Haben die Könige von Edom (Gen 36) etwas mit den zehn Hörnern des Drachens und des Tieres aus dem Meer zu tun?
Das Substantiv wird die Selbstzerstörung der Sprache besiegeln.
Kann es sein, daß die Deklinationen einmal Grundlage astrologischer Spekulationen waren? Wären dann nicht Ablativ und Instrumentalis sprachlogische Repräsentanten der Sonne und des Mondes (so wie Jupiter und Mars dem Nominativ und Akkusativ, Venus und Merkur dem Genitiv und Dativ und der Saturn dem Vokativ entsprechen)? Hat die Geschlechtsumwidmung von Sonne und Mond im Deutschen etwas mit dem Unzuchtsbecher zu tun?
Die heute üblichen Grammatiken verhalten sich zur Sprache wie die katholische Liturgiewissenschaft zum Ritus: Beide verhalten sich zu ihren Objekten wie zu einem Stück Natur; sie abstrahieren von der Ursprungsgeschichte ihrer Objekte und verwischen deren Spuren.
Die griechische Sprache ist eine präimperiale und eine prädogmatische Sprache, während die lateinische imperial und dogmatisch ist (griechisch ist die heilige Sprache der Evangelien, lateinisch die des Dogmas). War nicht Cicero ein Augur, bevor er Rhetor und Philosoph wurde, und gehört seine Biographie nicht in die Vorgeschichte der „Enteignung der Wahrsager“ (M. Th. Fögen), der caesarischen Aufklärung? Es ist sprachlogisch und sprachgeschichtlich nicht unerheblich, daß auch Caesar die lateinische Sprache geformt hat, daß Marc Aurel ein Philosoph auf dem Kaiserthron war, und daß Konstantin den dogmatischen Prozeß durch das homousia besiegelt hat (wenn dagegen der Kaiser Wilhelm, der Gröfaz und der Kanzler Kohl die reinen Popanze sind, so verweist das auf ökonomische Selbstdestruktion des Politischen; es hatte objektive Gründe, daß Carl Schmitt den Begriff der Souveränität nicht zu retten vermochte: der Gott seiner politischen Theologie war die Ökonomie; eigentlich war schon der Absolutismus des Barock ein letzter Versuch, die verlorene Souveränität dezisionistisch zu retten).
Die Ich-Schwäche, die die Medien (und als deren Gehilfen die Philosophen heute) durch Ausbeutung verstärken, läßt nur durch Reflexion sich lösen. Reflexion von Herrschaft, heißt das nicht, Empörung, anstatt sie als Ventil zu mißbrauchen, zu einem Organ der Erkenntnis zu machen?
Sprache
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1.3.96
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29.2.96
Das kopernikanische System ist die Mühle, die den Kosmos zu Staub zermahlen hat.
In den neutestamentlichen Berichten vom Letzten Abendmahl ist beim Wein jeweils auch vom Kelch die Rede. Der Unterschied zwischen den Evangelien und dem 1. Korinther-Brief liegt in der Beziehung zur Zeit: Während die Evangelien auf die Zukunft (auf die Erfüllung im Reiche Gottes) verweisen, rückt Paulus den Kelch ins Vergangene („das tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis“). Steht Paulus unter dem Bann der Logik der Schrift? Die Wandlungsworte im katholischen Meßopfer zitieren den Paulus: Bezeichnet das Wort „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ schon die Differenz zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Worts?
Vgl. aber die unverständlichen Stellen Joh 622ff, die in dem Satz enden: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt …“ (654). Was heißt hier „Essen“ und „Trinken“?
Der Pharisäismus, für den der Feigenbaum steht, ist mit der Bekenntnislogik in die Theologie eingedrungen und mit der Rechtfertigungslehre vergesellschaftet worden. (Jesu Kritik des Pharisäismus meint nicht die Diskriminierung der Pharisäer, sondern dringt auf die Erfüllung des Worts.)
Das Organische (der Staat) ist gegenüber dem Anorganischen (der Ökonomie) nicht das Bessere, sondern es steht, in der zweiten wie auch in der ersten Natur, selber unter dem Bann des Anorganischen, an dem es seine materielle Grundlage hat. Beide stehen unter dem gleichen Gesetz der Selbsterhaltung.
„Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet“: Beginnen nicht die Weltalter Schellings mit einem klassischen Freudschen Versprecher?
Verweist das Hethitische auf eine frühe Stufe der Neutrumsbildung, in der das Neutrum auch die grammatische Widerspiegelung der Geschlechterdifferenz neutralisiert, sie in den (juristischen, staatslogischen) Gegensatz von Person und Sache bannt? Schlägt hier nicht die überwältigende Logik des entstehenden Staates in die Sprache durch? Ist es vor diesem Hintergrund nicht doch von Bedeutung, daß Salomo der Sohn einer Hethiterin ist?
Hat die Geschichte der Vertreibung der „Käufer und Verkäufer“ aus dem Tempel (die Befreiung der Idee des Heiligen aus der Herrschaft des Tauschprinzips) etwas mit der Preisgabe des Vorhofs des Tempels an die Heiden (die Völker) zu tun (Off 112)?
Waren nicht Horkheimer und Adorno zwei Zeugen des Nationalsozialismus, die, wenn ihre Philosophie wirklich eine geworden wäre, die Einigung des Gottesnamens erreicht hätten?
Genitiv und Dativ: Während Horkheimer wie einer wirkte, der der Last, die ihn niederdrückte, die Reflexion, seinen unbeugsamen Erkenntniswillen entgegensetzte (und der gelegentlich auch etwas von der Störrischkeit eines Esels hatte), war Adorno wie einer, der seine Lebendigkeit an der Freude hatte, mit der er die kostbarsten Einsichten aus dem Schatz seiner Erkenntnis hervorholen durfte. Adorno beschenkte die Welt, Horkheimer nahm der Welt, gelegentlich widerwillig, die Last ab, indem er sie beim Namen nannte.
Hat die Zahl vierzig, die auf die Wüste (im Exodus und beim Aufenthalt Jesu in der Wüste, vor den drei Versuchungen) sich bezieht, etwas mit den zehn Hörnern des Drachens und des Tiers aus dem Meer zu tun (der Drache hat die Kronen auf seinen sieben Köpfen, das Tier auf den zehn Hörnern, während seine Köpfe gotteslästerliche Namen tragen; der Drache ist der Gegenspieler des Weibes mit dem Kind; die Hure Babylon sitzt auf dem Tier aus dem Meer)? – Kann es sein, daß die Zahl zehn (die Zahl der Hörner, die die Macht verkörpern) in der Zahl vierzig auf die vier Weltgegenden sich erstreckt: auf die Verwüstung der die Welt durchdringenden Ökonomie?
