Rousseau

  • 29.01.92

    Die Vorstellung einer natürlichen Unschuld, einer stummen, vorsprachlichen Unschuld, auch die Bindung der Unschuld an den Bereich der Sexualität, honoriert das Vergessen. So hängt die Übernahme der Sünde der Welt mit dem Logos zusammen (gegen Rousseau und Derrida: gegen den christologischen Naturbegriff). Was bedeutet eigentlich die christliche Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie (die Lehre vom Sühneleiden Jesu) für das Verständnis der Sprache und der Erinnerung (Erinnerung und Raum: nicht getrennt vom Raum als Form der äußeren Anschauung, sondern Arbeit der Umkehr als Bedingung der Rekonstruktion der Sprache – Adams Benennung der Tiere)?
    Der Zusammenhang des Logos mit der Übernahme der Sünde der Welt, wird noch deutlicher, wenn man mit hereinnimmt, daß der Weltbegriff die Hypostase des anklagenden Prinzips ist und die Sprache erst in ihrer parakletischen Funktion sich konstituiert und entfaltet.
    Lukas hat ein Evangelium und die Apostelgeschichte (die Geschichte des Paulus und der beginnenden „Heidenmission“), Johannes ebenfalls ein Evangelium, dazu aber die Apokalypse. Werden die Evangelien des Lukas und des Johannes nicht durch die zweiten Schriften mit bestimmt? Steht im Johannes-Evangelium die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern?
    Steht nicht der „Jünger, den der Herr lieb hatte“ für diesen Zusammenhang von Logos und Übernahme der Sünde der Welt und von Weltkritik und Name des Parakleten (vgl. auch die Geschichte vom Wettlauf zwischen Petrus und diesem Jünger zum Grab).
    Die Beziehung des Raumes zur Sprache wird durch ihre drei Dimensionen definiert: durch das Verhältnis von „Im Angesicht“ und „Hinter dem Rücken“, von Rechts und Links und von Oben und Unten. Die trigonometrischen Funktionen sind Vergegenständlichungen der verdinglichten Umkehr. Wie hängen diese Dinge zusammen mit der Konstellation von Idolatrie, Sternendienst und Opfer? (Der Historismus: die Verdoppelung des Hinter dem Rücken. Die Last der Vergangenheit durch Vergegenständlichung sich zueignen anstatt sie zu übernehmen.)
    Die Erinnerungsarbeit wird symbolisiert durch den descensus ad inferos.
    Die Hilflosigkeit Drewermanns hängt damit zusammen, daß er an einem Begriff der Unschuld festhält, der auf Natur (den Mythos) und nicht auf die versöhnende Kraft der Sprache (den Logos, die Übernahme der Sünde der Welt und die Gottesfurcht) verweist. Das ist es, was ihn auf so merkwürdige Weise nicht nur hilflos, sondern zugleich stumm und aggressiv macht (was wiederum die Erfahrung einer ganzen Schicht von Gläubigen zu treffen scheint). In seinem Konflikt mit der Kirche prallen zwei Formen der Stummheit aufeinander, und deshalb ist eine Konfliktlösung fast unmöglich.
    Goethes „zu den Müttern“ ist ein Echo des rousseauschen inzestuösen Naturbegriffs.
    Es gibt keine Häresie, die nicht auf ein ungelöstes Problem in der theologischen Tradition hinweist. Nur mit der Verurteilung der Häresie wird das Problem bloß verdrängt, nicht gelöst, verurteilt die Kirche sich selber. Das gilt zuletzt auch für ihr Verhältnis zur naturwissenschaftlichen Aufklärung.
    Im Gegensatz zur griechischen (und zu den dann folgenden europäischen Sprachen insgesamt) hat die hebräische Sprache kein Futur: Sie ist eine Sprache der Erinnerung, des Eingedenkens. Die Vergangenheit ist ihr apriorischer Gegenstand. Die Bildung des Futur (insbesondere des Futur II) zieht ihre Kraft aus der Vergegenständlichung und Instrumentalisierung der Vergangenheit. Sie macht die Zukunft wie die Vergangenheit: In diesem Kontext (von Mythos, Schicksal und Philosophie) entspringt der Begriff. Das Christentum hat durch das Bekenntnissyndrom, durchs trinitarische Dogma und die Opfertheologie, diese Instrumentalisierung der Vergangenheit verinnerlicht und damit fast unangreifbar gemacht. Es hat damit das Vergessen gefördert, dem Eingedenken, der Erinnerung die Grundlage entzogen. Die Christologie ist an die Stelle der Auseinandersetzung mit der Vorvergangenheit getreten; seitdem werden in der christlichen Geschichte Vergangenheiten nur noch überwunden (bis in die Geschichte der Aufklärung hinein, die insoweit ins christliche Erbe eingetreten ist). Mit der Verdrängung aber wächst die Last der Vergangenheit.
    Welche Bewandnis hat es eigentlich damit, daß Maria Magdalena und die anderen Frauen am Ostermorgen zum Grab hinausgehen mit „Spezereien“, offensichtlich um den Toten zu salben („einzubalsamieren“)? Wie hängt diese Salbung mit der messianischen Salbung zusammen, mit dem Namen des Messias? Und wie hängt sie mit der Königstradition zusammen? Gibt es eine Beziehung zur Präparierung der Toten in Ägypten?

  • 15.01.92

    Christentum: Trinitätslehre als Verinnerlichung der Genealogie für Nicht-Juden, für die Heiden? Zusammenhang mit dem mißverstandenen vierten Gebot? Bedeutung der Opfertheologie (antisemitische Struktur: wird nicht der Vater als Vater, d.h. durch Aufspaltung: durch Verinnerlichung als „lieber Vater“ und Vergegenständlichung als Sadist, geleugnet)?
    Großartig der Nachweis Lillian Kleins, daß das Buch „Richter“ doch strenger an diesen Titel gebunden ist, als bisher wahrgenommen wurde: als Darstellung des Zwangs und der Folgen, die sich aus der Trennung des Richtens vom Bund JHWHs mit Israel, des Richtens von der Barmherzigkeit und der Verknüpfung von Richten und Gewalt (aus der weltkonstitutierenden Logik des Richtens) ergeben? (Bei Lillian Klein Abensohn keine Bemerkung zur Jotam-Fabel oder dazu, daß Samson auf dem Schoße der Dalilah stirbt?) Beschreibt das Buch nicht die Entstehung der Raumvorstellung, der „subjektiven Form der Anschauung“ (kein König in Israel, jeder tat was er wollte; hier werden die Bejaminiten zu „Linkshändern“, bis hin zum Mord an der Konkubine des Leviten, am Ende zu Opfern; und hier werden die entscheidenden Siege „aus dem Hinterhalt“ erfochten – es verschwinden das „Angesicht“ und Gottes Rechte)?
    Saul kam aus Gibea in Benjamin, während David den Goliat mit Hilfe einer Steinschleuder erschlug.
    Gegen Rousseau: Es gibt keine ursprüngliche heile Natur, die erst durch Vergesellschaftung (durch den Gesellschaftsvertrag: durchs Eigentum, durch das Inzestverbot und die Monogamie, durch die Schrift und den Logozentrismus) verdorben worden wäre. (Auch die Schellingsche Naturphilosophie steht noch im Banne Rousseaus: Was bedeutet der Begriff der Welt in Schellings Titel „Weltalter“?)
    Der moderne Naturbegriff gründet nicht in der Gewalt, sondern er begründet auch Gewalt: die Gewalt, die das Äquivalent der Stummheit ist (wenn Sprache nichts mehr bewegt). Heute ist die ganze Sprache durchsetzt von der Stummheit: sie spricht nicht mehr, seitdem sie im Objektivationsprozeß ihr Subjekt verloren hat.
    Wenn die Sumerer die Erfinder des Privateigentums waren, war Babylon dann die erste Stadt?
    Der Kampf gegen die Idolatrie ist die erste Phase der Auseinandersetzung mit der städtischen, verdinglichenden, weltproduzierenden Gewalt.
    Ist die Marxsche „resurrectio naturae“ eine Konsequenz aus dem Rousseauschen Naturbe#griff?
    Freuds „Totem und Tabu“ krankt daran, daß es als ein pyschologischen (innerlichen) Vorgang faßt, was in Wirklichkeit eine gesellschaftlicher ist; er projiziert das Problem in ein dem Stand der Sache nicht ganz entsprechendes gesellschaftliches Umfeld, in das der sogenannten „Primitiven“. Die „Wilden“ sind erst in der Aufklärung entdeckt worden; sie haben hier eine entscheidende systemabsichernde Funktion (das Erbe Rousseaus: Kriterium der Unterscheidung ist für ihn die Schrift; piktographische, ideographische und alphabetische Schrift – haben Arnold Hauser und Max Raphael etwas über den Ursprung der Schrift geschrieben?).
    Satan: der Ankläger; Teufel (diabolos): der Verwirrer; Dämon: Verteiler, Zuteiler (des Schicksals).
    Benjamins Wort über Rosenzweig, daß er es vermocht habe, die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern anstatt sie seßhaft zu verwalten, steht in der christlichen Tradition: das „Auf dem eigenen Rücken“ entspricht präzise der Übernahme der Schuld der Welt.
    Emmanuel Levinas Einwand der Asymmetrie gegen Bubers dialogisches Prinzip hat die Unterscheidung von „Hinter dem Rücken“ und „Im Angesicht“ zu Grundlage. In der Symmetrisierung von Ich und Du triumphiert das „Hinter dem Rücken“, triumphiert die Gemeinheit, die unter der Buberschen Prämisse ins Unbestimmbare verschwindet.
    Der biblische Begriff des „Schreckens um und um“ bezeichnet den Ursprung des Selbstmitleids (beachte den Unterschied, mit dem Mann und Frau der Verführung des Selbstmitleids unterliegen: der Verführung, sich als Gegenstand oder als Subjekt als Natur oder als Welt, von außen zu sehen).
