Schelling

  • 14.1.96

    Privateigentum ist durch Raub, Erbschaft oder Tausch erworbenes fremdes Eigentum. Die Urform der Aneignung ist der Raub, der durch den Tausch nur reversibel gemacht worden ist. Diese Reversibilität ist das logische Fundament des Privateigentums, der Säkularisationsprozeß der Prozeß der Herstellung und universalen Durchsetzung dieser Reversibilität (Grund des Weltbegriffs). Das Armutsgebot (in der Fassung der indischen Mystik: Mein ist dein, und Dein ist dein) gründet in der (nicht moralischen, sondern logischen) Kritik dieser Reversibilität und hält die Einsicht in die Asymmetrie des Eigentumsbegriffs fest: Eigentum gründet nicht in der Unmittelbarkeit des Besitzens, sondern in der Anerkennung durch andere (seit dem Ursprung der Zivilisation in der staatlich organisierten Anerkennung des Privateigentums durchs Recht).
    Das Armutsgebot rührt an die Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs, hält diese Ursprungsgeschichte und damit den Weltbegriff selber (die „Sünde der Welt“) reflexionsfähig.
    Die staatlich organisierte Anerkennung des Privateigentums ist der logische Grund der Entfaltung der Raumvorstellung, der „subjektiven Formen der Anschauung“. Der Ursprung und die Entfaltung der mathematischen Naturwissenschaft sind in die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der staatlichen Institutionen verflochten.
    Der Levinassche Satz über die Attribute Gottes, die nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, gilt auch in der umgekehrten Anwendung (als Grundlage der Kritik der Idolatrie): Der Gott des Anklägers ist der Ankläger, der des Richters ist der Richter. Der Götzendienst war die erste projektive Verkörperung des Rechtfertigungszwangs – sein Preis war die Schicksalsidee -, das begriffliche Denken die zweite.
    Isolationshaft: Mit der Vergesellschaftung von Herschaft ist der horror vacui zu einem Instrument des Terrors geworden.
    Der Name der Barbaren gehört zur Präventivideologie des antiken Imperialismus, der der Wilden zur Präventivideologie des modernen Kolonialismus.
    Die Habermassche Intersubjektivität gründet in der Abstraktion vom Gesicht, sie sperrt das Subjekt ein ins Für-sich-Sein des Nebeneinander, in dem alle nur Objekte für einander sind. Darin gründet sein Universalismus, ein Universalismus der Theorie, gegen den die Theologie den Universalismus der Lehre setzt.
    Die Leugnung des Gesichts ist der Preis für die Anerkennung der schlechten Unendlichkeiten der subjektiven Formen der Anschauung.
    Hat der Rock aus Fellen, den Gott den ersten Menschen zur Bedeckung ihrer Blöße gab, etwas mit den Schuppen der Fische zu tun, die gegessen werden dürfen? Wie wird die Haut des Leviatan und des Behemoth im Buch Hiob beschrieben?
    Zum Menschensohn auf den Wolken:
    – Erscheint der Menschensohn nicht an der Stelle, an der bei Noe der Bogen in den Wolken stand?
    – Sind die Wolken nicht die Manifestation der Herrlichkeit Gottes am Tag (die in der Nacht als Feuersäule erscheint)?
    Hat Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ etwas mit dem zu tun, was Schelling in den Weltaltern die „Demut der Materie“ genannt hat?
    Himmel und Erde: Bäume ziehen ihre Lebenskräfte nicht nur aus der Erde, sondern ebenso auch aus dem Himmel.
    Was dem Bischof sein Kreuz, ist dem Arzt sein Stethoskop. Und warum müssen Richter und Priester bei ihrer Tätigkeit sich verkleiden?
    GSG 9: Die Autonomen des Staates.
    Sollte nicht auch die raf einmal überlegen, ob und in welchem Maße sie zum Lehrmeister dieses Staates geworden ist? Die einzige Waffe, gegen die der Staat ohnmächtig ist, ist die der Reflexion.
    Es sollte nicht vergessen werden, daß das Recht (wie im Auschwitz-Prozeß) auch als Instrument der Aufklärung genutzt werden kann. In Staatsschutzprozessen ist es zu einem Instrument der Gegenaufklärung geworden. Die Gründe sind analysierbar.
    In jeder Verurteilung steckt ein Keim der Paranoia, der nur durch Reflexion unschädlich zu machen ist. So wie ein Gericht keinen Beschluß fassen dürfte, bevor es nicht der Selbstaufklärungspflicht nachgekommen ist (einer Pflicht, die der 5. Senat nachweislich verletzt hat, als es Hubertus Janssen als einen, „der sich selbst als Pfarrer bezeichnet“, bezeichnete). Zur Selbstaufklärungspflicht eines Gerichts, scheint mir, gehört auch der erkennbare Wille und die Fähigkeit, sich in den Angeklagten hineinzuversetzen. Wer das vorab verdrängt, macht den Angeklagten zum Feind und begibt sich selbst der Möglichkeit, zu einem objektiven Urteil zu gelangen. Würde es nicht auch zu den Selbstaufklärungspflichten des Gerichts gehören, wenn es schon eine Anklage zuläßt, die den Vorwurf des Mords und des versuchten Mords (an Newrzella u.a.) mit beinhaltet, daß die Umstände der Todesschüsse in Bad Kleinen insgesamt aufgeklärt werden? Wenn ein wesentlicher Teil des Geschehens durch Gerichtsbeschluß von der Beweiserhebung ausgeschlossen wird, heißt das nicht, daß das Gericht sich selbst von seiner Aufklärungspflicht entbindet? Erklärt hiermit nicht das Gericht, daß es in diesem Punkte an der Wahrheitsfindung nicht interessiert ist?

  • 3.12.95

    Zum Begriff des Objekts:
    – Der Begriff des Objekts ist ein Weltbegriff: es ist die Welt, die der Natur den Objektbegriff zugrundelegt, so den Naturbegriff begründet.
    – Die Natur dynamisiert den Objektbegriff, der nur im Kontext des Weltbegriffs als statischer, ein für allemal gegebener Begriff erscheint (darin reflektiert sich das Erhaltungsgesetz der kapitalistischen Produktion, die nur als ständig sich erweiternde sich erhält: mit dem marktwirtschaftlichen Konzept der „Währungsstabilität“, das nur über eine „ausgeglichene Außenhandelsbilanz“ sicherzustellen ist, ist die Ausbeutung der Dritten Welt mitgesetzt). Ohne fortschreitende Naturerkenntnis, und d.h. ohne den Prozeß, den sie gegen die Objekte in sie hineintreibt, würde es den Objektbegriff nicht geben.
    – Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, verweist darauf, daß in der Strukturgeschichte des Objekts (in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis) die Herrschaftsgeschichte sich widerspiegelt, die jedoch dem Herrendenken selber, das unter dem Primat des Welt-, nicht des Naturbegriffs steht (oder das sich selbst im blinden Fleck steht), verborgen bleibt: das „Innere der Natur“, das der Erkenntnis sich entzieht, ist die Herrschaftsgeschichte, die sich selbst nicht durchschaut (außer in der „Heiligung des Gottesnamens“).
    In dem Satz: Das Innere der Natur ist die Herrschaftsgeschichte, steckt die Beziehung von Hegel zu Schelling.
    Hat die Beziehung der Begriffe Natur und Welt etwas mit der Beziehung der Planeten zum Tierkreis, hat sie etwas mit der Beziehung der Plejaden zum Orion zu tun? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen auf den Weltbegriff, den Inbegriff des Bindens, zu dem es bis heute ein Lösen (das dann auch auf den Himmel sich erstrecken würde) noch nicht gibt?
    Ist nicht die „Währungsstabilität“ das politisch-ökonomische Äquivalent der „subjektiven Formen der Anschauung“: die eine garantiert die Stabilität des Marktes im Innern der Nationen (auf Kosten der „Dritten Welt“), sie garantiert die Einheit der Nationalökonomie, die andere die Stabilität des Wissenschaftsbegriffs (der Identität der wissenschaftsfundierenden Totalitätsbegriffe Natur und Welt), und damit die Einheit des erkennenden Subjekts.
    Der Kampf gegen den Baal war der prophetische Kampf gegen die Anfänge des Herrendenkens, während die Apokalypse die Ursprungsgeschichte einer Situation reflektiert, in der (mit der Ursprungsgeschichte des Staates, im Namen Babylons, und in der logischen Konstruktion des Weltbegriffs) das Herrendenken objektivitätskonstituierende Bedeutung gewinnt. Dieser Prozeß wird in der Prophetie im Bilde des Kelchs reflektiert (Taumelkelch, Kelch des göttlichen Zorns: der Kelch, den die Herrschenden trinken, bis hin zum Unzuchtsbecher in der Johannes-Offenbarung; vgl. auch Hegels Satz: das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist).
    Bezieht sich nicht das Wort am Kreuz: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, auf alle Gestalten des Bewußtseins, die unterm Bann des Weltbegriffs stehen, auch auf die Theologie seit den Kirchenvätern (auf die Theologie hinter dem Rücken Gottes, eine Theologie, die bis heute nur gebunden, nicht gelöst hat)?
    Wer an Gott glaubt, muß an die Aufertehung der Toten glauben. Gott ist der Erwecker der Toten. Alles andere ist Rechtfertigung, Ideologie.
    Unschuldssyndrom: Wer nur unschuldig sein will, hat der Gerechtigkeit bereits entsagt. Es gibt keine Unschuld in dieser Welt, nur die Gottesfurcht; und die ist in der Tat der Anfang der Weisheit. Die Bekenntnislogik, zu der die Rechtfertigungslehren gehören, verdankt sich dem Unschuldssyndrom.
    Der Satz: „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, sprengt den Objektbegriff, der selber ein Depositum des Rachebedürfnisses ist (das Rachebedürfnis begründet und konstituiert das Präsens und den Indikativ).
    Die theologische Qualität der deutschen Sprache läßt sich an Wörtern wie Zorn und Wut (an der Unterscheidung der beiden Begriffe), an der Äquivokation des Seins (Infinitiv und maskulines Possessivpronomen) oder des Zeugen und der Zeugung, die keine bloßen Äquivokationen sind, an der Deklination der bestimmten Artikel und nicht zuletzt am Begriff des Substantivs erkennen.
    Im Kontext seiner Funktion als Possessivpronomen ist das Sein das Fundament des Rechts und des Staats.
    Der Substantiv ist der apokalyptische Drache, der das Weib, das den Knaben geboren hat, verfolgt.

