Sprache

  • 25.3.96

    In der Natur, die alles richtig macht, weil sie blind ihren Gesetzen gehorcht, erkennt sich die Verwaltung wieder.
    Die Kritik der Astrologie wird konkret erst als Kritik der Verwaltung.
    Das Verhältnis der Spaziergänger zur Natur ist ein anderes als das der Radfahrer. Sind die Naturschützer Radfahrer?
    Zum Namen der „hebräischen“ Schrift: Die phonetische Schrift gründet in der Beziehung der Sprache zu anderen Sprachen, in der Materialisierung der Sprache durch Rückführung auf den gemeinsamen Lautbestand. Die erste Gestalt einer phonetischen Schrift, die phönizische, war die Schrift eines Handelsvolkes (in einer Zeit, in der Handel Fernhandel war), eine Schrift, die erfunden wurde, um die Aussprache von Wörtern anderer Sprachen festhalten und wiedergeben zu können. Aus der phönizischen Schrift ist sowohl die hebräische als auch die griechische Schrift hervorgegangen. Die phonetische Schrift verfremdet jede Sprache, indem sie sie in das Licht anderer (fremder) Sprachen rückt. Sind die Begriffe Hebräer und Barbaren, die auf diese Fremdheit sich beziehen, Produkte der phonetischen Schrift (der Logik der Schrift)?
    Im Buch Esther wird der Erlaß des Königs an alle Gaue in ihrer Schrift, an alle Völker in ihren Sprachen, nur an die Juden in ihrer Schrift und in ihrer Sprache versandt (89).
    Zur Unterscheidung von Katze und Hund: „Hunde sind gehorsam, Katzen nicht“. Die Katze war ein Symbol Ägyptens, der Hund ein Symbol Babylons; Ägypten war das Sklavenhaus, Babylon eine Tempel- („freie Markt“-) Wirtschaft. (Fressen Hunden Fische?)
    War der Bann, das Verbot zu plündern, antibabylonisch? Oder anders: War die Erlaubnis zu plündern ein Mittel zur Erzeugung und Stabilisierung der Kampfbereitschaft (der „Moral“ der Truppe, wie man das vermutlich heute noch nennt) des babylonischen Militärs, und haben erst die Römer den „Gehorsam“ erfunden?
    Unzuchtsbecher: Wenn der Faschismus etwas mit verdrängter Homosexualität zu tun hat, was drückt dann in der gegenwärtigen lesbischen Bewegung sich aus? Wäre nicht eine politisch-ökonomische Reflexion der Schwulen- und Lesbenbewegung, die beide gegen das sexualmoralische (Vor-)Urteil in Schutz nimmt, an der Zeit?

  • 22.3.96

    Genealogie: Die Bekenntnislogik ist die Tochter des Tauschprinzips und die Mutter des Trägheitsgesetzes. Sie ist das Bindeglied zwischen der Geldwirtschaft und den mathematischen Naturwissenschaften.
    Die Bekenntnislogik (vom Götzendienst über das trinitarischen Dogma bis zum Faschismus) ist das Laboratorium des Weltbegriffs.
    Das Inertialsystem ist die instrumentalisierte Schicksalsidee (die instrumentalisierte Logik des Mythos). Die Schicksalsidee (und der Mythos) aber war der Preis für die Bildung des Neutrum und den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen.
    Der Islam, der das Schicksal monotheisiert hat, hat den Ausweg aus dem Mythos vesperrt.
    Jeshajahu Leibowitz: Die Geschichte ist die Geschichte des Wahnsinns, des Verbrechens und des Unglücks. Und sie ist zugleich die Geschichte des Kampfes dagegen. Verweist nicht der Wahnsinn auf die Bekenntnislogik, das Verbrechen auf die Geldwirtschaft und das Unglück auf den Ursprung des Naturbegriffs? Wer die Geschichte auf Wahnsinn und Verbrechen reduziert, ist paranoid. Nur die Erinnerung ans Unglück bewahrt vor der Paranoia, vor der auch die Kapitalismus-Kritik nicht gefeit ist. Dem Faschismus ist es vorbehalten geblieben, auch das Unglück noch in die eigenen Regie zu nehmen, die Naturkatastrophe zu inszenieren.
    Was die Reflexion von Auschwitz und den „christlich-jüdischen Dialog“ so unendlich belastet und fast unmöglich macht, ist das Erbe einer Logik, die zuerst in der Christologie sich manifestiert hat: die Logik der Vergöttlichung des Opfers, die ein Teil der Urteilslogik ist. Der Faschismus aber war eine Explosion der Gemeinheit; und diese Explosion ist nicht beendet, sie geht weiter. Damit hängt es zusammen, wenn der Schrecken und der Bann des Faschismus nicht durch Verurteilung aufzulösen ist, sondern allein durch Reflexion der Logik der Gemeinheit, die innerhalb der Urteilslogik nicht zu leisten ist, weil sie die Reflexion der Urteilslogik (die Kritik der in der Urteilslogik begründeten Totalitätsbegriffe, der Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt) voraussetzt.
    Ist nicht der Begriff der Bekenntnislogik ein Versuch, dem Problem der Gemeinheit auf die Spur zu kommen? Die Bekenntnislogik, die in der Schuldumkehr gründet, verdankt sich der Weiterbildung und Entfaltung des projektiven Moments im philosophischen Erkenntnisbegriff. Das Glaubensbekenntnis ist ein umgekehrtes Schuldbekenntnis: Bekannt (und damit zugleich festgeschrieben und fixiert) wird die Schuld des Objekts, die „Schuld der Welt“, die der Erlöser im Opfertod am Kreuz „hinweggenommen“ und gesühnt haben soll. Der christliche Erlösungsbegriff, die Idee der „Entsühnung der Welt“, war die konsequenteste Entfaltung der Bekenntnislogik; ihr wirkliches Ergebnis aber war die Freistellung des Weltbegriffs, die Legitimierung von Herrschaft, die Diskriminierung der Kritik. Die die Bekenntnislogik konstituierende Opfertheologie ist im Faschismus nochmals explodiert: Das war die Explosion der Gemeinheit. Ist die Bekenntnislogik der „Greuel am heiligen Ort“? Und ist das in die Bekenntnislogik verstrickte Christentum nicht die Bestätigung des Satzes, daß vor Gott tausend Jahre wie ein Tag sind: der Tag des Schreckens (mit der Bekenntnislogik als Mittel der moralischen Anästhesie), der Tag JHWHs (die Zeitdilatation der Bekenntnislogik: das Binden, zu dem das Lösen noch aussteht)? Nicht zufällig wollten die Nazis ein „Tausendjähriges Reich“ errichten. Hier findet das Bild vom Dogma als der Schockgefrierung einer Tradition, die nur so zweitausend Jahre Christentum überleben konnte, seine Begründung.
    Die Theologie im Angesicht Gottes ist eine anarchische Theologie.
    Gibt es nicht eine merkwürdige Beziehung der Schlange zum Kelch (des Neutrums zu den subjektiven Formen der Anschauung, zum Raum)? Und gibt es nicht eine symbolische Verknüpfung beider (etwa in der Gnosis)?
    Die Linguistik läßt sich als Versuch begreifen, auch die Sprache noch zu neutralisieren. Sie macht die Sprache selber zu Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt: Indem sie die Sprache (im Kontext des Begriffs der Kommunikation) auf ihre Mitteilungsfunktion reduziert und fixiert, verdrängt und zerstört sie ihre erkennende Kraft, läßt sie sie (wie die BILD-Zeitung in ihren Texten, die mit den Mitteln der Linguistik nicht mehr sich würden kritisieren lassen) zusammenschnurren zu „propositionalen Sätzen“. Die Sprache, die zum Gegenstand der Linguistik geworden ist, verhält sich nur äußerlich zur Sache, sie bewegt sich nicht mehr in der Sache, beide werden dinglich getrennt. Eine Sprache aber, die in die Sache nicht mehr eingreift, der die Welt zur Dingwelt wird, an der die Sprache abprallt, bewegt nur noch die Vorstellungen ihrer Adressaten: sie wird zu einem Instrument der Manipulation.