    Das „Im Angesicht“ ist ein sprachlicher Sachverhalt, das „Hinter dem Rücken“ ein optischer (es steht unter dem Primat der Anschauung). Und „der Fall“ ist ein Fall aus der Sprache in die Anschauung. Das „Im Angesicht“ liegt vor dem Moment, in dem „ihnen die Augen aufgingen“: und sie „erkannten, daß sie nackt waren“, und sie “ schämten sich“. Die Scham ist ein Zeichen dessen, daß das „Im Angesicht“ nicht ganz vergessen ist. – Hängt damit die strukturelle Differenz zwischen Radio und Fernsehen (Faschismus und Post-Faschismus) zusammen? Erst das Fernsehen liefert zur Stimme (zur Stimme Hitlers) auch das Bild, verschiebt das Antlitz aus dem sprachlichen in den optischen Bereich, macht es damit endgültig unkenntlich.
    Der Heideggersche Begriff der Frage (der zum Rundfunk-Zeitalter gehört) hat seinen Focus in der „Seinsfrage“, und zu dessen Metastasen gehören die „Judenfrage“ oder die „deutsche Frage“; er bezieht sich nicht mehr auf die Möglichkeit einer Antwort sondern – wie das Rätsel und die mathematische Aufgabe – auf die einer „Lösung“ (der Vergleich der „Lösungen“ der letztgenannten „Fragen“ wirft Licht auf den zentralen Punkt), das aber heißt, er ist ohne Gewalt nicht zu denken; seine früheste Anwendung findet er in der Geschichte von Alexander und dem gordischen Knoten.
    Sprachlich unterscheidet sich die Frage von der Antwort durch das Heben oder Senken der Stimme am Ende. Das Senken der Stimme ist zugleich der autoritäre, der beruhigende Gestus, während die hohe Stimme Unselbständigkeit, Unsicherheit, Panik signalisiert (das Erheben der Stimme zeigt Empörung an: sie erhebt sich gegen die Ruhe der Autorität). – Wodurch unterscheidet sich das Sich Senken vom Fall? Der Empörung folgt der Fall, während das Sich Senken eine autonome, selbstbewußte Handlung ist.
    Die eigentlich Botschaft in Hitlers Reden lag in der Stimme, in ihrem Tonfall; Hitlers Stimme vereinigte den autoritären mit dem panikerzeugenden Gestus (das Gleiche gilt heute von jeder politischen Rede; ihre Vorläufer hat sie in der Predigt).
    Merkwürdig, daß Rousseau (und Derrida übernimmt das unreflektiert) die Artikulation der Rede, als Voraussetzung der Ausbildung der alphabetischen Schrift, negativ besetzt. Er erfährt darin (wie im Logozentrismus) nur den autoritären Gestus, den Gestus dessen, der dem anderen etwas einreden will, während er den daran geknüpften Wahrheitsbegriff und allgemein das Menschenfreundliche der sich artikulierenden Vernunft (gleichsam im Vorgriff auf das Derridasche Konzept der Dekonstruktion) denunziert. Grund ist die Rousseausche Versenkung des Göttlichen in die stumme Natur.
    Ist es ein Zufall, daß der Sozialismus als erster seine fundamentalistische Phase hatte? Und wäre nicht eine Kritik des vergangenen „real existierenden Sozialismus“, die auf dieses Moment abstellt, die einzige, die dem derzeitigen Stand noch angemessen wäre?
    Ist nicht der Darwinismus ein Vulgär-Hegelianismus, in dem das Herrschaftsmoment des Begriffs sich endgültig durchsetzt?
    Ist die Wendung „den Himmel aufspannen“ nicht ein sprachlicher Ausdruck der Spannung, mit der das Im Angesicht und die Barmherzigkeit (die Bewahrung der rechten Seite) gegen die neutralisierende Gewalt des Raumes ankämpft: ein anderes Wort für das „emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae“: Der Gerechte trägt seinen Teil bei zur Erhaltung der Welt, indem er deren Schuld (den Grund der Asymmetrie zwischen Ich und Du) auf sich nimmt und so seinen Teil beiträgt zur Aufspannung des Himmels und zur Begründung der Erde, zur Erneuerung des Antlitzes der Erde (die Asymmetrie zwischen Ich und Du begründet das „Im Angesicht“, während die Symmetrisierung der Beziehung unter der neutralisierenden Gewalt des Raumes steht und „hinterm Rücken“ verbleibt).