Mit ihrer newtonschen Begründung hat die kopernikanische Theorie die Gravitation ins Zentrum gerückt. Seitdem ist die Welt alles, was der Fall ist, sind die Schwerpunkte (die räumlichen Punkte, die Schnittpunkte der Dimensionen des Raumes) Bilder des Objekts.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Ist die Nacktheit das optische Korrelat des Schwerpunkts? Der Nackte erfährt sich im Blick der Anderen, als Schnittpunkt dieses allgemeinen Blicks (vgl. die Augen der Wesen in der Vision Ezechiels). Scham ist der Versuch, diesem Blick sich zu entziehen, sich unsichtbar zu machen, im Erdboden zu versinken.
Gehört die Reflexion der Beziehung des Sehens zur Schwere zu den Grundlagen einer Theorie des Feuers (Ableitung des Planckschen Strahlungsgesetzes, des Begriffs der Strahlung insgesamt)?
Schwarzer Körper: Im Planckschen Strahlungsgesetz sind die unterschiedlichen Beziehungen der thermischen Bewegung und der Strahlung zum Raum und zueinander und die Abhängigkeit dieser Beziehungen vom Energieinhalt zu bestimmen (die wechselseitige Abhängigkeit von Temperatur, Frequenz und Energie). -
27.2.96
Der „zwanglose Zwang des Arguments“ ist nicht identisch mit der Einsicht. Die Zweideutigkeit des Begriffs des „zwanglosen Zwangs des Arguments“ rührt daher, daß er als petitio principii die Zustimmung des Andern in Begriffen wie Intersubjektivität oder Konsens schon voraussetzt.
Liegt nicht das Problem der Beweislogik, das der kantischen Antinomie der reinen Vernunft (und seiner Analyse der „apagogischen Urteile“) zu entnehmen ist, in der Levinasschen Asymmetrie? Die Leugnung dieser Asymmetrie macht die Beherrschten stumm und die Herrschenden zu apriorischen Siegern.
Wer die Einsicht, weil sie der demokratischen Kontrolle sich nicht fügt, als privilegierte Form der Erkenntnis diskriminiert, fördert die Gemeinheit, macht das Herrendenken alternativlos.
Modell der transzendentalen Logik waren der christliche Antijuduaismus und sein Erbe, der politische Antisemitismus. Die Juden waren das erste – aufs transzendentallogisch umgeformte prophetische Urteil bezogene – apriorische Objekt. Nur durch die apriorische Beziehung auf die Juden, die mit dem Konstrukt einer „Erfüllung der Prophetie“ in Jesus systemlogisch zusammenhängt, ließ die Prophetie sich neutralisieren, war das Christentum apriori gegen die prophetische Kritik gefeit (vgl. auch die merkwürdige Konvergenz dieser Systemlogik mit der sprachlogischen Differenz zwischen der hebräischen und den indoeuropäischen Sprachen!). Der Antisemitismus war seit je ein Mittel, das Gebot und seine prophetische, herrschaftskritische Entfaltung zu neutralisieren. Der Preis waren das Dogma und die Bekenntnislogik (zusammen mit der Historisierung der prophetischen Bücher).
Seit wann wird in christlichen Übersetzungen der Schrift Völker mit Heiden übersetzt? Hiermit hat sich das Christentum endgültig aus der Zone der prophetischen Kritik herausgeschlichen (und zugleich den Antisemitismus stabilisiert).
Begründet nicht der Antijudaismus die Theologie hinter dem Rücken Gottes, der Antisemitismus aber darüber hinaus sowohl die Naturwissenschaften als auch den Historismus, den Objektivierungsprozeß insgesamt? In dieser Konstellation erweist sich die Trinitätslehre als eine Vorstufe der subjektiven Formen der Anschauung, mit der sie systemlogisch über das Konstrukt der Rechtfertigungslehre (die Wurzel des Pharisäismus in der christlichen Theologie) zusammenhängt.
Die transzendentale Logik ist eine projektive Rechtfertigungslogik, darin gründet ihre apriorische Konstruktion.
Ist nicht das Dogma ein riesiges kontrafaktisches Urteil (und wie dieses der Schatten oder der Preis der Objektivierung)?
Lassen die Zahlen 666 (18×37) oder 616 (8x7x11) sich auf Paulus/Saulus beziehen? -
24.2.96
Hängt das Multizentrische des Organischen mit den realsymbolischen Beziehungen der Richtungen im Raum zusammen, mit dem Rechts und Links, dem Vorn und Hinten, dem Oben und Unten?
… Erde und Himmel werden vor seinem Angesicht fliehen, „und keine Stätte wurde für sie gefunden“ (Off 2011).
„Wenn aber dies zu geschehen anfängt, so richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung naht“ (Lk 2128).
Die Gesellschaft ist kein schuldfähiges Subjekt, und Gesellschaftskritik zielt nicht auf die Verurteilung der Gesellschaft.
Gibt es auch nur einen Hinweis darauf, daß eine der frühen christlichen Hausgemeinden von einem Mann geleitet worden ist? Sind nicht die männlichen Leitungsfunktionen (Bischöfe und Priester) erst später entstanden, und waren sie nicht insgesamt öffentlichkeitsbezogen (und so in die Logik des Weltbegriffs verstrickt)? Sind nicht die frühen, von Frauen geleiteten Hausgemeinden die einzig legitimen Orte des Brotbrechens, der Eucharistie, der Einspruch gegen die pharaonische Tradition (gegen die Tradition des „großen Hauses“, des Sklavenhauses), der Einspruch gegen den politisch organisierten Oikos, die politische Ökonomie?
Sind nicht politische Ökonomie und politische Theologie invers aufeinander bezogen?
Liegt nicht der Unterschied zwischen „nach seinem Bild“ und „nach dem Bilde Gottes“ (Gen 127) in der Differenz zwischen dem Possessivpronomen und dem Namen: in dem zwischen einer Herrschafts- und Eigentumsbeziehung und der Sprache? Und ist das nicht der Unterschied zwischen dem Hinter dem Rücken und dem Angesicht (gilt der Schöpfungsrhythmus von Katastrophe und Rettung auch fürs Christentum, und hat das Christentum nicht die bis heute prolongierte Katastrophe als Rettung mißverstanden; ist nicht der christliche Begriff der Erlösung ein Deckname dieser Katastrophe)?
Läßt sich der Gottesname JHWH nicht auch als „Ich, der und der“, als erste Person singularis mit dem doppelten demonstrativen H, übersetzen? Ist nicht das Lachen (wie auch das Sehen) der subjektlose Gott: der Unbarmherzige, das strenge Gericht? (Ersetzen nicht das Lachen und das Sehen die Sprache durch den Raum?)