  • 18.4.1995

    Fallen nicht die sogenannten nichteuklidischen Geometrien alle unter das Problem der kantischen Antinomien (unter das Beweisproblem)? Sind diese Antinomien (wie überhaupt die mit der Raumvorstellung verbundenen Vorstellung des Unendlichen) nicht ein Hinweis auf eine Art logischer Redundanz, die an der „Unbeweisbarkeit“ des Parallelenaxioms (dem innergeometrischen Äquivalent der kantischen Antinomien) sich dingfest machen lassen müßte? Sie rührt an den Grund des Problems des logischen Beweises in der Mathematik (ein Problem, das Kant mit seiner Konstruktion der synthetischen Urteile apriori zu lösen versucht hat).
    Die Mathematik gehört zu den Konstituentien des Begriffs des Wissens, das sprachhistorisch als vergangenes und erinnertes Sehen sich definiert, damit auf die Genesis der subjektiven Formen der Anschauung zurückweist. Der mathematische Beweis ist ein Beweis, bei dem die der Mathematik eigene Form der Objektivität den im Rechtsstreit erforderlichen Zeugen ersetzt. Die subjektive Form der Anschauung ist gleichsam die innere Repräsentanz des Andern (der Intersubjektivität) im Subjekt, eine Form des verinnerlichten und automatisierten Zeugenbeweises. Die Mathematik konstruiert im Kopf der Einsamen eine Objektivität, in der die dialogische Differenz zwischen mir und dem Andern aufgehoben scheint. Die Mathematik entspringt in der Logik der Schrift, die der Sprache die monologische Struktur und mit ihr die Logik des Beweises (des anschaulichen Präsentierens und des Begründens eines Sachverhalts) überhaupt erst eingeprägt hat. Die Mathematik bedarf des Rekurses auf den Andern nicht mehr, weil dieser Andere bereits ins eigene Denken integriert worden ist (Ursprung des Weltbegriffs). Die Objektivität des Angeschauten ist nicht mehr nur eine Objektivität für mich, sondern für alle; zumindest erhebt die Anschauung diesen Anspruch. In der Mathematik steckt die Reflexion auf die Andern, von der zugleich abstrahiert wird, mit drin. Und diese Beziehung von gegenständlicher Reflexion und Abstraktion von ihrer Genesis, reproduziert sich insbesondere in der Raumvorstellung selbst in der (orthogonalen) Beziehung der Dimensionen des Raums. Jede Dimension des Raumes ist als das Andere der anderen Dimensionen, mit denen sie doch auch identisch ist, zugleich das Andere ihrer selbst. Deshalb verschwinden in der reinen Form des Raumes die Unterschiede seiner Richtungen: Vorn und hinten, rechts und links, oben und unten lassen in der neutralisierten Form des Raumes nicht mehr sich unterscheiden.
    Die Beziehung von Zeuge und Märtyrer (der besondere Wert des Blutzeugen) rückt den Raum in eine besondere Beziehung zum Opfer: Die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers ist die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Raumvorstellung. Die säkularisierende Wirkung der subjektiven Formen der Anschauung gründet in dieser Beziehung zum Opfer (die es im übrigen verständlich macht, daß und aus welchem Grunde die Geschichte der christlichen Theologie, aus deren Reflexion die Ursprungsbegriffe der modernen Naturwissenschaften hervorgegangen sind, zu den Voraussetzungen der modernen Aufklärung gehört).
    Die Redundanz der Logik des mathematischen Beweises ist der Grund der kantischen Lehre von den synthetischen Urteilen apriori und der Beweiskritik, die in den Antinomien der reinen Vernunft (in der großartigen Darstellung der Grenzen des Beweises) sich reflektiert. Die Redundanz der mathematischen Logik gründet in der Neutralisierung der Asymmetrie der Beziehung zwischen mir und dem Andern; die Antinomien rücken diese Asymmetrie ins Licht, und zwar durch den Nachweis, daß in den mathematischen Grenzbegriffen vom Adressaten des Beweises nicht mehr sich abstrahieren läßt: Hier zerbricht die Objektivität der mathematischen Erkenntnis, und dieser Bruch rückt das Problem der Genesis dieser Erkenntnis ins Licht. Der transzendentallogische, antiontologische Charakter der kantischen Philosophie gründet in den Antinomien der reinen Vernunft.
    Im juristischen Beweisverfahren gibt es zu den subjektiven Formen der Anschauung ein Äquivalent: in dem Problem der Glaubwürdigkeit des Zeugen, des „falschen Zeugen“, das das Recht auf seine Ergänzung durch die „Billigkeit“ verweist, auf die Beweiswürdigung durch den Richter. Jeder Versuch, ins Recht die „zwingende“ Logik der Mathematik einzuführen, das Beweisverfahren redundant zu machen, führt in die Paranoia hinein.
    Vgl. das Zeugenproblem im NT: Neben den „falschen Zeugen“ gehört hierher die Bezeugung des Sohnes durch den Vater, die Zeugenschaft der Apostel (Zeugen der Auferstehung) und das Blutzeugnis, das Martyrium (nicht das Opfer, das vielmehr ein Mittel ist, die Redundanz des mathematischen Beweises auch in der Theologie zu begründen, damit aber zwangsläufig in die logischen und erkenntnistheoretischen Probleme des Dogmas und in die herrschaftsgeschichtlichen Probleme der Orthodoxie hineinführt).
    Erinnerungsarbeit scheint nicht möglich zu sein, ohne daß sie die Erinnerungsfähigkeit anderer in Frage stellt.
    Welchen Stellenwert und welche Funktion hat die Erinnerung in der kantischen Vernunftkritik, in der transzendentalen Logik? Auch die Erinnerung ist eine Form der Zeugenschaft (und die Mathematik eine Form der Instrumentalisierung der Erinnerung, ihrer Verschiebung ins Gegenständliche). Die Erinnerung ist dem Problem der Glaubwürdigkeit ebenso unterworfen wie der Zeuge vor Gericht. Die subjektiven Formen der Anschauung sind das leere Grab der Theologie.
    Die Raumvorstellung ist ein Endprodukt der Logik der Schrift (eine Form der „Erfüllung der Schrift“).
    Stellen nicht die drei idealistischen Systeme nach Kant die Geschichte der drei Leugnungen gleichsam in Kurzfassung vor Augen:
    – Fichte – die Leugnung des Fremden;
    – Schelling – seine Barbarisierung und Mythisierung und
    – Hegel die Hybris und die Selbstverfluchung?
    Gehört nicht zur descensio ad inferos das Vertrauen, daß die Pforten der Hölle sie (die Kirche) nicht überwältigen werden?
    Der Satz „Was braucht es noch Zeugen?“ läßt sich als der Kern der philosophischen Hybris begreifen (aber auch als Kern der Beweisführung in raf-Prozessen).
    Der Kronzeuge ist der durch Straferlaß bestochene Zeuge. – Der Kronzeuge ist das Realsymbol der subjektiven Formen der Anschauung (was hat der Kronzeuge mit dem Stephanus und der paulinischen Wendung des Christentums zu tun; ist nicht der Titel Erzmärtyrer das theologische Äquivalent des Kronzeugen? Stephanus jedoch sah den Himmel offen).
    Philosophischer Zoo: Erinnert nicht die ganze Diskussion der nichteuklidischen Geometrien, insbeondere der nur noch projektiv zu verstehende Satz vom Gauss über Kant und Hegel, an das irre Wandern des Tigers im Käfig. Die Geometrie ist die Käfighaltung des Geistes.
    Sind die Fälschungen des Mittelalters nicht Dokumente der Wirkung des Rechtfertigungszwangs in einer undurchschaubaren herrschaftsgeschichtlichen Situation? Von diesem Rechtfertigungszwang hat sich der gesamte Erkenntnisprozeß seitdem nicht mehr lösen können. Und die Frage der Existenz Karls des Großen hat einen mit der Frage nach der Ursache der Tode in Stammheim vergleichbaren Rang.
    Ist es nicht auch ein Stück negativer Erinnerungsarbeit, wenn in einen raf-Prozeß Urteile und Urteilsbegründungen aus vorangegangenen Prozessen eingeführt werden, um einen Sachverhalt als „gerichtsbekannt“ der Beweisdiskussion (und damit der Gefahr, durch die Verteidigung widerlegt zu werden) zu entziehen?
    Synthetisches Urteil apriori: Gibt es nicht bereits Prozesse, in denen man, um den fehlenden Schuldnachweis zu ersetzen, nicht einmal mehr auf „falsche Zeugen“ angewiesen ist?
    Verwischte Spuren: Durch Schaffung von Tatsachen, die dann andern angelastet werden, wird der Erinnerung der Weg verlegt. Ist nicht die Raumvorstellung das Resultat des kollektiven Spurenverwischens (das „reine Anschauen“), und verlegt nicht die Orthogonalität (indem sie die Zukunft ins Vergangene projiziert) der Erinnerung den Weg („Ick bün all do“, sagt der Igel, während der Hase sich zu Tode läuft)?

  • 19.9.1994

    Das Lachen ist die Finsternis über dem Abgrund wie auch die dem Feind zugewandte Seite der Bekenntnislogik, die mit dem Feindbild zugleich den Inhalt des Bekenntnisses stabilisiert (Beziehung zur Opfertheologie). Das Lachen gehört ebenso wie die hierarchische Grundordnung, zu der es gehört, zu den Konstituentien einer durch Gewalt bestimmten Welt. Das Lachen steht in einem Systemzusammenhang mit dem Problem der Souveränität (Carl Schmitt); es definiert die Grenze zwischen dem Eigentlichen und dem Uneigentlichen, die Bei Heidegger als Produkt einer reinen Dezision („Entschlossenheit“) sich erweist. Das Stück Irrationalität, die Lücke, die das Lachen (der Dezisionismus) überbrücken soll, ist die systemische Lücke der Beweislogik. Nicht zwar überbrückt, wohl aber ausgelotet wird diese Lücke durch die theologische Idee der Barmherzigkeit, ohne die es eine Schöpfungslehre und die Lehre von die Lehre von der Auferstehung nicht gibt: sie sprengt den Natur- und Weltbegriff, indem sie die Trennung beider, die der eigentliche Grund des Lachens ist, aus dem Bann des Absoluten erlöst. Während im Schrecken (im „Grauen um und um“) die Schrift sich erfüllt, erfüllt sich das Wort in der Erlösung von diesem Bann. Die gesamte christliche Tradition hat die Erfüllung des Wortes mit der Erfüllung der Schrift verwechselt: Diese Verwechslung war der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen.
    Man kann Carl Schmitt nicht widerlegen, wenn man die Lücke, die er mit seinem Begriff der Souveränität zu schließen versucht, bloß leugnet (vgl. Krockow).
    Der Paulinismus hat mit dem Namen des Gesetzes (der in der Logik der Schrift gründet), die Erinnerung an die Lehre (die Voraussetzung der Erfüllung des Worts) gelöscht und nur deren Leichnam, das Dogma und die Eucharistie, übrigbehalten.
    Hat Joachim Ritter nicht recht, wenn er das Lachen als ein Ingrediens des Weltbegriffs begreift? Das Lachen ist das Instrument der Trennung von Welt und Natur: Mit dem Lachen hält die Welt sich die Natur vom Leibe. Die Sprache bewegt sich nur noch in der zweiten Natur der Subjektivität, sie reicht an die erste nicht mehr heran (wie in Habermas‘ Kommunikationstheorie).
    Aber Ritters Begriff der Subjektivität ist das Zeichen der Kapitulation vor der sprachfremden Objektivität, des Verzichts darauf, diese Objektivität mit der Vernunft zu durchdringen.
    Joachim Ritter übersieht den blutigen Ernst des Lachens, seine doppelte Beziehung zum Mord, in dem es sowohl gründet als auch endet.
    War nicht das homerische Lachen der Götter Ausdruck der Auseinandersetzung mit dem Schicksal: die Subjektivierung des Lachens war ein Nebeneffekt der Verinnerlichung des Schicksals (und des Ursprungs einer Gottesidee, zu der die Vorstellung gehört, daß Gott seiner nicht spotten läßt: Modell des heute vergesellschafteten Instituts der „Majestätsbeleidung“).
    Ist der Mond die astronomische Verkörperung des Lachens? Das würde begründen, weshalb Hunde den Mond anbellen. (Und der Zyklus der Frauen hängt mit dem Mondzyklus zusammen.)
    Gibt es innersprachliches Äquivalent jener Engel-Kosmologie, die die Paulus-Briefe auszeichnet (und u.a. in der kirchlichen Liturgie, in der Präfation, erscheint)? Ist das kreisende Flammenschwert des Kerubs vorm Eingang des Paradieses die Verkörperung des Lachens (JHWH thront auf den Kerubim)?
    Wenn Jesus nicht gelacht, dafür aber die Dämonen ausgetrieben hat, so ist das das genaueste Symbol der Erfüllung des Wortes.
    In ihrer mystischen Tradition haben die Juden versucht, das Wort aus seiner Verstrickung in die Logik der Schrift zu befreien, während die christliche Tradition das Wort erneut der Logik der Schrift unterworfen hat.
    Ist nicht das Deutsche die vollendete Entfaltung der Logik der Schrift? Und sind davon nicht die deutsche Klassik, die deutsche Musik und die deutsche Philosophie der vollendetste Ausdruck? Daß bei Schelling die Zukunft „geahndet“ wird (und nicht, wie es nach der Entfaltung des Weltbegriffs allein noch möglich ist, erinnert), ist hierzu ein Schlüsselwort: Spökenkieker mögen die Zukunft „ahnen“, geahndet wird nur die Schuld, in deren Zusammenhang die Zukunft mit dem entfalteten Weltbegriff irreversibel sich verstrickt.
    Vgl. die Vermutung Gunnar Heinsohns, daß Darius (der Erfinder des gemünzten Geldes) der biblische Hammurabi ist (der erste, der das Recht der Logik der Schrift subsumiert, es zum Gesetz gemacht hat). Gegen das persischen Reich waren in der Tat das assyrische und das babylonische nur Vorstufen.
    Hat der Ursprung und die Geschichte der Beichte etwas mit dem Ursprung und der Geschichte des Geldes (Heinsohn) zu tun? Auch hier wurde die Schuld in kleine Münze umgeformt, die am Ende als ganze eingefordert werden wird (Ursprung und Geschichte der Schuldknechtschaft, Geschichte der Banken).
    (Liegt „meiner“ Interpretation der Geschichte der drei Leugnungen die matthäische Version zugrunde?)
    Das typologische Schriftverständnis müßte im Kontext einer Kritik der Philosophie (einer Kritik der Geschichte der Logik der Schrift) sich sprachlogisch begründen lassen.
    Nur die Schriftreligionen sind Weltreligionen.
    Heute machen sich die Bücher mit dem Weltgericht gemein (mit wenigen Ausnahmen). Der Hegelsche Weltgeist ist das durch die Logik der Schrift gekreuzigte, gestorbene und begrabene Wort.
    Mit dem Übergang vom Märtyrer zum Confessor, der dann die Geschlechtertrennung der Heiligen (den Ursprung der „Virgo“) nach sich gezogen hat, ist das Zeugnis der Wahrheit, das vorher das des Martyriums war, vergeistigt worden zur confessio: Hierdurch ist die Wahrheit in die Logik der Schrift zurückgenommen, in ein Herrschaftsmittelt umgeformt (und patriarchalisiert) worden. Die Logik der Schrift ist die Logik der Instrumentalisierung (oder auch die Logik der Vergegenständlichung, des Weltbegriffs).
    Reflektieren nicht die Grammatiken allesamt den Punkt, an dem die Sprachen zu Schriftsprachen geworden sind?
    Das Substantiv ist der Verdunkelungspunkt der Grammatik, das schwarze Loch, das alle Erkenntniskraft der Sprache in sich aufsaugt und nicht mehr herausläßt.
    Wie kommt es, daß in den modernen romanischen Sprachen (mit Ausnahme des Rumänischen) tendentiell das Neutrum wieder entfällt?
    Gründet das Neutrum in der Angleichung von Ja und Nein (Ursprung der Reflexionsbegriffe).
    Gehört nicht zur Bekenntnislogik als ihr Kern das Opfer der Vernunft? Der Ausgleich ist das Feindbild (Ursprung des Weltbegriffs).
    Korruption und Verschwendung der Regierenden steigen mit der Not des Volkes.
    Ist nicht jeder Staatskapitalismus zum Untergang verurteilt, sobald er beginnt, die agrarische Produktion zu vergesellschaften; liegt nicht hier die Quelle der Paranoia aller „sozialistischen“ Diktaturen, und gründet nicht hier der Mechanismus, der sie zwingt, am Ende von der eigenen Substanz zu leben? Und sind das nicht zugleich drastische Beispiele für die Folgen der Bekenntnislogik, die unvermeidbar waren, nachdem Kritik in ein Herrschaftsmittel verwandelt (der historische Materialismus zur Ideologie) wurde: für die Folgen Instrumentalisierung der Sprache, der Trennung einer sprachfreien Realität von der subjektivierten Sprache?
    Der Wohlgesonnene ist für den Nationalgesinnten ein Sympathisant.
    Der Staat gründet im Urteil, und das Gewaltmonopol des Staates ist das Prinzip der Selbstzerstörung der Sprache.
    Der Grund, aus dem jede Ästhetik erwächst, ist die Reflexion. Auf diesem Boden von „realer Gegenwart“ zu sprechen (George Steiner) heißt: den Schein hypostasieren.
    Der Satz „Das Eine ist das Andere des Andern“ fixiert mit der Konsequenz, die Hegel daraus zieht, den Blick des Anklägers und treibt die Barmherzigkeit aus (die jeder Ankläger mit den Dämonen verwechselt). Die Welt ist der Inbegriff der verandernden Kraft, und deren Repräsentanten im Subjekt sind die subjektiven Formen der Anschauung (und deren objektiver Grund wiederum ist die Logik der Schrift).
    Zu Begriff der Spekulation: Das Subjekt, das sich in der entfalteten Reflexion zu verlieren droht, bedarf des Absoluten als eines Spiegels, in dem es sein Selbst entdeckt und wiedergewinnt. Dieses Absolute ist Subjekt, Gegenstand und Produkt der Spekulation. Der Grund, aus dem es hervorgeht und erwächst, ist der Schein. Bezieht sich hierauf nicht das Bild von der Konstellation Schlange, Adam und Staub (die Schlange frißt den Staub, den Adam produziert)? Der Dezisionismus, der nicht zufällig in der Lehre von der Souveränität gründet, ist das unfreiwillige Schuldeingeständnis des Absoluten. Und die Idee des Absoluten ist das Denkmals des philosophischen Erbes der Theologie. Durch die Idee des Absoluten ist die Theologie auf eine höchst ironische Weise zur Magd der Philosophie geworden.
    Kopernikanisches System und Fernsehen: Das Inertialsystem ist die Schaubühne, auf der wir Autor, Regisseur und Schauspieler in einem sind, nur daß wir es am Ende als Zuschauer nicht mehr merken.
    Verkehrte Welt: Der Weltbegriff ist die Einheit der Gegenständlichkeit des Wissens mit der Subjektivität der Natur.

  • 13.9.1994

    Luise Schottroff weist nach, daß das „lineare Zeitdenken … blind (macht) für die Leiden der Gegenwart“ (Lydias ungeduldige Schwestern, S. 254). Deutlicher läßt sich die Beziehung der Philosophie (und in ihrer Folge der Wissenschaften) zur Prophetie nicht bestimmen. Das „lineare Zeitdenken“ verdankt sich der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; nur im Geltungsbereich dieser Subsumtion, die den prophetischen Kern der Erkenntnis sprengt, lassen die Dinge (als Erscheinungen im Sinne Kants) sich erkennen. Wahrheit gibt es nur im Kontext der „Leiden der Gegenwart“.
    Das lineare Zeitdenken macht nicht nur blind; es lähmt: Es ist der Grund des Trägheitsgesetzes nicht nur in der Natur. Das unter die Vergangenheit Subsumierte ist tot. Die „tote Natur“ ist es nicht „von Natur aus“, sondern als Reflex des Gesetzes, dem sie unterworfen ist: Produkt des Inertialsystems.
    Auch die Natur steht unter einem Wiederholungszwang, der zu sprengen ist, wenn der Bann unter dem die Natur steht, endlich gelöst werden soll. (Schreibt Paulus nicht immer dann, wenn er auf die Natur sich beruft, dummes Zeug? Dieser Naturbegriff ist determiniert durch den Stand der Herrschaftsgeschichte, der auch seine Beziehung zum Martyrium des Stephanus und seinen Namenswechsel zu berühren scheint.)
    Liegt nicht in dem Satz des Jeremias im Anblick der babylonischen Herrschaft (die als Ursprung und als Modell der römischen Herrschaft sich begreifen läßt): Betet für das Wohl der Stadt, die Wurzel der Beziehung des Christentums zu den Völkern (auch der paulinischen „Heidenmission“)? (Prophetisches Zwischenglied Sacharja 823?) Wird nicht dieser Paradigmenwechsel in seiner Kontraktion im Weltbegriff und in seiner Bedeutung für den Ursprung des Christentums analysierbar und bestimmbar? Weist nicht das erste Auftauchen eines Weltbegriffs (der den der Natur noch ungeschieden in sich mit begreift) bei Jeremias schon auf diesen Sachverhalt?
    Auch Schelling steht noch unter dem Bann des gleichen Naturbegriffs, den er zu durchdringen und zu begreifen sucht, wenn er im Anfang der „Weltalter“ schreibt, daß die Zukunft „geahndet“ wird (meinte er „geahnt“, oder hat er wirklich die Zukunft als Schuld verstanden?): Im Kontext der Kritik des Naturbegriffs müßte es heißen „erinnert“: Durch den Weltbegriff ist die Zukunft zu einem Gegenstand der Erinnerung geworden.
    Der Begriff der Zurechnungsfähigkeit gehört zur Definition der Person. Zurechnungsfähig ist, wer für seine Handlungen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Läßt die Tatsache, daß die Richter des Dritten Reiches niemals zur Verantwortung gezogen werden konnten, Rückschlüsse auf die Zurechnungsfähigkeit von Richtern zu?
    Wie hängt der Ursprung und die Geschichte des bestimmten Artikels (articulus: Gelenk, Knöchel, Knoten bei Gliedmaßen und Pflanzen) mit dem Ursprung und der Geschichte der Urteilsform (des „Seins“) und des Neutrums (oder auch der Orthogonalität) zusammen?
    Zu den Tätigkeiten der Sklavin Photis (bei Apulejus, Metamorphosen) gehört, daß sie neben den übrigen Diensten auch mit dem Gast schläft (Schottroff, S. 300). Liegt hierin der Hinweis auf den Zusammenhang von Herrschaft und Sexualität, gehört zum Herrenrecht auch das Recht auf die Sexualität des Beherrschten? Nur so läßt sich das kirchliche Votum zum Abtreibungsrecht erklären: Hier geht es um die letzte Stütze des Patriarchats.
    Hat das Martyrium des Stephanus (und die Rolle, die Saulus/Paulus hierbei spielt) etwas mit dem „Amt“ des Diakons: mit der Bedeutung des diakonein für das Selbstverständnis der frühen Kirche (mit der Rolle der „Hellenen“ und der Frauen in der frühen Kirche), zu tun? Waren nicht auch die Hörer der Pfingstpredigt des Petrus „Hellenen“?
    Gründet die Theologisierung des Vaternamens in der Zeitstruktur der Genealogie: Ist der Name des Vaters der Name der vergangenen Zukunft (Begründung des vierten Gebots, wobei das Gebot, die Eltern zu ehren, aus seinem patriarchalischen Bann zu lösen ist; nur so erweist es sich als ein Teil der Befreiung der Zukunft aus der Vergangenheit, die sie in Banden gefesselt hält)?
    An Hegels Diskussion des hic et nunc (des aristotelischen Quellpunkts der Philosophie) ist direkt nachzuvollziehen, daß und in welcher Form die Philosophie und der Begriff des Wissens dem linearen Zeitdenken und der Verdrängung des prophetischen Kerns der Erkenntnis sich verdanken (Ursprung des Inertialsystems). Im Inertialsystem gibt es das hic et nunc nur als mathematischen Punkt, als Korrelat des Relativitätsprinzips (als Stellvertreter des realen Objekts und als Produkt seiner Abstraktion vom Objekt).
    Wenn Luise Schottroff den Namen des Menschensohns durch den des „Menschlichen“ ersetzt, entschärft und entradikalisiert sie damit nicht diesen messianischen Titel? Der Name des Menschensohns ist kein Ehrentitel, keine Rangbezeichnung, er hat keine diskriminierende Wirkung nach außen, sondern er ist im wörtlichen Sinne ein Arbeitstitel: Erst der Menschensohn befreit das Patriarchat von seinem totemistischen Ursprung: Der Urvater des Patriarchats ist kein Mensch, sondern ein Tier; das Patriarchat steht im Symbol der Schlange, die den Staub frißt, aus dem Adam ward, und zu dem er wieder wird. Der Menschensohn wäre der erste Mann, der dem Patriarchat entronnen ist. Die Befreiung gründet im „Auf-sich-Nehmen“ der Last, die in Joh 129 bezeichnet ist, wie umgekehrt die patriarchalische Tradition des Christentums in dem opfertheologischen Konstrukt einer „Entsühnung der Welt“, das aller Erfahrung widerspricht: der Umkehrung von Joh 129, begründet ist.
    Hier ist an Adornos Kritik des „Ersten“ zu erinnern: Das Ursprüngliche, das Erste ist nicht das Vornehmere, das Ranghöhere; die Ideologie vom „Ersten“, mit der jede hierarchische Gesellschaftsstruktur sich zu legitimieren versucht, ist Teil der patriarchalischen Selbstverblendung. Der Menschensohn, das ist ein Name, der jede Rechtfertigung irgend einer Vergangenheit ausschließt, es ist der Name für die Befreiung der vergangenen Hoffnung aus der katastrophischen Geschichte, in der sie begraben ist.
    Zu Benjamins Bild vom Engel der Geschichte gibt es ein Gegenbild, das Adorno gelegentlich zitierte: das vom Mistkäfer, der den wachsenden Dreck der Vergangenheit vor sich herschiebt. Dieser Mistkäfer ist das Patriarchat, der Engel der Geschichte (den Jürgen Ebach in Lots Weib wiedererkannt hat) die Verpuppungsgestalt des Menschensohns? Erinnert diese Konstellation nicht an die Geschichte vom Sündenfall: an den Fluch über Adam (der den Dreck produzierende Mistkäfer), Eva (der Engel der Geschichte) und die Schlange (der von Adams Staub sich nährende und in der Geschichte wachsende Katastrophenberg)? Ist nicht die „Feindschaft zwischen der Schlange und dem Weibe“ die einzige, die nicht unters Gebot der Feindesliebe fällt?
    Tritt nicht die Philosophiekritik an die Stelle, die in der Geschichte der jüdischen Mystik einmal die Gematria innehatte?
    Die wachsende Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die fortschreitende Verweltlichung der Welt, die zur Selbsterhaltung und zum Konkurrenzprinzip keine Alternative mehr kennt, macht den Exkulpationstrieb, den Rechtfertigungszwang, unwiderstehlich; das Recht wird zur Opfertheologie des vergesellschafteten Rachetriebs; zur Bekenntnislogik, zum Weltanschauungsunwesen, das ohne Vernichtungskriege nicht sich erhalten läßt, gibt es keine Alternative mehr.
    Apologetik ist endgültig blasphemisch geworden: Zur Gotteserkenntnis gibt es keine Alternative mehr.

  • 18.03.94

    Auch das Lippenbekenntnis ist ein (projektives) Schuldbekenntnis: logisches Zentrum des Schuldverschubsystems. Im Bekenntnis (im Kontext mit seiner „gemeinschaftsbegründen“: politischen, ökonomischen und religiösen Gewalt) gewinnt das projektive Moment in der begrifflichen Erkenntnis seine gegenständliche Kraft. Erkenntnistheoretisch gründet das Bekenntnis in der Form der äußeren Anschauung: in der Form des Raumes, praktisch bildet es sich am Modell der Logik des Tauschprinzips.
    Die genetische Beziehung der Trennung von Ding und Sache zur mittelalterlichen Eucharistie-Verehrung gründet in der Bekenntnislogik: Durch diese Beziehung rückt die Eucharistie (und mit ihr die Opfertheologie, eigentlich das gesamte Dogma) in den Kern des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs, wird sie zur Verkörperung der „Sünde der Welt“ („Denn wer ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht, wenn er den Leib nicht unterscheidet“).
    Wenn das Bekenntnis der unreine Geist ist, der in die Wüste geht, welches sind dann die sieben unreinen Geister, die mit ihm zurückkehren?
    Mit dem Bekenntnis (das als Produkt der Verinnerlichung der Scham sich begreifen läßt) ist die Fixierung auf die Sexualmoral mitgesetzt: So ist die Kirche in die Fundamenten des Weltbegriffs mit eingegangen und seitdem darin enthalten (und verhext auch die jüdische Tradition und den Islam, Grund des Fundamentalismus).
    Das Bekenntnis als Produkt der Verinnerlichung der Scham kehrt die Richtung der Scham um; die Blöße soll nicht mehr nur vor dem Blick der andern, sondern – nach Verinnerlichung des des Blicks von außen: des Gesehenwerdens, nach Verinnerlichung der Welt – präventiv schon vor der eigenen Wahrnehmung geschützt werden: Konstituierung des Verdrängungapparats, Ursprung des steinernen Herzens und des pathologisch guten Gewissens; dagegen hilft nur noch Umkehr als Erinnerungsarbeit.
    Durch ihre Beziehung zur Verdrängung unterscheidet sich die Bekenntnislogik von der bloßen Heuchelei: Der Begriff der Heuchelei unterstellt ein bewußtes Verbergen (gegen den Blick von außen), während die Verdrängung gegen den eigenen Blick nach innen schützen soll; dieses Verfahren funktioniert nur auf der Basis der Bekenntnislogik (die eine Form der Urteilslogik ist).
    Die „verandernde Kraft“, die Rosenzweig der Kopula „ist“ zuspricht, beherrscht die Urteilsform insgesamt: auch die Bekenntnislogik.
    Als die Deutschen nach dem Krieg den Gedanken an eine Kollektivschuld verwarfen, statt dessen (nach einem Vorschlag von Theodor Heuß) die Kollektivscham als ein der Einnerung an das Grauen angemessenes Verhalten akzeptierten, haben sie mit der Bekenntnislogik die alte Welt (den Weltbegriff und die damit verknüpften Verdrängungsmechanismen) gerettet. – „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.“ So endet die Erzählung „Ein Landarzt“ von Kafka.
    Trifft es zu, daß es Sprachen gibt, die die Unterscheidung von Maskulinum und Femininum nicht kennen, sondern nur die von Belebtem und Unbelebtem? Welches Weltverständnis liegt diesen Sprachen zugrunde, sind sie nicht schon unter der Gewalt des Neutrums entstanden (denn die Unterscheidung von Belebtem und Unbelebtem, Organischem und Anorganischem, mißt das Belebte am Unbelebtem; dieses ist das Hypokeimenon)? Haben diese Sprachen mit den hamitischen Sprachen zu tun, sind sie „Sklavensprachen“ (Produkt der aufgedeckten Blöße des Vaters)? Und haben sie etwas mit den Geschichten von den Göttersöhnen und den Menschentöchtern zu tun?
    Ist der Name des Vaters ein Name JHWHs oder ein Name Elohims?
    Der Ursprung der Philosophie, das Verstummen der Sprache und die Barbarisierung der Welt (durch Zurichtung zur Natur).
    Die Kirche hat das parakletische, das verteidigende Denken durch das apologetische Denken ersetzt: Sünde wider den heiligen Geist.
    Steckt die Lösung der Hegelschen Philosophie in dem Satz „Schuld ist die Ehre des großen Charakters“ (der sich übrigens im Hegel-Register der stw-Ausgabe nicht findet)? Aber klingt dieser Satz nicht ein wenig wie der Satz Heideggers „Wer groß denkt, muß groß irren“?
    Schuld, Ehre und Charakter bezeichnen die Einheit des Schuld-, Verblendungs- und Herrschaftszusammenhangs.
    Käme es nicht heute darauf an, die Bewegung vom Mythos zur Offenbarung, die Franz Rosenzweig im Verhältnis des zweiten zum ersten Teil des Stern der Erlösung beschreibt, als das Modell der realen Befreiung im Christentum: der Umkehr, zu begreifen? Ist das Christentum nicht (durch die Bekenntnislogik) die ambivalente Einheit von Mythos und Offenbarung? Ist es nicht diese Einheit (die des Bekenntnisses), die heute in den Spannungen sich entlädt, die das Überleben des Christentums in seiner bisherigen Gestalt in Frage stellt? Eine Hilfe ist der Hinweis, daß in der Schrift das gewöhnlich mit „Bekenntnis“ übersetzte homologein auf den Namen (das Telos der benennenden Kraft der Sprache) sich bezieht.
    Die Materie (selber Produkt der Verinnerlichung der Scham) ist der Schwamm, der die benennende Kraft der Sprache in sich aufgesogen hat; das Bekenntnis (der logische Kern der Begriffsbildung) ist eine Ersatzbildung dafür.
    Hängt der Name der Ahnen mit den Verben ahnen (die Zukunft wird nach Schelling geahnt) und ahnden (die Schuld wird geahndet) zusammen? Vorstellbar wäre, daß mit der „geahndeten“ Zukunft (und das Ahnen gibt es gelegentlich auch in der sprachlichen Form des Ahndens) die unter die Vergangenheit subsumierte (und so in der Tat geahndete: zur Schuld verurteilte) Zukunft gemeint ist.

  • 19.09.93

    Sind die drei Gegenstände, in die bei Rosenzweig das All zerspringt (Mensch Gott Welt), nicht in den drei Totalitätsbegriffen Kants (Wissen Natur Welt) vorgebildet, die die Grundlage für die drei Gestalten des deutschen Idealismus (Fichte Schelling Hegel) bildeten, über deren innere Beziehungen aber seit Kant niemand mehr nachgedacht hat?
    Macht nicht die Rosenzweigsche Sprachreflexion Halt vor dem Genus-Problem (Ursprung des Neutrum) und vor der grammatischen Logik der Konjugation und des Gebrauchs der Hilfsverben (Futur, Änderung der Bedeutung und Funktion des Perfekt, Futur II und Plusquamperfekt)?
    Im Lateinischen endet der Akk. sing. mit -m, im Griechischen (und im Deutschen) mit -n (im Deutschen rutscht das -m in den Dativ). Hängt das mit der Geschichte des Eigentumsbegriffs und seiner Stellung zum Staat zusammen?
    Der Weltbegriff entspringt aus der Neutralisierung des Vater-Sohn-Konflikts; deshalb steht der Kreuzestod für den Zustand, nicht für die Entsühnung der Welt. Der Kreuzestod ist die offene Wunde der Welt. Wie hängen die subjektiven Formen der Anschauung damit zusammen?
    Naturphilosophischer Aspekt der vaterlosen Gesellschaft: Mit den Himmeln wurde der Vater abgeschafft (pater noster, qui es in coelis).
    Die Welt ist der zur absoluten Konfrontation stillgestellte Geschlechter-, Generationen- und Geschwister-Konflikt.
    Grundlage der Bildung des Weltbegriffs ist die Bildung des Neutrum (eine indogermanische Bildung, die wahrscheinlich aus dem Akkusativ entsprungen ist: vgl. die Beziehung von Satan und Schlange).
    Zur Theorie des Lachens: Muß man nicht auch hier zwischen einem satanischen, teuflischen, und dämonischen Lachen unterscheiden (zu welchem gehört das zynische Lachen)?
    Durch die theologische Rezeption des Weltbegriffs wurde Herrschaftskritik zur Sexualmoral und die Umkehr zur Gesinnung, zum Bekenntnis instrumentalisiert (und zugleich spiritualisiert und depotenziert).
    Die Welt und die Zerstörung des Angesichts (Geschichte der Scham und der Privatsphäre, der Skulptur und des Portraits): Nach dem Sündenfall verbargen sich Adam und Eva vor dem Angesicht Gottes unter den Bäumen des Gartens.