  • 12.01.92

    Das Moment der Verführung im Sündenfall steckt in der Anklage, die die Schlange gegen Gott erhebt: er versuche. die Menschen zu betrügen. Dieser Vorwurf setzt das Prinzip der Selbsterhaltung frei: die Erkenntnis des Guten und Bösen, mit der Folge, daß ihnen die Augen aufgingen, und sie erkannten, daß sie nackt waren, und sie schämten sich.
    Die Verdinglichung ist ein Nebeneffekt der Vergesellschaftung, und über die Verdinglichung setzt sich die Vergesellschaftung durch (die zugleich als Entlastung von Schuld und Verantwortung, als Exkulpation erfahren wird, die dann bewußtlos in die Zwänge hereinführt, die in der jüdischen Tradition mit dem Begriff Idolatrie bezeichnet wurden).
    Abel ist nach Meyers Lexikon der Atem, der Hauch (das vokalische Element). Hängt es damit zusammen, daß Abel ein Hirt war, und daß sein Opfer Gott wohlgefällig war, und daß er zum ersten Opfer wurde? (Gibt es eine Abel-Tradition, ist Jakob, ebenfalls ein zweiter Sohn, ein Abel redivivus?)
    Adorno: war er nicht ein Daniel in der Löwengrube?
    „Bruchstücke einer letzten Konfession“? – Motto: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.“ – Hegel und Franziskus (unum daimon plus scit quam tu).
    Das christologische Element in Rousseaus Naturbegriff (Vergöttlichung des Opfers) hängt mit der exkulpatorischen Funktion dieses Naturbegriffs zusammen (dem Wunsch nach einem sprachtranszendenten Objektbegriff, nach stummer, bekenntnisfreier Versöhnung: man muß endlich auch einmal vergessen können). In der Ahnung, daß das heute nicht mehr reicht, sucht die Verzweiflung Zuflucht in einem Religionsbegriff, der vor dem der Offenbarungsreligion liegt.
    Keine Wahrheit ist gegen ihre Instrumentalisierung gefeit. Deshalb hören alle nur noch, wofür oder wogegen einer ist, nicht mehr, ob das, was er sagt, wahr ist; und hinter jedem Argument wittert man das Eigeninteresse des anderen, die Gefahr selber „untergebuttert“, „vor einen Karren gespannt“ zu werden. Dagegen hilft auch nicht ein Wahrheitsbegriff, der sich an die Faktizität (die Kriterien der Beweisbarkeit) klammert. Hier kommt es dann nur noch aufs Rechtbehalten an, aufs Überzeugen, gleichgültig, welche Interessen dahinter stehen, während, wie die Vorurteilsforschung erwiesen hat, der Antisemit unbelehrbar ist. Es gibt keine Wahrheit, in deren Begriff nicht die Idee der richtigen Gesellschaft enthalten ist (dem versucht der „christologische“ Naturbegriff sich zu entziehen).