  • 20.3.96

    Auch das Lachen hat Anteil an der Verurteilung und Diskriminierung, und im Lachen steckt ein magisches Erbe.
    Das Lachen ist ein Instrument der Vergesellschaftung: Es macht die, die ins Lachen einstimmen, zu Komplizen (und die, die nicht einstimmen, zu Verrätern).
    Das Dogma und die ihm zugrunde liegende Vorstellung, die Wahrheit sei in Urteilen faßbar, verdrängt den dämonischen Charakter des Urteils, es verdrängt den Verdrängungsprozeß selber, dem das Urteil sich verdankt. Diese Verdrängung erscheint dann in den Außenbeziehungen der Bekenntnislogik, in der automatischen Konstitution des Feindbildes, im Verrätersyndrom und in der Frauenfeindschaft.
    Verweist nicht der Hegelsche Satz, daß das Wahre der bacchantische Taumel ist, in dem kein Glied nicht trunken ist, darauf, daß in der Logik des Dings das planetarische System sich widerspiegelt? War vielleicht die Astrologie der Versuch, die Momente des Dings, seine „Eigenschaften“, in der Sternenwelt zu begreifen? War die Astrologie der Chaldäer eine Vorstufe der Hegelschen Logik?
    Hat die Neigung zur Astrologie wie auch die zur Religion heute etwas mit dem unendlichen Exkulpationsbedürfnis zu tun, das man versucht, über die Externalisierung von Schuld zu befriedigen?
    Kann es sein, daß im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit eine Eigenschaft des Raumes sich ausdrückt, die in anderer Konstellation im Gravitationsgesetz sich manifestiert?
    Muß man im sogenannten „Neuen Testament“ nicht jeden Text so verstehen, als wäre er der Schlüsseltext fürs Ganze?
    War der Stier in der alten Welt das Symbol der äußeren imperialen Macht, und verliert der Stier in dem Augenblick seine symbolische Kraft, in dem die imperiale Macht (Babylon) politisch sich durchsetzt und zur alles durchdringenden Substanz der Wirklichkeit wird: zusammen mit dem Weltbegriff? Was wurde auf dem Marsfeld geopfert (vgl. Benveniste)? Abel brachte von den Erstlingen der Schafe und von ihrem Fett ein Opfer dar.
    Daß das Joch nicht mehr mit der Last verwechselt werden soll, daß das Wort vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, unters Nachfolgegebot fällt, daß es dem Christen schlicht unerlaubt ist, die eigene Last andern als Joch aufzuerlegen, das rückt die Beziehung von Moral und Theologie in ein neues Licht. Es entzieht dem moralischen Urteil den Boden. – Hängt das Stiersymbol mit der Ursprungsgeschichte der Urteilslogik zusammen? Ist die transzendentale Ästhetik der Kelch und die transzendentale Logik der Stier?
    Ist nicht das Futur II, die „zukünftige Vergangenheit“ die verurteilte (die „ausgelachte“) Zukunft? „Was wird schon gewesen sein?“ Drückt nicht der Kohelet „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ genau das Gleiche aus?

  • 17.3.96

    Die Person konstituiert sich in der Ursprungsgeschichte des Staates: unter dem Schulddruck und unter dem Rechtfertigungszwang, unter den der Staat die Menschen setzt; sie ist der Kern und das Reflexionsgesetz der pathologischen Verletzlichkeit, die hier sich konstituiert. Sie transformiert die sinnliche Welt in Empfindungen, die Kritik in Meinung und reale Schuld in Schuldgefühle. Der Personbegriff wurde freigesetzt mit der Opfertheologie, mit dem Konzept der „Entsühnung der Welt“ (bereits das Drama, in dem der Personbegriff entspringt, steht in der Tradition des Opfers).
    Das Wissen war das Schwert des Alexander, mit dem er den gordischen Knoten durchschlagen hat.
    Gehören die Masseben (wie auch die Menhire) zur Vorgeschichte des Gnomon? Und ist das Gnomon der Kristallisationskern des Neutrum und der an das Neutrum sprachlogisch sich anschließenden Flexionsformen? Haben der Gepfählte und das Kreuz (oder auch die erhöhte Schlange) etwas mit dem Gnomon zu tun?
    In den Abendmahls-Berichten steht beim Kelch nur in 1 Kor 1125 der Satz „das tut, sooft ihr <daraus> trinkt, zu meinem Gedächtnis“; nur Paulus geht davon aus, daß auch der Kelch zur kirchlichen Feier der Eucharistie gehört. Bei den Synoptikern (Mt, Mk, Lk) steht statt dessen nur der Hinweis, er „werde von jetzt an von diesem Getränk des Weinstocks nicht <mehr> trinken bis zu jenem Tage, wo ich es mit euch neu trinken werde im Reich meines Vaters“ (so Mt 2629, vgl. auch Mk 1425 und Lk 2218).

  • 15.3.96

    Sind nicht Deklination und Konjugation auch astronomische bzw. astrologische Begriffe?
    Ist der gnomon das Bild des babylonischen Turms; und ist er nicht zugleich der logische Kern der griechischen Sprache? Hat der gnomon als Bild der Orthogonalität etwas mit der Erektion und der Konstituierung des Unzuchtsbechers zu tun?
    Venus-Katastrophe: Ist in der Venus die Lust, die Begierde, erstmals zum Objekt geworden? War die Venus-Katastrophe eine gesellschaftliche Naturkatastrophe?
    Roma locuta, causa finita: Alle dogmatischen Entscheidungen sind Entscheidungen, die eine Revision ausschließen. Darin gleichen sie den Urteilen höchster Gerichte. Ist nicht der Prozeß der Dogmenentwicklung ein Gerichtsverfahren, in dem nicht über Personen (und deren Taten) sondern über Sätze geurteilt wird (die Orthodoxie wird freigesprochen, die Häresie verurteilt)?
    Die Erfüllung der Schrift, das waren die Passion und der Kreuzestod; die Erfüllung des Wortes dagegen wird die Heiligung des Gottesnamens sein.

  • 13.3.96

    Die Legitimation durch Verfahren gibt es sowohl im Recht wie in der Wissenschaft. Hier heißt sie Methode.
    Modernisierungsschub: Die Methode des Positivismus gründet in der Weigerung, die Beziehung von oben und unten zu reflektieren. Indem sie zwangshaft mit der Position über der Sache sich identifiziert, bleibt sie am Boden kleben wie die Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt. Suspendiert wird die Reflexion von Herrschaft, die dann auch noch als privilegierte Form der Erkenntnis diskriminiert wird. Diese Diskriminierung nannten die Nazis „Humanitätsduselei“, heute bracht man diesen diskriminierenden Namen nicht mehr, er wirkt auch ohne Benennung, durch reinen „Sachzwang“.
    Theologie und Sprache: Die biblischen Symbole (wie die Schlange, die Dornen und Disteln, der Kelch, der Feigenbaum) sind alle auch Sprachsymbole, Elemente der Selbstreflexion der Sprache. Ihr Ziel ist nicht die Beherrschung der Sprache, sondern Reflexion der Herrschaftsmechanismen, die in der Spracher sich niedergeschlagen haben: die Befreiung der erkennenden Kraft der Sprache.
    Hinter dem Rücken des Neutrum, der Abstraktion vom Männlichen und Weiblichen, bildet sich der Unzuchtsbecher. Hegels Philosophie reicht nur bis zur Erkenntnis des Taumelkelchs.
    Schicksal des Über-Ich in der vaterlosen Gesellschaft: Gilt nicht heute aufs paradoxeste der Satz von der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern erstmals auch für die Kinder?
    Gibt es außer Sara, der Mutter des Samson, Hannah und Elisabeth noch andere Frauen, die erst im Alter von ihrer Kinderlosigkeit befreit wurden? Und handelt es sich in den genannten Fällen (ausgenommen die Mutter Samsons, die unter den Triumph der Ironie im Buch der Richter fällt) um die Geburt prophetischer Vorläufer (Isaak, den Vater Jakobs/Israels; Samuel, der den Saul und den David gesalbt hat; Johannes, der Jesus getauft hat, aber die Herzen der Väter nicht zu ihren Kindern hat bekehren können)?
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen den drei Versuchungen Jesu und den drei Leugnungen Petri (und läßt sich aus den Beziehungen beider der Charakter der Evangelien ablesen)?

  • 10.3.96

    Das Überzeitliche ist die Unterwelt (deshalb heißt Sterben auch „ad patres ire“: Grund des Partiarchats und der besonderen Rolle der Väter in den Evangelien). Sind nicht die indoeuropäischen Sprachen, die durch ihre Konjugationsformen unterm Bann des Überzeitlichen stehen, ein gleitendes System des Abstiegs zur Hölle?
    Das geozentrische Weltbild, indem es die Beziehung von oben und unten hypostasiert, zur Grundlage der Elementenlehre macht, ist ein Stück Herschaftsideologie. Der hebräische Himmel, dessen Name die Einheit von Wasser und Feuer symbolisiert, ist ein Sprachhimmel, kein Naturhimmel. Die kopernikanische Wendung hat in das geozentrische Weltbild (und in die mit ihr verschmolzene Herrschaftsideologie) eine Scheidung hineingetrieben, die bis heute nicht begriffen ist: Sie hat, indem sie die Beziehung von oben und unten ins Subjekt zurückgenommen und so diese Herrschaftsideologie vergesellschaftet hat, Herrschaft erstmals reflektierbar gemacht. Sie hat der Umkehr (der Bekehrung der Herzen der Väter zu den Kindern, Lk 116) den Boden bereitet.
    Die Orthogonalität ist der Statthalter und der Grund der Logik (und des Staates) in der Mathematik: Die Entdeckung der Winkelgeometrie (im Medium der frühen Astronomie) gehörte zu den Voraussetzungen des Ursprungs der Philosophie (und des Rechts).
    Beschreibt nicht der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ einen geometrischen Sachverhalt: nämlich daß es die intentio recta nur im Kontext der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes) gibt?
    Verweist nicht diese Beziehung der subjektiven Formen der äußeren Anschauung zur intentio recta auf den Fluch über die Schlange: „Auf dem Boden sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“, auf die systemische Unfähigkeit zur Reflexion, auf den Positivismus in Wissenschaft und Recht (und ist nicht das Strafrecht der Versuch der Kodifizierung dieser Unfähigkeit)?
    Problem der Pluralbildung: Kehrt nicht die gleiche Sprachlogik, die der Wendung „Wir Deutschen“ zugrunde liegt, in der Logik der Pluralbildung (im Verhältnis des Genitiv der dritten Person zum Nominativ der zweiten Person pluralis <und zum Possessivpronomen der dritten Person femininum singularis>) wieder? (Hat der Genitiv, die grammatische Herrschafts- und Eigentumsform, im Plural die Kraft, die zweite Person zu objektivieren, zur dritten Person zu machen? Und weshalb greift der Genitiv der dritten Person pluralis, und mit ihm der Nominativ der zweiten Person pluralis, auf eine feminine <„ihre“> und der Dativ der dritten Person pluralis auf eine maskuline Bildung <„ihnen“> zurück?)
    Gibt es einen Zusammenhang der inneren Pluralisierung, der das Femininum mit dem Begriff der Masse verbindet (überhaupt mit dem Begriff, der Ausdruck des „Gemeinsamen“, der Gattung oder der inneren Pluralität, der unter ihm befaßten Objekte ist)? Und sind nicht die Totalitätsbegriffe der europäischen Aufklärung (Wissen, Natur und Welt) Ausdruck des in ihnen verborgenen Mechanismus der inneren Pluralisierung (der innere Grund der Gemeinheit, die beweislogisch nicht zu fassen ist)?
    Das Inertialsystem enthält eine logische Automatik, die das erkennende Subjekt ans Ende der Zeitreihe und ins leere Zentrum (den „Ursprung“) des Raumes setzt. Ausgeblendet werden der Ursprung der Zeit und die Enden des Raumes.

  • 9.3.96

    Hat nicht das Eingedenken der Natur im Subjekt etwas mit der Beziehung des Namens der Barbaren mit dem der Hebräer zu tun: mit der Reflexion (und der Rücknahme) des projektiven Elements in der Erkenntnis, das die Aufklärung mit dem Mythos verbindet?
    Die Zwei-Kinder-Familien stehen unter dem Rentabilitätsbann, die Kinder in diesen Familien unter dem Bann der intentio recta (der Unfähigkeit zur Reflexion). Die Konstellation insgesamt ist der genaueste Ausdruck der moralischen Proletarisierung des Mittelstandes.
    Moral als Instrument des Wegsehens (der Brief von Antje Vollmer/Felix Ensslin): Das moralische Urteil rückt den Urteilenden in die Position dessen, der über der Sache steht und deshalb der Pflicht sich entbunden fühlt, sich in die Sache einzulassen.
    Die hethitische Sprache kennt kein Femininum: Sie ist die Sprache des Staubes (den Adam produziert und die Schlange frißt). Hat nicht Christina von Braun („Nicht-Ich“) den Nachweis erbracht, daß die logozentrische Sprachlogik an diesem hethitischen Erbe teilhat?
    Gilt die Warnung in der Johannes-Offenbarung vor denen, die „die Tiefen des Satans erforschen“ (224), der theologischen Rezeption des Weltbegriffs (dem daraus hervorgegangenen Konstrukt der creatio mundi ex nihilo, in dem das gnostische Erbe in der Theologie fortlebt)? Ist darin nicht schon die Warnung vor der Theologie hinter dem Rücken Gottes enthalten?

  • 7.3.96

    Wer den Terrorismus aufarbeiten will, muß den Schrecken aufarbeiten, aus dem er hervorgegangen ist. Auf keinen Fall aber sollte man die Urheber des Schreckens zu Richtern über ihre Opfer machen. Spielt hier nicht der Modernisierungsprozeß, der der Faschismus auch war, mit herein: Was im Faschismus naturwüchsig war (das „gesunde Volksempfinden“), ist zu einem technischen Instrument geworden: zum Rechtspositivismus.
    Ist nicht die gegenwärtige ökonomische Entwicklung die höhnische Verwirklichung dessen, was Marx einmal intendiert hatte. Auch die Privatisierung ist eine Form der Vergesellschaftung. Der Staat ist längst abgestorben, er weiß es nur noch nicht: er verrottet und verfault.
    Die Erfahrung, aus der der verzweifelte Genius der Kritischen Theorie hervorgegangen ist, daß nämlich das Proletariat nicht mehr das Subjekt der Revolution ist – eine Erfahrung, die bis zu Marcuse die Reflexion durchzieht und beherrscht -, gründet in diesem Sachverhalt. Sie hängt zusammen damit, daß die subjektlose Form der Vergesellschaftung der Produktionsmittel Teil einer allgemeinen Proletarisierung ist: Auch die, die an den Hebeln der Macht sitzen, sind Lohnabhängige. Die Ökonomie ist der Feuerofen, in dem die Barmherzigkeit verbrennt; und das Leiden daran wird solange der Grund des Faschismus bleiben, wie es sich nicht selbst begreift, wie es nur den Weg der projektiven Verarbeitung kennt.
    Georg Büchners Frage: Was ist das, was in uns mordet, stiehlt, hurt und lügt, drückt das aufs genaueste aus. Gibt es noch eine Möglichkeit, dieses Marionettenspiel, in dem wir nur noch Puppen in den Händen und an den Fäden einer subjektlosen Regie sind, zu begreifen?
    Der strafrechtliche Tatbestand des Mords läßt sich aus dem mosaischen Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht ableiten. Der Mord ist kein Tat-, sondern ein Täterdelikt: Strafrechtlich verfolgt wird der Mörder, nicht der Mord, verfolgt wird die Person, die sich ein Recht anmaßt, das der Staat als sein eigenes begreift und um keinen Preis aufgeben kann, an dem er sein Monopol nicht aufgeben will und auch nicht kann: das Recht zu töten. Der biblische Gründungsakt des Staates ist der Brudermord Kains an Abel. Jürgen Ebach hat darauf hingewiesen, daß der Fluch „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“ ein sprachliches Echo hat in der Jotham-Fabel, in der Charakterisierung der „wurzellosen“ Königsherrschaft „Soll ich … hingehen, über den Bäumen zu schweben?“ (J.Ebach: Ursprung und Ziel, S. 59) Kain ist der Gründer der ersten Stadt, der er den Namen seines Erstgeborenen (Henoch!) gibt (Gen 417), während zur Zeit, da der Erstgeborene Seths geboren wurde, erstmals der Name Gottes angerufen wird (Gen 426).
    War das Ziel des historischen Objektivationsprozesses die Neutralisierung der Prophetie (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Neutralisierung der vergangenen Zukunft)? Ist der Historismus aufgrund seiner eigenen Logik antisemitisch?
    Der Begriff der Gesinnung gehört zu Bekenntnislogik; jede Gesinnung ist nationalistisch (wohlgesonnen ist in allem das Gegenteil von national gesinnt).
    Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang von Sonne und Sinn (gesonnen/gesinnt, Sinnlichkeit)? Ist die Feminisierung der Sonne im Deutschen in dieser sprachlichen Konstellation begründet (Reflex des männlich-heroischen Sinns)?
    Ist nicht die Suche nach dem Sinn der Versuch, der zweiten Natur eine Sonne einzubilden? Der Sinn lebt (wie die Gesinnung) von der Bekenntnislogik, die ebenso zwangshaft wie vergeblich versucht, sich als Zentrum zu etablieren.
    Hat das lateinische sol etwas mit solus zu tun; welche Wurzeln hat helios; steckt im hebräischen schemesch schem, der Name? Und gibt es neben Sonne/Sinn auch die Beziehung von Sonne und Sohn (vgl. im Englischen son und sun, aber auch sin, die Sünde)?

  • 6.3.96

    Zum Feuer vgl., was im Jakobus-Brief über die Zunge gesagt wird. Hat das paulinische Zungenreden etwas damit zu tun?
    Das Feuer, auf das Jesus sich bezieht (das Feuer vom Himmel, von dem er wollte, es brennte schon), ist das Feuer der Selbsterfahrung im Jüngsten Gericht.
    Hat das apokalyptische Wort vom Himmel, der wie ein Buch sich aufrollt, etwas mit der Buchrolle zu tun, die Johannes essen soll, und sie war im Munde süß und im Magen bitter?
    Der Name Gottes (die Heiligung des Namens) verleiht der Sprache Erkenntniskraft.
    Zu den größten Versuchungen gehört, ähnlich wie das Selbstmitleid, die Verbitterung (ein Folgeeffekt der Verurteilung). Hat nicht das Bittere, das sowohl in der Erbitterung wie auch in der Verbitterung steckt, etwas mit der Bitte zu tun? Die Erbitterung ist im Hinblick auf das Ziel unerbittlich, die Verbitterung im Hinblick aufs Urteil (das Strafrecht ist das Instrument der Verbitterung des Staates). Jesus zufolge ist der Vater nicht unerbittlich (welcher Vater gibt anstelle des Brots einen Stein, anstelle des Fischs eine Schlange?).
    Ds Inertialsystem ist die unerbittliche Verbitterung gegen die Natur.
    Hängt die Sprache (der Schall) nicht sogar physikalisch mit dem Feuer zusammen (bezeichnet das Feuer die Grenze zwischen dem Schall und dem Licht)?
    Hat das Wort von der Buchrolle, die im Munde süß und im Magen bitter sein wird, etwas mit der Eucharistie zu tun?
    Bezieht sich die Versuchung auf den Zinnen des Tempels (die zweite bei Mt, die dritte bei Lk) nicht auch auf einen sprachlichen Sachverhalt? Wer die Dinge von oben (im Lichte des Begriffs) sieht, stürzt in einer Welt, die alles ist, was der Fall ist, mit ihnen herab, ohne daß ein Engel ihn auffängt. Ist es nicht diese Sprache, die Gott versucht; und ist diese Versuchung nicht die des Sehens, ist das Sehen nicht der Blick von der Zinne des Tempels und das Herabstürzen in eins? – Haben nicht alle drei Versuchungen mit der Beziehung von Sehen und Hören zu tun?
    Die drei Versuchungen (Mt 41ff):
    – Als ihn nach vierzig Tagen hungerte, trat der Versucher an ihn heran: Wenn du Gottes Sohn bist, so mache, daß diese Steine Brot werden. – „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.“
    – Nimmt ihn mit in die heilige Stadt, auf die Zinne des Tempels: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich hinab. „Er hat seinen Engeln befohlen, die auf Händen zu tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ – „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
    – Auf einen sehr hohen Berg, zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. – „Hinweg Satan. Du sollst den Herrn, deinen Gott, allein anbeten und ihm allein dienen.“
    Da verläßt ihn der Teufel; und siehe, Engel traten herzu und dienten ihm.
    (Mk 112f):
    Und er wurde in der Wüste vierzig Tage vom Satan versucht; und er war bei den Tieren, und die Engel dienten ihm.
    (Lk 41ff):
    Wie Mt, nur Austausch der 2. und 3. Versuchung. „Und nachdem der Teufel alle Versuchungen vollendet hatte, stand er von ihm ab bis zu gelegener Zeit.“

  • 5.3.96

    Der Indikativ, das Wissen und die Gewalt: Gestern gab Birgit Hogefeld zu den Pressemeldungen über den suspendierten BKA-Beamten, der gegen das BKA den Verworf erhoben hat, Akten, die Klaus Steinmetz belastet und Birgit Hogefeld entlastet haben sollen, unterdrückt und vernichtet zu haben, eine Erklärung ab, die sehr deutlich von ihren bisherigen Prozeßerklärungen sich unterschied. Zum erstenmal war, so mein Eindruck, so etwas wie ein RAF-Ton zu vernehmen. Während ihre bisherigen Erklärungen vorrangig ihre eigenen Motive (weshalb sie sich der RAF angeschlossen hat) und Positionen (Verurteilung der Ermordung des GI’s Pimental) zum Gegenstand hatten und in der Sprache der Reflexion vorgetragen wurden, versuchte sie hier, die in den Pressemitteilungen bekanntgewordenen Fakten einzuordnen und zu interpretieren, das jedoch in der Sprache des Indikativs, in einem Ton, der nach außen „Wissen“ demonstrierte, in einer Sprache, die leicht als Echo der Sprache des Staatsanwalts sich identifizieren ließ. (Dieser staatsanwaltliche Indikativ ist reflexionslos, er bricht den Dialog ab, läßt nur noch den Weg der Gewalt offen, der „Bestrafung“.) Steht diese Änderung des Tons in Zusammenhang mit dem Besuch von Antje Vollmer, war sie die Reaktion auf den Senatsbeschluß zur Verlegung von Monika Haas in ein Gefängniskrankenhaus? Vgl. hierzu die Ankündigung eines Hungerstreiks, gemeinsam mit Eva Haule.
    Staatsschutzprozesse, Verwaltungsentscheidungen, der Indikativ und die RAF: Sind die sprachlichen Formen, in denen sie sich ausdrücken, nicht allesamt Formen des „kurzen Prozesses“: des Verzichts auf Reflexion, des bestimmenden Urteils (des synthetischen Urteils apriori)? In jedem Falle ist der, über den das Urteil, die Entscheidung ergeht, bloßes Objekt. Das „Wissen“, das in diesen Sprachformen sich ausdrückt (und das den gleichen logischen Anspruch erhebt wie die wissenschaftliche Erkenntnis, in deren logischen Kontext auch das Dogma gehört), läßt grundsätzlich keinen Einspruch mehr zu.
    Ist nicht das Konstrukt des stellvertretenden Opfers das logische Modell eines Staates, der seinen Bürgern (in den Kasernen, Knästen, Irrenhäusern und Schulen) die Drecksarbeit abnimmt? Wenn der Staat für Ordnung sorgt und durchgreift, kann der Bürger in seinem privaten Bereich verständnisvoll und voller Mitleid sein. Nur daß es auch wiederum Bürger sind, die für den Staat die Drecksarbeit tun, für die der Staat dann allerdings die Verantwortung übernimmt, wobei er zugleich diese Bürger vor dem Vorwurf in Schutz nimmt, ihre Arbeit sei Drecksarbeit. Dafür erwartet er dann ihren Dank. Der Staat ist das Instrument der Vergesellschaftung einer Sündenvergebung, die der Reue und der Umkehr nicht mehr bedarf (der apriorischen „Rechtfertigung“ der Sünde, die in seinem Namen getan wird).
    Ist das Sklavenhaus Ägypten nicht auch der Eisenschmelzofen (Dt 420, 1 Kön 851, Jer 114, vgl. auch Ez 2220), und sind dem nicht die subjektiven Formen der Anschauung vergleichbar, die den Indikativ erzwingen?
    Der RAF-Ton ist der verbitterte Indikativ, aber ist nicht die Verbitterung von der Erbitterung zu unterscheiden? Erbittert ist, wer am Ziel festhält und sich dabei nicht verbittern läßt. Der Verbitterte hat schon kapituliert.
    Der „Glaube an das Gute im Menschen“ ist naiv, er wäre zu ersetzen durch die Lehre vom Feuer (vgl. den Eisenschmelzofen).
    Ist nicht das Bekenntnis des Namens das christliche Äquivalent des Tempels: der das Haus des Namens Gottes war? Das reale Bekenntnis des Namens ist die Nachfolge, die in den Bereich hineinreicht, den die Theologie seit je ausgeblendet hat. Ist nicht das Dogma das Instrument dieser Ausblendung (der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Früchte trägt)?
    Die Theologie im Angesicht Gottes zielt ab auf die Heiligung des Namens, sie holt das Feuer vom Himmel, von dem er wollte, es brennte schon.
    Es ist schlimm, aber der Indikativ der RAF ist die Fortsetzung des Stammtischs mit anderen Mitteln: die Anwendung des Vorurteils, das seit je terroristisch war, auf die Quelle des Vorurteils, den Staat.
    Der Indikativ ist die Sprache der Verbitterung; verbittert aber wird, wer an dem Schmerz der Erbitterung verzweifelt.
    Die Kopenhagener Schule hat die moderne Physik wieder in den Indikativ (in die Herrschaftsform des Inertialsystems) zurückübersetzt, sie braucht die Gewißheit, sie scheut das Feuer. War nicht Weizsäckers Theorie der Energieerzeugung in der Sonne das Werk eines Staatsanwalts? Und stehen nicht alle physikalischen Theorien mit kosmologischem Anspruch seitdem in dieser Tradition (der Urknall, die schwarzen Löcher, das „expandierende Weltall“)?
    „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht runken ist“: Die dogmatische Tradition, die bis in die modernen Naturwissenschaften hineinreicht, verdrängt diesen Taumel, sie verdrängt ihn nach innen, sie verwirrt. Die Flucht vor dieser Verwirrung endete im Positivismus. So hängen der Indikativ des Anklägers und die diabolische Verwirrung (der Taumelkelch) mit einander zusammen.
    Lassen sich Strafprozesse nicht danach unterscheiden, wem jeweils Narrenfreiheit gewährt wird? In RAF-Prozesse sind es die Ankläger, während im Auschwitzprozeß die Verteidiger dieses „Privileg“ hatten.
    Die Unterscheidung der Narrenfreiheit des Anklägers (im RAF-Prozeß) von der des Verteidigers (im Auschwitz-Prozeß) hat etwas mit der Unterscheidung von Satan und Teufel zu tun. Und gründen nicht beide Formen der „Narrenfreiheit“ im logischen Problem des Beweises, sind nicht beide Instrumentalisierungen des Verfahrens der Beweisumkehr?
    Läßt sich der Indikativ (und mit ihm die sprachlogische Form der indoeuropäischen Grammatik insgesamt, insbesondere das Neutrum und der Kernbestand der indoeuropäischen Formen der Konjugation, das Präsens und das Präteritum) nicht als Instrumentalisierung des Verfahrens der Beweisumkehr begreifen? Und ist das nicht die sprachlogische Wirkung der subjektiven Formen der Anschauung, die erstmals Kant in der Antinomie der reinen Vernunft ins Licht gehoben hat? Ist diese Beweisumkehr nicht der innere Motor des Taumels (das Gesetz der Beziehung von Begriff und Gegenstand unter der Herrschaft der subjektiven Formen der Anschauung, das sprachlogische Wertgesetz)?
    Blut und Boden: Als Kant die Achtung vor dem Geld aus der Vorstellung, was man damit machen könnte, ableitete, war das Geld noch in erster Linie ein Produktionsmittel, aber nur in Ansätzen eines der Subsistenz; dazu ist es erst in unserer Zeit geworden. Heute ist aus dem Fundament, auf das die Menschen einmal ihr Haus gebaut haben, der Schlund geworden, der sie verschlingt. War der Faschismus, und war insbesondere Auschwitz nicht der Versuch der projektiven Verarbeitung dieser Erfahrung?
    Steckt in der kantischen Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises (in dem Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Geld in meinem Beutel und dem nur gedachten Geld) nicht schon eine Ahnung des ökonomischen Bruchs, der in seiner Philosophie bewußtlos (als Erkenntniskritik) sich ausdrückt?

  • 2.3.96

    Der Positivismus, der nicht nur eine „Richtung“ in der Philosophie, sondern die herrschende Tendenz des Wissenschaftsbetriebs heute insgesamt bezeichnet, ist das Instrument der Rückbildung der organisierten Erkenntnis ins Anorganische. Schlimm ist nicht diese Rückbildung, sondern die Unfähigkeit ihrer Reflexion. Genau dadurch aber unterscheidet sich beispielsweise Mach (und auch wiederum Wittgenstein) vom Wiener Kreis, daß sie ernsthaft daran sich abgearbeitet haben, den Vorgang bewußt zu machen, während der Wiener Kreis sich offensichtlich gern als Kommandoebene des Positivismus etabliert hätte. Gleicht er darin nicht der Intention und der Funktion des Neoliberalismus in der Ökonomie? Hier liegt nicht die Wurzel des „Kausalitätsproblems“: Als Apologet des kapitalistisch organisierten Eigeninteresses, in dessen eingeschränktem Wahrnehmungsfeld er selbstverständlich von der Geltung des Kausalprinzips ausgehen muß, muß er, um das hypostasierte Eigeninteresse irritationsfrei zu halten, zugleich versuchen, die Anwendung des Kausalprinzips auf die Erkenntnis der objektiven, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Folgen des Handelns zu unterbinden, was am einfachsten durch Verschiebung von der Ökonomie auf die Physik, die ohnehin zur Metaphysik der Ökonomie geworden ist, möglich ist (die Vernebelung der ersten Natur macht auch die zweite unsichtbar, wobei als sicherstes Mittel der Vernebelung immer noch die Verdinglichung logischer Sachverhalte sich erweist).
    Verwaltung gründet in der Umformung von Exkulpationsmechanismen in Handlungsmechanismen. Sie liefert das Modell subjektlosen Handelns: Man tut seine Pflicht, weiß aber nicht mehr, was man tut.
    Definition der Verwaltung: Der Bock als Gärtner.
    „Leistung muß sich wieder lohnen“: Die Kehrseite des staatlichen Sparzwangs, der neben dem Sozialbereich insbesondere die Verwaltung trifft, ist der unaufhaltsame Verschwendungstrieb derer, die davon profitieren. Dort, wo die Leistung nur noch am Verdienst gemessen wird, sind die Besserverdienenden eo ipso auch die Leistungsträger (auch ein Problem der Beweislogik).
    Das unterscheidet den Gehorsamen vom Hörenden, daß der Gehorsame die Verantwortung an den Herrn abgegeben hat: an das blinde Gesetz, das die Welt beherrscht, während der Hörende sein Handeln in die eigene Verantwortung übernimmt.
    Das Schuldverschubsystem ist das Resultat des widersinnigen Versuchs, Barmherzigkeit zu delegieren. Barmherzigkeit ist die Substanz der Autonomie, sie ist grundsätzlich nicht delegierbar.
    Der Beleidigte bleibt in die Infantilität gebannt: Er glaubt an die Kraft des Liebensentzugs.
    Das kopernikanische System ist der kosmische Reflex (und die kosmische Legitimation) des Selbsterhaltungsprinzips und der staatlich organisierten Gesellschaft von Privateigentümern (aus der das Proletariat definitionsgemäß herausfällt).
    „Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Den ersten Teil dieses Satze zitiert auch Jesus (Mt 2322) in einem gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gerichteten Text über das Schwören (das Schwören beim Tempel, beim Altar, beim Himmel).
    Kant hat den Raum als subjektive Form der äußeren Anschauung definiert, Hegel hat diesen Begriff zugespitzt zur Form der Äußerlichkeit. Darin drückt sich der logische Sachverhalt aus, daß alles Räumliche dem Gesetz des Seins für Andere(s) unterworfen ist. Der räumliche Punkt ist das Bild des Objekts: Indem ich eine Sache objektiviere, mache ich sie zu einem Sein für Andere.
    Adjektiv (that’s the question): Habermas hat in dem falsch zitierten Adorno-Wort „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“, das vom Original nur durch das Adjektiv „gequält“ sich unterscheidet, das Wort insgesamt verfälscht. Das Adjektiv, indem es dem Objekt eine Eigenschaft beilegt, objektiviert und verdinglicht das Objekt. Erst durch ihre (in den indoeuropäischen Sprachen entfaltete) Steigerungsfähigkeit wird das Adjektiv zum Adjektiv, gewinnt es seine grammatische, die Sprachlogik verändernde Funktion. (Vgl. das tob meod im Hebräischen, das „gut, gar sehr“, und die Rosenzweigsche Bemerkung hierzu, aber auch die merkwürdige Tatsache, daß die Steigerung des Adjektivs „gut“ (und welcher anderen in welchen Sprachen?) in den indoeuropäischen Sprachen von der allgemeinen Steigerungs-Regel abweicht, für die Steigerungsformen neue Stammformen (gut, besser, am besten) genommen werden; vgl. hierzu auch das Problem des Neutrums, seinen Ursprung im Fragepronomen <das keine geschlechtliche Unterscheidung, nur die von Person und Sache kennt, eine Unterscheidung, die im Hebräischen auf den Namen des Himmels verweist> und die hethitische, an die Logik des Fragepronomens anschließende Zwischenstufe der grammatischen Genus-Regelung, die ebenfalls nur die Unterscheidung von Person und Sache kennt (ohne Trennung von Männlichem und Weiblichem): gibt es Steigerungsformen im Hethitischen; wie verhält es sich mit den Personalpronomina – auch im Hebräischen? Wo entspringt das „Wie“, der mit der Steigerung sprachlogisch verbundene Vergleich, der im Deutschen an die weibliche Form des bestimmten Artikels <an das „die“, so wie Wer an „der“ und Was an „das“> erinnert? – Vgl. hierzu die Hypostasierung der Frage im Begriff der Judenfrage, der Seinsfrage, schließlich der Frage überhaupt, die bei Heidegger gleichsam durch Redundanz zum Grund der Eigentlichkeit metaphysisch aufgeladen wird: Ist „die Frage“ die letzte Gestalt des Wassers, mit dem die Philosophie einmal begonnen hat? Sind die Seinsfrage, die Judenfrage, die Frauenfrage u.ä. die schwarzen Löcher der Grammatik?).
    Wie verhält sich die Frage zu den sprachlogischen Formen der Konjugation (zu den Dimensionen der Zeit, zur Abtrennung des Handelns vom Subjekt)? Wie verhalten sich Frage und Problem? Was bedeutet der Ursprung des Wissens für die Geschichte des Begriffs der Frage? In welche Engführung bringt der Weltbegriff den Begriff der Frage? Wodurch unterscheiden sich Frage und Problem (Antwort und Lösung), und wie verhalten sich das Binden und Lösen zu Frage und Problem?

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie