Nach Flavius Josephus symbolisieren die vier Farben im Vorhang des Tempels die vier Elemente:
– Scharlach: das Feuer,
– Weiß: die Erde,
– Blau: die Luft und
– Purpur: das Meer.
Sind die „vier Vokale“, die nach Flavius Josephus auf der Kopfbinde des Hohepriesters geschrieben sind, die des Tetragrammaton, die vier Buchstaben des Gottesnamens? Wie verhält sich diese Tradition zum bibelwissenschaftlichen „Jahwä“?
Wer die Religion vollständig auf die Gesinnungs- und Bekenntnisebene schiebt, leugnet die Erkenntnisforderung und den Erkenntnisanspruch der Religion. Diese Beziehung zur Erkenntnis ist im Christentum nach dem Urschisma durch die Gnosis verstellt worden.
Wenn Hegel in der Rechtsphilosophie den Monarchen aus der Logik des Systems ableitet, so rührt er damit an die Logik des Namens. Und er bezeichnet zugleich den Punkt, an dem die messianische mit der Königstradition zusammenhängt.
Sind nicht der Urknall, der schwarze Hohlraum und das schwarze Loch projektive Verkörperungen der Verdrängung des Namens, und stehen sie nicht in einer systematischen Wechselbeziehung (die aus der Logik des Inertialsystems sich müßte ableiten lassen)?
Ist das bara in Imperfektum oder ein Perfektum (Produkt einer nicht abgeschlossenen oder einer abgeschlossenen Handlung)? Oder kommt dieses Verb in der Schrift in beiden Formen (bei Buber erkennbar als „schuf“ und „hat geschaffen“) vor, allerdings mit differerierenden Konnotationen (bis hin zum Gottesnamen)? Und wie verhält das Schaffen zum Machen? Vgl. hierzu den Wechsel in Gen 24a,b:
– vom Imperfekt zum Perfekt, mit anschließender Versetzung in die Vergangenheit („Zur Zeit, da …“) und Änderung des Verbs (von schaffen zu machen),
– von Elohim zu Elohim JHWH und
– von „Himmel und Erde“ zu „Erde und Himmel“ (Vertauschung der Folge der Objekte): aus der unabgeschlossenen Schöpfung von Himmel und Erde wird die abgeschlossene Schöpfung von Erde und Himmel.
Die Unterscheidung der „Quellen“ orientiert sich nicht nur am Gebrauch des Gottesnamens. Welche anderen sprachlichen Kriterien liegen ihr noch zugrunde? Kann es nicht sein, daß sich dahinter ein kompositorisches Element verbirgt?
Läßt sich Bubers Bibel-Übersetzung nicht unter dem Stichwort Ästhetisierung kritisieren (vgl. das „Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser“, in dem das Tätige des Brütens zu einem artistischen Akt wird)? Spielt das nicht mit herein, wenn die Armen, die Fremden, das Opfer, der Geist, die Gerechtigkeit, die Wahrheit, die Barmherzigkeit und andere aus dem Text verschwinden? Was wird aus dem Zorn?
Natur ist der Inbegriff aller Objekte, die der Herrschaft der Vergangenheit unterworfen sind, während der Weltbegriff Vergangenheit und Zukunft dadurch trennt, daß er die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert (nur unter der Herrschaft der Vergangenheit sind Zukunft und Vergangenheit getrennt). Auf diesen Schnitt beziehen sich die Schwertsymbole: vom kreisenden Flammenschwert des Kerubs am Eingang des Paradieses bis zur Duchschlagung des Gordischen Knotens durchs Schwert des Alexander. Konstituiert das Schwert die Zeit, indem es sie von der Ewigkeit trennt, sie der Vergangenheit unterwirft?
Wer ist Malchus?
Das Schwert, das die Wunde schlägt, heilt sie auch (oder: Schwerter zu Pflugscharen): Sind die subjektiven Formen der Anschauung (und ist das Inertialsystem), und mit ihnen das Reich der Erscheinungen, das Werk des Schwertes? Begründet das Schwert mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit (und der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) auch den Begriff des Wissens und die Trennung des Natur- und Weltbegriffs?
Steht nicht die Natur unter dem Bann der Subjektivität? Und ist nicht Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ zu radikalisieren durch die Kritik des Naturbegriffs selber?
Ärgernisse müssen kommen, aber wehe denen durch die sie kommen: Ist dieser Fluch nicht auch ein Segen (und ein Fluch nur für die, die den Segen darin nicht sehen)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern (Adorno): Dieser Satz wird mißverstanden, wenn man ihn relativistisch versteht.
Auch Herrschaftskritik ist vor der Gefahr des Herrendenkens nicht gefeit.
Problem der Chronologie: Die sogenannte Tiefenzeit ist ein Versuch, den Naturbegriff so zu verankern, daß er unwiderlegbar wird. Mit der Tiefenzeit kapituliert das Subjekt endgültig vor dem Bann, den es selbst über die Natur legt. Jeder Bann aber ist ein Todesbann.
Nicht nur die Rettung der vergangenen Hoffnung, sondern die Errettung der vergangenen Zukunft (gegen das „Prinzip Hoffnung“).
Wer sind heute die Aussätzigen: Gehören dazu nicht auch die Objekte des Vorurteils, die Juden, die Frauen, die Ausländer?
Gibt es eigentlich keinen Theologen, dem beim Kohlschen Wort vom „Umdenken“ (ähnlich wie damals beim Ehrhard-Wort von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“) etwas einfällt? (Es paßt zu einem geistigen Klima, in dem die Reichen die Armen sind, die sich für das Ganze aufopfern.) Ist die Theologie schon so verderbt, daß ihr Gegenteil sich als ihre Verkörperung ausgeben kann (vgl. die „Theologen“ in der CDU, mit denen sich Kohl jetzt umgibt: Hintze und Heitmann, während er bei die Besetzung der Fachressorts Wirtschaft und Finanzen Fachleute um jeden Preis zu meiden versucht). Die Regierungsmannschaft Kohls wird durch das Feuer kabarettistischer Kritik nur noch gestählt (mit Hilfe der Theologie).
Stichwort „falsche Propheten“ (vom Deuteronomium bis zum NT, insbesondere auch in der Apokalypse): Das Problem sind nicht die falschen Propheten selber, sondern das Problem ist eine Politik, die wie ein Magnet die falschen Propheten anzieht. Die falschen Propheten sind am projektiven Gebrauch der Diskriminierungslogik (am instrumentellen Gebrauch der double-bind-Falle) erkennbar:
– „Asylantenflut“: wir überschwemmen die Welt mit der Armut, die wir nach draußen exportieren;
– die Xenophobie ist der Spiegel des Schreckens, den wir in der Welt verbreiten;
– die „Banden-Kriminalität“ (Begründung des „großen Lauschangriffs“) das Spiegelbild der realen Politik und Ökonomie: des Überfalls und der Beraubung der Armen).
Zugleich wird der Anspruch der Religion durch die projektive Ausmalung ihrer raf-Variante: des Fundamentalismus (den es zugleich tatsächlich gibt) destruiert.
Der Weltbegriff als Instrument der Schizophrenisierung: Psychose-Generator.
Das Buch Hiob ist nicht die Antwort auf das Theodizee-Problem, sondern der Nachweis, daß bereits die Frage (notwendig und) blasphemisch ist. Es beschreibt die Grenzen der Urteilskraft, dazu braucht es den „Ankläger“.
Wer nachweist, daß Äpfel keine Birnen sind, hat damit nicht nachgewiesen, daß es keine Birnen gibt.
Ist nicht die große Musik, spätestens seit Bach, der ohnmächtige, aber keineswegs hilflose Versuch, das Problem des Nominalismus (auch des double bind, der Trennung von Ton und Inhalt eines Satzes) zu bestimmen?
Ein Text, der es nicht erträgt, daß Worte in ihm auch gegensätzliche Bedeutungen repräsentieren, kann nicht wahr sein. Der Nachweis, daß ein Text Widersprüche enthält, ist nicht in jedem Falle eine Widerlegung.
Der ontologische Gottesbeweis hat die Selbstoffenbarung Gottes im brennenden Dornbusch neutralisiert (und die Persil-Reklame antizipiert).
Wer die Erfindung der Schrift als technisches Problem begreift, neutralisiert das Problem anstatt es zu lösen. Welches gesellschaftliche (und sprachlogische) Interesse liegt der Erfindung der Schrift zugrunde? Gibt es einen Staat ohne Schrift?
Das Schlimme heute ist, daß unsere Theologie erinnerungslos Abschied von ihrer eigenen Vergangenheit zu nehmen versucht. So macht sie sich selbst zum Agenten des Hasses der Welt. Nur so (durch Identifikation mit dem Aggressor) glaubt sie, selbst der Angriffszone dieses Hasses sich entziehen zu können.
Haben sich nicht alle am Schicksal der raf mitschuldig gemacht, die damals wußten, daß Analysen der raf so falsch nicht waren, dieses Bewußtsein aber verdrängten, weil sie gegen die Sympathisanten-Hetze hilflos waren.
raf und Scheiterhaufen: Beide sind falsche, instrumentalisierende Verkörperungen des Feuers (und seiner Beziehung zum Opfer und zur Sünde der Welt; Zusammenhang des Scheiterhaufens mit der Geschichte der Alchemie, der „Goldmacherkunst“).
Nur von der Sünde wider den Heiligen Geist heißt es, daß sie weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werde, während es heißt, daß, wer den Vater und den Sohn leugnet, der Antichrist sei (1 Joh 222).
Ist der Feminismus nicht zunächst ein Symptom, nur in einigen Verkörperungen auch schon der Ansatz zu einer Lösung (Elisabeth Schüßler-Fiorenza, Rosemary Radford-Ruether, Mary Daly)?
Ist nicht durch die Logik des Weltbegriffs das Sein zum Haben anderer geworden? Darin gründet die verandernde Kraft des Seins, wird das Sein zu einem Moment im gesellschaftlichen Schuldzusammenhang (als dessen innere Reflexion die Heideggersche Fundamentalontologie zu begreifen ist).
Lassen sich die englische und die deutsche Sprachlogik nicht an der Form der gesellschaftlichen Anrede erkennen: Im Englischen ist die zweite Person sing. mit der zweiten Person plural (you) identisch, im Deutschen reden sich Erwachsene mit dem Personalpronomen der dritten Person plural (Sie) an: Hängt das nicht mit der Beziehung des Seins zum to be zusammen?
Durch den Begriff des Wissens wird die Wahrheit auf Objekte bezogen (als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand definiert).
Schüssler Fiorenza
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22.09.93
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27.09.91
Was steckt hinter der Erklärung zur Bezeichnung Seraphim, daß saraf „feurig, und d.h. giftig“ bedeute? Gehören der Chaosdrache und die Meeresungeheuer in das noch ungeschiedene Wasser (vor der Trennung durchs Firmament)? Ist die Schlange der aus den oberen Wassern gestürzte Drache (Venus, Luzifer), muß sie deshalb auf dem Bauche kriechen und Staub fressen, und verwandelt sich dadurch das unrsprünglich feurige Element in ein giftiges (Lösung des Rätsels der Chemie)?
Beelzebul, Herr der Fliegen: ist das nur ein Spottname, ein Spitzname, oder erinnert das doch an den Ursprung der Fliegen (Insekten); vgl. auch die ägyptischen Plagen, die Heuschrecken, Fliegen, Skorpione.
Silvia Schroer beruft sich zwar auf Elisabeth Schüßler-Fiorenza, übersieht dabei aber, daß das, was sie (und in mancher Hinsicht die feministische Beschäftigung mit der jüdischen Bibel überhaupt) macht, sich doch erheblich von der feministischen Exegese des NT unterscheidet: die Suche nach der matriarchalischen Schicht unterhalb des biblischen Patriarchats steht in der Tradition der protestantischen Bibelkritik; sie behandelt den monotheistischen Aufklärungsprozeß wie ein neutralisiertes Bekenntnis und gerät damit in den Bann der nationalistischen Geschichtsschreibung und in die Nähe des Antisemitismus. Grund ist, daß sie den Zusammenhang von neutralisiertem Bekenntnis (der Abschirmung des Bekenntnisses gegen seine gesellschaftlichen Voraussetzungen) und Sexismus nicht begreift, was zur Folge hat, daß ein Titel wie der von R. Radford Ruether: Frauen für eine befreite Gesellschaft, hier nicht mehr denkbar wäre; das utopische Element scheint ins sogenannte Alte Testament nicht mit herübergerettet werden zu können; deshalb wird hier alles zur Rechtfertigung (und damit zur Ideologie).
Wenn eine Rettung der Utopie möglich ist, dann über die Rettung und Kritik der Bilderwelt in der Apokalyptik; Voraussetzung wäre, daß das sprachliche Wesen der Bilder (Fall, Empörung, Umkehr) begriffen, ihre dingliche Gegenständlichkeit kritisiert wird. Die Hure Babylon ist das Patriarchat. Und die Bilder sind Elemente des kritischen Begriffs von Herrschaft.
Die Privatsphäre enthält die Erinnerung an den Tempel, und dieser die Erinnerung ans Paradies (Schutz der Scham). Vor den Toren stehen die Kerubim und das kreisende Flammenschwert. Ist aber das Paradies nicht auch der Uterus, und die Vertreibung aus dem Paradies die Geburt, auf die der Satz aus der Sündenfallgeschichte zu beziehen ist: Mit Schmerzen sollst du deine Kinder gebären? Die Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies ist noch nicht abgeschlossen.
Gehören die beiden Geschichten nicht zusammen: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, und: Mit Schmerzen sollst du deine Kinder gebären?
Läßt sich die Lücke, die das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im Inertialsystem bezeichnet, nur durch ein System von Rotationen schließen (mit einem System innerer und äußerer Spannungen, vom Fall bis zu den elektrodynamischen Prozessen)?
Zu den kantischen Antinomien der reinen Vernunft: Der Rechtsstaat ist gegen das vollkommene Verbrechen (das mit den Mitteln der Beweislogik nicht mehr nachweisbar wäre) nicht zu sichern; und der technische und gesellschaftliche Fortschritt hat unter anderem zur Folge, daß die Möglichkeit und Chance des vollkommenen Verbrechens sich erhöht (bis hin zu dem Punkt, an dem der Rechtsstaat sich selbst als das vollkommene Verbrechen enthüllt).
Zusammenhang von Gemeinheitsautomatik und Paranoia: Ist nicht das Weltsystem soweit entwickelt, daß es aus sich selbst bereits die Paranoia erzeugt? Konstruktion der erfahrungsbildenden Kraft der Paranoia (ihrer transzendentalen Logik). Der Weltbegriff ist selber paranoid und deshalb Paranoia-erzeugend.
Die babylonische Sprachverwirrung endet im Schweigen Wittgensteins („die Welt ist alles, was der Fall ist“). Und das Schweigen Wittgensteins rührt an den Grund der seit der babylonischen Sprachverwirrung wirksamen Verdrängung.
Im Briefwechsel zwischen Hooke und Newton weist Hooke darauf hin, daß ein freier Fall aus großer Entfernung nicht direkt aufs Zentrum zuläuft, sondern generell eine Abweichung aufweist, die dann in eine elliptische Bahn übergeht (Ivo Schneider, S. 46). Läßt sich aus den Planetenbahnen Richtung und Geschwindigkeit der Ursprungsbahnen rekonstruieren (oder aus den Mond-, Sonne-und Planetenbahnen insgesamt deren Ursprungsbahnen)? – Newton selbst hatte angenommen, daß der Fall in Spiralbahnen übergeht: Hängt die Struktur der „Spiralnebel“, der Galaxien, mit dem astronomischen Dopplereffekt zusammen?