  • 07.01.92

    Orientalistik eine Veranstaltung zur Bannung einer Gefahr: Hintergrund ist der Zusammenhang mit der jüdisch-biblischen Tradition. Auch die Bibelwissenschaft (vgl. O. Loretz: Ugarit und die Bibel) kann aus methodischen Gründen den Anspruch, den die Schrift (als Prophetie – im Unterschied zur Philosophie, deren Anspruch auf Rationalität „leichter“ zu erfüllen zu sein scheint) stellt, nicht akzeptieren (Konsequenz der Phänomenologie: Übertragung der Husserlschen Epoche auf die historische Kritik; Nominalismus, „Wesensschau“ = Absehen von der Existenz und Neutralisierung der Prophetie gehören zusammen). Grund ist u.a. ein Realitätsverständnis, das sich der – auch die Menschen ergreifenden – verdinglichenden Gewalt der Naturwissenschaften verdankt, und das a priori jeglichem religiösen Gedanken die Objektivität bestreitet, ihn der Subjektivität, der bekenntnisreligiösen Willkür überantwortet (ohne deren Geheimnis auszusprechen: Kriterium des Bekenntnisses ist seine herrschaftstechnische Zweckmäßigkeit, die aber nur wirksam ist, wenn sie verschwiegen wird: als Trug – objektiver Grund der hegelschen „List der Vernunft“).
    Griechische und hebräische Schrift: ist der Unterschied der Schreibrichtungen ein Hinweis auf die Beziehung beider Schriften, die sich wie die zwei Seiten eines Blattes (wie die griechische Philosophie zur jüdischen Prophetie) zu einander verhalten?
    Derrida zufolge gründet das Rousseausche Konzept des Ursprungs der Sprache in der Erkenntnis, daß „die Gesellschaft, die Sprache, die Geschichte … gleichzeitig mit dem Inzestverbot“ entstehen (S. 453). Hat der Ursprung der Schrift etwas mit den Menschen-(Kinder-)Opfern der Phönizier (und diese mit ihrer Funktion in der Ökonomie der altorientalischen Reiche) zu tun? Ist der Moloch die Katastrophe, die sich in der Artikulation der Sprache und im Ursprung der (deshalb zunächst konsonantischen) Schrift manifestiert. Welche Bedeutung hat dann die „Bindung Isaaks“? – Gibt es andere (nicht gleich erkennbare) Hinweise auf den Ursprung der Schrift (Ursprung der Stadt; Schrift und Abgeltung des Opfers durch das Königtum und dann durch Philosophie oder Prophetie)?

  • 31.12.91

    „Alle Menschen streben nach dem Wissen“, weil sie die Ungewißheit des Nichtwißbaren (und der potentiellen Schuld), der Zukunft, nicht ertragen können. Das deutsche Versicherungswesen ist gerade keine „Solidarhaftung“, sondern einerseits ein Netz, durch das zu viele hindurchfallen, und anderseits ein Abwälzen der Last auf die Nachfahren, die Zukunft, die gleichsam apriori in Schuldhaft genommen wird: ein Exkulpationssystem.
    Wer Wahrheit an die Kommunikation bindet, bindet sie an die Beweislogik, mit all den Folgen, die sich daraus ergeben (Freispruch der Gemeinheit).
    Im Zusammenhang der Hegelschen Beziehung von Volksgeist und Weltgeist müssen die Volksgeister (die Nationen) sterblich sein: deshalb ist der Idealismus antisemitisch.
    Das „die Erde bringe hervor“ bedeutet, daß die Pflanzen und die Tiere nicht unmittelbar von Gott geschaffen wurden (ausgenommen die großen Seetiere).
    Ist der Ort der erschaffenen „großen Seetiere“ das Wasser über oder das unter dem Firmament?
    Das Schicksal ist das gesichtslose Anlitz der Natur.
    Grundlage des liberum arbitrium (der Wahlfreiheit) sind das Geld und der Raum (und ihre „Freiheitsgrade“), wobei das Geld die Beschränkung auf drei Dimensionen aufhebt (das Geld korrespondiert dem „Wert“, dem Gewicht der Einzeldinge; Zusammenhang des Wertgesetzes mit dem Gravitationsgesetz: was ist hier die Sonne?).
    Die Entstehung der Schrift (Säkularisation des Bildes), der Ursprung des Geldes (des Wertgesetzes) und die Entstehung des Weltbegriffs (der Raumvorstellung) sind Teile eines Prozesses.
    Derrida: Grammatologie, S. 173: Rousseau, der Christologe des modernen Naturbegriffs. Oder: Rousseau, die Krise der Schrift und der Rückfall in die Barbarei. (In Derrida explodiert die Rousseausche Revolte der Natur – vgl. hierzu Horkheimer.)
    Die Stimme bewegt nicht die Natur, wohl aber die Ökonomie.
    Seit dem Ende des letzten Krieges herrscht in Deutschland ein geradezu wütender Rechtfertigungszwang.
    Zum Begriff der Offenbarung: Der brennende Dornbusch ist der Inbegriff (das Außenbild) der Apokalypse. Im Prozeß der Weltbildung wird die Offenbarung apokalyptisch.
    Liegt die Schuldknechtschaft (der Ursprung der hpr) vor dem Ursprung der Kriege (dem Ursprung des Handels und der Schrift)? Wann und wo ist erstmals von Kriegen die Rede? (Alle Kriege zielen auf Eroberungen: gibt es auch Erunterungen?)
    Ist die nordafrikanische Vätertheologie (der Ursprung der lateinischen Theologie in Nordafrika) punisch, hängt sie mit der Geschichte der Phönizier, mit der Erfindung der alphabetischen Schrift zusammen?

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie