Sprache

  • 29.3.1997

    Das Präfix be- ist das Präfix der Instrumentalisierung (Bekenntnis, Bekehrung, Belehrung, Bewegung). Und dieses Präfix hat die englische Sprache als Äquivalent für den Infinitiv des Seins übernommen (to be).
    Die Bewegung ist die Instrumentalisierung des Weges (eine genauere Bezeichnung der Wege des Irrtums). In diesem Sinne ist der aristotelische „unbewegte Beweger“, der identisch ist mit der noesis noeseos, dem Denken des Denkens, das Subjekt der Bewegung. Das Denken des Denkens ist die Parodie der Barmherzigkeit, das Subjekt-Objekt der Welt, das Sich den Kopf der Andern zerbrechen (der Seitenblick: das sind die Pforten der Hölle).
    Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist das Korrelat der Subsumtion der Erkenntnis unter das Selbsterhaltungsprinzip. Das Gute und Böse ist das Gute und Böse für mich, für den Staat, für jemanden.
    Rassismus ist ein Instrument der moralischen Enthemmung, der Freisetzung der Gemeinheit; darin liegt seine Verführungskraft. Die Wurzel des Rassismus (und nicht nur eine seiner Anwendungen) ist der Antisemitismus: Nicht als „Vorbild“, sondern als Prophetie verkörpert Israel (verkörpern „die Juden“) die Utopie.
    Ist nicht der Satz, daß Gott nicht will, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt (Jes 5511), auch auf das Evangelium anzuwenden: Was ist und wo bleibt das Evangelium für Gott; hat es nicht etwas mit der „Freude im Himmel über die Bekehrung des einen Sünders“ zu tun?
    Die Theologie im Angesicht Gottes: da gibt es nur eine; als Theologie hinter dem Rücken Gottes aber gibt es verschiedene: deshalb gibt es, solange es die Bekenntnislogik gibt, verschiedene Kirchen (so wie es unterschiedene Planetenbahnen: mehrere Wege des Irrtums gibt).
    Die kopernikanische Wende hat den Schrecken verdrängt (nach innen gewendet) und durch die Verurteilung ersetzt.
    Als Gott den Himmel aufspannte, hat er da nicht verhindert, daß alles in die Sonne stürzte?
    Dem bundesanwaltschaftlichen Begriff der Selbstbezichtigung (der Ersetzung des Begriffs Bekennerschreiben durch den Begriff Selbstbezichtigungsschreiben) entspricht die Selbstverurteilung der Natur: In diesem Akt der Selbstverurteilung gründet der Naturbegriff, dessen Anwendung auf Gott demnach blasphemisch wäre. Die Natur, das ist Wahrheit im Stande des Falls. Und die Welt ist das verstockte Herz, das unfähig geworden ist, den Bann des Urteils zu brechen. Deshalb ist die Welt die der verurteilten Natur zugehörige verurteilende Instanz: das Gericht (vgl. hierzu die zweite Strophe der Fassung des Liedes „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ in der Matthäus-Passion, eine Paraphrase des Jakobus-Satzes „Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“).
    Der Positivismus (die auf dem Bauche kriechende und staubfressende Schlange) kanonisiert die Verurteilungslogik.
    Das, was der „Missionsauftrag“ des Matthäus-Evangeliums meint, wird konkret in dem Satz „Ihr seid das Licht der Welt“.

  • 28.3.1997

    Bedingung der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung (des „Kelches“) ist die Objektivierung des Gravitationsgesetzes (die Instrumentalisierung des „Falls“). Gehört dazu nicht auch die Sakramentenlehre (das theologische Äquivalent der „Wege des Irrtums“)? Was hat das Gravitationsgesetz mit der Deklination zu tun?
    Die Vermittlungsgeschichte der kopernikanischen Theorie ist ein Paradigma des Begriffs der Vermittlung überhaupt. Die Erde als Planet der Sonne ist ein Reflex des Ablaufs der Jahreszeiten und die Rotation der Erde um die eigene Achse ein Reflex der Folge von Tag und Nacht.
    Die Schuldknechtschaft gehört zur Ursprungsgeschichte des Geldes, die Erkenntnis der Planetenbewegungen zur Ursprungsgeschichte der Raumvorstellung.
    Die subjektiven Formen der Anschauung verwandeln den Raum in ein Haus, das wir von außen betrachten können, sie verdrängen das Bewußtsein, daß wir nicht nur Bewohner, sondern Teil dieses Hauses sind. Auch den Pharao treffen die Schläge, die der Gründung des Sklavenhauses folgen, die Abfolge dieser Schläge ist die Geschichte der Verstockung seines Herzens.
    Der Universalismus gründet in der Verdrängung der Asymmetrie, er begründet eine Logik, die gegen die Schmerzen des Andern (und gegen den Tod des Andern: gegen die Erfahrung des Todes) unempfindlich macht. Um diese Logik aufrecht zu erhalten, bedarf es heute des Atheismus.
    Die Lehre vom Sündenfall (von der Sünde Adams) schließt die These mit ein, daß wir die Mörder aller sind. Und verweist das Wort vom Lösen, von der Bekehrung des einen Sünders, und darin eingeschlossen die Idee der Gnade nicht darauf, daß wir Anteil haben an der rettenden Kraft?
    Hat nicht dem Kopernikus bereits der Himmel wie ein Buchrolle sich aufgerollt, nur daß wir die Schrift noch nicht lesen können?
    Die Überzeugungskraft der kopernikanischen Theorie gründet nicht in ihrer theoretischen Konsistenz, sondern in dem „praktischen“ Vorteil, daß sie es uns zu ermöglichen scheint, uns die Welt als ganze vorzustellen (sie uns „vor Augen“ zu stellen, sie zum fix und fertigen Objekt von Urteilen zu machen und so das Urteil von der Last der Reflexion zu befreien). Ist die kopernikanische Theorie die Verkörperung des einen Sünders? (Merkwürdige Verschiebung: die christliche Tradition hat Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, zur „großen Sünderin“ und sie, die damit zum Typos der vollständigen Umkehr geworden ist, zur „Büßerin“ gemacht.)
    Ist nicht die kopernikanische Theorie, die die Totalität der Vermittlung verkörpert, auch die Verkörperung der Trennung von Stadt und Land? Kopernikus hat Ninive, Babel und Rom neu gegründet. Damit steht Kopernikus in der Tradition des Nimrod und des Turmbaus von Babel, des Nebukadnezar und der Hure Babylon (der Zerstörung Jerusalems).
    Nimrod war ein „großer Jäger vor dem Herrn“. War nicht der Pharao ein Krokodiljäger, und waren die Herrscher Babylons Löwenjäger (ist nicht das Krokodil das Chaos in den Fundamenten des Hauses – das bei der Gründung des Hauses Verdrängte, die Leichen im Keller, die nicht tot sind -, und sind die Löwen die Repräsentanten der feindlichen Königreiche)?
    Das Inertialsystem ist die fressende Todesmaschine.
    Das Jogging bekämpft wirksam das aufkommende Bewußtsein der Asymmetrie (die Reflexion). Es stellt die inertiale Ordnung wieder her.
    Tiere sind Verkörperungen der inertialen Ordnung, Pflanzen die natürliche Prophetie des Falls (sind Blüten die Seufzer der gefallenen Natur?).
    Im Namen Noahs sind die Menschen eingetreten in den Schrecken, der auf den Tieren liegt. Auch die Arche ist ein Haus (und nach dem Ende der Sintflut opferte Noah von allen reinen Tiere und von allen reinen Vögel).
    Das Haus trennt innen und außen.
    Das Kleid im Blute des Lammes waschen, heißt das nicht, die religiösen Vorstellungen durch Reflexion ihres sprachlichen Grundes aus dem Bann ihres Bildseins (aus dem Bann der Erbaulichkeit) lösen?
    Der logische Schluß, den die Philosophie erfunden (und mit dessen Erfindung sie sich selbst begründet) hat, gehört zur Geschichte des Perfekts, des Universalismus. Seine zentrale Prämisse ist: Alle Menschen sind sterblich. Der logische Schluß hat den Tod instrumentalisiert und damit die Todesangst neutralisiert.
    Die Universalisierung des Todes ist die subtilste Art seine Leugnung.
    Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion zerbricht sich den Kopf der Andern. Sie will nichts Besonderes sein.
    Gegen den Zynismus der Linken, die heute die Rechten darin zu übertrumpfen suchen, daß sie alles schon im Voraus wissen, der den Marxismus zur Naturwissenschaft gemacht hat, in der „the future will be like the past“, hilft nur die Neubegründung der Reflexion. Auch der Zynismus ist eine Form des Triumphalismus: die Siegerpose der Verzweifelten.
    Heute sieht die Linke vor lauter Wald die Bäume nicht mehr.
    Das Endziel ist im Antlitz und im Namen gegenwärtig. Das Antlitz und der Name sind die Widerlegung der kopernikanischen Theorie.
    Wenn die sieben Siegel der Apokalypse etwas mit den Richtungen des Raumes und der Irreversibilität der Zeit zu tun haben, hat dann die Lösung der sieben Siegel etwas mit dem Bild des wie eine Buchrolle sich aufrollenden Himmels zu tun?
    Als die Berliner Horst-Eberhard Richter als Agenten des Verfassungsschutzes denunzierten, haben sie da nicht heftig projiziert?
    Der Erkenntnisbegriff der Prophetie ist moralisch begründet. Levinas‘ Hinweis darauf, daß die Attribute Gottes im Imperativ und nicht im Indikativ stehen, verweist auf diesen Sachverhalt. Deshalb ist die Schuldreflexion ein Konstituens dieses Erkenntnisbegriffs. Und deshalb gehört Joh 129 ins Nachfolgegebot.

  • 21.3.1997

    Die Sprache steht der Wirklichkeit nicht gegenüber, sondern sie ist in sie verflochten und verstrickt. Wenn die Wirklichkeit außerhalb der Sprache und gegen sie sich zu behaupten scheint, so fällt dieses „außerhalb“ noch in die Sprache: als Objekt und Korrelat des richtenden Urteils. Die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt sind die Statthalter des richtenden Urteils.
    Wenn die Sprachgeschichte ein Teil der Herrschaftsgeschichte ist, dann ein subversiver.
    Das Huygens’sche Relativitätsprinzip ist ein Grenzfall des Einstein’schen, gültig im Bereich von (im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit) niedrigen Geschwindigkeiten. Entspricht hier nicht die Grenze, die die beiden Relativitätsprinzipien trennt und unterscheidet, der Grenze, die zwei Dimensionen des Raumes von einander trennt und unterscheidet? Sie bezeichnet einen zweiten Akt des Objektivationsprozesses. Nicht das selbe, sondern nur das gleiche Inertialsystem verbindet die Mechanik mit der Elektrodynamik und der Mikrophysik. – Oder ist es nicht schon das dritte: ist das zweite das des Gravitationsgesetzes?
    Ist der Begriff des Falls im ersten Satz des Wittgenstein’schen Tractatus logico-philosophicus ein Produkt dieser dreifachen Objektivation? Das physikalische Äquivalent des Wittgenstein’schen Satzes ist die Einstein’sche Identität von träger und schwerer Masse.
    Urteile werden gefällt: Was gefällt wird, wird zu Fall gebracht.
    Sind nicht alle Begriffe, mit deren Hilfe mikrophysikalischen Erscheinungen und Prozesse beschrieben werden, metaphorische Begriffe?
    In dem Vergleich der Nachkommenschaft Abrahams mit den Sternen des Himmels und dem Sand am Meer steckt ein logisches Problem: das der Pluralität.
    Wie hängt Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ mit der Weizsäckerschen „Explosion von Genie“ zusammen (nach Kant ist die Natur im Subjekt die Produktivkraft des Genies)?
    Wer das Problem der deutschen Fraktion der Kopenhagener Schule nur unter dem Gesichtswinkel schuldig/nicht schuldig sieht, verfehlt die Sache. Beginnt die wirkliche Schuld nicht erst in der Unfähigkeit, post festum die eigene Verstrickung (die in actu unsichtbar war) zu reflektieren: in der Geschichte der Verdrängung?
    Blochs Satz „Der Anfang wird am Ende sein“ rührt an einen zentralen Sachverhalt: Die Geschichte der Aufklärung hat den Anfang ins Ende transformiert, und das über einen Akt, der die Wahrnehmung dieses Vorgangs zugleich verhindert hat, weil er im Kern des Objektivierungsprozesses selber sich vollzogen hat, in der Bildung der subjektiven Form der inneren Anschauung, der Vorstellung des Zeitkontinuums (der Idee des „Überzeitlichen“). Hierin gründet der Tatbestand, auf den der Satz sich bezieht: Alle tun ihre Pflicht, aber keiner weiß, was er tut. Deshalb ist die bloße Verurteilung des Faschismus ein Instrument der Umkehrverhinderung.
    Der Ursprung der Umkehrverhinderung liegt in der kopernikanischen Wende: Seit der Konstituierung der Raumvorstellung (die die Vorstellung des Zeitkontinuums begründet und stabilisiert) führt jede Umkehr in die gleiche Scheiße zurück; seitdem ist die Zukunft wie die Vergangenheit. Die kopernikanische Wende hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht: den Begriff vom Namen getrennt und den Namen vernichtet (die Zerstörung des Tempels, bei der kein Stein auf dem andern geblieben ist).
    Wo war in der Zeit der Richter die Bundeslade?
    Der Nachkriegs-Atheismus gründet in der Zwangslogik des Sich-tot-Stellens. Er kündigte sich an in Heideggers „Vorlaufen in den Tod“. Die Religion, von der der Fundamentalismus nicht lassen will, ist eine Religion für andere.
    Gehört nicht Weizsäcker zu den Protagonisten eines Diskurses über „Religion und Naturwissenschaft“, der es in erster Linie darum geht, ähnlich wie einmal die „spekulative Physik“ Einsteins, so jetzt auch die Religion so kurz und klein zu diskutieren, daß sie praktisch nicht mehr vorkommt, daß mit der Religion die Kraft des Eingedenkens, der Erinnerung, verschwindet. Dieser Diskurs steckt so im Bann der Rechtfertigungszwänge, die sehr konkrete Ursachen haben, daß er als Beleg für die Traditionszerstörung durch den Antisemitismus genutzt werden kann. Die deutsche Fraktion der Kopenhagener Schule war eine „deutsche Physik“, die Kreide gefressen hat.
    Heute breitet das Täter-Opfer-Paradigma sich aus: Die Deutschen, die Christen, die Männer, die Väter, die „Besserverdiener“, sie alle haben allen Grund, dieses Paradigma zu reflektieren. Haben nicht die Exkulpationslogiken, die diese Täter-Opfer-Paradigmen erzeugen, etwas mit dem Stand der „Aufklärung“, die seit je auf „klare Fronten“ abzielte: mit dem Stand der Geschichte der Herrschaftslogik, etwas zu tun?
    Wenn Hitler im Atheismus überlebt, dann gibt es zur Reflexion der Naturwissenschaften keine Alternative mehr. Hier werden die „Wege des Irrtums“ erstmals lesbar.
    Die Logik des Traums des Nebukadnezar läßt sich an der Beziehung der Astrologie zur Astronomie demonstrieren: Die Astronomie ist das Instrument des Vergessens; vergessen wurde die Astrologie, die den Traum bezeichnet, der zu deuten wäre.
    Astrologie und Astronomie lassen sich durch ihre Beziehung zur traditionellen Wahrheitsdefinition bestimmen: Die Astrologie hat die „adäquatio intellectus ad rem“ eröffnet, die Astronomie die „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“.
    Das Urteil im Hogefeld-Prozeß hat im Umkreis der RAF eine ähnliche Wirkung ausgelöst wie die „Schüsse an der Startbahn“ auf die Anti-Startbahn-Bewegung. In beiden Fällen gab es den aufgescheuchten Hühnerhaufen. Verweist das nicht sehr deutlich auf die Beziehung von Urteil und Mord? In jedem Urteil, auch nach der Abschaffung der Todesstrafe, steckt ein Todesurteil. Deshalb gehört der Mord als Täterdelikt zu den Grundlagen des Strafrechts, zu den Säulen des Strafrechts.
    Der Rechtsstaat ist der säkularisierte Faschismus.
    Was hat Paulus gemeint, als er die drei Apostel in Jerusalem, Petrus, Jakobus und Johannes, die „drei Säulen“ nannte? Und was bedeuten eigentlich die Verdoppelungen und Verschiebungen in der Urgeschichte des Christentums:
    – beim Jakobus (Zebedäussohn, Sohn des Alphäus, Herrenbruder – wer ist der Autor des Jakobusbriefs?)
    – Simon (S. Petrus, Kananäus -> Nathanael?)
    – Johannes (der Täufer, Zebedäussohn)
    – Judas (Thaddäus, Sohn/Bruder des Jakobus, Herrenbruder, J. Iskarioth – sind Thaddäus, der des Jakobus und der Herrenbruder eins, wer ist der Autor des Judasbriefs)
    – Philippus (Apostel, einer der Diakone)
    – was ist mit Levi/Matthäus?
    Ist es möglich, aus den vier Evangelien und der Apostelgeschichte eine einheitliche Apostelliste aufzustellen?
    In der Nacht sind alle Katzen grau: Hat dieses Grau etwas mit dem „Grauen um und um“ bei Jeremias zu tun?