Der bestimmte Artikel, das Lachen und der subjektlose Gott (der hebräische Artikel, die Deklination des bestimmten Artikels in der griechischen und in der deutschen Sprache, der Ursprung der Theorie und der subjektiven Formen der Anschauung).
Der Zusammenhang des Lachens mit dem Objektivierungsprozeß läßt sich leicht an der Logik des Witzes demonstrieren. Zum Witz gehören drei: der, der den Witz erzählt, sein Objekt und die, die über den Witz lachen, das „Publikum“ (Anwendung auf die „subjektiven Formen der Anschauung“ oder aufs Fernsehen). Der Witz ist eine Vorurteils-Erzeugungs-Maschine. Das Lachen ratifiziert und besiegelt die Vergegenständlichung, und die Welt ist die Verkörperung des Gelächters, dem man, solange man es nicht durchschaut, ohnmächtig ausgeliefert ist und nur entgeht, indem man sich auf die Seite der Lachenden schlägt, sich mit der Welt gemein macht (durch Identifikation mit dem Aggressor).
Die subjektiven Formen der Anschauung, die mit der Abstraktion vom Blick der Andern sich konstituieren, sind dieses Gelächter, ihr objektives Korrelat ist der horror vacui.
Haben unter diesem Gelächter, das am Ende in den Begriffen und in den subjektiven Formen der Anschauung sich vergegenständlicht hat, der Himmel (dessen Name das Wasser und das Feuer in sich enthält), die Erde und der über den Wassern brütende Geist (die Luft) in die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer sich verwandelt? -
22.2.96
„Ist das Ihne Ihren Hund?“: An der Deklination des Personalpronomens (am Dativ und Genitiv 3. Pers. plural) läßt sich ablesen, daß der grammatische Adressat (der Dativ) aufs maskuline und der objektivierende Genitiv aufs feminine Geschlecht zurückgreift.
„Du sollst den Herrn, Deinen Gott, nicht versuchen!“ Wer ist gemeint mit dem Du: benennt Jesus sich selbst (als Adressaten des göttlichen Gebots), oder den Teufel, und damit dann aber sich selbst als den Herrn, seinen Gott (den Gott für den Teufel), den man nicht versuchen soll? Geht es um die Versuchung Jesu durch den Teufel, oder um die Versuchung Gottes durch Jesus? Hintergrund ist die Aufforderung des Teufels, Jesus solle sich von der Zinne des Tempels stürzen (Mt 45ff).
Jeder Indikativ ist ein (verdeckter oder offener) Imperativ. Jede Feststellung enthält einer Handlungsanweisung (sei es als „normative Kraft des Faktischen“ oder als Feststellung von materiellen Bedingungen, auf die das Handeln zu beziehen wäre). Die Trennung von Indikativ und Imperativ (Natur und Welt) erzeugt eine Sprache, in der Theologie nicht mehr möglich ist. Es ist die Sprache des Zuschauers, die die Erkenntnis zum Wissen depersonalisiert; sie steht unter dem Bann des Neutrums. Was mit hereinspielt, ist ein zeitliches Moment (das gleiche, das die indoeuropäische Sprachlogik konstituiert): die Trennung der Vergangenheit von der Gegenwart unterm Prinzip der Selbsterhaltung. Jedes Urteil, insbesondere jede Verurteilung, begründet die Macht der Vergangenheit über die Gegenwart, indem es das Vergangene verdrängt. Hier liegt die Differenz zwischen der geisteswissenschaftlichen „Einfühlung“, die immer in die Herrschenden, die Sieger, sich einfühlt, und der Erinnerungsarbeit, die die Sache der Beherrschten, der Besiegten, zu ihrer eigenen macht.
Sind wirklich „nicht-intendierte Folgen dem philosophischen Lehrer sowenig wie irgend einem anderen Autor, wie man sagt: subjektiv zuzurechnen“? (Habermas: Philosophisch-politische Profile, erweiterte Ausgabe, Frankfurt ’87, S. 19) Und was meint Habermas, wenn er anmerkt, daß „inzwischen …, ironischerweise vorbereitet durch sozialstrukturelle Umwälzungen, unterm Naziregime, die Bundesrepublik während der Rekonstruktionsperiode die Ungleichzeitigkeiten ihrer Entwicklung wettgemacht (hat) … Man hat immer noch eine magische Furcht es auszusprechen: wir leben heute in einem der sechs oder sieben liberalsten Staaten …“ (ebd. S. 24)? Diese Sätze stehen in einem Zusammenhang, der den Schluß nahezulegen scheint, die Philosophie müsse vielleicht doch endlich aus der „Fixierung an das zeitgeschichtliche Phänomen des Faschismus“ (S. 18) heraustreten.
Das Konzept des „herrschaftsfreien Diskurses“ und des „zwanglosen Zwangs des Arguments“ lebt von der Prämisse, daß die Wahrheit „beweisbar“, daß „Intersubjektivität“ ein Konstituens der Idee der Wahrheit sei. Unterm Bann des Positivismus aber laßt sich die Wahrheit einer Erkenntnis (eines „propositionalen Satzes“) von der Instrumentalisierung des Erkannten nicht mehr unterscheiden. Damit hängen die Probleme der Beweislogik (ein zentrales Motiv der Kritik der reinen Vernunft), die Habermas bloß verdrängt, zusammen. Ausdruck dieser Probleme ist u.a. der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist: Der Grund liegt darin, daß sie nicht beweisbar ist. In diesen Zusammenhang gehören die Fälle von Kameraderie bei Übergriffen durch die Polizei, die Erfahrung, daß, wer Opfer eines Übergriffs geworden ist, aber keine Zeugen hat, im Falle einer Anzeige mit einer Gegenanzeige rechnen muß. Die Logik dieses Verfahrens läßt als Instrumentalisierung der Logik, die Kant unter dem Titel „Antinomie der reinen Vernunft“ analysiert hat, sich begreifen. Auf der alleinigen Grundlage der Beweislogik lassen ungerechte Urteile in der Justiz und falsche Urteile in der Wissenschaft, wenn man die „privilegierte Erkenntnis“ des „eingebildeten Zeugen“ ausschließt, sich nicht vermeiden.
Die Historismus, die Objektivierung der Geschichte, rückt das Vergangene in eine Position, in der man unbehelligt vom Einspruch derer, die tot sind, darüber reden kann; das aber mit der Folge, daß man selber zum Opfer seinen eigenen Urteile wird. Ist das der Hintergrund der Übersetzung des Namens der Theologie mit der „Rede von Gott“?
Astrologie und Mythos sind das falsche Bewußtsein eines Problems, das mit Astrologie und Mythos selbst mit verdrängt worden ist. Hierauf bezieht sich der Satz, es komme darauf an, den Knoten, den Alexander durchschlagen hat, endlich zu lösen. -
16.2.96
Franz Rosenzweig hat einmal die Frage nach dem, was der modernen Technik in der antiken Welt entspricht, mit dem Hinweis auf die Rhetorik beantwortet. Der Instrumentalisierung der Dinge (der Natur) in der modernen Welt entspricht demnach die Instrumentalisierung der Sprachen in der alten: der Ursprung des Neutrum und Bindung der Konjugation der Verben an die Zeit. Hat nicht der Weltbegriff diese Instrumentalisierung der Sprachen (ihre grammatische Organisation und Entfaltung und ihre Reflexion) vollendet und besiegelt?
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15.2.96
Das Gewaltmonopol des Staates ersetzt den Begründungszwang staatlichen Handelns.
Die Vergesellschaftung des Proletariats, die Übertragung des Warencharakters auf alle ökonomisch Tätigen mit der daraus abgeleiteten Hierarchisierung der Waren (Luxusgüter und Wegwerfprodukte), enthält eine Bestimmung, die mit zu reflektieren ist: Die Proletarisierung derer, die oben sind, ist begleitet von einer explosiven Ausbreitung von Gemeinheit. Zugleich drückt in der Erscheinung ganzer Gruppen von Jugendlichen heute ein instinktiver Ekel vor denen sich aus, die dazu gehören, insbesondere vor denen, die oben sind; dazu gehört ein Bild, in dem die Selbsterfahrung des Punk sich ausdrückt, das Bild des angemalten Abfalls, zu dem als Symboltier nicht zufällig die Ratten gehören, die in der Realität die Müllhalden bevölkern.
Im Buch Josue erscheint die Lade beim Durchgang durch den Jordan, bei der Eroberung Jerichos und bei der Versammlung zwischen den Bergen Garizim und Ebal, bei der Verlesung des Segens und des Fluches aus dem Gesetzesbuch. Im Buch der Richter wird die Lade nur in der Geschichte des Kampfes gegen die Benjaminiten erwähnt, bei der Befragung des Herrn in Bethel – „dort befand sich nämlich zu jener Zeit die Bundeslade Gottes“ (Ri 2027).
Hegels Logik ist eine Entfaltung der transzendentalen Logik auf der Grundlage der Übertragung der Antinomien aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik. Ist nicht dadurch die transzendentale Ästhetik der Reflexion entzogen und zu einem Absoluten (zum blinden Fleck der Philosophie) geworden?
Verdankt sich nicht der Schein, seine Stellung in der Logik des Begriffs, jener Veränderung der Logik, die sich aus der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ergibt (aus der Objektivierung der Zeit, der gleichen Veränderung, der sich auch die Apriorisierung des Objektbegriffs verdankt)?
Im Namen erlischt der Schein, in der Kraft des Namens wird die Bodenlosigkeit des Begriffs aufgedeckt.
Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff, es ist mit diesem seinem Rechtsgrund dem Schuldzusammenhang verhaftet.
RAF-Prozesse unterscheiden sich von anderen Verfahren der Rechtsprechung vor allem durch die Verwandlungen des Angeklagten in den Feind und durch die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers. Diese Transformation ergibt sich zwanglos aus der kantischen Unterscheidung des reflektierenden vom bestimmenden Urteil (die in seinem Werk in der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft <der transzendentalen Logik> sich ausdrückt). Ist nicht der gesellschaftliche Grund dieser Differenz in der Unterscheidung von Verwaltung und Rechtsprechung vorgegeben? Verweisen nicht die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers und die Verwandlung des Angeklagten in den Feind (die Ausblendung seiner Subjektqualität und seine Reduzierung auf die Funktion des reinen Objekts) tatsächlich auf eine Tendenz der Angleichung der Rechtsprechung ans Verwaltungshandeln (entspricht nicht die tendentielle Ausschließung der Öffentlichkeit, die die Medien in vorauseilendem Gehorsam, gleichsam durch Identifikation mit dem Aggressor, inzwischen schon verinnerlicht haben, dem logischen Trieb zur Rückbildung des offenen Gerichtssaals in eine abgeschlossene Amtsstube)? Aber sind die Staatsschutzverfahren damit nicht der zwangsläufig unendliche, weil nie wirklich gelingende Versuch, aus dem reflektierenden ein bestimmendes Urteil zu machen (der Versuch der Konstruktion synthetischer Urteile apriori), aus dem prozessualen Recht ein Subsumtionsrecht, ein Verwaltungsrecht, zu machen? Staatsschutzprozesse sind keine Schauprozesse, deren Zeit ist abgelaufen.
Schließt das Subsumtionsrecht nicht die Umkehr der Beweislast mit ein?
Die Gesetzesbindung der Verwaltung begründet ein Recht ohne Öffentlichkeit (ein monologisches Verfahren der Urteilsfindung): Die verwaltete Welt ist das Korrelat der Wittgensteinschen Definition; diese Welt ist alles, was der Fall ist.
Führen nicht die Staatsschutzprozesse den realen Beweis, daß kommunikatives Handeln monologisch ist? Und ist nicht die Ausscheidung der Reflexion aus dem Urteil (im Konstrukt des propositionalen Satzes, dem grammatischen Grundelement der Linguistik) die zwangsläufige Folge eines Objektivitätsbegriffs, der neben der Information nur noch die Meinung, das unverbindliche Raisonnement, kennt (vgl. Habermas‘ Begriff der Öffentlichkeit)? Die Objektivität (die Welt) ist – nach dem Modell einer Natur, die auch ohne die Menschen da ist – zu einem festzementierten Konstrukt, zu einem Betonklotz, geworden, gegen den der Gedanke, die Sprache, die Argumentation nichts mehr ausrichtet.
Hat dieser Betonblock etwas mit dem Namen des (Simon) Petrus zu tun (mit dem Namen des Felsen, auf den die Kirche gebaut werden sollte)? Ist dieser Betonblock das steinerne Herz der Welt (das am Ende in ein fleischernes Herz umgewandelt werden wird)? Kann es sein, daß der transzendental-ästhetische Grund dieses Blocks, die subjektive Form der äußeren Anschauung, seine Ausscheidung aus dem Bereich der Reflexion (die Verwerfung der kantischen Antinomie der reinen Vernunft, der einzigen Stelle, an der ein Versuch der Definition der Totalitätsbegriffe Welt und Natur vorkommt), mit den sieben Siegeln der Apokalypse (und mit den sieben unreinen Geistern, von denen Maria Magdalena befreit wurde) zu tun hat? Ist der „Fels“ das gegenständliche Korrelat der ungelösten Siegel? – Wer ist die „Schwiegermutter des Simon Petrus“?
Läßt sich nicht die Hegelsche Logik, die auch eine Staatslogik ist, unter diesem Aspekt begreifen: als Versuch, das bestimmende mit dem reflektierenden Urteil zu verschmelzen, das reflektierende Urteil ins bestimmende Urteil mit hereinzunehmen? Vorausgesetzt ist eine Zeitvorstellung, die das (unendliche) Ende antizipiert: Deshalb gehört zu Hegels Philosophie das Weltgericht (die Gegenwart des antizipierten Endes, dessen Verkörperung der Staat ist).
Rührt die Subsumtion des reflektierenden unter das bestimmende Urteil (auf die das Adorno-Wort „Das Ganze ist das Unwahre“ sich bezieht) nicht an den Grund des Symbols des apokalyptischen Tieres?
Hat sich Habermas mit der Theorie des kommunikativen Handelns nicht freiwillig (in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor) in die Isolationshaft begeben, vor der zu fliehen versuchte, als er von der kritischen Theorie sich verabschiedet hat?
Sind nicht Bad Kleinen und die Durchführung der Asyl-Regelung ein Beleg dafür, daß mit der „Wiedervereinigung“ etwas qualitativ Neues eingetreten ist: Die Grenze, auf die definitionsgemäß der BGS sich bezieht, ist von außen nach innen verlagert worden. Bad Kleinen ist Mogadischu, der Frankfurter Flughafen die alte „Zonengrenze“. Der BGS, dieses hybride Konstrukt aus Militär und Polizei, ist das polizeiliche Äquivalent der Staatsschutzsenate und der Geheimdienste.
Hängt der Satz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ mit dem Testament-Begriff (in den Paulus-Briefen, vor allem aber im Hebräer-Brief) zusammen, und bezieht er sich nicht auf die theologische Wendung, die der Testament-Begriff belegt (ist nicht der Testament-Begriff das Begräbnis der Toten durch die Toten, die Selbstzerstörung der Offenbarung durch Anpassung an die Logik des Weltbegriffs, die Wurzel der Logik des Inertialsystems; durch seine Beziehung zum Begriff des Erbes erinnert der Name des Testaments nicht grundlos an den Begriff der Erbsünde, den der Weltbegriff instrumentalisiert; die Welt ist die Welt der Väter, ihr Testament)?
Der Hebräer-Brief läßt sich zwanglos als Konsequenz aus dem Urschisma begreifen: als Darstellung und Produkt der Introversion des Opfers, dessen Realität mit den Juden verworfen wurde. Der Hebräer-Brief ist ein Beispiel dafür, daß jede Verurteilung den Urteilenden in den Bann seines eigenen Urteils hereinzieht.
Ist nicht der Versuch, die Probleme, die Frauen mit einer Sprache haben, in der sie „nicht vorkommen“, durch Sprachregelungen zu lösen, erkauft mit der Sprachlogik eingebauter, automatisierter Verurteilungsmechanismen? -
12.2.96
Die Logik des Hinter dem Rücken ist eine Logik mit eingebauter Gemeinheitsautomatik. So wird auch die Theologie vom Bann erst befreit sein, wenn sie als Theologie im Angesicht Gottes sich erneuert.
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist ein Herrschaftsinstrument (sie steht unter dem Bann des Weltbegriffs); sie ist die Brutstätte der Bekenntnislogik.
Enthält nicht die Beelzebub-Geschichte einen deutlichen Hinweis darauf, daß, wer immer die Einheit und Geschlossenheit zum Prinzip erhebt, das Reich des Beelzebub fördert? – Vgl. dazu Jer 3134: „Da wird keiner mehr den andern, keiner seinen Bruder belehren …“ Die Einheit der Gotteserkenntnis ist nicht die Einheit des Bekenntnisses. Ein Bekenntnis, zu dem man sich bekehrt, ist das Bekenntnis zu einer Schicksalsgemeinschaft, ein Instrument der Komplizenschaft. Jede Bekenntnisgemeinschaft (auch die kirchliche) trägt völkische Züge.
Der Staat ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Schicksals.
Einer der verhängnisvollsten Übersetzungsfehler war die Übersetzung des Begriffs Völker mit dem Namen der Heiden. Seiner Sprachlogik zufolge entspricht dieser Name eher dem der Barbaren: Christen verhalten sich zu Heiden wie Hellenen zu Barbaren. Waren nicht die Muslime die ersten „Heiden“ (vgl. den Titel „Summa contra gentiles“)? Und war nicht mit dem Namen der Heiden die projektive Verschärfung im Namen der Wilden mitgesetzt (der Name der Wilden hat sich im Kontext der Konfessionalisierung des Christentums, mit der es die Abgrenzung nach außen ins eigen Innere mit aufgenommen hat, herausgebildet)?
Ist nicht das Christentum über die Projektionsfolien der Heiden und dann der Wilden selber zu dem geworden, wovon es glaubte sich absetzen und distanzieren zu müssen?
Wenn in der Essay-Sammlung „Vierzig Jahre Flaschenpost“ die Inszenierung des Weltuntergangs durch die Nazis Weltpolitik genannt wird (in dem Beitrag von Martin Seel?), wird der Faschismus durch Neutralisierung, die in der Konsequenz seiner Verurteilung liegt, verharmlost. Dazu paßt der Satz: „Gäbe es kein richtiges Leben im falschen, wäre das falsche nicht falsch“ (S. 37): Dann wäre die Hölle keine Hölle mehr. Einen Spiegel widerlegt man nicht, wenn man ihn zerschlägt, weil man sein eigenes Bild nicht erträgt.
Der Versuch, die projektiven Moment im Objektivierungs- und Erkenntnisprozeß zu entwirren, mag schwierig sein, aber es gibt keine Alternative.
Das ungeheuerliche Zitat aus der Odyssee:
Da der edle Odysseus die Freier jetzo bestraft hat,
Werde das Bündnis erneuert, er bleib‘ in Ithaka König;
Und wir wollen dem Volke der Sühn‘ und Brüder Ermordung
Aus dem Gedächtnis vertilgen; und beide lieben einander
Künftig wie vor, und Fried‘ und Reichtum blühen im Lande.
(24, 481-483; Zitat S. 69)
ruft Konnotationen wach, die eher die Interpretation der Dialektik der Aufklärung bestätigen als den Text von Helga Geyer-Ryan und Helmut Lethen. Blühen nicht auch nach der „Strafaktion“ der Nazis „Fried‘ und Reichtum … im Lande“, nachdem „dem Volke der Söhn‘ und Brüder Ermordung aus dem Gedächtnis getilgt“ wurden? Man muß wohl wirklich einmal das Erschrecken in sich verspürt haben bei der Erinnerung, daß man in der Zeit der „Endlösung“ in der Kirche das Lied mitgesungen hat: „Hilf uns hie kämpfen, die Feinde dämpfen, Sankt Michael“.
Wenn Horkheimer und Adorno auf die „schwarzen Schriftsteller“ rekurrieren, auf Nietzsche und de Sade, dann kann man dem nicht entgegenhalten: Ja, aber was hatten die für Anschauungen! So schnappt wieder einmal nur die Verurteilungsfalle (die der Begriff der Anschauung insgesamt bezeichnet) zu, in der jedesmal der, der glaubt, sich ihrer bedienen zu können, selber mitgefangen wird.
Erweckt nicht der Aufsatz über das Verhältnis Horkheimers und Adornos zu Nietzsche den Eindruck, als wollte hier einer nachträglich die Erkenntnis Adornos belegen, daß heute alle nur noch heraushören, wofür oder wogegen einer ist?
Die Opfertheologie hat uns zu Konsumenten des Kreuzestodes gemacht, zu theologischen Kannibalen. Der Bann wird erst gelöst sein, wenn die Eucharistie entsakralisiert und zu dem wird, als was sie vielleicht einmal gemeint war: zum Brotbrechen und zum Teilen des gebrochenen Brotes mit den Armen; nur durch Entsakralisierung wird die Eucharistie auf eine neue und andere Weise geheiligt (wäre nicht auf diesen Hintergrund – zugleich als Hinweis auf die Differenz von Essen und Trinken, Brot und Wein <Schrift und Wort> – auch Mt 2629 zu beziehen?).
Wenn die Lichtgeschwindigkeit sich auf eine Bewegung bezieht, die nicht mehr mechanisch, sondern nur noch teleologisch (durch ihre Beziehung auf das Ende, nicht auf den Anfang der Bewegungsrichtung) sich verstehen läßt, so berührt das zugleich die Frage der Konstituierung der mikrophysikalischen Objekte, die dann keine mechanischen Objekte mehr sind.
Sind nicht die physikalischen Aggregatzustände (gasförmig, flüssig, fest) Stufen der Konstituierung des mechanischen Objekts, und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die „Thermodynamik“, die Wärme, das Feuer und das Licht?
Es gibt zwei Aspekte des Rechts, die sich deutlich unterscheiden lassen: den ökonomischen, der auf die Sicherheit des Eigentums und die Verbindlichkeit von Verträgen abzielt, und den politischen, dessen Hauptziel die Konstituierung und Sicherung der Staatsgewalt ist. Ist nicht die unterschiedliche Ausgestaltung der Funktion der Anklage in den westlichen Ländern ein Indiz dafür, welches der beiden Momente als vorrangig angesehen wird? Den „öffentlichen Ankläger“ scheint es vor allem in den Staaten zu geben, deren Hauptziel die Eigentumssicherung ist, während die Institutionalisierung der Aufgabe des „Staatsanwalts“ in dem Ziel der Verteidigung des Staates begründet zu sein scheint. Dann aber sind Staatsschutzsenate bloße Verdoppelungen der Staatsanwaltschaft, hier ist der Richter vom Änklager nicht mehr zu unterscheiden – wie unter dem Bann der gleichen Logik dann auch der Verteidiger vom Angeklagten nicht mehr zu unterscheiden ist; beide werden vom Gericht als Feinde wahrgenommen.
Die Logik der Staatsschutzprozesse ist die des kurzen Prozesses; deshalb dauern sie so lange. -
6.2.96
Zur Verwechslung von Genitiv und Dativ gibt es auch die Umkehrung: „Der erste, der sich dem Gestapo-Thema in seiner gesellschaftsgeschichtlichen Erweiterung annahm, war der kanadische Historiker Robert Gallately“ (Norbert Frey: Kein Angst vor der Gestapo, FR vom 6.2.96).
Das Prinzip der Legitimation durch Verfahren ist die Grundlage der Konstruktion synthetischer Urteile apriori in der Justiz. Gerechtigkeit ist nur zu retten durch Reflexion der Verführungsgewalt dieses Prinzips (durch Reflexion des Schuldzusammenhangs). Das selektive Hören im Hogefeld-Prozeß, das dazu führt, daß die Erklärungen von Birgit Hogefeld oder auch die wichtigsten Anträge der Verteidigung inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen werden, gründet in diesem Prinzip: Wahrgenommen wird nur, was die legitimatorische Kraft des Verfahrens (die „Formalitäten“) berührt; das Urteil, das am Ende herauskommt, braucht nicht gerecht, es muß revisionsicher sein.
Das Problem des Rechts liegt darin, daß es den Begriff und das Problem der Sünde nicht kennt: Das „Verbrechen“ ist die Widerspiegelung der Sünde im Spiegel des Schuldzusammenhangs.
Symbolisiert nicht das Feigenblatt den Ursprung des Weltbegriffs (die Logik, die Gott blind macht)?
Die Bemerkung im Buch Henoch, wonach Leviathan weiblich und Behemoth männlich ist, enthält einen noch unentfalteten Hinweis auf den symbollogischen Grund der „Hure Babylon“ und des Begriffs der Unzucht (des Bechers der Unzucht) in der Johannes-Apokalypse. Das Tier aus dem Meer wäre danach weiblich, das Tier vom Lande, der falsche Prophet, männlich?
Die Heiligkeit des Heiligen Geistes gründet in der Reflexion und Kritik des Schuldzusammenhangs (der objektivierenden und instrumentalisierenden Eigentumslogik und ihrer Verkörperung im Staat). Deshalb ist der Weltgeist in allen Stücken das Gegenteil des Heiligen Geistes.
Kritik der Verurteilung: Ist nicht jede Gemeinheit Folge und Symptom einer Verletzung, die der Verletzte projektiv abzuarbeiten versucht? Die Vorstellung, ein Verhalten, bei dem man den Frust als Wut abzureagieren versucht, ließe sich psychohygienisch begründen, ist nicht mehr zu halten. Die Begründung wird in der Regel eine mechanische sein, nach dem Modell: Ventil öffnen, Dampf ablassen. Soweit ein solches Verhalten als Erleichterung empfunden wird, handelt es sich um eine Erleichterung, die man empfindet, wenn man die Last, in den andern sich hineinzuversetzen, bloß abwirft: Es ist die Erleichterung der Lust an der Gemeinheit. Eine solche Erleichterung mögen Folterknechte bei ihrer „Arbeit“ empfinden, die vorher durch entsprechenden Druck konditioniert worden sind. – Ist es heute nicht schon so weit, daß, wer sich weigert, sich auch in einen Folterknecht noch hineinzuversetzen, Folterknechte produziert?
Die Verurteilung ist der Schlüssel zum Schuldverschubsystem (der Schlüssel zum Abgrund, Off 201). -
4.2.96
Nach herrschender Auffassung sind alle Apokalypsen entweder – wie die Johannes-Apokalypse – in griechischer Sprache geschrieben oder aber nur in „Übersetzungen“ (griechische, äthiopische, arabische, syrische, slawische u.a.) erhalten. Kann es sein, daß auch die Übersetzungen keine sind, daß vielmehr die nichthebräischen Sprachen Grundlage der apokalyptischen Symbolwelt sind, daß die Apokalypsen die katastrophischen Erfahrungen widerspiegeln, denen das durch die hebräische Sprache und Schrift sensibilisierte Bewußtsein sich ausgesetzt sieht, wenn es in einem fremden Sprachraum sich zu bewegen gezwungen ist, wobei die Symbole, in denen diese Erfahrungen sich ausdrücken, kosmische, sprachlogische und moralische zugleich und in eins sind? Das fundamentalistische Mißverständnis dieser Symbolwelt, das allein die kosmischen Ereignisse wahrnimmt, von den moralischen und sprachsymbolischen Konnotationen dagegen abstrahiert, würde dann selbst zu den Objekten der Apokalypse (zu den „Greueln am heiligen Ort“) gehören. Die Vermutung, daß zwischen der Prophetie und der Apokalypse der Ursprung des Weltbegriffs (und der Ursprung des Staates) liegt, drückt den gleichen Sachverhalt aus. Ausgangspunkt wäre die Vermutung, daß z.B. die paradiesische Schlange schon das Neutrum (das es in der hebräischen Sprache nicht gibt, und das die indoeuropäische von der hebräischen Sprachlogik unterscheidet), die „großen Meeresungeheuer“ (der „Chaosdrache“) die Sprachen der Völkerwelt (nicht der Heiden) insgesamt symbolisieren.
Wenn das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande auf neutrumsabhägige Formen der Konjugation sich beziehen, was bedeuten dann die Köpfe und Hörner?
Off 123ff:
– ein Zeichen im Himmel,
– ein feuerroter großer Drache,
– mit sieben Köpfen und zehn Hörnern, auf seinen Köpfen sieben Kronen.
– Der große Drache, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, wurde auf die Erde geworfen, seine Engel mit ihm.
Off 131ff:
– Ich sah aus dem Meer ein Tier heraufkommen,
– mit zehn Hörnern und sieben Köpfen, auf seinen Hörnern zehn Kronen, auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen.
– Das Tier wär ähnlich einem Panther, seine Füße die eines Bären, sein Rachen der eines Löwen.
– Der Drache gab ihm seine Kraft, seinen Thron und seine Macht.
– Einer seiner Köpfe war wie zu Tode getroffen, seine Todeswunde wurde geheilt; die ganze Erde sah staunend dem Tiere nach, sie beteten den Drachen an, sie beteten das Tier an.
Off 1311ff:
– Ich sah ein anderes Tier aus der Erde hervorkommen,
– zwei Hörner gleich einem Lamm und redete wie ein Drache.
– Alle Macht des ersten Tieres übte es vor seinen Augen aus, und bewirkte, daß die Erde und ihre Bewohner das erste Tier anbeteten.
– Es tut große Zeichen, Feuer vom Himmel auf die Erde vor den Menschen; verführt die Bewohner der Erde aufgrund der Zeichen, die vor den Augen des Tiers zu tun ihm verliehen ist, beredet die Bewohner der Erde, dem Tier ein Bild zu machen (der die Wunde vom Schwert hat und lebendig geworden ist), dem Bild des Tiers Lebensgeist zu verleihen, sodaß es sogar redet und bewirkt, daß alle getötet werden, die das Tier nicht anbeten.
– Bewirkt, daß alle sich ein Malzeichen auf ihre rechte Hand und auf ihre Stirn machen, und daß niemand kaufen oder verkaufen kann, der nicht das Malzeichen hat: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.
– Weisheit und Verstand berechnen die Zahl des Tieres (es ist die Zahl eines Menschen): 666.
Wenn die Momente des Namens des Himmels, Feuer und Wasser, auf das Wer und das Was verweisen, heißt das nicht, daß im Namen des Wassers das Neutrum sich verbirgt? Es bleibt als Objekt im Namen des Himmels, gewinnt nicht Macht über die Sprache.
Muß man nicht die erkennende Kraft der Sprache, die im Namen gründet, von ihrer mitteilenden Funktion unterscheiden (und trennen), und gründet nicht der Begriff (das Neutrum) in der Subsumtion der erkennenden Kraft der Sprache unter ihre mitteilende Funktion?
Gründet nicht die noesis noeseos im deklinierbaren bestimmten Artikel (in dem innersprachlichen Verweisungszusammenhang, den der bestimmte Artikel begründet, in seiner idealisierenden Kraft)? -
3.2.96
Das Cliché von der „postmodernen Beliebigkeit“ trägt aufs deutlichste projektive Züge: Die Informationsgesellschaft zementiert das Bestehende und macht jede Kritik zur Meinung, zu etwas Subjektivem, Beliebigem. Objektiv ist nur das, was ist, worüber man andere (wertneutral) informieren kann. Ist nicht das Konstrukt des „kommunikativen Handelns“ ein Haus der Beliebigkeit? Fehlt nicht im Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ die Reflexion auf die Außenbeziehungen der Gründe und auf die Außenwirkung seines Ergebnisses, müßte nicht die Herrschaftsfreiheit des herrschaftsfreien Diskurses auch diese Außenbeziehungen mit einbeziehen? Jeder reale Diskurs (jedes Gespräch am Bankschalter, im Büro des Chefs, im Amtszimmer einer Verwaltung) bezieht sich auf Sachverhalte, die bis in die innerste Struktur hinein durch Herrschaftsbeziehungen bestimmt sind, und in der Regel sind es diese Herrschaftsbeziehungen, die das Ergebnis des Diskurses bestimmen. Aber auch der herrschaftsfreie Diskurs am Stammtisch kann durchaus diskriminierende Außenwirkungen, etwa eine Ausländerhatz, zur Folge haben. Die Logik des herrschaftsfreien Diskurses schließt das Vorurteil nicht aus.
Die subjektive Form der äußeren Anschauung verwandelt die Natur in Ausland (die der inneren Anschauung transformiert ihre Objekte ins Vergangene).
Enthält nicht der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, um der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, die Begründung der Notwendigkeit des Strafrechts und der Knäste, ist er nicht ein Produkt der Säkularisation der Höllenvorstellung?
Die positivistische Subjektivierung der Kritik ist die letzte, sprachlogische Konsequenz aus der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“, der „Empfindungen“.
Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist: Hängt die Bedeutung dieses Satzes nicht vom Verständnis des perfectum ab, davon, ob das perfectum als vergangenes Sein oder als vollendete Handlung verstanden wird? Müßte es nicht heißen: Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen sein wird?
Wer das perfectum ins Vergangene transformiert, muß dann auch das perfectum wiederum als Vergangenes reflektieren, und zwar sowohl als Plusquamperfekt, als Vorvergangenheit, wie auch als Futur II, als zukünftige Vergangenheit. Ist der Schritt vom Plusquamperfekt zum Futur II der Schritt von der griechischen zur lateinischen (von der dogmatischen zur postdogmatischen) Sprachlogik?
Apokalyptische Sprachlogik: Wenn der Drache (die Schlange) das Neutrum ist (das Präsens der vollendeten Vergangenheit: Kristallisationskeim der verdinglichten, instrumentalisierten Welt), ist dann das Tier aus dem Meer das Plusquamperfekt und das Tier vom Lande (der falsche Prophet) das Futur II?
Mein ist die Rache, spricht der Herr: Im Licht des Ewigen ist die Justiz das Verbrechen, das zu verfolgen sie vorgibt.
Der Knast ist das Produkt der Identifizierung des Plusquamperfekt mit dem Futur II, das Inertialsystem das logische Abbild des Knasts: Die Vorstellung des leeren Raumes verbindet die Offenheit der Zukunft mit dem Nichtsein des Vergangenen.
Ist der leere Raum das Realsymbol des Rosenzweigschen Nichtwissens, und sind die Gegenstände des Nichtwissens (Gott, Welt, Mensch) die Namen des Nichtobjektivierbaren, des nicht unter die Vergangenheit Subsumierbaren? -
2.2.96
„Präpositionen wie anläßlich, betreffs, bezüglich, mangels, mittels[t], seitens, vermittels[t], zwecks gelten als Papierdeutsch.“ (Duden, Grammatik, S. 364) – Gibt es auch Papieritalienisch, Papierfranzösisch, Papierenglisch? In welchem Zusammenhang werden diese Präpositionen gebraucht (Herrschafts-, Verwaltungs-, Mediensprache)? Gibt es noch andere Sprachelemente und sprachlogische Konstruktionen, die in diesen Bereich gehören? Ist die papierdeutsche Grammatik das Produkt einer transzendentallogischen Rekonstruktion der Sprache, ist das Papierdeutsch Subjekt-Objekt der Sprache der Hegelschen Logik, die die Logik der Schrift ebensosehr reflektiert wie sie sie als Maß ihrer eigenen Rationalität anerkennt (sprachlogisches Paradigma: „Was für eines“)?
Ideal der Verwaltung: Alle tun ihre Pflicht, und keiner weiß, was er tut. Globke war nicht zufällig der erste Staatssekretär an der Spitze der bundesdeutschen Administration.
Die Sprachlogik des Papierdeutsch ist die Sprachlogik der deutschen Verwaltung. An der Durchführung des Asylkompromisses wäre zu demonstrieren, daß der Faschismus in der Verwaltung als Modernisierungsschub sich begreifen läßt. Das Papierdeutsch ist wie die deutsche Verwaltung insgesamt (mit einem „Kanzler“, einem Verwaltungsamt, an der Spitze einer „Regierung“) ein Reichserbe: Es gibt keinen Kaiser mehr, aber die der Verantwortung enthobene Verwaltung, die ihre Pflicht tut, ist geblieben. Im führerlosen Staat wird das Ausland zum Repräsentanten der politischen Vernunft.
Das Papierdeutsch ist das Ergebnis eines unüberbietbar radikalen Versuchs, eine reine Subsumtionssprache herzustellen, eine Sprache, die alles Handeln ins Passiv übersetzt. Das Papierdeutsch ist Ausdruck der Gewalt der Verwaltung, die die Politik am Ende demoralisiert und handlungsunfähig macht. Die Medien sind zu einem Organ der Hofberichterstattung geworden, nur daß an die Stelle des Hofs das reine Nichts getreten ist.
Vergleiche auch die Rechtssprache, die diesem Zustand immer deutlicher sich anpaßt („in Augenschein nehmen“: ein Realitätsbezug, der sich selbst dementiert).
Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns, deren Urspünge in den USA wahrscheinlich sehr viel anders klingen, ist durch seine Übertragung ins Deutsche ins Papierdeutsche übertragen worden.
Sind nicht die philosophischen Kategorien seit ihrem Ursprung (bei Aristoteles) Papierkategorien: Kategorien einer Sprache, die unter den Voraussetzungen der Logik der Schrift sich gebildet hat, zur Verkörperung und zum Gerüst dieser Logik geworden ist?
War nicht der Übergang vom prosopon zur persona ein Übergang vom Sehen (des Gesichts) zum Hören (der Stimme, die durch die Maske hindurchtönt), aber eines Hörens, das über die Logik der Schrift selber wieder zu einem durchs Sehen vermittelten Hören geworden ist? Ist der Begriff der Person nicht durch seine Ursprungsgeschichte fast unanalysierbar geworden (vgl. die mittelalterliche Definition der Person: persona est rationalis naturae individua substantia)?
Das Problem der Scholastik gründet darin, daß sie die Kategorien der aristotelischen Philosophie in einen sprachlogischen Kontext übertragen hat, in dem sie ihren Sinn und ihre Erkenntniskraft eingebüßt hat: sie ist durch Instrumentalisierung ins Dogmatische verschoben worden ist. Der griechische Ursprung der Trinitätslehre war ein politischer; er steht in sprachlogischem Zusammenhang mit der Logik des Römischen Reiches (Konstantin gehört in die Ursprungsgeschichte des Dogmas); durch die Übertragung der Trinitätslehre ins Lateinische ist die Opfertheologie in den Kern des trinitarischen Dogmas gerückt, das Dogma selbst konfessionalisiert worden. Die „Wirkung“ des Dogmas ist aus dem Bereich der Erkenntnis in den der Moral verschoben worden: Sein Hauptzweck war die „Entsühnung der Welt“, die zur Grundlage der Entzauberung der Herrschaft und ihrer Vergesellschaftung geworden ist.
Das Computerdeutsch (das Informatikdeutsch) ist eine Steigerung des Papierdeutsch.
Wenn die Ökonomie die anorganische Natur des Staates ist, dann ist die Privatisierung der staatlichen Aufgaben, ihre Übertragung an die Ökonomie, das Werk der Verwüstung.
Das Scheitern Jesu war das Scheitern des Worts an der Schrift.
Ist der Hahn der Morgenstern unter den Tieren?
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