Schönberg

  • 3.5.1997

    Ist nicht die Bannformel der Amsterdamer Synagoge eine Folge der kopernikanischen Wende (haben nicht Fluch und Schwur ihren logischen Ort am Sternenhimmel)?

    Der Fundamentalismus läßt sich (auch bei seinen Kritikern) dingfest machen am Verständnis des Staubfressens, und ist nicht das Staubfressen der Beweis, daß die Schlange das grammatische Neutrum repräsentiert?

    Verweisen nicht Verdrängung, Projektion und Schuldverschiebung auf den gleichen sprachlichen Sachverhalt, den in der Schrift die Schlange symbolisiert: auf die sprachlogische Funktion des Neutrum?

    Verweist nicht die Stimme in Frescobaldis Capriccio (Stefan Wyss, Passagalia, pass.) auf das Problem der Materialisierung in der Musik (das auch ein Problem der Neutralisierung ist), auf den Ursprung des Bedeutungslosen, Chaotischen, aus dem die Musik erschaffen wird, und kündigt sich hier, im Barock, nicht schon die Schönbergsche Revolution an?

    Die Geschichte der Instrumentalisierung hat ihre eigene Dynamik (im Falle der Musik sollte im Begriff der Instrumentalisierung durchaus der Doppelsinn mit gehört werden). Der Begriff dieser Geschichte verweist auf die Geschichte der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse und auf deren wechselseitige Beziehung. Ihre Rückprojektion in die Natur heißt Evolution.

    Merkwürdige Spiegelung der Natur in den frühgeschichtlichen Institutionen: Die gehörnten Tiere sind Opfertiere, Raubtiere verkörpern den Staat (seine Beziehungen nach außen, nach innen werden sie zu apokalyptischen Tieren, die aus der Schlange hergegangen sind).

    Hierzu der ungeheure Satz: Barmherzigkeit, nicht Opfer.

    Masada, Worms, Uriel da Costa, Walter Benjamin, Primo Levi et alii: Die Verzweiflung im Angesicht der Unmöglichkeit der „Bekehrung des Sünders von den Wegen des Irrtums“.

    Experten: Innenarchitekten gibt es, seit auch die Privatsphäre (das Asyl der Innenwelt) gegen den Blick von außen, gegen den Seitenblick, keinen Schutz mehr bietet, der Reklame, den Verwertungsinteressen des Kapitals, dem „Lauschangriff“ des Staatsschutzes, dem Fernsehen und der Massenpresse hilflos ausgeliefert ist. Seitdem gibt es es kein Zuhause mehr, leben alle in einer synthetischen Innenwelt, lassen die Wohnungen von modernen Haftanstalten nicht mehr sich unterscheiden. Wie die Wärter in den Knästen garantieren die Experten, daß man nichts „falsch“ macht (das Falsche ist die Abweichung von der vergesellschafteten, instrumentalisierten Wahrheit). Hier wird der letzte bethlehemitische Kindermord vorbereitet.

    Die Definition der Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand erinnert an die Geschichte von Hase und Igel: Das Objekt mag sich anstrengen, wie es will, der Begriff, den es nie erreicht, ist immer schon da (Heidegger definiert denn auch konsequenterweise das Subjekt, den Repräsentanten des Begriffs, als „Dasein“).

    Maß der Gotteserkenntnis ist der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Gott wird nur von dem erkannt, der Seiner Erkenntnis sich angleicht. Hierin gründet das Konzept einer Theologie im Angesicht Gottes, das eins ist mit der Idee der vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte. Der gleiche Sachverhalt drückt in dem Satz sich aus, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen. Gotteserkenntnis ist die Realisierung der Geistesgegenwart, die konkrete, handlungsleitende Erkenntnis seiner Gebote. Die grammatische Form der Gotteserkenntnis ist die Form der Lehre, ein Indikativ, der in sich selbst die Kraft des Imperativs repräsentiert, wie die Sätze Adornos:

    – „Erstes Gebot der Sexualethik: der Ankläger hat immer unrecht“, und:

    – „Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“.

    Die Kritik der Ontologie ist der Anfang der Bekehrung des Sünders von den Wegen des Irrtums.

    Mit dem Absterben des Staates verliert der Weltbegriff seine Gewalt. Mit dem Ende des Staates wird auch der Tod nicht mehr sein; jede Träne wird abgewischt.

  • 06.08.93

    Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist der Grund der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und die absolute Verhinderung der Umkehr. Das Tote ist das Produkt der Verweigerung der Umkehr.
    Ist nicht die Philosophie eine Seitenansicht des Mythos, in der die Formelemente erhalten bleiben, aber die Inhalte sich gleichsam in Luft auflösen. Ein zweiter Schritt des Herrendenkens; den dritten hat dann das Christentum getan (mit der dogmenbegründenden Ausbeutung der Ambivalenz des Oben/Unten-Paradigmas).
    Was bedeutet eigentlich der Satz: Musik erfüllt den Raum? Edgar Morin hat einmal darauf hingewiesen, daß im Kino Musik die Funktion erfüllt, den flachen Bildern des Films Tiefe und Plastizität zu verleihen. Ist die Musik nicht (im Rosenzweigschen Sinne) eine Weissagung der Einheit von Licht und Sprache? Und ist es nicht auch von daher begründet und sinnvoll, in der Philosophie der Neuen Musik den Teil über Schönberg auch auf Einstein zu beziehen?
    Zu den Konnotationen des Wassers: Schicksal, Sintflut, Rotes Meer, Taufe, der Geist Gottes über den Wassern und die Trennung der unteren von den oberen Wassern. Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn am Ende wiederkehren wird, Projektionen der unteren Wasser in die obere Welt (Produkt der Subsumtion der oberen Wasser unter die Vergangenheit, die Entstellung und Vertreibung des Segens)?
    Wir sind die Sintflut, die über die Welt gekommen ist.
    Zum Wunder von Kana: Waren es nicht Reinigungskrüge, und war es nicht im Kontext einer Hochzeit, und fällt hier nicht das Wort: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Seine Jünger waren mit dabei, jedoch merkwürdig stumm. Man hat das Gefühl, sie sitzen nur dabei, sperren Nase, Mund und Ohren auf, und verstehen nicht, was hier vorgeht.
    Ist nicht die Geschichte von David, dem Hetiter Urijas und seiner Frau Batseba (der Mutter des Salomo) typologisch (der messianische David, Batseba, die Frau des „indogermanisch“-hetitischen Urijas, und Salomo, der Sohn der Batseba)?
    Zur Geschichte von den drei Leugnungen: Ist nicht
    – die Magd des Hohepriesters die Theologie, und sind nicht
    – die Umstehenden die Welt?
    Und lassen sich nicht die drei Leugnungen ohne Mühe auf die Anfragen
    – der Juden (und den kirchlichen Antijudaismus und die Kirchenväter),
    – des Islam (und die Scholastik) und
    – der modernen Aufklärung (und die Unfähigkeit der Kirche, darauf noch rational und – aufgrund der Selbstreferenz, der Rückbeziehung auf die erste Leugnung – unterm selbstverschuldeten Rechtfertigungszwang ohne Selbstverfluchung zu reagieren), sich beziehen?
    Die Welt ist nicht nur, wie bei Heidegger, das Vorhandene und das Zuhandene; die Einschränkung des Weltbegriffs auf diese beiden Attribute schließt das Moment der Selbstverfluchung mit ein (das Vorlaufen in den Tod, die Entschlossenheit).
    Der Heideggersche Begriff der Frage, die heroische Leugnung der Beantwortbarkeit der „eigentlichen“ Fragen, ist die letzte Konsequenz des Nominalismus: die Leugnung des Namens, die letzte Leugnung der Erwartung, daß das Wort sich erfüllt (Heidegger: das letzte Objekt der Sintflut – vgl. das In-der-Welt-Sein, die Entschlossenheit, das Vorlaufen in den Tod, die selbstverschuldete Verstrickung in den alternativlosen Gegensatz des Vorhandenen und Zuhandenen, Folge der Verführung durch die indikativische Logik der Fundamentalontologie, oder: die Selbstneutralisierung durch Eigentlichkeit). Die Fundamentalontologie identifiziert den Infinitiv Sein (aufgewertet zum Seyn) mit dem Possessivpronomen der dritten Person sing. masculinum und neutrum (und findet sein biblisches Gegenstück im Staubfressen der Schlange).
    Der Existentialismus, und zwar schon der Kierkegaardsche, dispensiert von der Logik; daher kommt es, daß es zur Struktur des Sterns des Erlösung bis heute, abgesehen von den Ansätzen bei Stephane Moses, keine wirklich zureichenden Analysen gibt. Erst eine produktive und konstruktive Analyse des Sterns, dieses kunstvoll verschlungenen Systems, befreit die Rosenzweig-Rezeption vom Stammeln.
    Vater und Mutter ehren heißt auch, ihre Dummheiten begreifen.
    Heißt parakletisches Denken nicht, in der von den Vergangenheiten beherrschten Welt die Gegenwart wieder zu entdecken?
    Die Instrumentalisierung des Marxismus in diesem Jahrhundert und der Theologie vor 1600 Jahren zum Herrschaftswissen waren nur möglich, solange sie das herrschaftskritische Moment, das beide enthielten, projektiv nach außen wenden konnten, anstatt es reflexiv in den Erkenntnisbegriff mit hereinzunehmen (wie Benjamin, Horkheimer und Adorno es im Anschluß an Georg Lukacs getan haben). Aber ist das heute nicht erst dann möglich, wenn das projektive Moment in den Fundamenten unserer Zivilisation, in dem ihre zugrundeliegenden Erkenntnisbegriffs selber (auch in der Kerndisziplin der Aufklärung: den Naturwissenschaften), begriffen wird?
    Ist nicht der Hegelsche Begriff der Aufhebung eine subtile Entstellung des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt, und so, zusammen mit der List der Vernunft (die eine Selbstüberlistung ist: sie leugnet den Tod und ersetzt die Hoffnung auf Auferstehung durch die leere Unsterblichkeitslehre), der reallogische Grund des Absoluten? – Vgl. hierzu Zenger, S. 135f, das Kehl-Zitat. Ist nicht die Grundlage der Hegelschen Aufhebung (der Konstitution des Hegelschen Begriffs) die Ersetzung des Auf-sich-Nehmens durch das Hinwegnehmen? So hängt die Hegelsche Logik in der Tat mit der christlichen Trinitätslehre zusammen. Franz von Baaders Bemerkung über die Hegelsche Philosophie wäre zu ergänzen: Sie ist nicht nur das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern auch das der bisherigen Theologie.
    Nur im Kontext der Auferstehungslehre ist der Satz im Stern zu begründen: Der Name ist nicht Schall und Rauch.
    Ist nicht Simson, der, nachdem ihm die sieben Locken abgeschnitten waren, im Keller der Philister die Mühle drehen mußte, ein Typos der Theologie? Aber als ihm die Locken wiedergewachsen waren, hat er die Säulen eingedrückt und das Haus der Philister zum Einsturz gebracht. Waren es nicht Philister – wie vorher die Ägypter -, die die Israeliten Hebräer nannten?
    Ist die griechische Sprache der Kelch, den seine Jünger trinken mußten?
    Entspricht der systembegründenden Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip im Ursprung des Kapitalismus am Ende die aus Gründen der Systemerhaltung notwendige Rückkoppelung von Massen-Produktion und Massen-Konsum durch die Werbung (die Adorno zufolge den Tod verschweigt)? (Gibt es einen systemlogischen Zusammenhang mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, der speziellen Relativitätstheorie und seiner ungeklärten Beziehung zur Quantenphysik?)
    Im Sozialismus gab es keine Reklame, nur Propagande und die Hypertrophie der Geheimdienste.
    Dienstleistungsgewerbe: Ist nicht auch das Militär ein Dienstleistungsgewerbe, und muß heute nicht (aus Gründen der Systemerhaltung) ein immer größerer Teil der Produktion für den Dienstleistungsbereich verwandt werden (vgl. auch das Anwachsen der Kosten der Dienstleistungen im Bereich der privaten Selbsterhaltung)? Und erniedrigt sich nicht der Staat zum Dienstleistungsunternehmen für die Erhaltung des Apparats, in den sich das ganze Gewicht der vergesellschafteten Selbsterhaltung verlagert?
    Getsemane: Steckt nicht in jeder Todesangst etwas davon, daß das Entscheidende, das man hätte tun können, um die Welt aus ihrer Verstrickung zu befreien, nicht getan worden ist? Steckt nicht in der Todesangst die unaufgehellte Beziehung zur Welt?
    Zu Mantel und Rock (Mt 540, Lk 629) vgl. im Stern der Erlösung, S. 361ff: Der Mantel ist der Gebetsmantel, und zum vollständigen Sterbekleid (das der Bräutigam unterm Trauhimmel auch als Hochzeitskleid trägt) gehört außer dem Gebetsmantel auch noch der Rock (Chiton und Tunica). Steht dieser Rock in der Tradition des Rocks aus Fellen und der Rock, der keine Naht hatte (über den unterm Kreuz das Los geworfen wurde)?
    „Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen wurden.“ (Horkheimer) Sind das nicht zwei Seiten eines Blattes: wenn ich die eine durchreiße, vernichte ich auch die andere? Das Gleichnis Jesu vom Weizen und Unkraut würde dazu passen. Hat nicht dieses Blatt solange zwei Seiten, wie die Welt besteht? Aber dann müßte zur „Rückseite“ des Blattes als konstitutives Moment jene Subjektivität mit dazugehören, die den Weltbegriff konstituiert (der die Sicht „Hinter dem Rücken“ zum Ganzen macht: der das Angesicht leugnet). – Es gibt keine Theologie im Angesicht Gottes ohne Kritik des Weltbegriffs. Die Rückseite des Blattes besteht solange wie die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird (wie ein hoffnungsloser Begriff von Erfahrung seine Geltung behält). – „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe.“
    Ist nicht die Leugnung des Sohnes die Leugnung der Auferstehung? Und ist nicht die Geschichte der Beziehung der Kirche zu den Häresien ein Indiz und Gradmesser dieser Leugnung? Welche Bedeutung hat das für die beiden anderen Leugnungen (des Vaters: den Antijudaismus, und des Geistes: den Sexismus)? Verweist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist darauf, daß der Beginn der Umkehr hier, bei der dritten Leugnung, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird“, liegt? Aber wird die Umkehr nicht gekrönt durch die Rücknahme der Leugnung des Vaters?
    Das trinitarische Dogma: Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen (an der Todesgrenze).
    Ist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist in der Geschichte des Christentums zu leicht genommen worden; und gehört hierzu nicht auch das Prophetenwort, daß am Ende die Erkenntnis Gottes die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
    Haben die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen (Maria Magdalena) etwas mit der Aufhebung der Reinheitsgebote zu tun? Ist nicht der Weltbegriff dämonisch (Inbegriff der sieben unreinen Geister)?
    Symbolisiert die Dornenkrone nicht beides: das Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt und den Haß der Welt (zielt die Aufschlüsselung der Dornen und Disteln durch den Eleasar von Worms nicht schon auf den Weltbegriff)?
    Die Welt als Gemeinheitsgenerator und Exkulpierungsmaschine.
    Zum Kelch und zur Trunkenheit: Jemandem reinen Wein einschenken.
    Physik und Schuld: Nur in der Physik addieren sich die Lasten, während in theologischem Zusammenhang ich mich von den Lasten befreie, die ich auf mich nehme.
    – Elementenlehre hebräisch: ät haschamajim we’ät ha’arez und ruach.
    – Theologische Elementenlehre: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße; und der Geist brütend über den Wassern.
    Destruktion beider durchs Inertialsystem: Grauen um und um.
    Zur Theorie des Namens gehört:
    – eine Theorie des Lachens und des Weinens;
    – das Lachen und der Schrecken;
    – die Logik des Angesichts (das Antlitz des Hundes);
    – Prophetie (Erfüllung des Worts) und Apokalypse (Aufdeckung des Namens).
    Wird außer Abram, Sarai und Jaakob in der Schrift noch jemand neu benannt?

  • 07.10.92

    Zu den sieben Siegeln der Apokalypse: Welche Funktion hatten in jener Zeit die Siegel (Zeichen der Teilhabe an der Macht des Königs, persönliche Bekräftigung der Geltung eines Vertrages, eines Dokuments), lag sie nicht zwischen Unterschrift und Personalausweis? In welcher Beziehung standen sie zum Eigennamen? Haben die Öffnung (das Brechen) des Siegels und die Lösung eines Knotens (eines Problems, eines Rätsels) etwas miteinander zu tun? Ist nicht der Begriff des Begriffs und sind die damit zusammenhängenden, davon abgeleiteten Begriffe wie Raum und Zeit, Welt, Natur, Materie, Person, Bekenntnis nicht alle Siegel (die die Wahrheit versiegeln)?
    Es gibt keine Erklärung der Gemeinheit ohne Zuhilfenahme der Antisemitismus-Analyse.
    Ist nicht auch das Marquardtsche Votum für Israel, das Leute wie Micha Brumlik und Edna Brocke so anspricht, zwar wahr, aber zugleich konkretistisch entstellt (etwas, woran man sich halten kann)?
    Ich bin garnicht so ganz sicher, ob die Natur die Menschen überlebt, ob das nicht ein Schein ist, den die Natur selber erzeugt (der gleiche Schein, aus dem in der Hegelschen Logik das Wesen hervorgeht). Welt und Natur sind Momente in der Generationenbeziehung, sind Momente im Kontext der Genealogien (auch der Schöpfungsbericht gehört zu den toledot). Das auf eine Formel gebracht zu haben, ist die Bedeutung der Trinitätslehre. In ihrer dogmatischen Gestalt ist die Trinitätslehre das Siegel, mit dem die Schöpfung zu Welt und Natur verschlossen wurden. Von innen begriffen, und d.h. von ihrer dogmatischen Umhüllung befreit, wäre die Trinitätslehre der Beginn des Kommens der zukünftigen Welt.
    Die jüdische Mystik, die Kabbalah, ist Schöpfungsmystik, die christliche müßte Auferstehungsmystik sein.
    Israel ist der Augapfel Gottes, Teil seines Angesichts, sein verletzlichstes Teil. Aber die Kirche bewacht und hütet das versteinerte Herz der Welt.
    Die Patriarchen: Marx, Freud und Einstein; die Sühne Jakobs: Cohen, Rosenzweig, Lukacz, Bloch, Benjamin, Scholem, Horkheimer, Adorno, Kafka, Kraus, Schönberg (wer fehlt noch?).
    Die Instrumentalisierung des Opfers in der christlichen Opfertheologie, die Verdrängung der Täufer-Theologie (durch die falsche Übersetzung des tollere): der Versuch, die Wunde ohne den Schmerz zu haben, Ursprung der Anästhesie.
    Die subjektiven Formen der Anschauung, Raum und Zeit, sind Abkömmlinge und Repräsentanten der invisible hand in unserem eigenen Innern. Die Umkehrbarkeit der Richtungen im Raum gehört zu den Prämissen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, die dann aber am Ende zu Protest gehen, nämlich mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Und das Licht, das Werk des ersten Schöpfungstages, ist auch die erste Manifestation der Umkehr und der Beginn der Erschaffung des Angesichts, das am sechsten Tage mit dem Menschen im Bilde Gottes, als sein Ebenbild, als Mann und Frau erschaffen wird.
    Die Naturwissenschaft gehorcht dem Prinzip des Von allen Seiten hinter dem Rücken, sie ist der Inbegriff der Ausweglosigkeit.

  • 30.01.92

    Vor dem Hintergrund der Vorstellung einer unschuldigen Natur wird der Eingriff in die Natur, vergleichbar dem Mord, zur primären Schuld. Aber ist der Mord mit dem gesellschaftlichen Eingriff in die Natur vergleichbar? Und verwechselt nicht auch die ökologische Bewegung Schöpfung und Natur? (Noch zu ungenau: Wo ist die Grenze zwischen einem Eingriff in die Natur und dem Mord? Ist die Naturbeherrschung ein Mord an der Natur (Zerstörung des Antlitzes der Erde)? Aber die Natur sich selbst überlassen: heißt das nicht, Mord und Totschlag zulassen? Ist die Natur nicht selber die Zerstörung des Antlitzes, Inbegriff des Subjektlosen, Hypostasierung der Rückseite der Dinge? Ist nicht die Vorstellung der Ökologie, daß alles Schlimme von Eingriffen in die Natur herrühre, selber schon davon geleitet, daß sie selbstverständlich sich nur auf jene Eingriffe bezieht, die per Rückkoppelung auf das Leben der Menschen zurückschlagen, während das Antlitz längst vergessen wurde?)
    Zur Kritik der Ontologie: Es gibt kein apodiktisches Urteil ohne das subjektive affirmative, bejahende Moment: ohne daß ich mich auch dazu bekenne und durch mein Bekenntnis die Reflexion des Urteils unterdrücke. Es gibt keine Ontologie ohne Bekenntnis. Der kommunikationstheoretische Konsens bezeichnet das gemeinsame Ja (Objektivität als Intersubjektivität), das kollektive Bekenntnis, nicht die Wahrheit. Und der Gedanke der Objektivität drückt dabei nur den Wunsch nach Entlastung von der Verantwortung für das Ja aus, den insbesondere die Mathematik dann allzu leicht erfüllt. So ist die Mathematik die Parodie, das entstellte Deckbild der Versöhnung. Und ihre politische, gemeinschaftsbildende Kraft war seit je (seit ihrem Ursprung im Sternendienst) ein Teil der Idolatrie und ohne Opfer nicht zu begründen (gemeinsamer Ursprung der Religion, des Königtums und der Geldwirtschaft).
    Das Sein, die Logik der Hypostasierung (Heidegger: das metaphysische Denken) und die Bildung futurischer Formen gehören zusammen. Die Ontologie ist eine Weltwissenschaft; sie gründet in der Totalität der Urteile anderer.
    Titel: Ursprung und Untergang der Welt.
    Die antiken Kosmogonien sind Sprach- und Gesellschaftsphilosophien, keine Naturphilosophien.
    Theorie und Affirmation: Die kritische Theorie ist keine. Das affirmative Moment kommt durch den Theoriebegriff, durch die Anschauung, die dieses affirmative Moment in sich enthält, in die Philosophie herein. Die Dekonstruktion Derridas geht aufs falsche Objekt: Zu dekonstruieren wäre die Ontologie, und nicht mit Hilfe der Ontologie die theologische Tradition und ihre Erben.
    Zusammenhang von Objektivität, Sein für andere, Exkulpation und Anonymisierung: Die Spur dieses Zusammenhangs ist der Personbegriff.
    Die „beruhigte und gesicherte Burg der denkenden Subjektivität“ (Derrida: Die Schrift und die Differenz“, S. 85) wird gesichert durch „die letzte Schutzvorrichtung der Sprache“, den „Sinn des Seins“ (ebd. S. 87). Ist aber die ungeheuerliche Ambivalenz dessen, was seit Heidegger „Sinn des Seins“ heißt, überhaupt in der Lage, anders als durch logische Gewalt und durch das taktische und strategische Geschick dessen, der sich dieses „Sinns“ bedient, die „Burg der denkenden Subjektivität“ (die Personalität) zu sichern (fiat jus pereat mundus: die Rettung der Person durch Zerstörung der Welt)? Ist nicht Derridas Verfahren der Dekonstruktion Produkt genau dieser taktisch-strategischen Instrumentalisierung der Ontologie, für die es in der Tat keine andere Anwendung gibt? Ist die Ontologie (und der damit verbundene Subjektbegriff) ohne die Dekonstruktion des Anderen und des Andersseins zu retten?
    Heideggers „Eigentlichkeit“ unterscheidet sich von der „Uneigentlichkeit“ nur durch die „Entschlossenheit“, in der Welt Subjekt, und nicht Objekt, sein zu wollen. Der Tod ist für Heidegger immer schon der Tod der Anderen, und dessen Rechtfertigung dient dann das „entschlossene“ „Vorlaufen in den je eigenen Tod“.
    Die kantische Unterscheidung zwischen dem An sich und der Erscheinung drückt genau den Unterschied aus zwischen dem. was eine Sache an sich und was sie für andere ist; die Grenze ist die der Scham, deren Ursprung mit dem dieser Grenze zusammenfällt („und sie erkannten, daß sie nackt waren“). Die Unterscheidung hängt mit der zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen zusammen (ist aber nicht damit identisch). Von der Nichtanerkennung (und Verwischung) dieser Grenze lebt ein nicht unerheblicher Teil der Medien.
    Die Naturwissenschaften setzen die Schamgrenze absolut, leugnen, daß es ein Diesseits dieser Schamgrenze gibt (Daddys striptease sind der Krieg und das Opfer, nicht die biologische Nacktheit).
    Am Anfang der naturwissenschaftlichen Aufklärung steht die Austreibung der Sinnlichkeit, am Ende die des Gewissens, der Moral.
    Der Gottesfürchtige ist das Gegenteil dessen, der sich klein machen will (gegen die Naturwissenschaften).
    Die Geschichten mit Lot, insbesondere die Erzählungen im Zusammenhang mit dem Untergang Sodoms: sind das Hebräer-Geschichten? Hebräer waren die Israeliten für die anderen Völker, Juden sind sie für die Welt. „In jenen Tagen werden werden zehn Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.“ (Sach 823)
    Die Abwehr der Musik Schönbergs hängt damit zusammen, daß es schwerfällt (genauer: schwerzufallen scheint; weshalb?), jenen Schritt mitzuvollziehen, der die Musik in die Nähe der Sprache führt. Ähnliches gilt für Einstein und die Naturwissenschaften.
    Das Stasi-Problem bleibt unerledigt, solange es per Personalisierung bearbeitet wird, während der Gemeinheits- und Systemzwang, der darin sich manifestiert, und der auf die Verhältnisse hier (im Westen) zurückweist, verdrängt wird.

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