Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es verbindliche marxistische Analysen deshalb nicht mehr gibt, weil man Angst vor den Konsequenzen, den Ergebnissen, hat.
Die Methoden-Diskussion: ist das nicht eine Exkulpierungsdiskussion? Sie erinnert an das Verfahren in der ministeriellen Vorstufe der Gesetzgebung, bei der Erstellung des Entwurfs, wo es nicht mehr darauf anzukommen scheint, ob die Vorlage richtig ist, ob sie den gewünschten Erfolg gewährleistet, sondern fast nur noch darauf, ob sie Fehler vermeidet, für die der Referent vielleicht zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Es gehört in einen Zusammenhang, in dem nicht die Tat sondern das Erwischtwerden den Schuldvorwurf begründet. Methodologische Absicherungen sind Absicherungen in einem Feld, in dem verteidigendes Denken keine Chancen mehr hat; sie sind zu Formen der Identifikation mit dem Aggressor in einem Wissenschaftsbetrieb geworden, in dem jeder Richter des andern ist. Daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, ist ein Satz, der nicht nur in der Justiz gilt; er gehört zu den Prinzipien des Wissenschaftsbetriebs. Wichtiger als die Methodendiskussion, die auf die richtige Anwendung der richtigen Instrumente abzielt, wäre es, die kantische Erkenntniskritik, d.h. die Kritik der Instrumentalisierungsmechanismen im Erkennen, auf den neuesten Stand zu bringen.
Als Kind war ich einmal fasziniert vom Bild eines Gesichtes, das mich, aus welcher Perspektive ich das Bild auch ansah, jedesmal anblickte. Dieses Angeblicktwerden wird heute insbesondere in den Nachrichtensendungen des Fernsehens ausgebeutet (insbesondere auch von Politikern, die im Fernsehen auftreten). Das verweist auf den Unterschied zwischen dem Radio und dem Fernsehen: Das Radio macht hörig, das Fernsehen totalisiert die Scham.
Das Inertialsystem markiert die Todesgrenze in den Dingen; aber diese Todesgrenze ist die Schamgrenze.
Das Keuschheitsgebot bezieht sich auf die Herrschaftsgeschichte; es ist von Adorno auf den einfachsten Nenner gebracht worden: Erstes Gebot der Sexualmoral: Der Ankläger hat immer unrecht.
Alle drei evangelischen Räte sind Richtschnuren des Handelns, nicht des Urteils. Es gibt keine wahren Urteile, nur richtige oder falsche, die evangelischen Räte aber rühren an die Sphäre der Wahrheit. Die Wahrheit ist keine Qualität des Urteils selber, sondern nur seiner Reflexion: sie schließt das dem Urteil unerreichbare Moment der Versöhnung mit ein. Die Bindung der Wahrheit ans Urteil (Übereinstimmung von Gegenstand und Begriff) hat das achte Gebot umgefälscht ins „Du sollst nicht lügen“. Die Restituierung des achten Gebots ist nur möglich im Kontext der Kritik des Dogmas und der das Dogma beherrschenden Bekenntnislogik: Deshalb kann man nach Auschwitz nicht mehr so Theologie treiben, als hätte es Auschwitz nicht gegeben. Theologie hinter dem Rücken Gottes lebt von der Vorstellung, man könne ohne Gottesfurcht Theologie treiben (Verwechslung der falschen Befreiung vom Mythos mit der Erlösung; die theologische Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs hat die Idee der Erlösung durch die Unschuldsfalle ersetzt, das parakletische Denken durch die Mechanismen der Selbstexkulpierung: durch die Instrumentalisierung der Umkehr in der Bekenntnislogik, die dann die Natur als Geisel genommen hat: Die Materie ist die Schamgrenze der Dinge, Grund ihrer Beherrschbarkeit).
Schillers Satz „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ ist das letzte Echo der mittelalterlichen Islamisierung des Christentums, er zieht daraus die Konsequenz.
Während das Totalitätsprinzip (als Prinzip der Selbstzerstörung) im Faschismus das direkt intendierte Ziel ist, ist es im Sozialismus ein offensichtlich nicht unter Kontrolle zu bringender Nebeneffekt. Der sozialistische Diktator ist Opfer seiner eigenen Paranoia, während der faschistische Diktator die Paranoia aller als Quelle seiner Inspiration und als Resonanzboden seines Charismas ausbeutet. Sozialistische Länder errichten Mausoleen (für ihre Diktatoren als „Opfer“ und Helden der Revolution), Faschisten schänden Gräber.
Sexualmoral
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05.05.93 (2)
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14.04.93
Die Vorstellung von den Privilegien der Opfer ist ein christliches Erbe: Darin steckt die christologische Logik der Vergöttlichung Jesu, die spätestens seit Rousseau zur Logik des Naturbegriffs geworden ist und mit dem Naturbegriff in der Gesellschaft sich reproduziert.
Werden nicht die Antinomien der reinen Vernunft dadurch relativiert, daß sie (im Raum) jeweils nur auf eine Dimension sich beziehen?
Die ersten beiden Antinomien beziehen sich auf die Welt, die dritte auf die Natur, und die vierte?
Kann man eine logische Folge der Formen des subjektiven Apriori bestimmen derart, daß die Konstruktion des Bekenntnisses das Geld voraussetzt und die Entfaltung der Raumvorstellung das Bekenntnis?
Die Schöpfungsgeschichte der Genesis unterscheidet sich von den Kosmologien insgesamt (den mythologischen wie den naturwissenschaftlichen) dadurch, daß sie eine Beziehung zur Erfahrung herstellt, die ästhetische Distanz zum Kosmos nicht akzeptiert. Sie ist m.a.W. kein Vorläufer der Naturwissenschaft, sondern einer der Mystik; sie ist Teil der Prophetie.
Durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird in die Struktur des Raumes ein Widerstandsmoment eingebunden, daß als Grund des physikalischen Materiebegriffs (als Grund des Begriffs der trägen und schweren Masse) sich begreifen läßt. Hier wird ein Äquivalenzsystem zu den mechanischen Vorstellungen, zu den Stoßprozessen eingeführt, dessen realer Ausdruck die Konstanten der Mikrophysik sind.
In einer Sprache, in der es neben dem Maskulinum und Femininum auch ein Neutrum gibt, wird das vierte Gebot unverständlich, wird es ins Herrendenken transponiert und unter den Satz subsumiert „de mortuis nihil nisi bene“: Hier liegt zwischen den Generationen die ihre Beziehungen neutralisierende Grenze des Todes. Im gleichen Zusammenhang ist schon das Du, das seine Geschlechtsbezogenheit verliert, Produkt einer Neutralisierung: der die Geschlechtsdifferenz aufhebenden Personalisierung. Der Geschlechtsunterschied findet sich erst in der dritten Person wieder, in einer anders objektivierten und neutralisierten Gestalt (Begriff der Scham).
Läßt sich anhand der Neutralisierung und Personalisierung des Du in den indogermanischen Sprachen der Zusammenhang von Neutrumsbildung, Futur II, Fortfall des Dualis u.ä. mit dem Ursprung des hypostasierenden Denkens (Begriffbildung und Philosophie) nachweisen? Und steckt nicht in den Fundamenten der Neutralisierung und Personalisierung des Du der Ödipuskomplex (und die Geschichte von Kain und Abel), und hängt diese Sprachkonstruktion nicht auch mit der materiellen Geschichte der Sexualität (und damit mit der Geschichte der Rezeption des evangelischen Rates der Keuschheit) zusammen? Und ist nicht die islamische Sexualmoral auch ein Sprachproblem (ein Problem das mit der Einschränkung der Fähigkeit zur Reflexion zusammenhängt)? Und liegt hier nicht auch der Sprachgrund des islamischen Konzepts der Schöpfung (in dem Schöpfung und Vorsehung nicht auseinandergehalten werden)? Hat in der islamischen Theologie nicht die Philosophie die Offenbarung ersetzt, substituiert? Ist nicht der Islam in ganz anderem Sinne eine Weltreligion?
Sind nicht die griechische Knabenliebe und der Rousseausche Inzest Indikatoren der wichtigsten Wendepunkte der Weltgeschichte (Ursprung und Erfüllung des Naturbegriffs)? Und läßt sich nicht an ihnen überhaupt erst ermitteln, was mit dem evangelischen Rat der Keuschheit gemeint ist? Sind es nicht die Begriffe der Barbaren, der Materie und der Natur, die das Keuschheitsgebot verletzen (und auf die sich der prophetische Begriff der Hurerei bezieht)? Erst die Kirche hat das Keuschheitsgebot zur Sexualmoral neutralisiert. Auch nach dem hebräischen Zusammenhang von Sexualität und Erkenntnis ist die Sexualmoral ein Teil der Erkenntnismoral: ein gnoseologisches Begriff. Wer heute die Last nur loswerden will, anstatt sie zu begreifen, verfällt ihr erneut. In der Gnosis wurde bloß die Erkenntnislust verurteilt, und das war der Ursprung der Diskriminierung der Sexuallust; versäumt wurde, das Problem der Gnosis selber zu begreifen.
Wie hängen Lust, lustig, Verlust (verlieren) zusammen? Ist nicht der Verlustbegriff ein Produkt der Verurteilung der Lust?
Der Pornokratie folgte in der Kirchengeschichte die Pornographie; und ein Teil der Theologie seit der Scholastik ist Pornographie, aber eine, auf die auch der Satz anzuwenden wäre: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Auch das Sündenvergeben, das „dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris“, ist ein Moment in der Erkenntnis (ein Teil der Fähigkeit, hören zu können, sich in einen anderen hineinzuversetzen, der Barmherzigkeit). Hierauf bezieht sich das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist.
Der heilige Geist: die durchs Feuer der Schuldreflexion gereinigte Zunge.
Der Mund ist das Organ des Essens und des Sprechens: Beide sind durch den Begriff des Gerichts verbunden.
Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt ist die Revozierung Rousseaus und ein Vorbegriff der Erinnerungsarbeit.
Gibt es eigentlich eine Untersuchung über die weiblichen Namen im Hebräischen (von Ischa, Eva, Lilit über Sara, Rebekka, Leah und Rahel bis Mirjam, Deborah, Judith, Esther, Rut, Batseba, Susanna, auch Rahab, Tamar etc.)? Ist das theophore Element nur bei männlichen Namen zu finden?
Ist nicht die Physik das Netz, in dem wir glaubten, die ganze Welt einfangen zu können, in Wahrheit sind wir selber darin gefangen. (Gibt es nicht Spinnen, bei denen das Weibchen das Männchen nach dem Geschlechtsakt frißt?)
Ist nicht der Raum der Inbegriff des Hämischen: Wohin ich mich auch wende, ich bleibe in dem System gefangen, aus dem auch die Umkehr nicht heraus-, sondern jede wieder ins System zurückführt: Inbegriff des Schrecken um und um. In diesem System wird die Umkehr zwangsläufig zur Buße, aber auch die verliert ihren Adressaten mit dem Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft: Hier gibt es nur noch welche, die Buße fordern, aber niemanden mehr, der Buße tut.
Wie war das eigentlich mit der Buße in Ninive: Auch die Tiere haben dort Buße getan, und der König hatte dazu aufgerufen.
War der philistäische Dagan ein Mars, und waren die altorientalischen Könige nicht in erster Linie Kriegsherren?
Die Vergangenheit ist nicht nur vergangen: Das hat die Nazizeit gelehrt. Das war der Kern der Ohnmachtserfahrung. Man kann die Vergangenheit nicht abwerfen, ohne ihr gerade dadurch zu verfallen.
Jesus ist eine Gestalt der Erinnerung: deshalb ist er (zusammen mit der Tora und der Prophetie) das Wort, das im Anfang bei Gott war. Und er ist es auch für uns nur, wenn wir diese Erinnerung mit aufnehmen (während die Kirche gerade die reale Erinnerung durchs Dogma verdrängt hat).
Nichts Vergangenes ist nur vergangen: Das ist die Idee, die das Inertialsystem sprengt. Sie schließt auf eine noch zu bestimmende Weise die Idee der Auferstehung der Toten mit ein.
Mit dem ersten Satz der Genesis wird im Namen des Himmels die Erlösung zitiert. Der Himmel des zweiten Schöpfungstages ist dagegen bereits die von der Vergangenheit eingefangene Zukunft: das, was zu lösen wäre. Das drückt sich aus in der Beziehung des Himmels zu den Wassern, in der Trennung der oberen von den unteren Wassern (der Trennung von Schuld und Segen, von Mythos und Offenbarung).
Der Fürst dieser Welt lebt vom Vergessen. Ein sich selbst begreifendes Christentum, das die Sünden der Welt auf sich nimmt, hingegen lebt von der sich selbst begreifenden Erinnerung. -
11.04.93
Ist die Venus (Ischtar, Astarte, die Himmelskönigin, wie auch Ischscha im Gegensatz zu Chawwa) die aus seiner Seite erschaffene Frau als Projektion des Mannes (als Objekt der Begierde, nach ihrer Subsumtion unters Tauschprinzip, nach Hermes, Merkur)? Liegt hier der Grund fürs Verständnis der gesamten Astrologie, der antiken Planetentheorie (und für die Benennung der Wochentage)?
In der Venus-Geschichte, in ihrer Beziehung zum Ursprung des Staates, des Weltbegriffs, der Zivilisation, (die in der katholischen Marien-Verehrung ihre Fortsetzung gefunden hat) liegt der Ursprung der christlichen Sexualmoral.
Die Substanz des Materiebegriffs ist polymorph-pervers (Grund und Inbegriff des prophetischen Begriffs der Unzucht: der allgemeinen Vermischung).
Der Gehorsam oder das Mit-den-Ohren-Denken: Ist das nicht die Vorbereitung der Erfüllung des Worts „Heute, wenn ihr seine Stimme hört“?
Zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Nur das Licht ist rein durchs Wort geschaffen („Gott sprach, und es ward“). Und die Blinden wieder sehend machen, heißt das nicht, die Fähigkeit entwickeln, mit den Augen hören und in den Dingen lesen zu lernen?
Was ist die genaue Übersetzung (die etymologische Bedeutung) von Teschuba (Umkehr)? – Wende, Rückkehr, Kreislauf, Antwort (nach der Hebr. Gramm.). Merkwürdige Ähnlichkeit mit den hebräischen Bezeichnungen für Hilfe, Verlangen/Begierde und für die Zahl neun (tschw-bh, tschw-ah, tschw-ph, tschw-jaj).
Weshalb ist in der Verheißung an Abraham vom Sand am Meer, und nicht vom Sand in der Wüste, die Rede? Den Sternen am Himmel entspricht der Sand am Meer (ähnlich wie die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres zusammengehören).
Bei Markus heißt es: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ (1430) und „Gleich darauf krähte der Hahn zum zweitenmal“ (1472). Wann krähte er zum erstenmal?
„Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“, dieses in den Evangelien erneuerte Prophetenwort trifft den Weltbegriff im Kern: Opfer („Sündenböcke“, wie im nationalsozialistischen Antisemitismus und Judenmord, jetzt wieder in der Ausländerfeindschaft) sind notwendig, wo ein Projektionsbedarf besteht; die Grüße der Opfer ist abhängig von der Intensität dieses Bedarfs, des darin latent vorhandenen Gewaltpotentials; sie sind Mittel der Schuldbearbeitung zu Lasten eben der „Opfer“. Der Weltbegriff (zusammen mit dem Natur- und Materiebegriff) ist ein Mittel der projektiven Schuldbearbeitung, des Schuldverschubsystems (Exkulpierung durch Schuldentlastung, Projektion auf andere). Unter seiner Herrschaft verschwindet die Differenz von Tabu (Schutz des „Intimbereichs“ der Herrschenden: des Schuldzentrums von Herrschaft) und Moral (Schutz des Lebens der Schwachen): Moral als Richtschnur des Handelns ist nur noch theologisch begründbar, im Kontext des Selbsterhaltungsprinzips wird sie auf die Urteilsebene verschoben: durch Tabus (durch Tratsch und die Herrschaft des Geschwätzes) ersetzt, die dann wieder Opfer fordern. -
23.03.93
Womit die Banken handeln: Ist es nicht schlicht und einfach fremder Leute Geld? Und sind die Banken nicht das Modell der repräsentativen Demokratie: Wie bei den Banken ihr Geld, so geben die Bürger bei der Wahl ihre Stimme ab; was dann mit beiden geschieht, darauf haben sie keinen Einfluß mehr, sie wissen es nicht einmal mehr (vgl. das Verhältnis von Kirche und Bekenntnis).
Was im Planetensystem selbsttätig, nämlich durchs Gravitationsgesetz, zu funktionieren scheint, muß im Geld-Kosmos durch Zentralbanken reguliert werden. Hat der Dopllereffekt etwas mit einer im Kosmos eingebauten Inflationsrate zu tun?
Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn: Die Zuordnung der Planeten zu den Wochentagen entspricht nicht der Reihenfolge ihres Abstands von der Sonne.
Kann es sein, daß die Lösung des Rätsels der sogenannten Venus-Katastrophe in dem Satz liegt: Geld macht sinnlich. Und ist das nicht auch ein Hinweis auf das Verhältnis der Venus zum Merkur? Aber die Sinnlichkeit ist die Quelle der Gewalt und des Kriegs, die dann mit Hilfe des Rechts und des Staats zu domestizieren versucht worden sind. Aber sind diese Fortschritte nicht ebensosehr Rückfälle, Regressionen?
Ist nicht das Schema Hure/Heilige ein Nachklang des astrologischen Verhältnisses von Erde und Venus? Und ist nicht dieses Echo im Namen des Materialismus festgehalten, in dem die mater anklingt, aber auch das Geld, der Egoismus und die Sinnlichkeit, die Sexualität? Merkwürdig, daß Jupiter und Mars eher idealistische Konnotationen mit sich führen: Ist nicht der Gegensatz Idealismus/Materialismus an den Gegensatz von Welt und Natur gebunden?
Ist nicht das Rosenzweigsche Konzept der Umkehr der Versuch, das Ergebnis des Objektivationsprozesses von der Sünde der Instrumentalisierung zu erlösen? Und sind nicht in der Tat die Sünden der Welt die Sünden der Instrumentalisierung?
Das Herrendenken sanktioniert den Schuldzusammenhang, macht ihn zur Natur. Dagegen steht das verteidigende, parakletische Denken, auch im Verhältnis zur Natur: als Kritik und Auflösung des Naturbegriffs.
Mit der Trennung des jüdischen und christlichen Wegs, und der Anerkennung auch des christlichen Wegs, hat Franz Rosenzweig den Christen den Tikkun übertragen. Ist nicht Franz Rosenzweig Christ geworden, als er Jude blieb?
Waren nicht die Schreiber die Herren und Verwalter der Sprache?
Sind die Schafe mitsamt den Schäfern nicht ein entsetzliches Bild der Trägheit, und gehören dazu nicht die Hunde?
Das „Alte Testament“ ist die babylonische Gefangenschaft der Tora. Und hatte Jesus nicht recht, als er sagte, daß eher Himmel und Erde vergehen werden, bevor auch nur ein Jota vom Gesetz vergeht (vgl. Lk 1617): Himmel und Erde sind (mit dem Weltbegriff: dem Konzept der creatio mundi und der Entsühnung der Welt durch den sogenannten Opfertod am Kreuz) vergangen. Damit war auch die Tora vergangen, domestiziert, zu einer Waffe des Antijudaismus geworden. Die Erben der griechischen Barbaren: für die Christen waren das die Juden, die Heiden, die Ketzer (und die Erben der Natur und Materie? – Himmel und Hölle, die Eucharistie und das verdinglichte Wort?).
Haschamajim: Sind es nicht die Feuer der Kritik, die die unteren Wasser in die oberen, den Mythos in Segen verwandeln? Und bezieht sich darauf nicht das Wort vom Binden und Lösen? Die Gebete der Heiligen sind Gott ein süßer Geruch (Reinhold Schneider: Allein den Betern kann es noch gelingen …). Und: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Und wie froh wäre ich, es würde schon brennen. (Lk 1249) -
03.03.93
Zur Unterscheidung von Unreinem von Greueln: Und ihr kamt hin und habt mein Land unrein gemacht, und mein Erbteil habt ihr zum Greuel gemacht. (Jer 27)
Das Naturproblem läßt sich erst lösen, wenn das Geldproblem gelöst ist, das Syndrom der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen (Zusammenhang des Schuldenproblems mit dem des Gewaltmonopols des Staates).
Enthält nicht die astrologische Kosmologie ein mythologisches Gesellschaftskonzept?
Die Tiere und die Subjektivierung, Individualisierung und Verinnerlichung des Lichts (Blut als verinnerlichte Scham). Hat sich in der Geschichte der Aufklärung das Licht gebildet, aus dessen Subjektivierung, Individualisierung und Verinnerlichung der Same und der Kristallisationskern des apokalyptischen Tieres entstanden ist? Und spiegelt sich nicht in dem Verhältnis der agrarischen zur städtischen Gesellschaft die Schöpfungsgeschichte der Pflanzen- und Tierwelt? Gehören die Tieropfer zu den Ursprüngen des städtischen Lebens? Sind nicht die Tempel Abbilder der Sternenwelt, in denen sich der Übergang von der agrarischen zur städtischen Existenz widerspiegelt? Ist nicht mit dem Ursprung der Philosophie und des Weltbegriffs der Nationalismus mitgesetzt, das Absolute als ein Partikulares, das, wenn es zum Absoluten werden will, imperialistische Züge annimmt? Wäre nicht in diesem Kontext des Zahl des Tieres zu ermitteln?
Was Adorno die restlose Säkularisierung der theologischen Gehalte genannt hat, wäre das nicht heute als die Befreiung der Theologie vom Verfolgungswahn, vom verdinglichenden Denken, vom Weltbegriff zu bestimmen?
Ist nicht im Kontext des astrologischen Kosmologieverständnisses die Ischtar, Astarte, Venus das genau Bild der Hurerei? Und gewinnt nicht von hierher die Velikovskysche Venus-Katastrophe das genauere Korrelat in einer gesellschaftlichen Naturkatastrophe?
Wenn Maria Magdalena in der gesamten Kirchengeschichte als die große Sünderin, als Prostituierte gesehen worden ist, ist darin nicht ein Hinweis auf die perhorreszierte Ischtar/Venus enthalten? Sind die sieben unreinen Geister Planetengeister? Und ist nicht das historische Korrelat der Venus-Katastrophe der Ursprung der Sexualmoral, ihre Trennung von der Herrschaftskritik? Und welche Bewandtnis hat dann, wenn Jesus in den Evangelien als Freund der Zöllner und Dirnen erscheint, und das vor dem Hintergrund des Wortes von den neunundneunzig Gerechten und dem einen Sünder?
Gehören nicht die Zöllner-Geschichten in den gleichen Zusammenhang wie das Wort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ und die Geschichte von der Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel?
„Maria aber bewahrte all diese Worte in ihrem Herzen.“
Nur wer die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern vermag, hilft, daß das Wort nicht leer zu ihm zurückkommt.
Heideggers Fundamentalontologie ist das Protokoll des ontologischen Erstickungstodes.
Orion und Siebengestirn: Hat das Siebengestirn etwas mit den sieben Planeten (und den sieben unreinen Geistern) zu tun?
Gründet nicht die Unfähigkeit, oder auch der Unwille, das Gewaltmonopol des Staates auch gegen Rechts anzuwenden, in dem Gefühl, daß beide sehr viel mehr mit einander zu tun haben, als die Vertreter des Staates nach außen bekunden dürfen; sind sie nicht Teil der verdrängten und unaufgearbeiteten eigenen rechten Vergangenheit? -
23.02.93
Off 411: Ist ta panta ein Plural? Dann kann man es nicht mit „Welt“ übersetzen.
Virginitas: Nach Hypostasierung der Materie (der Sexualität) Heiligsprechung der Unschuld; Produkt der Individualisierung und Privatisierung der Moral, Folge des Verzichts auf Weltkritik, Abwehr des Anteils am Schuldzusammenhang des kollektiven Weltgrunds.
Als Gefangene unserer Geschichte sind wir Gefangene der anderen.
Müßte man im NT nicht das homologein im „Bekenntnis“ des Namens mit „Heiligung“ des Namens übersetzen?
Nicht Herrschaft-, sondern Gewaltkritik: Idee einer Herrschaft ohne Gewalt (Gen 1: Zusammenhang des Herrschaftsauftrags mit dem vegetarischen Nahrungsgebot, d.h. ohne Töten der Tiere).
Das Votum gegen den Anthropomorphismus der jüdisch-christlichen Tradition (eine notwendige Folge der Rezeption des Weltbegriffs) ist ein Votum gegen die Erinnerung, gegen das Verstehen des andern: ein Votum gegen den Heiligen Geist.
Der Weltbegriff symbolisiert die vollendete Selbstentfremdung.
Wenn die Welt durchs Kreuzesopfer entsühnt wurde, kann Politik kein Gegenstand der Kritik mehr sein.
Hängen die Differenzen im Weltbegriff im Griechischen und Lateinischen (kosmos und mundus) mit denen im Naturbegriff (physis und natura) zusammen?
Das Christentum kann sich nur über die jüdische Religion und über den Islam selbst begreifen.
Zum Binden und Lösen vgl. Hiob 3831 (vgl. auch Hiob 99 und Am 58): Knüpfst du die Bande des Siebengestirns, oder löst du des Orions Fesseln? (Siebengestirn = großer Bär? Orion = Sternbild der Äquatorzone, im Winter am Abendhimmel sichtbar.)
Der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs trennt das Tun vom Urteil: vom Erwischtwerden. Er verlegt die Sünde ins Erwischtwerden. Das war der Hintergrund der Seiterschen Bemerkung nach Rostock, als er nur die Befleckung des deutschen Namens im Ausland wahrnahm, aber weder die Ängste und die Schmerzen der Opfer jetzt, noch die Erinnerungen derer, die die Schrecken der Vergangenheit erlebt und überstanden haben, und auch nicht den barbarischen Zustand der Täter. Hat er damit nicht die Opfer (auch die vergangenen, die schon einmal ausgebürgert wurden) in einem ganz neuen Sinne zu „Ausländern“ gemacht? Und sind die Lichterdemonstrationen nicht doch auch nur ein Stück Exkulpationsdemonstration: Wir sinds nicht gewesen (der Sprachregelung Kohls entsprechend: Die Deutschen sind nicht ausländerfeindlich)? Klingt in dem Ganzen nicht auch ein spätes Echo der Friedensreden Hitlers nach?
Die sieben unreinen Geister, sind das nicht auch Produkte des Mißbrauchs der sieben Sakramente (als Instrumente zur Begründung und Stabilisierung des Weltbegriffs)? Und ist nicht die analogia entis ein nicht ganz ungefährliches Konstrukt: ein früher Hinweis darauf, daß am Ende die Natur christologische Züge angenommen hat?
Hängen die sieben unreinen Geister damit zusammen, daß auch der Syrer Naaman erst durch die siebenfache Taufe im Jordan von seinem Aussatz befreit wurde? Was hat es mit dem Jordan auf sich: Johannes taufte am Jordan; und mit der Überschreitung des Jordan beginnt die Landnahme unter Josua?
Das Hegelsche Weltgericht ist der Inbegriff der Sünden der Welt, Produkt der Unfähigkeit, sich in den andern hineinzuversetzen.
Erinnerungsarbeit ist die Antwort auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (Hinweis: der Raum ist die Macht der Vergangenheit über die Zukunft). Dazu bedarf es der Arglosigkeit, der Freiheit vom paranoiden Denken.
Gibt es heute noch Reichtum; und eröffnet sich hier, in der Vorstellung des Reichtums selber, nicht ein Abgrund.
„Sind wir Gefangene unserer Geschichte?“ Bezieht sich das Wir und das Unser auf das gleiche Subjekt: Gibt es hier nicht ein Übergewicht der Last der christlichen Geschichte?
Der Weltbegriff ist der Vorhang, hinter dem wir unschuldig schuldig, und d.h. gemein geworden sind. Ist nicht die Physik eine Form der paranoiden Erkenntnis? Der Weltbegriff ist ohne einen projektiven Anteil (und ohne die Stabilisierung dieses projektiven Anteils) nicht zu halten. Die „Entsühnung der Welt“ ist eigentlich die Entsühnung des Subjekts: die Erlaubnis, sich ohne Bewußtsein von Schuld des Instruments des Weltbegriffs zu bedienen. Durch die creatio mundi ex nihilo wurde diese Schuld Gott, und durch die Opfertheologie zugleich Jesus angelastet: Liegt hier der logische Grund der homousia?
Wird aus dem Koran das gleiche Wort im Englischen mit „creator“ und im Deutschen mit „Herr“ übersetzt? Wenn ja, welcher Schöpfungsbegriff steckt dahinter: einer, der den Untertan zur Kreatur seines Herrn macht?
Wo liegt die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen (zwischen mir und dem anderen)?
Das Frauen, wenn sie in den Himmel kommen, zu Männern werden, ist keine Erfindung Tertullians; es steht schon so bei Lukas, wo es heißt, daß die, „die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, … durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes werden“ (Lk 2036).
Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen (Lk 2114): Das ist das Verbot der vergegenständlichenden Theologie.
Im Schöpfungsbericht kommt dreimal bara und dreimal baruch vor, dreimal „schaffen“ (Himmel und Erde, Fische und Vögel und die Menschen) und dreimal „segnen“ (im Hinblick auf die Fische und Vögel, die Menschen und den siebten Tag).
Der biblische Herrschaftsauftrag an den Menschen unterscheidet sich von der Geschichte der Naturbeherrschung dadurch, daß er das Töten ausschließt. Er folgt nach dem vegetarischen Nahrungsgebot für Menschen und Tiere. Herrschaftskritik wäre von Gewaltkritik zu unterscheiden, und an den Naturwissenschaften die Verblendung zu bestimmen, die auf die Gewaltsubstanz der Welt (auf die Beziehung zum Gewaltmonopol des Staates) verweist.
Hängt die Frage der Beziehung von Herrschaft und Gewalt (und der Beziehung beider zur Macht) mit der Bildung des Angesichts zusammen? Wie unterscheiden sich Herrschaft, Gewalt und Macht?
Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen (Joh 35). Bezieht sich das nicht auf Gen 12 (auf den Geist Gottes über den Wassern, und die erste Geburt, vor der Wiedergeburt, auf die Finsternis über dem Abgrund)? Ist die Finsternis über dem Abgrund die Idolatrie, und der Geist über den Wassern die Prophetie?
Nach Auffassung des Islam ist Koran das Äquivalent der zerstörten ersten Tafel vom Sinai, und ebenso das Äquivalent zur Person Jesu, nicht zu den Evangelium, zum „Neuen Testament“. Ist nicht nur der Koran eine „Heilige Schrift“ (und die entsprechende Benennung der Bibel ein Produkt der Islamisierung)?
Was bedeutet es, wenn im Hebräischen schon die zweite Person (und nicht erst die dritte) nach Geschlechtern getrennt ist? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Gebot: Du sollst kein falsches Zeugnis wider deinen Nächsten geben?
Mit der Verdrängung der Idee des seligen Lebens wurde die Wurzel der Sinnlichkeit abgeschnitten.
Lebt nicht die Stummheit des Helden in veränderter Gestalt im Begriff und in der persona fort?
Falsch ist die quasi teleologische Beziehung des Kreuzestodes auf mein Seelenheil.
Kann es sein, daß die männliche Rolle des Konfessors daher rührt, daß die Männer das Opfer begehen, d.h. die Schuld auf sich nehmen, während die Frauen zum Priestertum nicht zugelassen wurden, um sie vor der Schuld des Opferns zu bewahren (Grund der religiösen Bedeutung der virginitas)? Vgl. auch Walter Burkert: Wilder Ursprung.
Materie und Opfer: Das Opfer hängt mit der Erfahrung des Tötens zusammen, ist ein Mittel der Verarbeitung dieser Erfahrung. Es wurde überflüssig mit der Verinnerlichung des Opfers: mit dem Ursprung der subjektiven Form der äußeren Anschauung, der Konstituierung der Raumvorstellung. Auch die Materie ist Produkt des Tötens.
Burkert, S. 22: Darstellung eines Schuldverschubsystems.
Der Weltbegriff rechtfertigt das Töten und die Naturbeherrschung ohne die Erinnerung des Opfers (unter Verdrängung dieser Erinnerung).
Wo gibt es die indogermanische Mediopassivform, und was bedeutet sie (Burkert, S. 25)?
Gibt es einen generellen Zusammenhang zwischen Musik und Opfer? Hängt der Ursprung der Musik in der kainitischen Genealogie mit der Ursprungsgeschichte des Opfers zusammen?
Burkert, S. 26: Maskierte Männer haben das Tier zu töten. Die Maske schützt die Täter vor dem Erkanntwerden. Leistet das nicht seit dem Ursprung dieses Begriffs der Begriff der Person (Zusammenhang mit dem biblischen Feigenblatt)? Mit Vorliebe treten Chöre in den Tragödien in der Maske von Fremden oder von Frauen auf; wenn sie Athener darstellen, können dies allenfalls alte Männer sein, kaum je aber die jungen Bürger von Athen.
Die Idee des Schicksals (als Schuldzusammenhang des Lebendigen) gründet im Tötungsritual des Opfers. In dieser Tradition steht die Geschichte der Naturwissenschaften (Bedeutung der Opfertheologie für die Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften).
Sprachdenken ist metaphorisches Denken, aber eines, das man unter Kontrolle behalten muß. Ein sich verselbständigendes (hypostasiertes) Bilderdenken führt von der Sache weg. Man kann sich auch in Bildern verfangen und verstricken.
Wie hängen die drei Aspekte des Naturbegriffs: Herrschaftsobjekt, Medium der Exkulpation und Ursprung von allem, mit dem Raum zusammen, mit dem Im Angesicht und Hinter dem Rücken, Rechts und Links und Oben und Unten?
Problem der Beziehung der Verinnerlichung des Opfers zur These, daß nichts Vergangenes wirklich vergangen ist: Werden nicht am Ende die Steine wirklich schreien? Und hat der Satz „Maria bewahrte alles in ihrem Herzen“ etwas mit der verborgenen Erinnerungskraft der Materie zu tun (Erinnerung der Zukunft)? Wäre das „Macht euch die Erde untertan“ nicht zu ergänzen durch das Verbot zu vergessen?
Worauf bezieht sich das „Herniederfahren“ Gottes beim Turmbau zu Babel?
Der Weltbegriff entmächtigt die Sprache.
Das Christentum ist als Kirche durch seine Leugnung hindurch gerettet worden.
Was trennt die Innenwelt von der Außenwelt, das Private vom Öffentlichen? Bezeichnet nicht das Schwert die Grenze von Innen und Außen (Enthauptung)? Ist das Schwert nicht ein Symbol für diese Grenze (kreisendes Flammenschwert)? Und gibt es einen Zusammenhang des Schwertsymbols mit der Geschichte des Opfers? Das Schwert ist in der Geschichte des Opfers geschmiedet worden. Und eine, wenn nicht die zentrale Verkörperung des Schwertsymbols ist der Weltbegriff als Inbegriff des Begriffs und als Konstituens des Natur- und Objektbegriffs.
Der Gedanke, daß ich kein Recht hatte, die Privilegien der Opfer für mich in Anspruch zu nehmen, gehorcht schon einer sowohl christologischen wie auch antisemitischen Logik. Privilegien der Opfer gibt es nur im Christentum; Nur hier hat das Leiden Verdienstcharakter (Grund der Vergöttlichung Jesu).
Der Gegenbegriff zum Vorbestraften und zum Verbrecher ist der des Unschuldigen (u.U. „wegen erwiesener Unschuld freigesprochenen Bürgers“). Aber ist nicht der unschuldige nur der „unbescholtene“ Bürger (Schuld gleich Bescholtenheit, bewiesener Verdacht)? Was heißt eigentlich „Vorbestraft“? Unterscheidet sich der Vorbestrafte vom Unbescholtenen nicht doch nur durchs Erwischtwordensein? Die aktive Nutzung des Nicht-Erwischtwerden-Könnens ist der Quellpunkt der Gemeinheitsautomatik.
Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins. (1 Joh 57) Wie hängt das zusammen mit Gen 12, dem Geist Gottes über den Wassern, und der Beziehung von Johannes- und Jesus-Taufe? Aber was hat es mit dem Blut auf sich? Klingt darin die Vorstellung mit an, wonach Blut als Ausdruck der verinnerlichten Scham sich fassen läßt? Gründet hier die Heiligkeit des Bluts; und ist es dieses Blut, das zum Himmel schreit (Abel, Noe, Ursprung und Geschichte des Opfers)? (Hat die deutsche Blutwurst etwas mit der Eucharistie zu tun?)
Beziehung zum Kelch in Getsemane: Verstrickung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte. Diesen Kelch trinken heißt: der durch ihn verursachte Trunkenheit sich nicht überlassen, dabei seiner selbst mächtig bleiben (Abstieg zur Hölle?). Entspricht dem nicht das „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“? Und ist das nicht gemeint in der Frage an Jesu an die Zebedäus-Sühne: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?
Das Neutrum (ne-utrum) macht das Ungleichnamige gleichnamig. Es gründet im Futur II, der grammatischen Form der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die das Andersein der Zukunft ausschließt: Quellpunkt des Inertialsystems. Der genaueste Anwendungsfall einer Reflexion, die diesen parvus error in principio aufzulösen versuchen wollte, sind die Naturwissenschaften, insbesondere die Astronomie, die Kosmologie. Die philosophische (und vor ihr die mythische) Subsumtion von Himmel und Erde unter den Totalitätsbegriff Welt ist der Ursprung der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen; mit ihr ist die nominalistische Konsequenz der Philosophie mitgesetzt, ihre sprachzerstörerische Kraft. Sie gründet in dem mathematischen, die Mathematik begründenden Konstrukt, dessen Symbol das Gleichheitszeichen ist: der Orthogonalität, die die Richtungen im Raum reversibel und Vergangenheit und Zukunft ununterscheidbar macht und die Gegenwart ausblendet. Sie macht insbesondere die Umkehr gegenstandslos: Hier lassen sich Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie Oben und Unten nicht mehr unterscheiden. In diesem Kontext ist die Umkehr (im Christentum) zur Buße geworden. So leugnen die Naturwissenschaften das Angesicht, die Gnade und den Islam (den Willen Gottes). Der Islam im rechten Verstande, die „Unterwerfung“ unter den Willen Gottes, ist kein Passivum, sondern ein Aktivum: nicht das Erleiden eines Schicksals, sondern das Tun des Willen Gottes.
Theologische Ableitung des Inertialsystems: Hat es nicht auch symbolische Bedeutung, wenn der Islam den Sabbat auf den Freitag vorverlegt hat, gleichsam vor dem Sabbat stehenbleibt, während das Christentum den Sabbat auf den Folgetag (die dies dominica) verschoben hat, ihn gleichsam „überwunden“ hat, als Preis dafür aber selber dem Inertialprinzip verfallen ist (die Ruhe des Sabbat, die Spitze und Erfüllung der höchsten Aktivität, in die Ruhe des Toten: in Trägheit zurückübersetzt hat)? Ausdruck dieser „Überwindung“ des Sabbat ist das Symbol des steinernen Herzen der Welt.
Ist nicht der Weltbegriff ein Instrument, das es uns ermöglicht, uns den Anblick des Wirbels, in dem wir stehen, zu ersparen, uns den falschen Begriff der Ruhe (als Bewegungslosigkeit: vorgestellt im ruhenden Raum des Inertialsystems) zu vermitteln? Er installiert im Zentrum der Theologie den Götzendienst. -
03.02.93
Wozu benötigt die Sprache das Futur II? Hat das Futur II (als sprachlicher Kern des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs) etwas mit dem babylonischen Turm, der bis zum Himmel reichen sollte, zu tun? Ist sie der Ursprung des Falls (die Antizipation des Selbstmords)? Das „Es wird gewesen sein“, die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, begründet mit dem Selbsterhaltungsprinzip die wechselseitige Äußerlichkeit der Dinge im Raum, sie konstituiert damit die Raumvorstellung selber: die die Orthogonalität und die Reversibilität der Richtungen im Raum begründenden Logik. Sie begründet das abschlußhafte, die Dinge wie die Vergangenheit abschließende Wissen, seine vergegenständlichende Kraft, die in der Trennung und wechselseitigen Konstituierung von Natur und Welt sich manifestiert.
Das Futur II neutralisiert den Wunsch und das Gebot; es ist der Grund des Gesetzes, ein Graecum, kein Hebraicum. Es hat mit dem Orakel und mit den Auguren zu tun, nichts hingegen mit der Prophetie. Es ist der sprachliche Grund und Reflex der Subjektivierung des Schicksals (der Philosophie und des Weltbegriffs) und insoweit das reale Korrelat der Geschichte des Turmbaus zu Babel.
Zielt nicht der katholische Gebrauch des Begriff des Fundamentalismus heute auf die Wahrheit selbst: sich selbst erfüllende Projektion?
taz, 03.02.93 („Unterm Strich“): Die Redensart „Aus Saulus wird
Paulus“, aus einem schlechten Mensch wird ein guter Mensch, fußt nach neuesten Bibelforschungen auf falschen Voraussetzungen. Der Apostel habe seinen ursprünglichen Namen niemals abgelegt, sei zeitlebens Jude geblieben und gelte fälschlicherweise als Mitbegründer des Christentums, erklärte der jüdische Neutestamentler Pinchas Lapide in einem AP-Gespräch. Saulus, der später als zweiten, römischen Namen Paulus angenommen habe, habe sich nie zum Christentum bekehrt. „Das Wort Bekehrung kommt in der sogenannten Damaskus-Vision überhaupt nicht vor, sondern es heiße dort Berufung zum Apostolat“, erläutert der in Frankfurt am Main lebende Religionswissenschaftler. Nach der Überlieferung hatte Paulus auf dem Weg von Arabien nach Damaskus die Vision, daß Jesus ihn zum Apostel berufen wolle. Mit dem Menschen Jesus ist Paulus jedoch nie zusammengetroffen. Zu Petrus und Jakobus soll Paulus einmal gesagt haben: „Meine Vision der Auferstehung war wichtiger als eure Begegnung mit dem irdischen Zimmermannssohn.“ Als ein wesentliches Forschungsergebnis bezeichnet es Lapide, daß sich Paulus entgegen der Überlieferung im Galater-Brief niemals in Arabien aufgehalten habe. Vielmehr sei er von Arawah (hebräisch Steppe) nach Qumran gegangen, die beide am Toten Meer liegen. Den Weg habe Paulus zu Fuß oder auf dem Esel in etwa einer halben Stunde bewältigt. Qumran, wo im Jahre 1947 die berühmten Schriftrollen gefunden wurden, habe früher den Beinamen „Damaskus in der Wüste“ getragen, erläutert Lapide. So sei fälschlicherweise überliefert worden, Paulus sei von Arabien nach Damaskus in Syrien gegangen. Gegen die klassische Überlieferung spreche auch, daß es damals etwa von Riad nach Damaskus eine Achttagereise gewesen wäre, erklärte der Neutestamentler. Die berühmten Qumran-Rollen, Handschriften vor allem aus Büchern des Alten Testaments, wurden 1947 in einer Höhle von Beduinen entdeckt, die auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege waren. „Die meisten Rollen sind aus Leder, wenige aus Papyrus und nur zwei aus Kupfer“, erläutert der Neutestamentler. Da Wissenschaftler noch heute dabei seien, die Rollen auszuwerten, werde spekuliert, daß mit einer Gesamtveröffentlichung „die Einzigartigkeit von Jesus und seiner Botschaft geschmälert“ werden könnte. (Zusatz taz: Oh weh, oh weh.)
Die „Beschreibung des Holocaust“ von James E. Young rührt an einen zentralen Punkt: an das Problem des Schreibens heute überhaupt und an das Verständnis der Schrift. Nähe zur „Grammatologie“ von Derrida und zum „Widerstreit“ von Lyotard. Erinnerung an die Selbstmorde von Jean Amery, Primo Levi und Paul Celan (unsere Mitschuld daran, weil wir nicht bereit waren, den Schrei aufzunehmen). Lyotards Reflexionen über das vollkomene Verbrechen rühren an ein Problem der Sprache, für das Auschwitz auch steht: an die Unfähigkeit, den Bann der Gemeinheit zu sprengen und zugleich die rechtlichen Kriterien der Zeugenschaft zu erfüllen. Dazu ist an den Kontext des Logos-Begriffs und das „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, …“ zu erinnern, die das Problem in einen realen theologischen Zusammenhang rückt. Läßt sich über Auschwitz erst im Kontext der Idee der Auferstehung (oder erst nach der Auferstehung der Toten) schreiben? Rückt das die deutsche Abwehr der Postmoderne nicht doch in ein anderes Licht? Und hat es nicht doch verhängnisvolle Folgen, wenn dieser Diskurs in Deutschland fast nur abgewehrt und die Postmoderne wie eine Häresie verfolgt wird?
In Auschwitz ist der Weltbegriff mit untergegangen, er ist seitdem für die Theologie nicht mehr brauchbar. Auschwitz ist der Maelstrom, dessen Poe’sche Beschreibung Adorno als Motto vor seine Kierkegaard-Arbeit gesetzt hatte: der Wirbel, der die Sprache ihrer benennenden Kraft beraubt. Wir leben in diesem Wirbel und halten ihn immer noch – unter dem Bann der subjektiven Form der äußeren Anschauung, des Raumes – für eine ruhende Welt. Auschwitz ist der Beweis dafür, daß der Logos die Last, die wir ihm aufbürden, indem wir die Nachfolge verweigern (und die Erscheinungen für die Dinge an sich halten), nicht zu tragen vermag. Die Last ist endgültig auf uns übergegangen.
Erinnerungsarbeit und Vergangenheitskolonialismus: Solange wir glauben, die Richter der Toten sein zu können, richten sie uns.
Zeugenschaft und Eingedenken: Dieses „Das darf nicht vergessen werden“ ist das zentrale Motiv, nicht die Widerlegung der Leugner.
Zu Otto F. Best (FR von heute): Die Deutschen haben keinen Witz, weil sie Witze machen. Dadurch unterscheiden sie sich u.a. von den Franzosen. Witz ist die Fähigkeit zur Sprachreflexion, die das Witze-Machen durch seine verdinglichende, vergegenständlichende Gewalt (durch Gelächter) zerstört. Der deutsche Witz ist eine xenophobe und paranoide Notwehraktion (Indiz der verfolgenden Unschuld). Karl Kraus hat einmal darauf hingewiesen, daß die Deutschgesinnten in der Regel des Deutschen nicht mächtig sind. (Vgl. Adenauers Wort: „Je einfacher Denken ist eine guten Gabe Gottes“. Einschlägig scheinen auch die Satzeinschübe Kohls zu sein, wie z.B.: „das werde ich an dieser Stelle sagen dürfen“, mit denen Kohl seine Rede unterbricht, um sein Erstaunen darüber auszudrücken, was er hier wieder einmal sagt, und mit denen er zugleich sich selbst ermächtigt, es zu sagen. Das liegt auf der gleichen Ebene wie seine eigene Unfähigkeit und die anderer Mitglieder seines Kabinetts, zu den xenophoben und antisemitischen Ausschreitungen der letzten Zeit überhaupt auch nur einen vernünftigen Satz zu sagen. Zugrunde liegt die allgemeine Erleichterung darüber, daß wir nach der wiedergewonnenen Einheit uns keine Zurückhaltung mehr auferzulegen brauchen und endlich wieder sagen dürfen, was wir denken; die Irritation durch die ausländerfeindlichen Ausschreitungen wird real verdrängt und verschoben auf das bedauernswerte Unverständnis des Auslands für diese deutsche Eigenart, auf die wir leider noch Rücksicht nehmen müssen.)
Die verandernde Kraft des Seins ist der Grund des Weltbegriffs, sie wird durch durch die Gewalt des Weltbegriffs unumkehrbar. Der Weltbegriff ist die verandernde Kraft des Seins als Totalität.
Ist nicht der augustinische Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle gehört, eine direkte Konsequenz aus dem Kernkonstrukt der dogmatischen Theologie: der Opfertheologie. Hier liegt der Grund, daß in der kirchlichen Tradition die Buße nur noch als Leiden verstanden wird, und nicht als Tun: die Umkehr ist gegenstandslos geworden. War nicht das Bild der Hölle ohnehin das Produkt einer projektiven Verarbeitung des Bewußtseins, daß die Gläubigen selber für sich und für die anderen die Hölle sind (mit der Exkulpierung von Herrschaft, der Legitimierung des staatlichen Gewaltmonopols, und einem Begriff der Sexualität, in dem die politische Ohnmacht bewußtlos sich reflektierte, als dem Herd des ewigen Feuers)?
Das Wort von den Pforten der Hölle (Mt 1618): ou katischysousin autäs, sie werden sie nicht überwältigen.
Die Rehabilitierung Galileis durch Johannes Paul II scheint mir auf den Versuch hinauszulaufen, den Kloß im Hals der Theologie, zu dem die Naturwissenschaften geworden sind, jetzt endlich zu schlucken: aber wird die Kirche nicht daran ersticken?
Das Dogma war der Preis, den der Staat und die Philosophie für die Rettung des Welt- und des Objektbegriffs zahlen mußten.
Hegels Satz, daß die Idee die Natur frei aus sich entläßt, müßte eigentlich unters kirchliche Abtreibungsverbot fallen (durch den affirmativen Weltbegriff hat die Theologie sich selbst abgetrieben).
Zur deutschen Staatsmetaphysik gehören neben dem Gewaltmonopol des Staates und dem Staatsanwalt auch das deutsche Staatsexamen. -
27.01.93
Verhält sich der Staat zur Gesellschaft wie die Welt zur Natur (wie Idealismus zu Materialismus, Begriff zu Objekt)? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Kann es das eine ohne das andere geben, sind nicht beide Produkt des gleichen Abstraktionszusammenhangs (der Urteilsform)?
Zusammenhang der Hegelschen Deduktion des Monarchen und des „Gottesgnadentums“ mit dem ontologischen Gottesbeweis. (Rosenzweig, II S. 146)
Ist nicht das Interieur in Adornos Kierkegaard-Arbeit inzwischen aus der Objektsphäre in die Struktur des Subjekts mit eingewandert, und ist das Subjekt seitdem nicht gleichsam direkt an die Außenwelt angeschlossen (ohne Vermittlung durchs Interieur)? Gründet darin die nur minimale Differenz, die Adorno von der Einsicht in die Funktion des Weltbegriffs, zu der es in der Philosophie nach der vollständigen Verweltlichung des Subjekts keine Alternative mehr gibt, trennt?
Die Rolle der Religionen scheint sich immer mehr darauf zu beschränken, das Gefühl der Schuldfreiheit, diesen verhängnisvollen Bewußtseinskomfort, zu vermitteln. Sie wird damit zu einer wichtigen Instanz des Verdrängungsapparats (der erste Entwurf dieses Verdrängungsapparats war das Dogma, mit dessen Hilfe die Funktion des philosophischen Subjekts vergesellschaftet wurde, bei gleichzeitiger Stillstellung des philosophischen Erkenntnistriebs: Dieses Stillstellung drückt sich aus in der kantischen Definition, wonach die Welt das mathematische Ganze der Erscheinungen bezeichnet). Die Religion ist zum Schmücke dein Heim in einer Welt geworden, die für niemand mehr Heimat ist. Daher die nicht mehr zu tilgende Nähe der Religion zum Kunstgewerbe und zum Kitsch (der Idolatrie in der Kunst).
Die Verwechslung von Gegenwart und Gleichzeitigkeit wird durch die kantische subjektive Form der äußeren Anschauung stabilisiert, durch die Form des Raumes.
Die Explosion der Raumvorstellung hat bewiesen, daß es keine wie auch immer geartete Beziehung der Gleichzeitigkeit zum Himmel gibt, daß umgekehrt der Raum als Form der Gleichzeitigkeit die Unterdrückung und die Verdrängung dessen mit einschließt, was man die reale Gegenwart nennen könnte. Ist diese Raumvorstellung nicht das Endprodukt des Falles (die „Überwindung“ des Generationenverhältnisses durch Neutralisierung und Stillstellung, nicht seine Aufarbeitung; oder auch: die „Überwindung“ der Häresien durch Verurteilung und Fixierung des Dogmas: so hängt die Orthodoxie mit der Orthogonalität zusammen, und so wird das Dogma zum leeren, seiner benennenden Kraft beraubten Wort: zum vergrabenen Talent)?
Wenn Jacobus Schoneveld zufolge der Logos die Thora ist („Die Thora in Person“, in Kirche und Israel, Heft 1.91, S. 40ff), dann heißt das nicht mehr und nicht weniger, als das niemand zum Vater kommt, außer durch die Thora.
Ist nicht die homousia sowohl logisch wie realgeschichtlich das Einfallstor des Gewaltmonopols des Staates in die Theologie (und der Kristallisationskern des Dogmas)?
Die kopernikanische Wende und die Etablierung der Vorstellung vom unendlichen Raum haben den Leerraum geschaffen, in den die gläubige Phantasie glaubt, ihre „religiösen Vorstellungen“ hinein projizieren zu können. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß und wie die päpstliche Rehabilitierung Galileis die Dinge nun vollend auf den Kopf gestellt hat.
Was mit der Privatisierung der Sexualmoral begonnen hat, endet mit einer Erfahrungsfeindschaft, die direkt in die Xenophobie einmündet.
Die Personalisierung und daraus zwangslogisch folgende Vergöttlichung Jesu ist die Binde vor den Augen, mit der die Jesus-Gläubigen sich den Blick auf den Logos, der sich in der Übernahme der Sünden der Welt konstituiert, und von dem Gott will, daß er nicht leer zu ihm zurückkomme, ersparen.
Beschreibt nicht die Beziehung der von der transzendentalen Logik organisierten Erfahrung zu den Dingen als Erscheinungen auch das Verhältnis der Theologie zu ihrem Objekt? Auch die Theologie unterliegt dem Gesetz der Erscheinungswelt, in der die Dinge an sich unerkennbar sind.
In den drei Sprachen Griechisch, Lateinisch und Deutsch sind die Beziehungen der Geschlechter nicht deckungsgleich, nicht kompatibel. Die hier sich manifestierenden Brüche sind Denkmale welthistorischer Gesteinsverschiebungen. Neben den Differenzen in den Casus-Bildungen sind es vor allem Worte, die wie Sonne und Mond (sol und luna, auch Tag und Gesicht, dies und facies) jeweils anderen Geschlechtern zugeordnet wurden. Im Deutschen sind die Geschlechter an den Artikeln und den Endungen zu erkennen, im Englischen nur beim Gebrauch der Possessivpronomen. Hängt das damit zusammen, daß im Englischen der Infinitiv des Seins nicht durch das Possessivpronomen der dritten Person sing. masc. ausgedrückt wird (Folge der Neutralisierung der Casus im Englischen, und zugleich Symptom einer Verbegrifflichung der Sprache, die sich vor allem in Wendungen wie „he is doing“ ausdrückt, in denen das Verb naiv und real die Form des Prädikats, des Begriffs, animmt)? So drückt das deutsche Sein das Moment der Tätigkeit (in Physik und Ökonomie), das englische to be dagegen das Ergebnis der Vergegenständlichung dieser Tätigkeit aus (Grund des vorkritisch-kritischen Empirismus seit Locke: der Dogmatisierung von Naturwissenschaft und Ökonomie wie auch der Unterscheidung von primären und sekundären Sinnesqualitäten).
Zusammenhang von Geschlecht und Casus, die geschlechtsspezifischen Casusbildungen (in den europäischen Sprachen). -
22.01.93
Die irrationalen Schuldgefühle erwachsen gerade aus der Verdrängung des realen Bewußtseins von Schuld, sind eine Gestalt ihrer projektiven Verarbeitung. Nur die bewußte Reflexion der Schuld (die Gottesfurcht) befreit, während die Verdrängung nur tiefer verstrickt und hineinführt. Hier ist das Christentum einer Verführung zum Opfer gefallen, die bis heute nachwirkt: der Verführung durch den projektiven Mißbrauch der Sexualmoral, die den Gläubigen zum idiotes gemacht hat (Zusammenhang der Sexualmoral mit dem Trägheitsprinzip und der transzendentalen Logik?).
In welche Probleme die Philosophie ohne die Hilfe des Dogmas gerät, hat die arabische Philosophie aufs genaueste demonstriert. Und die Islamisierung des Christentums (die die Gottesfurcht leugnende Unterwerfung unter den „Willen Gottes“) resultiert aus der Hereinnahme dieses Bruchs, sie war der Auslöser für den dann einsetzenden Objektivierungsprozeß (projektives Korrelat des „Islam“, die Unterwerfung des Objekts). Hierher gehören u.a. die im Islam erzielten mathematischen Fortschritte (u.a. die Entdeckung der Null, Begründung der Algebra) zusammen mit den theologischen Konstrukten, wonach u.a. Gott die Welt jeden Tag neu erschafft (weil er sie nicht zu erhalten vermag).
Die Differenz zwischen der lateinischen und der griechischen Sprache: die u.a. im Fortfall des Dualis (zusammen mit der reinen Ausbildung des Neutrum?) sich ausdrückt, darf nicht zu unterschätzt werden.
Die Selbstverfluchung am Ende der Geschichte der drei Leugnung ist die zwangsläufige Folge der Geschichte der Verurteilungen (des Heidentums, der Juden, der Häresien), die alle schon Formen der Selbstverurteilung waren, gleichsam Anwendungsfälle des Satzes „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“.
Das Inertialsystem verletzt das Gehorsamsgebot, das Tauschprinzip (das Geld) das Armutsgebot, das Herrendenken (das Bekenntnis) das Keuschheitsgebot.
Die creatio-mundi-Lehre leugnet die Schöpfung, die Lehre von der Verbalinspiration die Offenbarung; in der Selbstverfluchung, das im Konfessionalismus, im Bekenntnisprinzip gründet, wird die Erlösung geleugnet. All diese Momente sind in der vätertheologischen Begründung der Theologie schon vorhanden: die creatio mundi, das Prinzip der wörtlichen Schriftauslegung und das Bekenntnisprinzip (der Confessor, der dann zwangsläufig die weibliche Heiligengestalt der Virgo nach sich zieht).
Der johanneische Logos ist nicht der Grund des Logozentrismus, sondern bereits die Antwort darauf. Und das Problem des Todes ist auch über den Rosenzweigschen Ansatz hinaus, über die Todesangst als Inbegriff der Sprengung des Alls und Ursprung der Erkenntnis hinaus, erkenntnisrelevant: wenn man das Inertialsystem (und das Geld) als Todesgrenze in der Natur selber begreift, als Grund des Banns der mit dem Namen der Natur auf der Natur lastet. -
21.01.93
Das Problem des Patriarchats ist ein Problem der Geschichte der Naturbeherrschung und seiner gesellschaftlichen Organisation: der Politik. Das Verhängnis des Christentums war es, daß es die symbolische Kritik dieser Geschichte privatisiert, als „realistische“ Sexualmoral mißverstanden hat.
Drewermann verteufelt die Hilflosigkeit, was nicht dadurch besser wird, daß diese Hilflosigkeit der Kirche selbstverschuldet ist. Hilflosigkeit ist nur durch die Erweckung der Kraft zu helfen zu „überwinden“. Wer diese Kraft verloren hat, erfährt sich selbst als hilfsbedürftig, die ganze Welt als gnadenlos, als potentiellen Feind. Es ist diese Hilfsbedürftigkeit, die die Kraft zu helfen in sich aufsaugt wie das schwarze Loch jegliche „Strahlung“: das Licht und seine Derivate. Und es ist die gleiche Hilflosigkeit, die aus sich selber die paranoide Empfindlichtkeit erzeugt, die das Gegenteil der Sensibilität ist.
Der Satz: „Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß es dir wohlergehe und du lange lebst auf Erden“, wird durch seine bloß private Interpretation verfälscht: Er enthält generell den Hinweis auf die Vergangenheit und die Verpflichtung zur Erinnerungsarbeit, die den Bann der Welt und den der Natur sprengt. Ein anderer Ausdruck für diese Erinnerungsarbeit ist die Idee der Auferstehung der Toten.
Der Historismus ist ein Vergangenheits-Kolonialismus, wobei das Herrschaftsmoment in diesem Kolonialismus ein wechselseitiges ist: Indem wir glauben, die Vergangenheit zu beherrschen, beherrscht sie uns. Der Objektivationsprozeß, der im Historismus auch die Vergangenheit ergreift, ist als ein Moment der Erkenntnis der Vergangenheit unabdingbar und notwendig; aber auch hier erweist sich die Idee der Umkehr als gnoseologische Kategorie: Hier heißt Umkehr: Auferstehung der Toten.
Müßte nicht der Paulus-Satz, wonach die ganze Kreatur seufzt und in Wehen liegt, durch seine Anwendung auf die Vergangenheit auf die Toten bezogen und so radikalisiert werden?
Die Vorstellung von einem jenseitigen Himmel, getrennt von dem endzeitlichen Gottesreich und gleichsam zeitlich vor ihm, trennt die Unsterblichkeit der Seele von der Auferstehung der Toten; sie stellt die Idee der Auferstehung der Toten durch ihre Vertagung ad calendas graecas gleichsam still. Thomas von Aquin hat es noch gewußt, daß das Schicksal der Seele vor der Auferstehung (nach der Trennung vom Leib und im Zustand dieser Trennung) kein glückliches ist, daß sie an der Trennung leidet und Erfüllung erst in der Wiedervereinigung mit dem Leibe findet. Aber ist nicht diese Vorstellung insgesamt falsch, insbesondere nachdem der Himmel im historischen Aufklärungsprozeß aus dem räumlichen Oben verdrängt worden ist. Die Idee des Ewigen legt es ohnehin nahe, deren Beziehung zu Raum und Zeit, und damit auch zur Geschichte, neu und anders zu bestimmen: Der Himmel ist kein anderes Amerika, das jenseits des Ozeans liegt, aber der gleichen Zeit unterworfen ist, wie alle anderen Orte der Welt. Die Vorstellung, der Himmel sei nur ein anderer Ort, falle aber unter das gleiche Zeitkontinuum wie diese Welt, habe gleichsam eine zeitparallele Geschichte, ist der Grundfehler der kirchlich-theologischen Tradition. Das bloß Überzeitliche ist die verworfenste Gestalt des Zeitlichen und auf keinen Fall zu verwechseln mit dem Ewigen.
Die naturwissenschaftliche Aufklärung, deren Erkenntnisgesetz selber aus der Theologie stammt, hat die Theologie in eine Engführung (in ein „Nadelöhr“) gebracht, vor der sie heute zu kapitulieren scheint.
Ist es nicht heute fast unmöglich geworden, das Judentum als Christ aus der Sicht des Zuschauers zu betrachten? Die zwangsläufig daraus erwachsenden Rechtfertigungszwänge führen notwendig in neue Antisemitismen hinein. Kann es sein, daß hierbei der Israel-Tourismus eine nicht ganz ungefährliche Rolle spielt?
Wie wäre es, wenn man die drei regulativen Ideen Kants, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, ersetzen würde durch die drei theologischen Kategorien Schöpfung, Offenbarung und Erlösung, d.h. durch objektive Ideen: Käme man damit nicht auch dem Problem der kantischen Philosophie näher. Sind nicht diese drei regulativen Ideen auf die Totalitätsbegriffe der kantischen Philosophie zu beziehen, auf Welt, Wissen und Natur, aus denen sie gleichsam durch Umkehr sich rekonstruieren lassen und deren Bann sie zugleich sprengen: Die Idee der Schöpfung sprengt den Bann des Weltbegriffs, die der Offenbarung den des Wissens und die der Erlösung (die die Idee der Auferstehung der Toten mit einschließt) den des Naturbegriffs. -
21.12.92
„Jeder Glückselige ist Gott.“ (S. 134) Aber was ist das für eine Glückseligkeit, die vom Zustand der Welt keine Kenntnis nimmt? Ist das nicht der obszöne Quellpunkt des Herrendenkens (das wahre Objekt der Sexualmoral, und die wirkliche Lust, über die sich die Erbsünde fortpflanzt)? Grund dieses Glückseligkeitsbegriffs und mit eingeschlossen ist der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs (die durch den Opfertod Jesu entsühnte Welt).
Steht nicht die Geschichte des Objektivationsprozesses in der Tradition des hieros gamos, mit der Naturerkenntnus als Penetration und dem Orgasmus der Welterzeugung? Im Kontext dieser Geschichte läßt sich ermitteln, was eigentlich Gegenstand der kirchlichen Sexualpolitik und der Abtreibungskampagne ist.
Die Sexualität rührt in der Tat an den Grund der Welt.
Mit dem Sohn erzeugt man eine Welt. Hier liegt der Grund der Trinitätslehre, ihr partikulares Wahrheitsmoment. Nicht zufällig erinnert der Begriff der Materie an die mater, die Mutter.
Das „Werk der Zeugung, nach dem doch die Natur immer begehrt“. (Boethius, S. 140) Problem des innertrinitarischen Gebrauchs des Zeugungsbegriffs.
Physis kommt von phyein: erzeugen, wachen lassen, hervorbringen, Natur von nasci: geboren werden. Was drückt sich darin aus, daß im Lateinischen physis durch natura übersetzt wurde, die Tätigkeit durch ihre Produkt. In der physis steckt die volle Kraft des Erzeugens, im natura die reine Passivität und Ohnmacht des Geborenwerdens, das, was nun tatsächlich jeder Zurechenbarkeit sich entzieht.
Das peri physeos der Vorsokratiker erinnert noch an die hebräischen toledot, die Welt der Väter, die natura an das neugeborene Messiaskind, das die Sünden dieser Welt auf sich nimmt? -
13.12.92
Der Naturbegriff verstellt das Votum für die Fremden, der Weltbegriff das für die Armen: eine Neubegründung der Theologie ist nur durch die Kritik beider Begriffe (durch die Metakritik der kantischen Vernunftkritik) hindurch möglich.
Das Votum für die Fremden und das für die Armen sind zentrale Motive der prophetischen Tradition, die Kritik der Frauenfeindschaft ist ein apokalyptisches Motiv: sie ist mit der Enttäuschung der Parusie-Erwartung vergessen und verdrängt worden.
Die Wiedergewinnung der sensibilisierenden und benennenden Kraft theologischer Erkenntnis ist nur möglich durch die Kritik der neutralisierenden Gewalt des Bekennens hindurch. Das Bekenntnis ist Produkt der Mimesis an die entfremdete Welt: der Identifikation mit dem Aggressor.
Der Freudsche Urmythos ist eine verschlüsselte Christentums-Kritik: Die Judenfeindschaft und der kirchliche Antijudaismus waren der Vatermord.
Wenn es praktische Vorschläge zur Behebung der Fremdenfeindschaft gibt, dann jedenfalls nicht in der Richtung, die durch die unsägliche Asylanten-Diskussion vorgegeben zu sein scheint. Vergessen wird, daß die Xenophobie an den Grund des Problems der Beziehung von Theorie und Praxis (oder an die Fundamente des Selbstverständnisses des Staates: der deutschen Staatsmetaphysik) rührt, daß insbesondere jede technologische Lösung zunächst einmal zurückzustellen ist und die genaueste Erkenntnis des Problems, auch wenn sie „praktische Lösungen“ zunächst auszuschließen scheint, Voraussetzung jedes weiteren Schrittes ist. Zu überprüfen sind:
– der Staatsbegriff: wie er sich z.B. im Namen des Staatsanwalts manifestiert, nämlich den Staat als Prinzip der Anklage begreift, deren „Anwalt“ der öffentliche Ankläger ist, der jedoch in Deutschland nicht so heißen darf: durch seinen Namen ist der Staatsanwalt primär auf die Verteidigung des Staates, und erst in zweiter Linie auf die Verfolgung des Unrechts (oder gar auf das Ziel der Verteidigung der Schwachen) verwiesen: eine die Paranoia fördernde Institution;
– der Gewaltbegriff: ein Verständnis des Gewaltmonopols des Staates, das
. Gewalt in erster Linie als Gewalt gegen den Staat begreift, deshalb rechte Gewalt nicht in gleichem Maße der strafrechtlichen Verfolgung aussetzt wie linke, und aus dem gleichen Grunde
. eher darauf abzuzielen scheint, kritisches Denken (das mit „anschlagsrelevanten Themen“ sich befaßt) zu kriminalisieren als die realen Ursachen der Gewalt ernsthaft zu bekämpfen: in diesen Zusammenhang gehören z.B. die zögerliche Verfolgung von sexuellen Gewaltdelikten (Vergewaltigungen, insbesondere auch in der Ehe), aber auch die skandalösen Anerkennung von Trunkenheit als Strafmilderungsgrund bei Gewaltdelikten (kritisches Denken gilt als strafverschärfend, Trunkenheit als strafmildernd: ein wesentlicher Grund für die Gewaltaffinität in diesem Staat).
– Blindheit gegen Rechts nicht gesinnungs-, sondern systematisch begründet (Problem des Gesinnungsbegriffs),
– Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand,
– Eigentum und Selbsterhaltung (Weltbegriff): Ego-Trip,
– Staatsbürgerschaft: endlich das Blutsprinzip durch rechtliche Regelung ersetzen.
Steckt darin (in dieser ethnisch begründeten Staatsmetaphysik) nicht jene kirchliche Tradition, die seit der Rezeption des Weltbegriffs in der Theologie zwar jede unreglementierte Sexualität diskriminiert, aber die Kritik der Gewalt (in Kriegen, bei Anwendung von von Mitteln politischen Terrors: Folter, Scheiterhaufen, Völkermord) fast grundsätzlich vermeidet? Der Hinweis auf den Zusammenhang mit dem Weltbegriff rührt an den Kern des Problems. Nicht zufällig hat der Papst bei der Rehabilitierung Galileis den Inquisitoren „guten Glauben“ attestiert, und so mit instinktiver Präzision das Problem auf den Kopf gestellt.
Zum Begriff der Natur: Warum heißt die Einbürgerung „Naturalisierung“ (begrifflicher Zusammenhang mit „Säkularisierung/Verweltlichung“)? Der Naturalisierte wird Objekt und Subjekt des Staates, der ihn naturalisiert. Vor diesem Hintergrund wäre Natur als Schuldzusammenhang, Volk als Schicksalsgemeinschaft zu definieren. Der Fremde steht außerhalb der Natur (Grund der Xenophobie).
Christologische Logik des Naturbegriffs: Die Vergöttlichung des Opfers ist der Grund der zivilisatorischen Selbstvergöttlichung, der Sakralisierung des Subjekts durchs Selbstmitleid (Tabuisierung der Opferrolle).
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