  • 20.3.1997

    Doppelsinn des Worts „erhalten“: Erst durchs Erhalten wird etwas zum Eigentum. Verweist dieser Doppelsinn nicht auch auf die Bedeutung der „Erhaltungssätze“, die die Verfügbarkeit der Erkenntnisse, die sie begründen, sicherstellen. Sind die mikrophysikalischen „Naturkonstanten“ (wie der Wert der Lichtgeschwindigkeit, das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elementarladung) nicht eigentlich „Erhaltungssätze“, haben sie nicht für die Sphäre der Elektrodynamik und der Mikrophysik, die sie erschließen, eine den den Erhaltungssätzen der Mechanik vergleichbare Funktion?
    Die theologische Trennung von Schöpfung und Erhaltung (der Welt durch Gott) gilt nur für uns, nicht für Gott. Nur ist die islamische Lösung, wonach Gott die Welt in jedem Augenblick neu erschafft, sicherlich falsch: Das „in jedem Augenblick“ ist das islamische Pendant dessen, was seit den Anfängen der naturwissenschaftlichen Aufklärung in Europa Empfindung heißt. Beides gehorcht der gleichen Logik, der der Punktualität, der positivistischen Sprengung und Chaotisierung des Objekts (des „Staubes“). Die Auflösung der Zeit in ein Ensemble von Augenblicken ist der Grund des Allbegriffs, der dann in Namen wie Allwissenheit, Allmacht oder Allbarmherzigkeit auf Gott übertragen wird.
    Die Empfindungen sind der Bodensatz der logischen Verrottung des Namens.
    Nicht wie im Gehirn die elektromagnetischen Prozesse in Empfindungen umgewandelt werden, die Transformation der sinnlichen Erfahrung in physikalische Prozesse ist das Reflexions- und Erklärungsbedürftige. Es ist die gleiche Logik, die die Erkenntniskraft des Namens zerstört.
    Der Blick, der sich auf etwas richtet, ist ein richtender Blick.
    Der Bekenntnisbegriff stößt auf seinen Grund in Joh 129. Das Bekenntnis des Namens ist die „Auf-sich-Nahme“ der Sünde der Welt, während die „Hinwegnahme“ die Bekenntnislogik begründet, die Einbeziehung des Bekenntnisbegriffs ins Schuldverschubsystem. In Joh 129 wird das Glaubens- zum Schuldbekenntnis: ich muß die Schuld nicht auf mich nehmen, sie lastet auf meinen Schultern.
    Ist nicht in die Bekenntnislogik, die das Bekenntnis universalisiert, die Heuchelei mit eingebaut, spricht nicht die Bekenntnislogik die Sprache, hinter der die Schuld sich verbergen kann?
    Ding und Sache: Die Naturwissenschaften haben die Sache durch das Ding ersetzt, das Was durch das namenlose Subjekt des Wie. Zwischen Ding und Sache steht die kopernikanische Wende, die einen neuen Naturbegriff begründet. Das Ding ist das Produkt der Objektivierung der richtenden Gewalt. Hängt nicht die Bedeutung der Eucharistieverehrung für die Konstituierung des Dingbegriffs mit der Entfaltung der richtenden Logik zusammen?
    Die Neofaschisten, die sich durch bewußtes und gewolltes Nichtwissen heiß machen, widerlegen insoweit den Satz: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
    Nebukadnezars Traum: der Mythos, die Kunst, die Naturwissenschaft.
    Zu dem Grimm’schen Märchen vom Herrn Korbes: Ist es nicht heute durch die Realität überholt, ist es nicht dem Herrn Korbes gelungen, den Virus auf Hähnchen und Hühnchen etc. zu übertragen, die, seitdem sie es dem Herrn Korbes alle gleichtun möchten, sich gegenseitig ausgrenzen, stechen, erschlagen, den Herrn Korbes in Ruhe lassen?

  • 19.3.1997

    Wie hängt die Verdrängung des Vergangenen mit der Exkulpationsautomatik der subjektiven Formen der Anschauung (des Inertialsystems) zusammen? Die Leugnung der Asymmetrie begründet die Gewalt des Todes, definiert die Todesgrenze. Die Verführungskraft der Sprache steckt u.a. in den Adjektiven.
    Zum letzten Abschnitt in „Heisenbergs Krieg“: Liegt nicht das Problem Heisenberg auf einer anderen Ebene, kommen nicht Goudsmit und Bush der Sache näher, wenn sie auf das „Stümperhafte“, auf das deutsche Organisationsgesetz, auf die Struktur des ganzen Apparats verweisen? Liegt das Problem nicht einer Struktur, die heute auf anderer Stufe wiederkehrt: in den in dieser Struktur liegenden Verführungen zur Verantwortungslosigkeit, die vom deutschen Nationalismus (der heute auch formell „die Welt“, „das Ausland“, zum Vorbild und zum Maß seines Handelns nimmt) nicht zu trennen zu sein scheint. Wichtig sind nicht die Ziele, die man anstrebt, sondern wichtig allein ist der Schein, den das Handeln nach außen erzeugt, sind die Exkulpations- und Rechtfertigungsmechanismen, die das Handeln beherrschen; wichtig ist in einer Welt, in der alle ihre Pflicht tun, aber keiner mehr weiß, was er tut, die Entlastung, das Streben, nicht verantwortlich gemacht werden zu können, ein, wie es scheint, insbesondere in Deutschland zentrales handlungslogisches System (Habermas‘ Begriff des „kommunikativen Handelns“ zielt auf die Explikation dieser Handlungslogik). Diese Entlastung ist eines der seine Verführungsgewalt begründenden Effekte des Nationalismus. Wichtig sind die Rechtfertigungs- und Exkulpationsmechanismen, die der Nationalismus (wie die Bekenntnislogik, die ihm zugrundeliegt) bereitstellt. Der Nationalismus macht die Welt zum Subjekt, das Subjekt zum (tendentiell paranoiden) Objekt dieser Welt. Das „reinste Gewissen der Welt“ (Heisenberg) ist das gewissenlose Gewissen. Es gehört in den gleichen logischen Zusammenhang wie das „Am deutschen Wesen muß die Welt genesen“ und der wilhelminische Begriff der „Weltgeltung“ (der übrigens auch der Name einer deutschen Zündholzmarke war). Die Fixierung aufs Ausland nach dem Kriege, deren Angelpunkt der Begriff der Kollektivscham war, war eigentlich nur die genaue Umkehrung der nationalsozialistischen Feindbild-orientierten Eroberungspolitik, die seit je das dem Feind unterstellte Handeln zur Norm des eigenen Handelns gemacht hat, den Feind als Alibi für die eigene politisch-moralische Enthemmung gebraucht hat.
    Rekonstruktion der Logik des Geldes: Wie hängt die „Globalisierung“ (das Ende der Nationalökonomie und die Vorherrschaft der Betriebswirtschaft) mit dem Ursprung – des Handels im Fernhandel (gemeinsamer Ursprung von Ware und Sklaven), – der Geld- und Tempelwirtschaft in der den unterworfenen Völkern auferlegten Tributzahlung und – des Instituts der Schuldknechtschaft zusammen? Die Freisetzung der Marktgesetze vollendet die Geschichte der Gewalt, die mit dem Ursprung des Staates sich entfaltet und am Ende den Staat von innen zerstört. Das Geld hat die Vorstellung des unendlichen Raumes, in dem seine Logik sich spiegelt, begründet und stabilisiert.

  • 16.3.1997

    Das Private und das Öffentliche sind die beiden Brennpunkte der elliptischen Wege des Irrtums.
    Meint Thomas Powers wirklich, es handle sich um bloß mangelnde Sensibilität, wenn Heisenberg niederländische Physiker nach seinem Besuch in den Niederlanden im Oktober 1943 in einem offiziellen Bericht an den damaligen Reichserziehungsminister und wenige Monate später zusätzlich bei den deutschen Besatzungsbehörden in Holland denunziert (Heisenbergs Krieg, S. 452)?
    Macht diese „Unsensibilität“ nicht, was Goldhagen den eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen nannte, verständlich: den Rachetrieb der Empfindlichen? Bei Thomas Powers kann man die Verstrickungen der Physik (paradigmatisch der „Kopenhagener Schule“) in die Katastrophen dieses Jahrhunderts studieren. Die SS hatte Nils Bohr liquidieren lassen wollen, die amerikanischen Geheimdienste Heisenberg.
    Der Dingbegriff ist das Produkt der Instrumentalisierung (die der Ziele anderer als Mittel sich bedient). Das Feuer ist ein Reflex (die Rückseite?) der Instrumentalisierung (als Werkzeuge erfunden wurden, wurde auch das Feuer entdeckt).
    In die RAF kann ich mich insoweit hineinversetzen, als sie von der Erfahrung geprägt war und davon ausgehen mußte, daß das, was sie tat, nur Wut provozieren konnte. Allein die Präventivwut der RAF ist mir unverständlich (daß sie mit dem Kollektiv der Wütenden sich gemein gemacht hat, in das Kontinuum der Wut sich hat hereinziehen lassen). Diese Präventivwut hat dazu beigetragen, die Wut der anderen Seite zu legitimieren. So ist heute die Wut zum alles beherrschenden Klima geworden. Es gibt keine Wut, die nicht kollektive Züge trägt, die nicht der Absicherung durch andere bedarf. Wut ist die Substanz der Bekenntnislogik. Empörung ist ein Wutventil, in der sie sich selbst genießt; Empörung verstärkt die Wut.
    Der Ansatz zur Lösung des Problems des Lichts liegt in der Feststellung, daß die physikalische Richtung des Lichts seiner sinnlichen Richtung (der Richtung des Blicks) exakt entgegengesetzt ist. Ist das Auge des Polyphem die erste Gestalt der subjektiven Form der äußeren Anschauung? Blick und Gegenblick bedürfen zweier Augen, der Blick des Einäugigen (der Blick Polyphems) ist seelenlos. Das wirkliche Sehen ist reflektierendes Sehen, es hat die Sprache in sich; die subjektive Form der äußeren Anschauung abstrahiert von dieser Reflexion, sie abstrahiert von der Sprache. (Was ist mit den Augen von Sabine Christiansen und Ulrich Wickert?)
    Neoliberalismus: Was hat es mit den noctium phantasmata, den Schreckbildern der Nacht (Vesper-Hymnus), auf sich. Sind nicht die schlimmsten Schreckbilder der Nacht die, deren Urheber sie selber nicht mehr wahrnehmen, weil sie sie auf die Andern verschieben?

  • 13.3.1997

    Heute erzwingen die vom Herrendenken und von der Bekenntnislogik beherrschten Kirchen selber die Enttheologisierung der Theologie, die Gestalt einer atheistischen Theologie (Leugnung der Auferstehung: Problem der Naturwissenschaft; Sprengung des Namens durch den Naturbegriff).
    Gilt das Adorno’sche Wort „Das Ganze ist das Unwahre“ nicht schon für die kantischen Totalitätsbegriffe? Weder die Welt, noch die Natur und erst recht nicht das Wissen bezeichnen ein Ganzes. Alle drei Begriffe setzen den Begriff des Ganzen voraus, den sie gleichwohl nicht zu erfüllen vermögen. Das Ganze verkörpert einen unendlichen, grundsätzlich unerfüllbaren Trieb. Unbezweifelbar ist nur seine Unendlichkeit, ähnlich der Unendlichkeit der räumlichen Ausdehnung oder der des Zeitkontinuums. Ist nicht die Unaufhebbarkeit des Todes das Modell dieser Unendlichkeit?
    War die kirchliche Höllenvorstellung nicht immer schon nur eine ästhetische Verdoppelung dieser Welt? Das Wort von den Pforten der Hölle (die die Kirche nicht „überwältigen“ werden) setzt voraus, daß die Kirche in dieser Hölle ist; es gibt nur die Verheißung, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden, daß diese Hölle nicht das Ganze ist.
    Ist der Brief ein säkularisierter, in Schrift transsubstantiierter (und eingefangener) Engel?
    Ihr laßt den Armen schuldig werden; Unkenntnis schützt nicht vor Strafe: Die Anwendung dieses Grundsatzes, die am Asylrecht leicht sich demonstrieren läßt, beweist die Goethe’sche Einsicht, deren Geltungsbereich heute gleichsam explodiert.
    Herrschaft als Stellvertretung: Haben nicht alle Revolutionen dazu geführt, daß nicht die, für die die Revolutionen gedacht waren, sondern am Ende allein die neuen Herrscher die Früchte der Revolution genießen konnten? Die Instrumente der revolutionären Umwälzungen sind im revolutionären Prozeß zwangsläufig zu Zwecken geworden, die die Zwecke, denen sie dienen sollten, aufgefressen haben. So ist jedesmal der alte Scheiß wiedergekehrt.
    Die Beziehung von Herrschaft und Stellvertretung ist eine Folge der Beziehung von Objektivierung und Instrumentalisierung.
    Was passiert, wenn eine „Bewegung“ apologetisch wird, wenn sie nur noch ihre vergangenen Ziele rechtfertigt (wenn sie im Anblick ihres Scheiterns zu beweisen sucht, daß sie doch immer schon recht gehabt hat)? Stehen nicht alle Bewegungen unter dem Bann der Logik des Rechtfertigungszwangs, sind sie nicht apologetisch, schon wenn sie entstehen?
    Beton ist die Schale, die (wie das Substantiv das Nomen) den Kern aus sich herausgequetscht hat, die Schale, die nur noch Schale ist: die Schale des Nichts.
    Die Frage an den Theologen, was hat Jesus davon, wenn wir uns dazu bekennen, daß er der Sohn Gottes ist, hat eine Prämisse, die mit zu reflektieren ist: Nicht auf das Bekenntnis kommt es an, sondern auf das Lösen, das dann das Lösen im Himmel bewirkt. Das Bekenntnis bindet nur.
    Sind nicht Adjektive Stigmata? Ist nicht das Substantiv durchs Adjektiv vermittelt, und ist diese Vermittlung nicht der Grund der Tilgung des Namens? Die Grundadjektive sind Gut und Böse.
    Gehört nicht zum grammatischen Problem der Suffixe das gemeinsame Problem der Bildung der Abstrakta (des Neutrums) und der Flexionen (der Deklination und Konjugation)? Beziehen sich im Hebräischen die Suffixe nur aufs Geschlecht und den Numerus, während sie erst in den flektierenden Sprache ins System der Deklination und der Konjugation mit einbezogen werden?
    Weshalb schreibt Johannes (in der Apokalypse) an die Engel der Gemeinden, nachdem er zuvor an die Gemeinden einen allgemeinen Gruß gesandt hat? Haben diese Engel etwas mit den Engeln zu tun, die vor dem Thron Gottes stehen?
    Wer das Ende berechnen will, will andern Angst machen (instrumentalisiert die Angst).
    Ist der Begriff der Zeit in dem Ausdruck „eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ eigentlich immer ein und derselbe Begriff? Hängen diese Zeiten mit den räumlichen Dimensionen: die „eine Zeit“ mit dem Angesicht, die „zwei Zeiten“ mit der Unterscheidung von Rechts und Links (von Gericht und Barmherzigkeit) und die „halbe Zeit“ mit der Beziehung von Oben und Unten (der Trennung der oberen von den unteren Wassern), zusammen?
    Rüsselsheim, Uniklinik und Rotes Kreuz-Krankenhaus in Frankfurt, dreimal die gleiche Erfahrung: Kliniken nehmen Krankheiten nur noch zum Anlaß, alle begründbaren abrechnungsfähigen Untersuchungen vorzunehmen, während sie an einer Diagnose nicht mehr interessiert zu sein scheinen.

  • 10.3.1997

    Nochmals: Ist der Streit in der Prozeßgruppe nicht ein nachträglicher Sieg Hembergers und Schiefersteins, eine Folge der Unfähigkeit, das, was im Prozeß passiert ist, zu reflektieren und den Ohnmachtsschock, den das Urteil erzeugt hat, anders als durch Projektion zu verarbeiten? Und macht uns nicht unsere Empfindlichkeit zu Marionetten des Systems, zu willigen Vollstreckern der BANK, DIE IMMER GEWINNT? – Ist das Ganze nicht eine naturwissenschaftliche und metaphysische Erfahrung zugleich (Empörung und Verurteilung als Ich-Prothese; Kettenreaktion: Ausgrenzungen in der Linken als atomare Spaltprozesse; welche Halbwertzeiten haben linke Gruppenbildungen heute; sind die Halbwertzeiten ein Gradmesser der Reflexionsunfähigkeit)? Was bedeutet es eigentlich, wenn die Linke sich als Massenpartei versteht?
    Ist das nihil in dem Satz von der creatio mundi es nihilo nicht sinnlich anschaubar: Sieht es nicht aus wie Kohl oder Kanter?
    Verhalten sich Akkusativ und Genitiv zum Dativ wie die Welt zur Natur?

  • 3.3.1997

    Hat Matthäus mit den drei Magiern aus dem Orient den Daniel auf den Kopf gestellt?
    Sprache und Schrift: Hängt der apokalyptische Begriff der Sprachen (in der Konstellation Völker, Stämme, Nationen und S.) mit der jakobinischen „Zunge“ (vgl. auch Paulus‘ Glossolalie, „Zungenreden“) zusammen? Findet nicht die Sprache, wenn man den Namen der Offenbarung ernst nimmt, ihre Begründung in der Schrift; und macht nicht der Begriff der semitischen Sprachen – wie anhand von Bibel und Koran sich demonstrieren läßt – das Ungleichnamige gleichnamig; ist nicht der Koran, und in seiner Folge die christliche Koranisierung der Bibel, die Wurzel der kopernikanisch-newtonschen Revolution? Wenn am Ende der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, heißt das nicht, daß dann die himmlische Wurzel der Sprache in dieser Schrift lesbar wird, und daß darin, in diesem Buch, jeder sich selbst erkennt – und das ist das Gericht?
    Wenn heute Regierung durch Verwaltung ersetzt wird, ist das nicht der deutlichste Hinweis auf die innere Pluralität des Weltbegriffs (sein stummes Inneres)?
    Das Geschwätz ist die zwanghafte Folge der Unfähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen: deshalb muß das Geschwätz die Andern vergegenständlichen, sie zu Objekten von Urteilen machen („über“ andere reden). Nur so glaubt man, die „aufdringlichen“ Andern, deren Aufdringlichkeit im Schuldverschubsystem gründet: in der gegenständlichen Erinnerung an das, was man in sich selbst verdrängen mußte, sich vom Leibe halten zu können.
    Barmherzigkeit ist die Arbeit des Gebärens.
    Sind nicht eigentlich alle Richtungsgegensätze, oben und unten, vorn und hinten, rechts und links, asymmetrische Spiegelungen, vergleichbar der Beziehung von Vater und Sohn? Und gründet nicht die neutralisierte Form des Raumes (die subjektive Form der äußeren Anschauung) in der Neutralisierung dieser Gegensätze: in der Idee der Brüderlichkeit? – Die brüderliche Welt ist die Wolfswelt.
    „Patientengut“ (ein Begriff aus einer Sammlung medizinischer Aufsätze): Sind Krankenhäuser Lagerhäuser für Patientengut (das mit dem Tod der Patienten zu herrenlosem Gut wird, das dann der medizinischen Verwertung zugeführt werden kann; die „ethische“ Diskussion um den Hirntod ist eine verwaltungsinterne Diskussion)? Hieran wäre das sprachlogische Problem der Instrumentalisierung und die Bedeutung des Begriffs des Falls im ersten Satz des Wittgestein’schen Tractatus logico-philosophicus zu demonstrieren. Der Hinweis auf die lebensrettende Bedeutung der Bereitstellung von Organen ist wahr und zynisch zugleich. Der Begriff Patientengut drückt genau diesen zweideutigen Aspekt, die Subsumtion der Krankheit unters Wertgesetz, aus.
    Gibt es nicht inzwischen „Krankheiten“, die nachweislich nur noch ein Alibi für die lukrative medizinische Dauerverwertung der Hypochondrie und der Ausweitung der Nutzungskapazität der Apparatemedizin sind? Und spielt hier nicht ein Aspekt des Begriffs der Objektivität mit herein, der auf das Bedürfnis nach Schuldentlastung und auf die Mechanismen des Schuldverschubsystems (auf die kollektive Wirksamkeit von Rechtfertigungszwängen) verweist, ein Kontext, den das medizinische (wie sonst auch das technische) Vokabular wirksam verschleiert?
    Hängt die Vorstellung des unendlichen Raumes nicht mit dem Bedürfnis nach logischer Fundierung des Schuldverschubsystems zusammen (Zusammenhang mit dem Namen des Angesichts und dem biblischen Motiv der sieben unreinen Geister und der sieben Siegel)? Abgesichert wird diese logische Fundierung durch die Universalisierung des Gravitationsgesetzes. Das Resultat dieser Schuldverschiebung wird lesbar, wenn der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt.
    Das Subjekt der symbolischen Erfahrung (der Spracherfahrung) ist die Barmherzigkeit.
    Zur Kritik der Naturwissenschaften vgl. Kants Antinomien der reinen Vernunft (und die Unerkennbarkeit der Dinge an sich), Levinas‘ Asymmetrie und Ferdinand Ebners „Ich-Einsamkeit“.
    Intersubjektivität und Bekenntnislogik: die Gemeinschaft, auf die beide sich beziehen, ist die Gemeinschaft der Einsamen, des kollektiven Nicht-Ich (ein Hochsicherheitstrakt). Der Repräsentant dieser Gemeinschaft im Subjekt sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist die Welt.
    Der „innere Schweinehund“ ist das, was uns daran hindert, die „Pflichten“ der Selbsterhaltung zu erfüllen; und gehört dazu nicht auch die Barmherzigkeit (das, was die Nazis „Humanitätsduselei“ nannten)?

  • 28.2.1997

    „Und Gott sprach: Es werde eine Feste inmitten der Wasser …: ein zweiter Tag“ – An diesem zweiten Tag aber fehlt der abschließende Satz „und Gott sah, daß es gut war“. Was ist „die Feste“, die Gott dann Himmel nannte (Buber nennt sie „Gewölbe“, Zunz „Ausdehnung“)? Hat diese Feste etwas mit den am fünften Tag erschaffenen „großen Meerestieren“ zu tun, mit dem „kreisenden Flammenschwert“ des Cherubim vorm Paradies und mit dem „Bogen in den Wolken“ nach der Sintflut? Ist das Firmament der Inbegriff des Gerichts, der verdinglichenden Gewalt, der Verurteilung, der Naturgrund von Herrschaft (der subjektiven Formen der Anschauung, des Inertialsystems)?
    Barmherzigkeit, ein kleiner Schritt über Marx hinaus: das Sich-Hineinversetzen in den Anderen, die Rekonstruktion der Subjektivität aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen, des Lichts aus der Schwere. Barmherzigkeit ist das Äquivalent des Lichts in der moralischen Welt (im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung löst sich das Licht auf in elektrodynamische Prozesse, nur durch Sprache wird Licht zum Licht).
    Wenn das Licht die realsymbolische Manifestation der Barmherzigkeit ist, dann ist die Feste des Himmels das Gericht. Die Feste des Himmels ist der Grund der Feindbildlogik.
    Der biblische Schöpfungsbericht wird durchsichtig allein auf der Grundlage der Barmherzigkeit, im Kontext der Ethik als prima philosophia.
    Theologie im Angesicht Gottes hat einen Zeitkern, sie schließt die Kritik der Vorstellung des Überzeitlichen mit ein. Die Orthodoxie ist die durch die Idee des Überzeitlichen verhexte Gestalt der Wahrheit (Gesinnung ist das moralische Äquivalent der Orthogonalität: sie bestimmt die Richtung).

  • 23.2.1997

    Wenn es die logische Affinität der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie gibt, müßte sich dann nicht aus der mimetischen Rekonstruktion der Erfahrung aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen (aus der Fähigkeit, in die Erfahrung des andern unter Reflexion der politisch-ökonomischen Bedingungen seiner Erfahrung sich hineinzuversetzen) so etwas wie ein symbolisch-metaphorischer Zugang zur Kosmologie ergeben?
    Das Relativitätsprinzip begründet das Verfahren der Konstituierung des Raumes als subjektive Form der Anschauung, den Raum dadurch zu neutralisieren, daß der eine Raum über den anderen gezogen wird. Ist nicht dieser Raum das logische Kontinuum, in dem die Ökonomie sich entfaltet (und der im Entfaltungsprozeß der Ökonomie sich bildet): das Geld? Bezeichnet das Relativitätsprinzip am „Unzuchtsbecher“ das Moment der Unzucht?
    Gestern ein Bericht in der FR über Haie. Danach sind Haie zwar keine Säugetiere, aber die kleinen Haie schlüpfen im Bauch ihrer Mutter aus ihren Eiern und fressen dort z.T. sich gegenseitig, so daß z.B. von 70 – 80 ausgeschlüpften Haien nur zwei im Bauch der Mutter überleben und dann ins Freie gelangen.
    Die Tiere des fünften Tags sind die eierlegenden Tiere (Fische und Vögel). Die Säugetiere sind (mit den Menschen) die Tiere des sechsten Tags.
    Sind nicht die Säugetiere nach der Evolutionstheorie gleichzeitig mit den blütentragenden Pflanzen entstanden?
    Das Atheismus-Problem im Marxismus ist zu lösen allein über die Reflexion des Faschismus. Auch im Sozialismus bezeichnet der Atheismus den Sieg Hitlers.
    … et dimitte nos debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris, et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo.
    Hat nicht der Traum des Nebukadnezar etwas mit dem Ursprung des Bekenntnisses zu tun?
    Das Richtige ist nicht das Wahre, das Richtige ist das Unwiderlegbare.
    Wie hängt das salomonische Urteil (über die beiden Frauen, die sich um das eine Kind stritten) mit dem danielischen (über die beiden Alten, die sich an der Susanna rächen wollten) zusammen? Salomo apelliert an den Mutterschoß, das Organ der Barmherzigkeit, Daniel enthüllt die Verwundbarkeit des ungerechten Urteils?
    Tratsch und Gewitter; Tratsch als Instrument der Demoralisierung, Demoralisierung als Herrschaftsmittel. Aus dem Tratsch kann man nur eines lernen: Gegen die darin installierte mythische Gewalt, kommt keiner an; zur Identifikation mit dem mythischen Aggressor gibt es keine Alternative. Wen’s trifft, den trifft’s.
    Das Licht ist der Naturgrund aller Zwecke (die Grenze des Kausalitätsprinzips).
    Gestern in der Sendung über die Höhlenbilder von Lascaux der Hinweis, daß Tiergruppen nicht verschiedene Tiere, sondern möglicherweise verschiedene Bewegungsphasen der Bewegung eines Tieres abbilden. Ist die Höhlenmalerei ein Vorläufer des Kinos? Ist die Höhle (auch das Kino ist eine Höhle) eine Variante des Mutterschoßes (und das Fernsehen der Greuel am heiligen Ort: die endgültig instrumentalisierte Barmherzigkeit)?
    Zur Genese des Vorurteils: Welche Rolle spielt hier das Verbot der Neugier? Wird nicht mit der Neugier die Erfahrungs- und Lernfähigkeit, eine nicht restlos ins „Wissen“ übersetzte Beziehung zur Welt, verboten? Ist nicht die Rückübersetzung jeder Erfahrung ins schon Bekannte das Ziel des ganzen Objektivierungsprozesses (und wird damit nicht die Erfahrung der ganzen vergangenen Menschheit verraten)? Ist die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis auch die Geschichte der Selbstzerstörung der Lernfähigkeit?
    Kopernikus und Newton haben das Ungleichnamige (Oben und Unten) gleichnamig gemacht, was haben Maxwell und Einstein getan?
    Zum Begriff der Öffentlichkeit: War nicht das Kollosseum die öffentliche Löwengrube, und wurde nicht, als die Scheiterhaufen öffentlich gemacht wurden, die Öffentlichkeit selber verbrannt? Auch Auschwitz war öffentlich, allerdings in der fürchterlichsten Gestalt: als Gerücht. Darauf wäre der von Habermas mißbrauchte Titel vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zu beziehen: In der kollektiven Verdrängungsleistung der Deutschen, die die Kollektivscham dann besiegelt hat, ist die Öffentlichkeit selber verbrannt worden. Seitdem gibt es keine mehr.
    Der Begriff der Information bezeichnet den Pfropf, der heute die Erfahrungsfähigkeit verstopft.
    Das Feindbild, die Urteilslust und der Unzuchtsbecher.
    Das Perfekt, das vom Handeln ins Sein (in die Vergangenheit) transformiert wird, spaltet sich auf in Sein und Haben (in Politik und Ökonomie). Hier liegt der Ursprung der Auxiliarien, der Hilfesverben, in denen die Gewalt der politischen Ökonomie sich ausdrückt. Das Problem Namens (des Symbolischen, des Metaphorischen) gründet in der Beziehung dieser beiden Formen des Perfekts.
    Name und Begriff sind nicht vergleichbar. Ihr Verhältnis ist das der Umkehr.
    Der Historismus, der die Vergangenheit des Perfekt ratifiziert, ist das Prinzip der Zerstörung des Symbolischen (der Zerstörung der Prophetie). Sind nicht alle Motive der Apokalypse aus dieser Transformation des Perfekt ableitbar? Die Idee der Auferstehung drückt den Widerspruch zwischen der Kraft des Namens und der „historischen Realität“ (der Ratifizierung der Vergangenheit der Geschichte) aus. Das Subjekt der symbolischen Erfahrung ist die Barmherzigkeit.

  • 20.2.1997

    „In dubio pro reo“: Dieser Grundsatz ist eine praktische Konsequenz aus dem grundlegenden Satz, daß das Unwiderlegbare nicht schon die Wahrheit ist. Feindbilder sind wegen des Rechtfertigungsinteresses, das in sie investiert wird, unwiderlegbar (Rechtfertigung ist ein Imperativ post festum, der dann zum Imperativ apriori, zum Trägheits-Imperativ, wird: zum Gemeinheits-Imperativ; Rechtfertigung erzeugt den Wiederholungszwang); sie sind Instrumente der Entlastung, der Exkulpierung. Sie gründen in der Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die sie durch projektive Verarbeitung stabilisieren (Inertialsystem). Zum Stand der naturwissenschaftlichen Aufklärung: Heute dringt die Feindbildlogik in die Familienbeziehungen ein: Darin gründet das double-bind-Syndrom. Die subjektiven Formen der Anschauung (die Produkte der Abstraktion vom Blick des Andern) sind Stabilisierungen des double-bind-Syndroms: die Wege des Irrtums. Ist das Planetensystem die Leugnung des göttlichen Angesichts? Was hat es mit dem Namen, den niemand kennt außer dem, der ihn empfängt (oder der ihn trägt), auf sich (Off 217, 1912)? Ist nicht der „gesunde Menschenverstand“ ein – anstatt an Begriffen – an der Sprache, an ihrer benennenden Kraft, sich orientierender Verstand? Die Kommunikationstheorie setzt diese benennende Kraft der Sprache, ohne die es eine Kommunikation nicht geben würde, einfach nur voraus, anstatt sie zu reflektieren.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie