Der Einwand der Naturwissenschaftler gegen den biblischen Schöpfungsbericht, daß das Licht nicht vor der Sonne da gewesen sein könne, setzt das Dasein des Raumes vor der Schöpfung voraus.
Ist nicht der Turm die Verkörperung der Norm des Raumes (des Gesetzes, der Individualisierung, des Ursprungs der Geschichte der Naturbeherrschung und des Staates)?
Unterm Vorzeichen des Atheismus wird der Kampf um die Öffentlichkeit zum Machtkampf (zum Kampf um die Herrschaft über die Instrumente der Öffentlichkeit).
Wissenschaftskritik ist notwendig, nicht um dem Glauben Platz zu machen, sondern um der Gotteserkenntnis Raum zu schaffen.
Zum Stichwort „Dressur des inneren Schweinehundes“ vgl. den heute in der FR veröffentlichten Brief des persischen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi: In einer Öffentlichkeit, in der jede Information dem Verdacht der Instrumentalisierung unterliegt, gerät die Wahrheit in Gefahr, nach den Kriterien der Feindbildlogik entschieden zu werden. Ebenso, wie der Brief echt sein kann, kann er auch von Institutionen oder Gruppen, die ein Interesse daran haben, gefälscht worden sein. Mit diesem logischen Apriori jeglicher Information, die grundsätzlich instrumentalisierbar ist, hängt es zusammen, daß heute mit Hilfe des Fernsehens Kriege an- und abgestellt werden können. Die Frage, ob die Toten in Stammheim umgebracht wurden oder ob sie Selbstmord begangen haben, wird heute in der Regel nicht mehr nach dem Kenntnisstand, sondern durch Parteinahme „für oder gegen den Staat“ entschieden (wobei das Verhalten der staatlichen Stellen, die die Aufklärung behindert und die Frage durch Kriminalisierung zu lösen versucht, eher gegen ihn spricht, damit aber einen nachgerade kriminellen Nationalismus fördert). Beide Versionen sind in gleichem Maße real vorstellbar wie sie zugleich moralisch unvorstellbar sind.
Die Instrumentalisierung des Wissens (der Information) macht die Wahrheit zu einer Frage der Zweckmäßigkeit, des Eigeninteresses, der Bequemlichkeit, auch des „persönlichen Bekenntnisses“. Aber reicht diese Instrumentalisierung nicht zurück in die Grundlagen des Wissens überhaupt: in das Problem der transzendentalen Ästhetik, des apagogischen Beweises, der Naturbeherrschung und in dessen Beziehung zur Feindbildlogik?
Im Kontext der Bekenntnis- und der Feindbildlogik ist die Öffentlichkeit ein Schlachtfeld. Und auf diesem Schlachtfeld „gewinnt immer die Bank“.
Der Nationalismus war seit je ein Indikator der instrumentellen Vernunft.
Wenn zwischen dem An sich und dem Für andere nicht mehr zu unterscheiden ist, wird der Staat zum Absoluten. Das aber heißt, daß es so viele Verkörperungen des Absoluten gibt, wie es Staaten gibt (und es gibt so viele Welten, wie es Tiergattungen gibt: jede Gattung ist eine Verkörperung des Absoluten der Welt, zu der sie gehört).
Der Säkularisationsprozeß beginnt mit dem Ursprung und der Entfaltung der Bekenntnislogik (des Feigenbaums, der am Ende keine Früchte mehr trägt, aber viele Blätter).
Daß nichts Vergangenes nur vergangen ist, heißt auch, daß es keine abgeschlossene Vergangenheit (die uns nichts mehr angeht) gibt. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit läßt sich u.a. pragmatisch begründen, durch das Interesse der Vergegenständlichung, die ihren Grund im Herrschaftsinteresse hat. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit gehört zu den Voraussetzungen der Naturbeherrschung; sie ist das Modell der Verfassung des Objekts der Naturbeherrschung, das nur insoweit, wie es tot ist, beherrschbar und verfügbar ist.
Sarkuhi
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3.2.1997
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