden, auch wenn die Welt im Argen liegt, begründet eine autoritäre, ins Private gebannte Weltsicht: Die Welt und die Andern gehen dich nichts an, aber du sei brav! Eine Weltsicht, in deren Kontext es „Erlösung“ nur durch die Reproduktion des autoritären Charakters gibt.
Bezieht sich das apokalyptische Motiv des Erdbebens auf die ruhende Gegenständlichkeit, die Rosenzweig als das Bild der Vergangenheit erkannte? Und ist diese ruhende Gegenständlichkeit des Vergangenen (in die die Historisierung, die objektivierende Erforschung des Nationalsozialismus auch Auschwitz zu transformieren versucht) nicht sprachlogisch vermittelt, gründet sie nicht im indoeuropäischen Perfekt, in der Sprachform der „vollendeten Vergangenheit“? Und ist nicht die Trennung von Natur und Welt (zusammen mit der merkwürdigen Beziehung der Ursprungsgeschichte des Staates zur Objektivierung des Planetensystems) eine logische Hilfskonstruktion zur Stabilisierung dieser vollendeten Vergangenheit? Die Verdrängung und „Vollendung“ der Vergangenheit und die Erzeugung des Scheins der Reversibilität von Oben und Unten hängen zusammen. Hat die Verdrängung der Vergangenheit etwas mit dem Ursprung der Allmachtsphantasien der Verwaltung zu tun?
Die Vertreibung aus dem Paradies ist das Symbol des Ursprungs der Aufklärung, die Benennung der Tiere durch Adam das Symbol des Ursprungs der Sprache und der Gotteserkenntnis (der Sprache, in der der Name Gottes sich bildet und mitteilt). Gibt es einen Zusammenhang des messianischen Titels des Menschensohns mit dem Namen des Tieres und der Zahl seines Namens, die die Zahl eines Menschen ist? Ist der Menschensohn der Sohn dieses Menschen? Und ist dieser Mensch einer der Väter, an die die Forderung ergeht, zu ihren Kindern sich zu bekehren, und von denen es heißt: Laßt die Toten ihre Toten begraben? Hat nicht die Pseudonymität, der pseudepigraphische Charakter der Apokalypsen, etwas mit der Idee der Auferstehung der Toten zu tun?
Die Frage der Philosophie war die nach dem Was, die der Naturwissenschaften (und der Historiker) die nach dem Wie. Während die Naturwissenschaftler ihren realen Beitrag zu Naturbeherrschung leisten, sind die Historiker nur die Erben derer, die je geherrscht haben. Der Historiker ist der Feind des Propheten, er beraubt die Prophetie ihres Objekts, für ihn wird die Prophetie gegenstandslos. Hat nicht die kopernikanische Wende dem Historismus vorgearbeitet, hat sie nicht den Himmel gegenstandslos gemacht, indem sie mit dem Was auch das Wer aus dem Himmel ausgetrieben hat? Seit Kopernikus ist die Welt zu allem geworden, was der Fall ist, der Himmel zur reinen Verkörperung des Falls. Das Universum hat die Unterscheidung von Himmel und Erde gelöscht, Wasser und Feuer aus dem Himmel ausgetrieben: Stimmt es, daß der deutsche Name des Himmels mit dem des Hammers zusammenhängt (und das englische heaven mit heavy)?
Zum Wie: Das Hebräische kennt keinen Komparativ, keine Steigerungsformen (die die Adjektive zu einem sprachlogischen Instrument des Vergleichs machen). So gründet der Sündenfall in der Erkenntnis des Guten und Bösen (den gemeinsam mit dem Ja und Nein entsprungenen Uradjektiven). Ist das Wie der Turm, der bis zum Himmel reicht? Und ist Michael die apokalyptische Antwort auf die Intention des Sündenfalls (die im Turmbau ihr Echo findet), das Werden-wie-Gott (ist Michael nicht der deutlichste Hinweis auf den sprachlogischen Hintergrund der Apokalypse)?
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Ist die Nacktheit, das erste Objekt der Anschauung, nachdem sie vom „Angesicht“ sich löst, nachdem sie sich abwendet, die erste Antwort auf das Wie und damit der Ursprung dieser Frage? Gibt es deshalb „nackte Tatsachen“?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie