Sexualmoral

  • 26.09.87

    Verwirrung der Begriffe durchs Geld: Trennung von öffentlicher und Privatsphäre, Stellung im Produktionsprozeß; Bindung der Religion an die Privatsphäre Ursache der Zerstörung der Religion, Religion als Blasphemie darin begründet; Vorrang der Privat-Perspektive – verstärkt durch Medien (BILD/Fernsehen) – Ursache des Faschismus; Zentrum: Bedeutung der Sexualität (sind Judenpogrome und sexuelle Verfehlungen von Prominenten gleich verwerflich?).

    Geld ist der Ursprung des Idealismus, der Generator der Idealisierung auch in dem Sinne, daß der Schmerz, das Leiden (die Materialität) in ihm aufgehoben und (zum Schein) vernichtet sind.

  • 08.11.87

    Bezeichnet der Begriff der Existenz bei Heidegger und Jaspers – ähnlich wie der der „Werte“ bei Scheler – nicht doch primär ein Moment des materiellen Daseins, werden nicht die Heideggerschen Analysen durchsichtig, wenn man vom Sprachgebrauch ausgeht, in dem Existenz bedeutet, daß die – vor allem beruflichen – Voraussetzungen für die private Reproduktion des Lebens gegeben sind? Inhaltliche und formale Grundlage der Existenzphilosophie wäre demnach in einem prononcierten Sinne die Ökonomie, und nur durch Ökonomie vermittelt Natur und Geist („Dasein“), die im übrigen nicht zufällig im Kontext der Fundamentalontologie nicht mehr streng sich auseinander halten lassen.

    NB.: Ist der Biologismus Freuds etwa sowohl Biologismus als auch gleichzeitig, ohne metabasis eis allo genos, einer ökonomischen Auslegung fähig und bedürftig? – Verhältnis des durchs Tauschprinzip vermittelten Materialismus zum naturwissenschaftlichen! – Wo ist in der Ökonomie der Bereich, der dem der sinnlichen Wahrnehmung im Verhältnis zu Physik entspricht?

    (später) Adornos „erster und einziger Grundsatz der Sexualethik“ gilt nicht nur für den Spezialfall, sondern für die Ethik insgesamt: Der Ankläger hat immer unrecht. Die moralische Verantwortung für das eigene Handeln und für die Andern läßt sich nicht auf andere Subjekte anwenden (übertragen); die Umkehrung der Handlungsanweisung, die unmittelbar nur für das zum Handeln aufgeforderte Subjekt selbst gilt, in ein Urteil über andere ist nicht erlaubt; sie verwandelt die Ethik in ein Herrschaftsmittel, sie instrumentalisiert sie; sie verletzt das in der Handlungsanweisung aufscheinende Absolute; sie verwandelt ein Gebot in ein Gesetz; sie ist blasphemisch. Das ist gemeint mit dem Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“. Gegen diesen Satz verstößt die Wertethik (die die Ethik in ein System von Urteilen – über vergangenes Handeln, das dann eo ipso zu dinglichen Eigenschaften gerinnt – verwandelt); Folge und Produkt dieses Verstoßes ist die Existenzphilosophie, in der das Subjekt nur noch als Objekt, als Gegenstand des Urteils (das für es – als „Sein“ – das Absolute ist), als gerichtetes vorkommt.

  • 1.5.1997

    „…, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“: In die weite, weite Welt (ins feindliche Leben) geht nur der Mann; ist der Grund der Sorge die Frau? Und was Heideggers „Sorge“ hiermit zu tun (kommt die Frau in Sein und Zeit überhaupt vor)?

    Einstein: der Uriel da Costa der Physik.

    Das Eingedenken der Natur im Subjekt ist ein Versuch, gegen die Schwerkraft anzudenken (die Logik ist die Gravitationsbahn des Denkens). Der Hintergrund, vor dem die Schwerkraft sich manifestiert, ist nicht die Ruhe der Trägheit, sondern der Sturz, den das Trägheitsgesetz limitiert, begrenzt. Diese Begrenzung wird im Schöpfungsbericht dargestellt. Der erste Schritt hierzu ist die Erschaffung des Lichts. Die Schwere erzeugt den Schein der Reversibilität, die der Grund der Objektivierung des Lichts, des Hervortretens der Lichtgeschwindigkeit, ist.

    Das Licht ist der Repräsentant der Sprache im Schöpfungsbericht, das erste Werk des göttlichen Worts und die erste Antwort auf dieses Wort. Wenn die üblichen Übersetzungen die beiden jehi or (in Gen 13) unterschiedlich übersetzen, das erste im Imperativ, das zweite im Präteritum, wird übersehen, daß diese Unterscheidung durch den hebräischen Text nicht determiniert ist.

    Erst die subjektiven Formen der Anschauung (das Werk des zweiten Tages: die „Feste des Himmels“) haben das Wort stumm gemacht, die Bedingungen und Voraussetzungen zur Objektivation des Lichts geschaffen.

    Das ewige Licht: Lux aeterna luceat eis, Domine.

    Vorn und hinten wird, wenn es von der Seite (von einem andern) gesehen wird, zu links und rechts.

    In der verdinglichten Welt wird die Freiheit der Schuldreflexion zur Wahlfreiheit.

    Das Hinter dem Rücken (die List der Vernunft, die Hinterhältigkeit, die Gemeinheit, die Niedertracht) gibt es nur unter den Bedingungen der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (des Seitenblicks).

    Theologie im Angesicht Gottes: Wer die Ethik als prima philosophia begreift, begreift, daß Gott – außer für uns – keine Rückseite hat.

    Stehen nicht die Kirchenspaltung und die Konfessionalisierung des Christentums unter dem Bann seines Ursprungs: des Urschismas und der Urhäresie?

    Mene tekel upharsin: Wenn die Naturwissenschaften die freie Phantasie diskriminieren, so diskriminieren sie damit die Reflexion, das Medium der Kritik der Naturwissenschaften. Diese Diskriminierung gehorcht dem Rechtfertigungszwang, den die „subjektiven Formen der Anschauung“ verkörpern. Naturwissenschaftliche Erkenntnis ist eine Verkörperung des Schuldverschubsystems; darin gründet ihre Beziehung zur Naturbeherrschung.

    Die Apokalyptik, der Glaube, sowie Dogma, Orthodoxie und Bekenntnislogik gründen in der Beziehung von Hören und Sehen.

    Stephan Wyss: Passagalia, S. 38f: Der entscheidende Hinweis auf den patriarchalischen Ursprung der hierarchischen Logik (vgl. auch S. 47ff, die Bemerkungen zum Titel fidalgo, Hidalgo, seine Beziehung zum Begriff des Erbes, der zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört: Ist nicht Jupiter Gottvater?). Bezieht sich hierauf Lk 117?

    Der Nominalismus, soweit er auf den Vorrang des Individuellen abstellt, ist wahr. Und der Satz „Name ist Schall und Rauch“ gilt dem Begriff, nicht dem Namen (steckt in „Schall und Rauch“ die Erinnerung an den Schall der Posaunen und die Gebete der Heiligen?). Die Mathematik ist der verwehte Schall.

    Ist das heliozentrische Konstrukt des Kopernikus das ezechielische Leichenfeld, und bezieht sich das „gewaltige Getöse“ in 2 Pt 310 auf Ez 377?

    Num 13: Kaleb, Jephunnes Sohn, war aus dem Stamme Juda, Hosea, der Sohn Nuns, aus dem Stamm Ephraim.

    Haben die zehn Versuchungen Gottes, an die Num 1422 erinnert, etwas mit den zehn Schöpfungsworten und dem Dekalog zu tun?

    Anstatt 2 – 5 Mos (Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium) auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, um dann die Abweichungen dem „biblischen Autor“ als Fehler anzukreiden, käme es vielmehr darauf an, die Konstellation dieser Bücher genau zu bestimmen: Hier wäre zu erinnern an die Doppelfassungen des Dekalogs (2 und 5 Mos), des Fluchs (3 und 5 Mos), sowie an den Zusammenhang des Levitikus mit dem nicht erfolgten Opfer in der Wüste beim Exodus (der „Greuel der Ägypter“ wurde nicht geopfert), die zunächst verschobene, dann eingeschränkte Landnahme nach den zehn Gottesversuchungen durch die Israeliten in der Wüste; danach folgen Josue, Richter, Samuel und Könige als prophetische Bücher.

    Heute geht der Fortschritt über zum zweiten Angriff auf die Erinnerung: zur zweiten Phase der Selbstzerstörung der Tradition. Das wäre unter anderem an der gegenwärtigen Entwicklung der Medizin zu demonstrieren. Die erste Phase fällt zusammen mit der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften (der Geschichte der Hexenverfolgung: der Vertreibung der Frauen aus der Medizin und der Patriarchalisierung der „Geburtshilfe“).

    Das Dogma verletzt das sexualethische Gebot, das sich gegen die Urteilslust, nicht gegen die „sexuelle Lust“ richtet. Im Banne der Urteilslust wird die Idee des seligen Lebens reduziert auf die „Anschauung Gottes“, die die Theologie im Angesicht Gottes ersetzt. Hier wurde das Bekenntnis vom Handelns getrennt. Dagegen richtet sich der Schluß des Sterns der Erlösung.

    Ich, Es und Über-Ich verhalten sich wie Welt, Natur und Bekenntnislogik.

  • 23.4.1997

    Ist nicht der unbewegte Beweger der Inbegriff aller Gewalt, die alles bewegt, aber sich selbst durch nichts bewegen läßt: die Imago der mitleidslosen Herrschaft? Der unbewegte Beweger ist der Prototyp des Faschismus, das theologische Trägheitsprinzip, in dessen Licht die ganze Welterfahrung neu organisiert werden mußte. Die erste vollendete Gestalt dieser Neuorganisation war die aristotelische Philosophie.

    Der Gott, den etwas gereut, ist kein unbewegter Beweger.

    Gewalt ist ein Ausdruck der Ohnmacht, die selber ein Reflex der versteinerten Welt ist.

    Um die Theologie zu retten, um sicherzustellen, daß die Natur nicht das letzte Wort behielt, brauchte Thomas von Aquin die Übernatur (ein Produkt der gleichen Kompromißbildung, der auch schon die Vergöttlichung Jesu sich verdankte). Das Reich der Freiheit war (und blieb) eines Sinnesimplikat der oberen Welt.

    Wenn die Inkarnation ein theologischer Begriff ist, dann steht auch sie im Imperativ, nicht im Indikativ (hängt der johanneische Fleischbegriff mit dem der Inkarnation zusammen?).

    Das Portrait hat das Angesicht gebannt und dem Raum die freie Entfaltung ermöglicht. In diesen Kontext gehört das „Haupt voll Blut und Wunden“. Spiegelt sich nicht in der Unterscheidung von Haupt und Angesicht die von Fleisch und Leib (und gibt es deshalb die Enthauptung als Todesstrafe)?

    Was bedeutet es, wenn man in China „sein Gesicht verlieren“ kann?

    Wie kann einer Christ sein, der das Scheitern als diskriminierend erfährt? Wer so vom Scheitern redet, erträgt nicht die Distanz zwischen Karfreitag und Ostern.

    Wer an die göttliche Gerechtigkeit glaubt, der muß auch daran glauben, daß es eine Erlösung ohne Eingriff in die Vergangenheit und in die Natur nicht gibt.

    Hegels Satz, daß die Natur den Begriff nicht halten kann, ist ein indirekter Hinweis darauf, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden.

    Fichtes Wissenschaftslehre und der ganze nachfolgende Deutsche Idealismus haben die Leugnung der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft, zwischen reflektierenden und bestimmenden Urteilen, zum Ziel. Die Ideen sollen nicht nur regulative, sondern konstitutive Bedeutung haben. So enden sie in der Idee des Absoluten, in dem Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft. Hegels Wort, er sei „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“, reflektiert den ersten Teil des prophetischen Satzes „der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“.

    Baader zufolge ist Hegels Philosophie das Autodafé der bisherigen Philosophie. Ist sie nicht zugleich die descensio ad inferos?

    Gehören nicht die Ansätze zur Reflexion in der kantischen Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, in den Ansätzen zur Wissenschaftskritik in der Begründung der Naturwissenschaften, zu den Motiven, die Kant dann in seiner Kritik der Urteilskraft zu entfalten versucht, während der Deutsche Idealismus alle Kraft darauf verwendet hat, die sprengende Kraft des reflektierenden Urteils wie in den Bann des bestimmenden Urteils einzubinden? Ausdruck des Gewaltakts in diesen Bemühungen ist die Idee des Absoluten. Theologie beginnt dort, wo die Idee des Absoluten aufhört, seine Absolutheit zu behaupten, und reflexionsfähig wird. Die Idee des Absoluten ist das telos der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos: die Finsternis und in ihr die Tötung der Erstgeburt. – Ist nicht Israel diese Erstgeburt?

    Ist der Trieb, gut zu sein, nicht der Trieb des Lebendigen überhaupt, und sind die Pflanzen und die Tiere nicht unterschiedliche Phasen und Ausprägungen seiner gehemmten Manifestation?

    Barmherzigkeit ist die Fähigkeit, das Gut-sein-Wollen auch in seinen entstelltesten Manifestationen (auf seinen Irrtumswegen) noch zu erkennen. Hat der biblische Begriff des Blutes etwas hiermit zu tun? Steckt nicht in dem Ruf „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ noch der bewußtlose Wunsch nach der Reinigung durch dieses Blut? Erst das Christentum hat aus diesem Satz die Rechtfertigung des Mords abgeleitet (und aus der Opfertheologie, die eine Barmherzigkeitstheologie ist, eine Metzgertheologie gemacht).

    Barmherzigkeit ist die Kraft zur Auflösung des Rachetriebs durch Reflexion.

    Die Geschichte der Staaten ist die Gattungsgeschichte der Menschheit. Deshalb ist die Sexualmoral im Ursprung politische Moral, und deshalb wird der Taumelbecher, der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende zum Unzuchtsbecher.

    Weil der Eckstein verworfen wurde, wird kein Stein auf dem andern bleiben.

  • 25.3.1997

    Konkretismus und Personalisierung: Die Einheit der Raumvorstellung ist der Grund der Verwirrung des Namens.
    Auch ein sexueller Mißbrauch: Ist das Neutrum ein Produkt der Vergewaltigung, ihr sprachliches Äquivalent?
    Barmherzigkeit, nicht Opfer: Der Ausdruck „seine Kleider im Blute des Lammes waschen“ ist ein anderer Ausdruck für Barmherzigkeit. Ist dies das missing link, das die Barmherzigkeit und das Opfer mit einander verbindet?
    Zur biblischen Geschichte des Opfers gehören:
    – die Opfer Kains (von seinen Feldfrüchten) und Abels (von den Erstlingen seiner Schafe und von ihrem Fett),
    – das Opfer Noahs (von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln,
    – das Opfer des Melchisedech (Brot und Wein),
    – die Bindung Isaaks,
    – der Altar Jakobs in Bethel,
    – beim Exodus, das Opfer drei Tagereisen weit in der Wüste (Ex 318 etc.); ein Opfer dessen, was den Ägyptern ein Greuel ist (826).
    Ist nicht das Wort Gottes als Opfer ein geradezu überdeutliches sprachlogisches und sprachgeschichtliches Symbol?
    Zur Frage des einen Sünders (und der Freude im Himmel darüber) gibt es – neben dem letzten Satz des Jakobusbriefs – den prophetischen Satz von der Abhängigkeit der Umkehr Gottes von der der Menschen (das „Gereuen“ Gottes: die Transformation der Rache in Barmherzigkeit). Und dieser Satz hat sein Echo im Wort vom Binden und Lösen.
    Wer in der Fassung des kategorischen Imperativs, in der es heißt, daß man einen Menschen niemals nur als Mittel ansehen darf, das „nur“ streicht, der muß in den Satz vom „Eingedenken der Natur im Subjekt“ das Adjektiv „gequält“ einfügen.
    Hat nicht der Rosenzweigsche Hinweis auf den Zusammenhang der Begattung mit dem Tod etwas mit dem Jesussatz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ zu tun: mit dem Problem der Väter in den Evangelien?
    Zur Sprachtheorie (Kritik der Kommunikationstheorie): Hat das Wort von dem Namen, den niemand kennt außer dem der ihn empfängt bzw. trägt, etwas mit Jer 3134 zu tun? Ist der Name das Herz, in das nur Gott sieht?
    Das Selbstverständnis der Kirchen ist durch den Umgang mit den Häresien (und deshalb durch den Begriff der Orthodoxie) geprägt: durch das Verfahren der Beantwortung hilfloser Fragen mit dem Instrument der Verurteilung. Das reproduziert sich heute in dem hilflosen Antifaschismus, der den Schrecken, der zu reflektieren wäre, durch bloße Verurteilung zu bannen versucht.
    Der Hinweis auf die Entrückung in den dritten Himmel ist ein Hinweis auf die Grenze der paulinischen Theologie. Stephanus sah den Himmel offen.
    Zum Begriff der Finsternis: Die Irreversibilität der Beziehung von oben und unten (von Begriff und Objekt) ist der Preis für die Verdrängung der Erinnerung. Welche Bedeutung hat die „irre Fahrt zu den Sternen“ für die Konstituierung der Geschichte? Gehört das Bild vom Himmel, der wie eine Buchrolle sich aufrollt, in diesen Zusammenhang?
    Wer fragt „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, für den gibt es nur noch einen unbeweglichen Gott, die Rechtfertigung und keine Umkehr. Für ihn gibt es im Himmel keine Freude.
    Maria Magdalena wurde von den sieben unreinen Geistern befreit, Petrus hat ihn dreimal verleugnet, Jakobus und Johannes hat er angekündigt, daß sie den Kelch trinken werden.
    Erinnert nicht der Naturschutz inzwischen auch an den Schutz der eigenen Natur (den Schutz der Sentimentalität, der Empfindlichkeit, an die Pflege des Selbstmitleids)?
    Die Reichweite der Logik des Gerüchts reicht von der experimentellen Hypothesenbildung bis zur manifesten Paranoia.
    Der Faschismus ist nicht zuletzt ein Problem der Öffentlichkeit.
    Der Fundamentalismus ersetzt die politische Moral durch die Sexualmoral. Wie hängt das mit dem „wörtlichen Schriftverständnis“ zusammen? Ist dieses „wörtliche Schriftverständnis“ der Unzuchtsbecher?
    Was ist mit einer Welt, in der Empfindlichkeit die Sensibilität endgültig verdrängt hat? Empfindlichkeit verhält sich zur Sensibilität wie die Wut zum Zorn.

  • 8.3.1997

    Bezeichnet die „Venuskatastrophe“ einen Vorgang, zu dem der Ursprung des Staates (der Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern), die Objektivation der Sternenwelt (die Trennung von Natur und Welt) und die Freigabe der Sexualität (der gemeinsame Ursprung der Ehe und der Prostitution) gehören? Die Begründung der Astronomie, die Vergegenständlichung der Sternenwelt, ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte. Hängt nicht die Venuskatastrophe mit dem Ursprung der Sexualmoral als Urteilsmoral, insgesamt mit der Entfaltung der Urteilslogik, zusammen?
    Bereschit: Wer den zeitlichen durch den logischen Anfang (den Ursprung) ersetzt, gerät in den Bann der Elementarmächte.
    Geschaffen wurde nicht die Welt: Dann nämlich würde im Staat Gott sich manifestieren.
    Geoffenbart wurde kein Wissen, auch nicht ein durch den Glauben vermitteltes: Dann wäre die Offenbarung ein Reflex der Subjektivität, den sie in Wahrheit sprengt.
    Und erlöst wird nicht die Natur, sondern Erlösung ist die Erlösung vom Bann der Natur.
    Gegen die Kollektivscham gilt: Nicht Scham, sondern Trauer.
    Zum Problem der Errichtung eines Holocaust-Denkmals wäre der sanfte Hinweis notwendig, daß Auschwitz kein Heldenfriedhof ist. Begründen und verkörpern in Deutschland Denkmäler nicht doch seit je nur Tabus (seit es Goethe-Denkmäler gibt, wird Goethe in Deutschland nicht mehr gelesen), und hat Mihm, als er sich auf die „Kriegerwitwen“ berief (gibt es auch Autofahrerwitwen, Katastrophenopfer-Witwen), nicht so etwas wie die unsäglichen „Kriegerdenkmäler“ gemeint?
    Hängt nicht der Korpuskel-Welle-Dualismus wie auch die damit verbundene Heisenberg’sche Unbestimmtheitsrelation und die Bohr’sche Komplementarität mit der Doppelfunktion der Lichtgeschwindigkeit zusammen, die sowohl auf die einzelne Bewegungsrichtung des „Lichtstrahls“ als auch auf die Ausbreitung des Lichts im ganzen Raum (in alle Richtungen des Raums gleichzeitig) sich bezieht? Dem einzelnen Lichtstrahl korrespondiert die korpuskulare Interpretation, die Ausbreitung in einem dreidimensionalen Raum erzwingt das Bild der wellenförmigen Bewegung. Gründet nicht das individualisierende Moment (die Atomvorstellung und ihre Durchorganisation) in dieser Doppelfunktion, die dann auch den zentralen Konstanten, dem Planck’schen Wirkungsquantum und der elektrischen Elementarladung, zugrundeliegt?
    Sind die Maxwellschen Gleichungen ein Äquivalent des Relativitätsprinzips?

  • 19.2.1997

    Die Nackten kleiden: Nacktheit ist nicht nur eine ästhetische, sondern zugleich eine logische Kategorie. Der Begriff der „nackten Tatsachen“ ist nicht unbegründet. Die Logik, der der Begriff der Nacktheit angehört, ist die Logik der Schuld (sie bezeichnet das Moment der Schuld am Urteil): Wie nur der aus den Verstrickungen der Schuld sich befreit, der die Last nicht verdrängt, sie auf sich nimmt, kleidet nur der, der die Nackten kleidet, auch sich selbst, ist nur wer die Nackten kleidet, selbst nicht mehr nackt. Ist das nicht ein Hinweis zum Verständnis des evangelischen Rats der Keuschheit, der auf ein Werk der Barmherzigkeit verweist, ist nicht die Sexualmoral als Urteilsmoral „unkeusch“, obszön? – Nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten und aus dem Paradies vertrieben waren, „gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“. Danach brauchten sie, um ihre Blöße zu bedecken, die Feigenblätter, die „Gott der Herr“ dann durch „Röcke aus Fellen“ ersetzte.

  • 7.2.1997

    Wie hängt das Planetensystem mit dem Fleischessen und mit der hierarchischen Logik zusammen?
    Wer vom jüdischen Monotheismus spricht, hat Hermann Cohen und Franz Rosenzweig nicht verstanden: In diesem Begriff setzt sich das Greuel des Hellenismus fort.
    Magdala, der Ort, aus dem Maria Magdalena kommt, heißt ursprünglich Migdol. Steckt darin das gleiche Mi-, das auch in Michael enthalten ist, und hat das -gdol etwas mit gadol, Held, zu tun?
    Sind mit den Namen Bethlehem, Nazareth, Magdala, Kana eigentlich wirklich nur geographische und nicht auch logische Orte gemeint?
    Rückt nicht bei Paulus der Begriff der Natur in die Nähe der Konvention. des Brauchs? Bei Paulus ist das, was „von Natur“ ist (wie die Tatsache, daß Männer keine langen Haare haben), weder etwas physisch Notwendiges (und somit Unabänderliches) noch etwas moralisch Gefordertes. Natur ist – übrigens nicht nur bei Paulus – kein moralischer Begriff. Dazu ist er erst geworden durch die Konfundierung der Moral mit dem Recht, mit der Transformation des Gebots, das nur als Richtschnur des Handelns sich begreifen läßt, in einen Maßstab des Urteils. Zu prüfen bleibt, ob sich nicht der Naturbegriff generell der Konfundierung der Moral mit dem Urteil verdankt, die dann zwangsläufig die Sexualmoral ins Zentrum der moralischen Reflexion rückt. Nicht zufällig bezieht sich der Begriff des „Widernatürlichen“ (der fast automatisch der moralischen Verurteilung der Homosexualität sich assoziiert) ausschließlich auf sexuelle Sachverhalte, auf etwas, das „unbedingt zu verurteilen“ ist. Das Widernatürliche ist eine Kategorie der Logik des Urteils, es gehört zu den Konstituentien des modernen Objektbegriffs, mit dem die Logik der sexualmoralischen Urteils mitgesetzt ist. Liegt hier nicht die sprachlogische Wurzel des apokalyptischen Symbols des Unzuchtsbechers? Bezieht sich der Unzuchtsbecher, den die Hure Babylon in der Hand hält, auf die Logik der Verurteilung? Und ist die Natur dieser Unzuchtsbecher? Und hat dieser Unzuchtsbecher (der Naturbegriff) etwas mit dem Problem der Norm (der normierenden Gewalt der Oben-Unten-Beziehung) zu tun? Natur ist keine moralische, sondern eine Herrschaftskategorie, eine Kategorie der Herrschaftsgeschichte. Sie gehört (wie der Name der Fremden, der Barbaren) zu den Konstituentien des Begriffs, und es ist ein falscher Ausdruck eines richtigen Sachverhalts, wenn Hegel zufolge „die Natur den Begriff nicht halten“ kann. Zu den Konstituentien der Natur gehört die Urteilslust, genauer die aus Abwehr, Rechtfertigungszwang und Rachetrieb gespeiste Lust der Verurteilung, das Schuldverschubsystem.

  • 6.2.1997

    Das Gravitationsgesetz ist der konsequenteste Ausdruck dafür, daß der Fall zur Norm geworden ist. Seit Kopernikus/Newton ist die Welt „alles, was der Fall ist“.
    Die Planetensystem sind Normensysteme, und die Wege des Irrtums (die Planetenbahnen) sind gesetzlich (durch Normen) determinierte Wege, die durch Universalisierung der Gebote zu Normen zu gesetzlich determinierten Wegen geworden sind. (Venuskatastrophe: die Katastrophe der Transformation der Sexualmoral in eine Urteilsmoral, ihre Instrumentalisierung im Kontext der Logik von Anklage, Urteil und Strafe, der Herrschaftslogik und des Staates.)
    Der biblische Ankläger war schon der „Staatsanwalt“, der Anwalt Babylons.
    Die Geschichte der Aufklärung ist auch eine Geschichte der Entwertung von Erfahrung. Diese Geschichte beginnt mit der christlichen „Überwindung“ der Vergangenheiten, die insgesamt (als heidnische wie als jüdische) zum Irrtum erklärt wird.
    Haben nicht alle Hegelianer eines von ihrem Meister gelernt: daß es eine Logik des Unwiderlegbaren gibt? Die Unwiderlegbarkeit aber ist der blinde Fleck der Hegel’schen Philosophie. Aus der Hegelschen Philosophie gibt es – wie aus dem das Planetensystem beherrschenden Gravitationsgesetz – keinen Ausweg. Notwendig wäre die Reflexion der Beweislogik: der Versuch, Licht in den blinden Fleck der Logik hineinzubringen.
    Das Modell des Unwiderlegbaren sind die subjektiven Formen der Anschauung, die selber erst im Kontext der Gravitationstheorie sich konstituieren (deshalb gehört die Kritik der Naturwissenschaften heute zur Rekonstruktion der Philosophie).
    Alle zentralen Motive der Hegelschen Logik (und das reicht zurück in die Phänomenologie des Geistes) sind angelegt in der Kantischen Antinomienlehre, der der Widerspruch in der logischen Gewalt der Norm zugrundeliegt, die Verdrängung, die den Akt der Transformation des Gebots in die Norm, ins Gesetz, begleitet (Dekonstruktion des apagogischen Beweises).
    Habermas‘ Kommunikationstheorie findet den Schein ihrer Begründung darin, daß sie mit dem Konstrukt des performativen Charakters der Sprache, die seinem Konzept der Intersubjektivität zugrundeliegt, zwei Momente mit einander vermischt, die streng getrennt zu halten sind: die Logik der Anschauung mit der der erkennenden Kraft des Namens. Die Anschauung ist intersubjektiv, aber in der Anschauung ist jeder für sich, ist das Subjekt Monade, ist es fensterlos. Die Gemeinschaft der sprechenden Subjekte, und in ihr die kommunikative Kraft der Sprache, gründet in der Kraft des Namens, durch die die Sprache in den Kern der Sache selbst hereinreicht, durch die sie mehr ist als bloßes Raisonnement. Habermas‘ Anstrengungen werden absorbiert von der Strategie, den Widerspruch, den er zu fühlen scheint, den aber nicht mehr zu reflektieren wagt, nicht laut werden zu lassen. Es ist der Selbstwiderspruch der instrumentellen Vernunft, der ihn, weil er ihn nicht mehr reflektieren darf, zur kommunikativen Instrumentalisierung der Vernunft zwingt.
    In der jüdischen Geschichte ist Esra, der erste Schriftgelehrte, auch der Begründer der Thorarepublik. Ist nicht die Apokalypse die Korrektur der Institution des Schriftgelehrten?
    Die analogia entis war des logische Instrument, das es ermöglichte, die Beziehung der beiden Welten, dieser Welt und der zukünftigen Welt, aus der Zeit in den Raum zu transformieren. Sie lieferte die Begründung des katholischen Mythos von Himmel und Hölle.
    Läßt nicht die Bewegung der Grünen daraus sich herleiten, daß sie, um überhaupt noch ein Kriterium für Kritik, deren Notwendigkeit sich nicht mehr verdrängen läßt, zu haben, die Utopie, die Idee der richtigen Gesellschaft, die nicht mehr sich halten läßt, durch „die Natur“ ersetzt? Aber wird so die Natur nicht zu einem gesetzlich geschützten Bereich, in dem am Ende die Menschen nicht mehr vorkommen?
    Haftpflichtversicherung: Gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen der Versicherungslogik, die vor unliebsamen Zufällen schützen soll, und der „Delegation von Verantwortung“, die eigentlich die Entlastung von Verantwortung meint? So wird im Naturschutzgebiet Mönchbruch ein Spazierweg deshalb nicht freigegeben, weil dort Bäume sind, die nicht geschlagen werden sollen, weil sie von seltenen Pilzen befallen sind, die aber die Gefahr in sich bergen, daß Äste herabfallen können, die Spaziergänger treffen könnten. Ist der Weg aus Haftpflicht- oder aus Naturschutzgründen gesperrt? Die Natur, die hier geschützt wird, ist eine gesellschaftliche Natur: Geschützt wird der Staat (und werden mit ihm die Forstbeamten) vor möglichen Schadensersatzansprüchen und Regreßforderungen der Bürger.
    Wir leben in einer Welt, in der die Opfer nicht beendet, sondern außer Sichtweite gerückt werden (in den Schlachthäusern, Psychiatrien, Knästen, Altersheimen, Arbeitersiedlungen, in der Dritten Welt). Zugleich werden die, die die Dreckarbeit zu verrichten haben, soweit es nicht – wie bei der Müllabfuhr – Ausländer sind, in Uniformen gesteckt und unter Ehrenschutz gestellt (Polizei, Militär). Dieser Ehrenschutz ist eigentlich nur ein Wahrnehmungsverbot.
    Ist das Kausalitätsprinzip der vergegenständlichte, ins neutrale verschobene Rachetrieb? Wenn es eine objektive Form der Verdrängung gibt, dann gibt es auch ein Objekt für die Idee der Auferstehung der Toten.
    Man darf die Verwaltungskritik nicht den Liberalen überlassen. Eines der verhängnisvollsten Versäumnisse des real existierenden Sozialismus war der Verzicht auf die Reflexion der Herrschaftsinstrumente, insbesondere der Verwaltung, die nicht zuletzt hier zur Reproduktionsstätte der Gemeinheit sich entwickelt hat.
    Daß es beim Startbahnbau wie in Garzweiler und wie bei den Atomkraftwerken auch um Arbeitsplätze geht, ist ein Argument, das ernst zu nehmen ist. Aber ist es nicht das gleiche Argument, das in andern Zusammenhängen als Triebkraft für Amokläufe sich erweist: so in der Sozialstaatsdebatte, unter den Stichworten: Gesundheitsreform, Rentenreform, Steuerreform?
    Walter Benjamins Bemerkung, daß der Kleinbürger Teufel und arme Seele zugleich sei, wäre heute zu ergänzen: Wird er nicht umso mehr zum Teufel, je mehr er sich als arme Seele erfährt?
    Waren nicht die Mysterienkulte (auch eine Form der „Erlösungsreligion“) insbesondere beim Militär verbreitet? Merkwürdig, daß dieser Sachverhalt beim Kippenberg nicht erscheint. Und wie verhalten sich die „Erlösungsreligionen“ zu den mantischen Praktiken, zum Augurenwesen, zur Astrologie, zu den Weissagern, die dann von den Caesaren verboten wurden?

  • 20.1.1997

    Apokalypse:
    – Pseudepigraphie als Versuch, die Welt durch die Augen des Andern zu sehen; säkularisiert als Fälschung (Pseudo-Dionysius, isidorische Fälschung, das Problem Karl d.Gr. etc.), schließlich als Roman.
    – Modell: Der Traum des Nebukadnezar.
    – Ist das Namensproblem der Evangelien (und in ihm das Problem der Väter) ein apokalyptisches (mit Saulus/Paulus als doppelte Epigraphie: Simon von Kyrene und Sergius Paulus)?
    – Kontext: Ursprung des Weltbegriffs (des Staates und der Zivilisation: Bedeutung Babylons).
    – Naturbegriff: Vätertheologie und Neukonstituierung des Christentums (irisches Christentum: die Flucht nach Tarschisch), das Problem des Johannes Scottus Eriugena.
    – Satan, Schlange und Dämonologie: Das grammatische Problem und der Ursprung der Bekenntnislogik.
    – Apokalypse und Sprache: Gibt es eine hebräische Apokalypse, sind nicht alle Apokalypsen griechische, syrische, äthiopische etc. (selbst Daniel ist im Kern aramäisch)?
    – Verweist das Chronologie-Problem (die Verfälschung/Korrektur der altorientalischen Geschichte: „Die Sumerer gab es nicht“, die historische Bibelkritik und der Antisemitismus) auf eine Apokalypse-Vermeidungsstragie?
    – Scholastischer Universalismus, die Irrwege der Theologie; Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
    Wer die Apokalypse als ein sprachlogisches und sprachhistorisches Problem begreift, begreift das Problem des Namens.
    Sind nicht die Namen in den Evangelien Zitate, angefangen von Joschua, über Joseph und Mirjam, Sacharja und Jochanan, Schimon, Juda, aber auch Andreas, Philippus?
    Zum Namen:
    – Wann (und weshalb) spricht Jesus von sich in der dritten Person („der Menschensohn“ – vgl. auch die Antwort an den Täufer)?
    – Was hat es mit dem „Namen, den niemand kennt als der ihn empfängt (als er selbst)“ (Off 217, 1912) auf sich?
    – Daniel und die anderen jungen Männer erhalten in Babylon andere Namen.
    Die Einladung der Vögel des Himmels zum großen Gottesmahl, die Aufforderung, das Fleisch der Könige, das Fleisch der Kriegsobersten, das Fleisch der Starken, das Fleisch der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Sklaven und Kleinen und Großen zu fressen, drückt aufs deutlichste die Beziehung von Fleischessen und Hierarchie aus. Zugleich bezeichnet es einen sprachlogischen Sachverhalt: das Ende des Komparativs (ist nicht der Raum, alles mathematisch Meßbare und dann dessen Inbegriff: das Inertialsystem, ein Produkt des hypostasierten Komparativs, des Wie, das den Himmel verzehrt?).
    Hat nicht die Scholastik über das Verfahren der Analogie den Superlativ in die Theologie mit aufgenommen, damit den Grund aller Hierarchien in die Theologie verlegt, und war das nicht die Grundlage der Sakramentenlehre?
    Der Satz „Gott ist barmherzig“ ist eins mit dem Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und das hat etwas zu tun mit dem Stellenwert der Unerkennbarkeit der Dinge an sich in der kantischen Philosophie. Nur die Barmherzigkeit rührt ans An sich der Dinge. Hierin gründet der schärfste Einwand gegen die Geheimdienste (deren Ziel die Feinderkenntnis, das Gegenteil der Barmherzigkeit, ist).
    Läßt nicht die Astrologie als die vollständige Versammlung der Objekte sich begreifen, in denen der Faschismus sich selbst überlebt? Und lassen sich nicht alle diese Objekte an ihrer Feindbildlogik, an dem Gemisch von Rechtfertigungszwängen, Abwehrmechanismen und Projektionen erkennen? Und sind nicht alle Objekte Zwillingsgestalten, Produkte eines Feindbild-Clinchs?
    Ist nicht das Feindbild das wirksamste Instrument der Rechtfertigung?
    Summa contra gentiles: Die Scholastik hat das Barbaren-Paradigma in der Theologie rekonstruiert: im Namen der Heiden, aus denen dann die Wilden hervorgegangen sind.
    Ist nicht die Sexualmoral ein Produkt der Metaphorik, das dann im Herrschaftsinteresse (und im Kontext des Ursprungs des Weltbegriffs, in dem das Herrschaftsinteresse sich objektivierte) fundamentalistisch mißverstanden worden ist?
    Dummheit und Projektion: In den „überwundenen“ Stufen der Vergangenheit spiegelt sich nur die Dummheit der Gegenwart.
    Ist das Neutrum die verdinglichte Außenseite der Projektion (die cartesische „Ausdehnung“)?
    Hat nicht die Allgemeine Relativitätstheorie etwas mit Heinsohns Geldtheorie zu tun, mit dem Paradigma der Schuldknechtschaft, und die spezielle Relativitätstheorie etwas mit dem des Tauschparadigmas?

  • 4.1.1997

    Das Inertialsystem ist ein Konstrukt aus Abwehr, Projektion und Rechtfertigungszwang. Das spezielle Relativitätsprinzip beschreibt die Todesgrenze, das allgemeine Relativitätsprinzip die Schuldgrenze.
    Hat der fallende Fahrstuhl (das Reflexionsmodell des allgemeinen Relativitätsprinzips) etwas mit dem Gattungswesen (mit der Lösung der Frage, weshalb die Sexualmoral in den drei „Weltreligionen“ diese zentrale Bedeutung hat gewinnen können) zu tun, bezeichnet er den logischen Punkt, an dem der Taumelbecher in den Unzuchtsbecher übergeht? Hierzu würde es passen, wenn im deutschen Strafrecht Trunkenheit als Strafmilderungsgrund gilt. Und es liegt in der Konsequenz dieser Logik, wenn in Deutschland die Strafe (und mit ihr der Staat, dessen Gewalt darin sich manifestiert) immer mehr der Vergewaltigung sich angleicht, damit aber ihre raison d’etre verliert. Deshalb fällt es deutschen Gerichten so schwer, in der Vergewaltigung ein Verbrechen zu erkennen (im Hogefeld-Prozeß waren die Assoziationen an eine Vergewaltigung fast sinnlich präsent). – Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
    Beschreibt nicht der Staatsschutz in der Rechtssystematik die Stelle, an der die Abwehr des Verbrechens mit der Schuldabwehr (dem „Staatsschutz“) sich mischt und in Aggression umschlägt (z.B. in dem Gebrauch, den die Bundesanwaltschaft von der Kronzeugenregelung macht)? – Vgl. hierzu Jud 18 und die parallele Stelle in 2 Pet 210 (Stichworte: Befleckung des Fleisches, Verachtung der Herrschergewalt und Lästerung der Majestät).
    Habermas unterscheidet zwischen der „Wahrheit“ gegenständlicher Aussagen, der „Richtigkeit“ handlungsbezogener Normen (zu denen auch die mathematischen Gesetze gehören) und der „Wahrhaftigkeit“ des ästhetischen Ausdrucks, der Expression (sh. u.a. I, S. 69). Gehört nicht die Wahrhaftigkeit der gleichen autoritären Sphäre an, in der das Gebot, „kein falsches Zeugnis wider den Nächsten“ zu geben, durch das andere „Du sollst nicht lügen“ ersetzt worden ist? Das moralische Verbot, einem andern bewußt oder fahrlässig durch ein „falsches Zeugnis“ zu schaden, wird durch das Verbot der Lüge in die Sphäre des paranoiden Aufklärungsinteresses der Herren, die im Bereich ihrer Herrschaft kein Geheimnis dulden können, gerückt. Insgesamt wird das für den Wahrheitsbegriff konstitutive Moment der Reflexion auf den Andern durch die Habermas’schen Denominationen der Wahrheit aus deren Begriff eliminiert.
    Hierzu paßt es, wenn Habermas den Begriff der Barmherzigkeit nur in ironischem Sinne gebraucht (vgl. die „hermeneutische Barmherzigkeit“, S. 79).
    Erinnert nicht der Begriff des Richtigen, den Habermas auf den Bereich des Handelns bezieht, an die – durch die abstraktive Gewalt der Orthogonalität vermittelte – Beziehung von Objektivierung und Instrumentalisierung; gründet nicht der auf gegenständliche Erkenntnis eingeschränkte Wahrheitsbegriff in dem Interesse an der Instrumentalisierung, das sie mit diesem, auf die intentio recta eingeschränkten Gebrauch des Wahrheitsbegriffs zugleich verdrängt? Diese Verdrängung wird in der Orthogonalität als gegenständliche Gewalt angeschaut.
    Wie verhalten sich die „Geheimnisse“, die die politischen Ermittlungs- und Aufklärungsbehörden in Feindländern wie in der Privatsphäre der Bürger aufzudecken versuchen, zum Herzen, in das nur Gott sieht?
    Wie hängt der Begriff des falschen Zeugnisses mit dem Namen des falschen Propheten (des Tiers vom Lande) zusammen?

  • 13.12.1996

    Sensibilität ist das Wahrnehmungsorgan der Barmherzigkeit, Empfindlichkeit das des strengen Gerichts.
    Den Kosmos im Licht der Barmherzigkeit erkennen heißt, ihn – anstatt ihn aus der Sicht der Sonne zu sehen – aus der Sicht des Saturn zu begreifen. Ebenso wie es zwei deutlich unterschiedene Begriffe der Reinheit gibt (chemisch reines Wasser, reiner Wein), gibt es auch unterschiedene Begriffe der Ruhe: den relativistischen Begriff der Ruhe (der „Ruhe“ in einem fahrenden Zug oder dem fallenden Fahrstuhl) und den der Sabbatruhe, der erfüllten Ruhe. – Hat nicht Augustinus schon die Sabbatruhe mit der andern, der Ruhe der Trägheit, verwechselt?
    Wird nicht allzuleicht die Melancholie mit dem Phlegma verwechselt (und der Sanguiniker mit dem Choleriker)?
    Die Gnosis hat als Urhäresie zum Ursprung der Bekenntnislogik einen entscheidenden Beitrag geleistet: nämlich als Feind der „Orthodoxie“ und als ihr Modell zugleich. Neben dem Feindbild und der Ausgrenzung der Verräter aber gehört zur Bekenntnislogik das Moment der Frauenfeindschaft. Ist nicht bis heute die Gnosis, wenn man von der einen Elena Pagels absieht, ausschließlich aus männlicher Sicht gesehen und beschrieben worden, einer Sicht, die insoweit begründet und berechtigt ist, als die Gnosis, mit der das Christentum sich auseinandergesetzt hat, bereits eine von Männern in Regie genommene Gnosis war. Hat nicht Elena Pagels erstmals auf eine Tendenz innerhalb der gnostischen Bewegung hingewiesen, die bisher nur unterdrückt und verdrängt worden ist? Kann es sein, daß die neue Heiligengestalt der virgo, die zusammen mit dem (männlichen) confessor die ursprüngliche Heiligengestalt des Märtyrers abgelöst hat, ein antignostischer Typos war. Haben die Märtyrinnen, die sich geweigert haben, dem Ehebefehl ihrer Väter zu folgen, das nicht aus anderen als sexualmoralischen Gründen getan? Gehört nicht diese Verschiebung von der christlichen Befreiung der Frauen aus der potestas patri in die den männlichen Blick widerspiegelnde und ihn verinnerlichende Zwangslogik der Sexualmoral zu den Folgen der antignostischen Bewegung (die nicht auf das Christentum beschränkt war)? War nicht die Verwerfung der Gnosis überhaupt konstitutiv für die Ursprungsgeschichte der Sexualmoral und des Herrendenkens in den „Weltreligionen“?
    Gleitet nicht der Historismus heute in eine Konstellation ab, in der von der Geschichte nur noch die Verwerfung der Vergangenheit bleibt? „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“: Die Leugnung der Auferstehung, die dem Historismus zugrunde liegt, ist das Gericht der Welt über die Welt.
    Hat die Sünde wider den Heiligen Geist (die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird) etwas mit den Zeitbestimmungen der apokalyptischen Tiere zu tun?
    In der Apokalypse gibt es drei Reflexionsgestalten der Zeit:
    – Gott ist der, „der ist, der war und der kommt“,
    – er ist „das A und das O, ist der Anfang und das Ende“,
    – das Tier aber „war und ist nicht und wird heraufkommen aus der Unterwelt und geht ins Verderben“.
    Zu der Zusammenstellung „Stämme, Völker, Sprachen und Nationen“:
    – im Buch Daniel fehlen die Stämme (im Buch Esther werden die Sprachen den Völkern, die Schrift hingegen den Juden zugeordnet),
    – die Begriffe erscheinen erstmals in den Stammbäumen der Söhne Noes (die Namen der Söhne der Söhne Noes sind die Namen der Sprachen),
    – sie weisen zurück auf den Turmbau zu Babel, auf die Verwirrung der Sprache (und auf die Völkertafel und die siebzig Völker).
    Hat die Völkertafel (die Zahl siebzig) etwas mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern des Drachen und des Tieres aus dem Meere zu tun?
    Haben der Drache und die apokalyptischen Tiere etwas mit der Beziehung des Neutrum zum Ursprung des Natur- und des Weltbegriffs zu tun?
    Der Satz, daß die Sünde wider den Heiligen Geist weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird, enthält keine Drohung, die an eine bestimmte Tat geknüpft wird, sondern beschreibt die innere Logik dieser Tat selber. Ist diese Sünde die des einen Sünders, über dessen Bekehrung große Freude im Himmel herrscht, und ist dieser Sünder der, an dessen Bekehrung die Verheißung der Rettung der eigenen Seele gebunden ist?
    Kann es sein, daß die Gematria nur auf die hebräische Schrift anwendbar ist, daß das Problem der symbolischen Zahlenbedeutungen im Kontext der griechischen Sprache auf einer anderen Ebene liegt? Die Zahlensymbolik des Neuen Testamentes läge dann auf dieser Ebene.
    Summenzahlen: 10, 36, 153, 276, 666.
    Träume sind die nächtlichen Schatten des Herrendenkens. Und es gibt Träume, die man beim Erwachen vergißt. Käme es nicht heute darauf an, diese Träume zu rekonstruieren und dann zu deuten?

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