  • 14.01.93

    Merkwürdige Beziehung: Das Subjekt wird (unrettbar) schuldig durch die „Entsühnung der Welt“, es wird erlöst durch die Übernahme der Sünden der Welt. Genau das ist die Folge der Herrschaftsbeziehung, durch das Neutrum und den Weltbegriff unkenntlich gemacht wird.
    Merkwürdige Beziehung des gegenwärtigen Zustands der katholischen Kirche zur „ägyptischen“ Tradition, wie sie offensichtlich auch von Küng und Drewermann reklamiert wird. Dazu die Stelle von Herodot bei Benveniste (S. 506). Enthält nicht auch der Josefs-Roman einen prophetischen Bezug zur Weltgeschichte der Kirche?
    Ist nicht unsere gesamte Geschichtswissenschaft von der Intention und vom Ansatz her „superstitiosus“ (sh. s. 516f).
    Hat die Arglosigkeit der Tauben etwas damit zu tun, daß auch die Taube in Israel ein Opfertier (das Opfertier der Armen) ist, und daß sie wie das Lamm „zur Schlachtbank geführt“ wird? Weshalb erscheint dann der Geist in Gestalt einer Taube? Hat nicht die Trinitätslehre etwas mit der Trinität von Stier, Widder und Taube zu tun? Gibt es in Israel das Stieropfer, und wenn ja, in welchem Zusammenhang? Das Widderopfer hing mit der Rettung Isaaks, mit der Abgeltung der Kinderopfer (der Erstgeborenen?), zusammen, bei der Geburt Jesu wurde eine Taube geopfert.
    Wer die Sünden der Welt auf sich nimmt, dem ist das messianische Ego alles und das durch Schande und Verletzbarkeit (Empfindsamkeit) verführbare und entzündete private Ego zunichte geworden. Er ist in dem Sinne keine Privatperson mehr und völlig unpathologisch geworden.
    Die Fremdenfeindschaft ist eine Folge des unaufgearbeiteten schlechten Gewissens, das von der privaten Existenz (von der Privatisierung der Religion) nicht abzulösen ist.
    Wäre es eigentlich möglich, zum „Bruttosozialprodukt“, zu den in Geldwert ausgedrückten Leistungen der gesamtwirtschaftlichen Erfolgsrechnung, die Gegenrechnung aufzumachen: die roten Zahlen niederzuschreiben (die Summe aller Schulden, die Bilanz der realen Armut in der Dritten Welt und des Armutsdrucks in der Ersten)?
    Bezeichnend für das Schellingsche Konzept am Anfang der Weltalter ist, daß er für die Zukunft die Ahnung reklamiert, gleichsam eine unvollkommene Gestalt des Wissens (die aber am Wissen sich mißt), und nicht die Hoffnung und nicht die Moral. Er verschweigt das praktische Element in der Beziehung zur Zukunft. Er hält daran fest, daß auch das Zukünftige einmal vergangen, Gegenstand des Wissens und nicht mehr änderbar, sein wird: So wird es Gegenstand eines (wenn auch unvollständigen) Wissens: der Ahnung. Durch die Ahnung wird die Zukunft in eine Schicksalsperspektive gerückt: Indem er von der Hoffnung und von der Praxis absieht, verwandelt er die Totalität in bloße Natur, in der das tätige Subjekt nicht mehr vorkommt, bereitet er die mythische Philosophie vor, auf die das Ganze am Ende hinausläuft.
    Das kreisende Flammenschwert trennt das reale Leid vom erinnerten Leid.
    Erst wenn die Theologie von der Vorstellung sich befreit, Verkehrsregelungen für die Phantasie der der Menschen, für ihre Vorstellungskraft, produzieren zu müssen, erst dann hat sie eine Chance, selber zu einem Gefäß des Heiligen Geistes zu werden.
    Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein: Heute ist die Kirche zu einem Verein von Steinewerfern geworden. Voraussetzung ist das falsche Zeugnis: die falschen Zeugen werfen, nachdem sie ihre Kleider abgelegt haben, den ersten Stein.

  • 12.08.92

    Es gibt keinen euklidischen Raum, es gibt nur euklidische Flächen (im orthogonalen Raum). Und die sogenannten nichteuklidischen Räume sind eigentlich Systeme nichteuklidischer Flächen im orthogonalen Bezugsraum.
    Was passiert eigentlich sprachlich, wenn der Psalmensatz „… heute habe ich dich gezeugt“ mit Hilfe der Beweislogik auf das trinitarische Dogma von der Zeugung des Sohnes durch den Vater bezogen wird?
    Der Rensch’sche Determinismus, sein Begriff der Willensfreiheit und der Freiheit überhaupt, hängt damit zusammen, daß er sein Naturgesetz-Konzept als Exkulpationsmittel mißbraucht. Er ist so unfähig, Freiheit in Beziehung zur Schuld zu begreifen, sondern nur in Beziehung zum Kausalgesetz; und da ist die Freiheit in der Tat das Wunder in der Erscheinungswelt, das er leugnen muß. So wird die Ethik für ihn gegenstandslos. (Vgl. u.a. S. 203)
    Die Begriffe Wissenschaft, Natur und Welt bilden ein System, in dem keiner der Begriffe ohne den anderen besteht. Es ist das Verdienst der transzendentalen Logik Kants, das erstmals ins Bewußtsein gehoben zu haben. So wird nicht zufällig die nachfolgende Geschichte des deutschen Idealismus, die Abfolge der Systeme in ihr, durch das Verhältnis dieser drei Begriffe geprägt: Der Fichteschen Wissenschaftslehre folgt die Schellingsche Naturphilosophie und dann die Hegelsche Weltphilosophie. Der Zusammenhang wird deutlich, wenn man diese drei Begriffe auf die Theologie bezieht:
    – Die Wissenschaftslehre leugnet die Offenbarung,
    – die Naturphilosophie die Auferstehung der Toten und
    – Hegels Welt-Philosophie leugnet die Schöpfung.
    Grund ist das Verfahren der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die transzendentale Logik oder das Prinzip des Ursprungs und der Auflösung der Begriffe.
    Objektivation und Instrumentalisierung: das scheint der Kern des Hegelschen Begriffs der List zu sein, aber mit der Instrumentalisierung verdampft die Idee der Wahrheit, verflüchtigt sich die benennende Kraft der Sprache. Die kritische Theorie verdankt sich der Reflektion des Instrumentalisierungsmoments im Hegelschen Begriff der Dialektik. Und genau diese Reflektion hat Habermas in seiner Kommunkationstheorie unterbunden: Konsens ist in der instrumentalisierten Welt nur möglich durch Unterwerfung unter „gemeinsame“, d.h. fürs Subjekt vorgegebene Ziele; diese „Gemeinsamkeit“ aber wird durch den Bruch in der Welt selber verwehrt. Auf diesem Wege ist das Herrendenken in die Habermassche Philosophie wieder eingewandert. Habermas hat begriffen, daß die Idee der Versöhnung, die der kritischen Theorie zugrunde liegt, auch die Änderung der Natur und die Aufhebung der Vergangenheit (die „Auferstehung der Toten“) mit einschließt; er hat nur die falschen Konsequenzen daraus gezogen.
    Zur Bedeutung des Reliquienkults: Die Erinnerung des Martyriums ist der Realgrund des Bekenntnisses. Und das reale Schuld- (und Glaubens-) Bekenntnis ist das Bekenntnis, zu den Tätern und nicht zu den Opfern zu gehören (sich auf die Seite der Welt geschlagen zu haben). Daran erinnerten die Märtyrer. Die Verdinglichung dieser Erinnerung im Reliquienkult war zugleich der Ursprung des überwältigenden Exkulpierungs- und Verdrängungsapparats, zu dem die Kirche dann geworden ist. Der Schlüssel hierzu ist der Naturbegriff.
    Mit der Opfertheologie wurde dem Opfer etwas aufgebürdet, was es nicht leisten konnte: wurde es nochmals verraten.
    Es ist der wissenschaftliche Objektbegriff, der uns alle, ohne daß wir es auch noch wahrnehmen, auf die Seite der Täter transportiert und ans am Ende auf entsetzliche Weise stumm macht.
    Die Marxsche Idee einer resurrectio naturae ist eine ähnliche contradictio in adjecto wie die einer Erschaffung der Welt.
    Hegels Idee, daß die Substanz als Subjekt sich erweist, ist über den Weltbegriff vermittelt und nur um den Preis zu realisieren, daß durch den Begriff die verandernde Kraft des Seins dann auch die Substanz affiziert, ihr (wie allgemein dann der subjektlosen Natur) den Schein des Subjekthaften verleiht. So ist die spätere Welt-Philosophie Hegels schon in der Phänomenologie des Geistes angelegt.
    Was mich am Angehörigen-Info stört, ist diese Larmoyanz, die gezielt genutzte Instrumentalisierung der eigenen Opferrolle. Darüber darf man freilich nicht vergessen, daß die Gefangenen in der Tat heute auch Opfer sind, und von denen, die ihre Strafhaft als Geiselhaft mißbrauchen, bewußt und gezielt dazu gemacht werden. Auch hier gibt es eine Instrumentalisierung des Opfers: eine der terroristischen Abschreckung dienende Instrumentalisierung (in der an die faschistische Vergangenheit erinnernder Wiederholungszwang weiterwirkt).
    Bedeutung des Ursprungs des Futur II in der Sprache, Beziehung zum Inertialsystem (zukünftige Vergangenheit), zum Ursprung des Materiebegriffs (Zusammenhang mit dem Ursprung des Staates). Materie und der biblische Begriff des Staubs (Sündenfall, Name der Hebräer). Futur II: Begriffsbildung, Hypostasierung des Prädikats, Ursprung der Raumvorstellung und des Objektbegriffs (das sich in sich selbst reflektierende Prädikat). Wer ist die Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt? Und wie hängt Adam, der Staub ist und wieder zu Staub wird, mit der Tertullianischen Systematisierung der lateinischen Theologie zusammen, dem Ursprung des Personbegriffs und der Vorstellung, daß die Frau, wenn sie in den Himmel kommt, zum Manne wird?
    Ist die christliche, an die Person gebundene Unsterblichkeitslehre im Gegensatz zur Lehre von der Auferstehung der Toten nicht doch die ausweglose Hypostasierung des Staubs (des Selbsterhaltungsprinzips, des Objektbegriffs, des Materiebegriffs)?

  • 15.01.92

    Christentum: Trinitätslehre als Verinnerlichung der Genealogie für Nicht-Juden, für die Heiden? Zusammenhang mit dem mißverstandenen vierten Gebot? Bedeutung der Opfertheologie (antisemitische Struktur: wird nicht der Vater als Vater, d.h. durch Aufspaltung: durch Verinnerlichung als „lieber Vater“ und Vergegenständlichung als Sadist, geleugnet)?
    Großartig der Nachweis Lillian Kleins, daß das Buch „Richter“ doch strenger an diesen Titel gebunden ist, als bisher wahrgenommen wurde: als Darstellung des Zwangs und der Folgen, die sich aus der Trennung des Richtens vom Bund JHWHs mit Israel, des Richtens von der Barmherzigkeit und der Verknüpfung von Richten und Gewalt (aus der weltkonstitutierenden Logik des Richtens) ergeben? (Bei Lillian Klein Abensohn keine Bemerkung zur Jotam-Fabel oder dazu, daß Samson auf dem Schoße der Dalilah stirbt?) Beschreibt das Buch nicht die Entstehung der Raumvorstellung, der „subjektiven Form der Anschauung“ (kein König in Israel, jeder tat was er wollte; hier werden die Bejaminiten zu „Linkshändern“, bis hin zum Mord an der Konkubine des Leviten, am Ende zu Opfern; und hier werden die entscheidenden Siege „aus dem Hinterhalt“ erfochten – es verschwinden das „Angesicht“ und Gottes Rechte)?
    Saul kam aus Gibea in Benjamin, während David den Goliat mit Hilfe einer Steinschleuder erschlug.
    Gegen Rousseau: Es gibt keine ursprüngliche heile Natur, die erst durch Vergesellschaftung (durch den Gesellschaftsvertrag: durchs Eigentum, durch das Inzestverbot und die Monogamie, durch die Schrift und den Logozentrismus) verdorben worden wäre. (Auch die Schellingsche Naturphilosophie steht noch im Banne Rousseaus: Was bedeutet der Begriff der Welt in Schellings Titel „Weltalter“?)
    Der moderne Naturbegriff gründet nicht in der Gewalt, sondern er begründet auch Gewalt: die Gewalt, die das Äquivalent der Stummheit ist (wenn Sprache nichts mehr bewegt). Heute ist die ganze Sprache durchsetzt von der Stummheit: sie spricht nicht mehr, seitdem sie im Objektivationsprozeß ihr Subjekt verloren hat.
    Wenn die Sumerer die Erfinder des Privateigentums waren, war Babylon dann die erste Stadt?
    Der Kampf gegen die Idolatrie ist die erste Phase der Auseinandersetzung mit der städtischen, verdinglichenden, weltproduzierenden Gewalt.
    Ist die Marxsche „resurrectio naturae“ eine Konsequenz aus dem Rousseauschen Naturbe#griff?
    Freuds „Totem und Tabu“ krankt daran, daß es als ein pyschologischen (innerlichen) Vorgang faßt, was in Wirklichkeit eine gesellschaftlicher ist; er projiziert das Problem in ein dem Stand der Sache nicht ganz entsprechendes gesellschaftliches Umfeld, in das der sogenannten „Primitiven“. Die „Wilden“ sind erst in der Aufklärung entdeckt worden; sie haben hier eine entscheidende systemabsichernde Funktion (das Erbe Rousseaus: Kriterium der Unterscheidung ist für ihn die Schrift; piktographische, ideographische und alphabetische Schrift – haben Arnold Hauser und Max Raphael etwas über den Ursprung der Schrift geschrieben?).
    Satan: der Ankläger; Teufel (diabolos): der Verwirrer; Dämon: Verteiler, Zuteiler (des Schicksals).
    Benjamins Wort über Rosenzweig, daß er es vermocht habe, die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern anstatt sie seßhaft zu verwalten, steht in der christlichen Tradition: das „Auf dem eigenen Rücken“ entspricht präzise der Übernahme der Schuld der Welt.
    Emmanuel Levinas Einwand der Asymmetrie gegen Bubers dialogisches Prinzip hat die Unterscheidung von „Hinter dem Rücken“ und „Im Angesicht“ zu Grundlage. In der Symmetrisierung von Ich und Du triumphiert das „Hinter dem Rücken“, triumphiert die Gemeinheit, die unter der Buberschen Prämisse ins Unbestimmbare verschwindet.
    Der biblische Begriff des „Schreckens um und um“ bezeichnet den Ursprung des Selbstmitleids (beachte den Unterschied, mit dem Mann und Frau der Verführung des Selbstmitleids unterliegen: der Verführung, sich als Gegenstand oder als Subjekt als Natur oder als Welt, von außen zu sehen).
    Das „Im Angesicht“ ist ein sprachlicher Sachverhalt, das „Hinter dem Rücken“ ein optischer (es steht unter dem Primat der Anschauung). Und „der Fall“ ist ein Fall aus der Sprache in die Anschauung. Das „Im Angesicht“ liegt vor dem Moment, in dem „ihnen die Augen aufgingen“: und sie „erkannten, daß sie nackt waren“, und sie “ schämten sich“. Die Scham ist ein Zeichen dessen, daß das „Im Angesicht“ nicht ganz vergessen ist. – Hängt damit die strukturelle Differenz zwischen Radio und Fernsehen (Faschismus und Post-Faschismus) zusammen? Erst das Fernsehen liefert zur Stimme (zur Stimme Hitlers) auch das Bild, verschiebt das Antlitz aus dem sprachlichen in den optischen Bereich, macht es damit endgültig unkenntlich.
    Der Heideggersche Begriff der Frage (der zum Rundfunk-Zeitalter gehört) hat seinen Focus in der „Seinsfrage“, und zu dessen Metastasen gehören die „Judenfrage“ oder die „deutsche Frage“; er bezieht sich nicht mehr auf die Möglichkeit einer Antwort sondern – wie das Rätsel und die mathematische Aufgabe – auf die einer „Lösung“ (der Vergleich der „Lösungen“ der letztgenannten „Fragen“ wirft Licht auf den zentralen Punkt), das aber heißt, er ist ohne Gewalt nicht zu denken; seine früheste Anwendung findet er in der Geschichte von Alexander und dem gordischen Knoten.
    Sprachlich unterscheidet sich die Frage von der Antwort durch das Heben oder Senken der Stimme am Ende. Das Senken der Stimme ist zugleich der autoritäre, der beruhigende Gestus, während die hohe Stimme Unselbständigkeit, Unsicherheit, Panik signalisiert (das Erheben der Stimme zeigt Empörung an: sie erhebt sich gegen die Ruhe der Autorität). – Wodurch unterscheidet sich das Sich Senken vom Fall? Der Empörung folgt der Fall, während das Sich Senken eine autonome, selbstbewußte Handlung ist.
    Die eigentlich Botschaft in Hitlers Reden lag in der Stimme, in ihrem Tonfall; Hitlers Stimme vereinigte den autoritären mit dem panikerzeugenden Gestus (das Gleiche gilt heute von jeder politischen Rede; ihre Vorläufer hat sie in der Predigt).
    Merkwürdig, daß Rousseau (und Derrida übernimmt das unreflektiert) die Artikulation der Rede, als Voraussetzung der Ausbildung der alphabetischen Schrift, negativ besetzt. Er erfährt darin (wie im Logozentrismus) nur den autoritären Gestus, den Gestus dessen, der dem anderen etwas einreden will, während er den daran geknüpften Wahrheitsbegriff und allgemein das Menschenfreundliche der sich artikulierenden Vernunft (gleichsam im Vorgriff auf das Derridasche Konzept der Dekonstruktion) denunziert. Grund ist die Rousseausche Versenkung des Göttlichen in die stumme Natur.
    Ist es ein Zufall, daß der Sozialismus als erster seine fundamentalistische Phase hatte? Und wäre nicht eine Kritik des vergangenen „real existierenden Sozialismus“, die auf dieses Moment abstellt, die einzige, die dem derzeitigen Stand noch angemessen wäre?
    Ist nicht der Darwinismus ein Vulgär-Hegelianismus, in dem das Herrschaftsmoment des Begriffs sich endgültig durchsetzt?
    Ist die Wendung „den Himmel aufspannen“ nicht ein sprachlicher Ausdruck der Spannung, mit der das Im Angesicht und die Barmherzigkeit (die Bewahrung der rechten Seite) gegen die neutralisierende Gewalt des Raumes ankämpft: ein anderes Wort für das „emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae“: Der Gerechte trägt seinen Teil bei zur Erhaltung der Welt, indem er deren Schuld (den Grund der Asymmetrie zwischen Ich und Du) auf sich nimmt und so seinen Teil beiträgt zur Aufspannung des Himmels und zur Begründung der Erde, zur Erneuerung des Antlitzes der Erde (die Asymmetrie zwischen Ich und Du begründet das „Im Angesicht“, während die Symmetrisierung der Beziehung unter der neutralisierenden Gewalt des Raumes steht und „hinterm Rücken“ verbleibt).

  • 28.08.91

    Die Begriffe Welt und Natur sind der gegenständliche Reflex der Klassengesellschaft.
    Jesus hat nicht die Schuld der Natur, sondern die der Welt auf sich genommen. Eben das aber ist die Voraussetzung für die Befreiung der Natur (die Welt ist Subjekt, die Natur Objekt des Schuldzusammenhangs).
    Die Welt ist der Inbegriff als Herrschaftsmittel in der Auseinandersetzung mit der Natur.
    Zu Horkheimers „Aufstand der Natur“: Gibt es auch einen Aufstand der Welt, oder ist die Welt die Bank, die immer gewinnt?
    Das zeitliche Moment im Weltbegriff, das Rosenzweig durch Begriffe wie Vorwelt und Überwelt und Schelling mit dem Begriff Weltalter zu fassen versucht, wird immer noch am genauesten durch den alten Begriff des Äons, des Zeitalters, ausgedrückt.
    Paradigmenwechsel?
    Drückte in der puritanischen Askese sich das Bild vom Ehrlichen Kaufmann aus? War sie nicht auch eine der Ursachen der Hexenverfolgung?
    Das Schnüffeln und Pinkeln der Hunde ist der genaue terminus ad quem des zudringlichen Geschwätzes.
    Zu Theweleit: Die grandioseste aller Männerphantasien ist die Naturwissenschaft.
    Beziehung der Sprache zum Objekt: das sprechende Objekt (der Ausdruck), die benennende Kraft der Sprache (Adam), das Beim-Namen-Rufen (die Erlösung). Die Benennung der Tiere durch Adam war „unerhört“, es war ein Stück Willkür darin; er hat nicht die Tiere sprechen lassen, deshalb hat er keinen Partner gefunden. Die Benennung war die Fixierung auf einen zugleich instrumentalen und emblematischen Grundzug, auf einen bestimmten Charakter. Seitdem sind alle Tiere bis in ihre psycho-physische Organisation hinein Charaktermasken. (Was drückt sich vor diesem Hintergrund in der biblischen Unterscheidung des Reinen und Unreinen aus? – Daß man kein Hunde- oder Schweinefleisch essen soll, scheint mir nachvollziehbar zu sein.)
    Aus dem Tempel hat Jesus die Händler der Opfertiere und die Geldwechsler vertrieben. Sind die Opfertiere ein Hinweis auf den undurchschauten Zusammenhang von Arbeit und Ware (Arbeits-, Güter- und Geldmarkt). Zur Interpretation, zum Verständnis sind die beiden anderen Geschichten mit hinzu zu nehmen: die vom Verwalter des ungerechten Gutes und die Antwort auf die Frage nach der Steuerpflicht.
    Zur ägyptischen Mythologie gehören die Mischwesen (aus Tier und Mensch), während in der babylonischen (wie dann in der griechischen) Tiere und Menschen im allgemeinen streng getrennt sind.
    Jedes Urteil trifft kraft seiner Allgemeinheit auch den Urteilenden: das ist der Grund des Satzes „Richtet nicht …“
    Die Vorstellung des unendlichen Raumes repräsentiert die Expropriation der Natur. Der Reichtum der Welt ist nur die Kehrseite der Armut der Natur.
    Zum Heinsohnschen Begriff der Schuldknechtschaft: die Nutzung der Ökonomie als Waffe gelingt nur vor dem Hintegrund einer der Wirtschaftskraft entsprechenden militärischen Macht.
    Person ist ein Sein für andere, das sich als Persönlichkeit für sich setzt. (Woher kommt der Begriff „Leute“, und was bezeichnet er? Leute sind immer auch „meine Leute“, d.h. der Begriff bezeichnet ein Eigentums- und Herrschaftsverhältnis (ein verdinglichter Genitiv). Gehören Persönlichkeiten zu den Leuten?
    Hat Hegel nicht schon auf den Zusammenhang der endlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts mit der Vergegenständlichung hingewiesen? Die Unterscheidung zwischen dem „eigentlich“ Realen und dem Uneigentlichen, die hier vielleicht anwendbar wäre, hilft nicht weiter, es sei denn, daß man akzeptiert, daß das Uneigentliche das Eigentliche ist: das Subjektive das Objektive. Wer davon ausgeht, daß die physikalische Realität das Eigentliche ist, entzieht den Instrumentalisierungsmechanismus der Reflexion, gibt dem Herrendenken das gute Gewissen (wie Heideggers Begriff der „Eigentlichkeit“).
    Die subjektiven Formen der Anschauung, Ursprung und Medium des mathematischen Objektivitätsbegriffs, erlauben unsere Herrschaft über die Dinge nur insoweit, wie sie uns selber beherrschen.

  • 07.06.91

    Bezeichnet die „Urflut“ im Schöpfungsbericht das flüssige, frei verschiebbare Element der Schuld, in dem dann die Meeresungeheuer sich bilden?
    Die Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit, weil sie der Riegel vor der projektiven Schuldverarbeitung ist, weil sie die Leugnung der Schuld durch Exkulpation, durch Verdrängung und Abwehr verbietet.
    Ich habe Kant nie als Rechtfertigung, sondern immer als Kritik des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs verstanden. Ich stand sozusagen auf der Seite Schopenhauers, nicht auf der Seite Fichte, Schelling, Hegel.
    Der Grund für den Konkretismus bei Heinsohn und seinen Mitarbeitern liegt in der Unfähigkeit, die Dialektik von Geltung und Genesis zu durchschauen. Gunnar Heinsohn hebt zu Recht das subjektive Moment in der Geschichte des Ursprungs der Geldwirtschaft (der „Schuldknechtschaft“, der Beziehung zur Schuld überhaupt) hervor. Das schließt aber nicht mit ein, daß darin heranwachsende Moment der Herrschaft des Tauschprinzips bloß falsch ist. Nur, weil er das Tauschprinzip tendentiell verdrängt, kommt er in den zwangshaften Empirismus herein, der dann in der konkretistischen Naturkatastrophen-Theorie zutage tritt. Er muß dazu seine Zuflucht nehmen, weil er anders den gesellschaftlichen Bruch, der damals eingetreten ist, nicht erklären kann: eine der Folgen ist dann die Vulgärpsychologie, mit der er das „Ereignis“ dann ausmalt, um den Ursprung des Opfers zu erklären; Totem und Tabu ist vollständig vergessen.
    Übersieht er nicht in seinem Konzept des Ursprungs des Privateigentums durch die Landaufteilung unter den aus dem Matriarchat exilierten Männern die nomadische Vorform des Privateigentums (die Tierherde, das erste Geld: pecunia); vgl. hierzu die Patriarchengeschichten der Bibel (Ismael und Isaak, Jakob und Esau, Jakob und Laban, Lea und Rahel). Werden diese deutlichen Hinweise nicht schlicht unterschlagen? Oder ist Abraham schon der zweite, nicht erbberechtigte, rechtlose Sohn, der deshalb mit seinem Neffen Lot aus dem chaldäischen Ur emigriert, zum kleinviehzüchtenden Nomaden wird, aber auch in den Königen und Priestern seinesgleichen (aus gleichem Ursprung herkommend) erkennt? Welche Bedeutung haben dann die Geschichten mit Sara, Rebekka und Rahel?
    In der Abraham-Geschichte ist das erste Privateigentum, der als Begräbnisstätte gekaufte Acker.
    Unaufgeklärt bleibt bei Heinsohn immer noch der Ursprung und die Funktion des Tempels und des Opfers in der Geschichte der Geldentstehung und auf der anderen Seite der Grund für die Verstaatlichung der Münze (wann und durch wen?). Die Tempelbank hat wohl nur binnenwirtschaftliche Bedeutung, während die Verstaatlichung der Münze außenwirtschaftliche Bedeutung hat, mit dem Ursprung des Weltbegriffs, mit der Kolonisation, mit dem Eroberungstrieb zusammenhängt.
    Welche Bedeutung haben überhaupt die Eroberungen durch Assur, durch Babylon, durch die Makedonier, durch Rom (die vier Reiche des Daniel), in welcher Beziehung stehen sie zu dieser ökonomischen Entwicklung? Ist Sumer das ökonomische Babylon? Läßt sich das prophetische und das apokalyptische Babylon in diesem Zusammenhang genauer bestimmen (wenn Sumer das ökonomische B. ist)?
    Welche Bedeutung hat es für die neuere Geschichte, daß die Missionierung von der Peripherie, von Irland und Schottland, ausgeht, und die ökonomische Moderne von den Wikingern, den Normannen?
    Wie sieht es mit der ökonomischen Struktur, den ökonomischen Grundlagen des Islam aus, mit der Nähe zum Nomadentum und zum Handel, bei gleichzeitigem Zinsverbot (Verhinderung der „Schuld-knechtschaft“)? Ist das Privateigentum, der beginnende Kapitalismus mit der Ausplünderung der Majorität durch die restlichen, verbleibenden Privateigentümer, hier ohne Grundlage geblieben? Gibt es im Islam Sklaverei, Lohnarbeit? Welchen ökonomischen Hintergrund hat die Scharia, das islamische Recht?
    Wenn Gunnar Heinsohn seine ökonomischen Analysen nur auf die Beziehungen von agrarischen und städtischen Verhältnissen anwendet, den nomadischen Bereich (und mit ihm die Geschichte des Opfers) aber ausklammert, vernachlässigt, wird damit nicht der ganze Problembereich der Domestikation und Zucht der Tiere, des Fleischessens, ausgeklammert? Welche Bedeutung hat dann die Beschneidung und das Verbot, Schweinefleisch zu essen?
    Zu Heinsohns „Schuldknechtschaft“: Schuld (das fehlende Privateigentum, die Armut) ist die gesellschaftliche Energiequelle der Geldwirtschaft, des Kapitalismus.
    Während in der gesamten Vorgeschichte das Opfer irrationale Notwehr war (Entlastungsfunktion), hat erst das Christentum das Opfer verinnerlicht, instrumentalisiert und zum Herrschaftsmittel gemacht.

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