Gegen Marx weist Heinsohn zu Recht darauf hin, daß das Geld nicht gleichsam aus Vereinfachungsgründen, zur Erleichterung des Tauschhandels, erfunden wurde (Erfindung eines allgemeinen Tauschmittels, um nicht mehr Ochsen gegen Anzüge tauschen zu müssen), sondern das Geld war eine unzureichende Antwort auf eine gesellschaftliche Naturkatastrophe: auf die Probleme der Schuldknechtschaft als unbeherrschbar gewordene Folge der Einführung des Privateigentums.
Das Schicksal Jakobs bei seinem Onkel Laban ist das typische Schicksal eines Mannes, der in Schuldknechtschaft geraten ist und seine Schuld abarbeitet. Und der Verkauf des Erstgeburtsrechts von Esau an Jakob: Ist das nicht auch eine Abgeltung des Kinderopfers, das das Schicksal des Erstgeborenen war? Hatte nicht auch Esau einen Vorteil aus dem Verkauf des Erstgeburtsrechts? War es diese „Schuld“ des Erstgeborenen, die Jakob dann bei Laban abarbeiten mußte? Ist nicht der Götzendienst – so wie heute Religion generell – die Ideologisierung der Schuldknechtschaft: das Sich-Abfinden mit der Schuldknechtschaft (und der Kampf gegen die Idolatrie Grundlage und Folge des Aufbegehrens gegen das System der Schuldknechtschaft)?
Die Fleischtöpfe Ägyptens und die Hurerei Babylons sind zwei Seiten der gleichen Sache. Ägypten ist hierbei das erste naturwüchsige staatskapitalistische System, und die Geschichte des Ursprungs dieses Systems ist aufgezeichnet in der Josephsgeschichte in der Bibel.
In Ägypten sind es die Priester, die als einzige ihr Land behalten, in Israel die Leviten, die kein eigenes Land zugewiesen bekommen. Der Stamm Levi muß vielmehr von den übrigen Stämmen mit unterhalten werden, und die levitischen Städte werden dann zu Asylstädten in denen jene, die ohne eigene Schuld Mörder geworden sind, Asyl und vor der Blutrache Schutz finden können. -
27.04.91
Jes 22f und Mi 41f auf das Bekenntnis und das verdinglichte Dogma anwenden. Beide sind in der Geschichte des Christentums zur Waffe geworden; an ihnen klebt Blut.
„Schwerter zu Pflugscharen“: d.h. Objektivierung durch Nachfolge ersetzen (Entkonfessionalisierung). „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen (den Acker bebauen).“ -Damit hängt auch Benjamins Wort über Rosenzweig zusammen, daß er es vermocht hat, die Tradition auf dem eigenen Rücken weiterzubefördern, anstatt sie seßhaft zu verwalten. Die Verwaltung ist das gegenständlich-politisch-gesellschaftliche Korrelat des Bekenntnisses. Es gibt keine Verwaltung ohne Bekenntnis, und kein Bekenntnis ohne Verwaltung (so wie keine Verwaltung ohne Hierarchie und keine Hierarchie ohne Verwaltung). Das erste kirchliche Verwaltungsamt ist das des Bischofs, des Aufsehers (des Hüters des Bekenntnisses: Heideggers Hirt des Seins ist ein spätes Echo davon).
Über den geschichtsphilosophischen Zusammenhang von Bekenntnis und Empörung, oder Empörung als Versuchung.
Woher stammt die Legende (und welche Bewandnis hat es mit ihr), daß Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden sein soll?
Die Diakonie wäre das Wesen des Christentums, wenn die Interpretation von Elisabeth Moltmann-Wendel (unter Bezugnahme u.a. auf Schüssler-Fiorenza) zutreffen würde. Dann wäre das Dienen ein nicht mehr vom Herrendenken entstelltes und verhextes Dienen.
Gibt es eine Beziehung zwischen unserer Beziehung zur präzivilisatorischen Vergangenheit und unserer Beziehung zur Natur (ist die Grenze zur Vorgeschichte auch die zur Natur: der Ödipuskomplex)?
Der Schlüssel zum Lösen liegt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit und erscheint deshalb als unzugänglich; unterschätzt wird die Kraft der Erinnerungsarbeit, des Eingedenkens. Vgl. hierzu Ezechiel (Auferstehung). Kann es sein, daß die Lösung des Rätsels der Gnosis ein Teil der Lösung im Sinne von Mt 1618 (?) wäre. Hier, in der Auseinandersetzung mit der Gnosis hat die Kirche erstmals gebunden und nicht gelöst. Und diese erste Bindung hatte möglicherweise etwas von dem parvus error in principio (hat die Kirche nicht den gnostischen Demiurgen dann in der Tat zum Gott der Christen gemacht; oder hat die Gnosis nicht nur offen ausgesprochen, was unter den Händen der Kirche aus Gott geworden ist).
Nicht das Ergebnis des Säkularisationsprozesses ist falsch, sondern seine Interpretation. Hier wird die Humesche Tradition, die durch Kant nicht widerlegt, nur lokalisiert worden ist, wichtig.
Der säkularisierte Staat ist es erst wirklich, wenn er die Rechtfertigungszwänge abbaut, die insbesondere in den schuldbezogenen Institutionen wie die Justiz fortleben. In welcher Beziehung zum Bekenntnissyndrom steht die Institution des Bundespräsidenten (des säkularisierten Königs)?
Modell für die Verdoppelung ist das Sich-Verstecken Adams. Wo versteckt sich Adam? Haben die Bäume, unter denen er sich versteckt, etwas mit den Dornen und Disteln zu tun? Adam redet sich dann auf Eva heraus, Eva auf die Schlange; und was sagt die Schlange?
Geliebt wirst du einzig, wo du ohne Furcht dich schwach zeigen darfst (Adorno: Minima Moralia). Das hängt zusammen mit der Utopie eines Lebens ohne Rechtfertigungszwang. Deshalb: Seid klug wie die Schlangen … Ohne Rechtfertigungszwang kann man nur leben, wenn man den Schein durchschaut, der anklagendem, richtenden Denken zugrundeliegt. Das Durchschauen dieses Scheins wäre das Ziel einer Kritik der Säkularisation, aber eine Kritik dieses Scheins ist nur in theologischem Zusammenhang möglich. Beweis: Eine Kapitalismus-Kritik, die die Prämissen des Kapitalismus, die Herrschaft des Tauschprinzips, nicht antastet, führt in schlimmere Dinge hinein als der Kapitalismus. – Die Gottesfurcht ist nichts anderes als der Grund der Freiheit vom Rechtfertigungszwang, und der Rechtfertigungszwang hat keine theologischen, sondern nur gesellschaftliche Gründe. Der Schein ist nur aufzulösen durch Auflösung des Schuldzusammenhangs, oder durch Auflösung des Schuldverschubsystems, der den Schuldzusammenhang konstituiert. D.h. er ist nur aufzulösen in Befolgung des Nachfolgegebots, des Gebots, die Schuld der Welt auf sich zu nehmen, der Arglosigkeit oder des Verzichts darauf, Selbstentlastung durch Projektion der Schuld zu erreichen.
Die Gnadenlosigkeit des Christentums ist eine Folge der Gnadenlehre.
Eindruck beim Lesen des Interviews mit Jehoshua Leibowitz: er scheint gelegentlich so zu antworten, daß er nur die Frage ad absurdum führt; das hängt dann mit der Qualität der Fragen zusammen. – Es scheint eine Beziehung zu geben zwischen seiner Kritik der Psychoanalyse und der Ablehnung des Christentums; unklar, ob ihm diese Beziehung selber bewußt ist. – Der Interviewer fragt gelegentlich wie ein beflissener Schüler; gibt es eigentlich einen Lehrer, der nicht darauf hereinfällt? Genau hierin drückt sich etwas vom prekären Verhältnis des Professors zur Öffentlichkeit aus, das mit einer gleichsam existentiellen Verunsicherung verbunden ist, die durch die Bestätigung durch Schüler gemildert wird (der Professor ist auch eine öffentliche Person, wie Schauspieler, Politiker, Huren, Journalisten: alle müssen über eine Schamgrenze sich hinwegsetzen).
Es scheint eine Querbeziehung zu geben zwischen der Konstitution von Wissenschaft, der Prostitution und der Hexenverfolgung. Die Hexenverfolgung scheint ein erster Ausdruck dessen zu sein, was Ralph Giordano die zweite Schuld genannt hat. An diesen (nicht ungefährlichen) Punkt rührt die Kritik des Bekenntnisses; sie könnte zum Auslöser der „verfolgenden Unschuld“ werden, die in der Konstruktion und Dynamik des instrumentalisierten Bekenntnisses, die heute fast nicht mehr zu umgehen ist, gründet. Der Hinweis auf die christlichen Ursprünge von Auschwitz – ein Komplex, zu dem J. Leibowitz auch den Marquardt zitiert – scheint hiermit zusammenzuhängen. An die gleiche Frage rührt der Satz, den Georg Büchner Danton in den Mund legt: „Was ist das, was in uns hurt, mordet, lügt, stiehlt …“
Galileis Blick durchs Fernrohr und der Habitus des Zuschauers: Es ist der Habitus des Zuschauers, der den ganzen Apparat von Schuld, Verdrängung und Projektion mit einschließt, absichert und stabilisiert. Hiermit hängt es zusammen, wenn Auschwitz nicht vergangen ist, sondern gegenwärtig in seinen Metastasen in der Dritten Welt fortlebt, wo in unserem Auftrag gehungert und gefoltert wird. Frage: Wann greift der Mechanismus wieder aufs Zentrum über?
Gibt es eine Beziehung zwischen den Mizwot und den evangelischen Räten?
Wie verhält es sich mit Bileam? (Bileams Esel, der Engel mit dem feurigen Schwert und dazu in der Apokalypse die Warnung davor, Bileams Lehre zu folgen – bezieht sich auf das der Bileam-Geschichte folgende Kapitel).
Der Feminismus (z.B. Christa Mulack) gibt gelegentlich zu sehr der Versuchung nach, historische Sachverhalte wie auch biblische Lehren moralisch anstatt strukturell zu interpretieren. Hier reproduziert er den Fehler, den er kritisiert. Hier tritt er patriarchales Erbe an. Der biblische Gottesname gilt für die erste Person, er liegt vor der Scheidung in männlich und weiblich. Er ist nicht in die dritte Person (in der es erst die Geschlechtertrennung gibt) übersetzbar. Und hier – so scheint mir – übersetzt auch Martin Buber falsch. -
14.04.91
Der Witz spielt sich in der Sprache, die Komik im Objekt ab; beide reflektieren den Bruch zwischen Sprache und Objekt, sei es in der Sprache oder im Objekt (sind Nebeneffekte der transzendentalen Logik). Die Bestimmungen des Witzes (bei Freud) erinnern an die Funktion der hegelschen Reflexionsbegriffe (die gleichsam den „Witz“ – oder auch die List – der hegelschen Philosophie ausmachen). Die drastischste Gestalt der Komik (der Klamauk) ist die des bloßen Unglücks, des Mißlingens, daß durchs Lachen (für den Zuschauer) seinen Schrecken verlieren soll.
Zum Amt und Begriff des Diakons vgl. Elisabeth Schüßler Fiorenza und Luise Schottrof (Umkehr der Herrschaftsverhältnisse).
Die Geschichte der kirchlichen Ämter ist keineswegs harmonisch verlaufen, sondern mit massiven Domestikationsprozessen verbunden. Wenn es zutrifft, daß das diakonein eigentlich die Umkehr: die Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse bezeichnet, wird vielleicht noch deutlicher, welche Entwicklung dann das Bischofsamt eingeleitet hat (episkopus: der Aufseher). Dieses Amt ist es ja gewesen, das die Kirche dann in die Kollaboration mit der Politik hineingetrieben hat. Auch die Ambrosianische Kaiserkritik war keine Herrschaftskritik, sondern Teil eines Konkurrenzkampfes, sie war kein Teil der „Umkehr“.
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