Kyffhäuser: Sitzt nicht der Kaiser, der die Welt regiert, heute tatsächlich im Herzen der versteinerten Verhältnisse, im steinernen Herzen der Welt (und ist das nicht der Stein, der Off 1821 zufolge beim Untergang Babylons ins Meer geworfen wird)?
Zur lateinischen Trinitätslehre: Person ist ein Rechts-, kein theologischer Begriff.
Doppelte Buchführung: Die Christen haben den Kreuzestod zu einem buchhalterischen Akt gemacht; mit dem Neuen Testament waren Moses und die Propheten abgegolten und erledigt, sie wurden im Alten Testament archiviert. Haben sie nicht mit dieser Archivierung Jesus selber, das Wort, zum Verstummen gebracht?
Hat nicht die doppelte Buchführung mit der Logik der Bilanzierung das Zeitverständnis verändert? Ist nicht seitdem die Vergangenheit endgültig vergangen, so daß es keine Bücher mehr gibt, die einmal aufgeschlagen werden? Hier ist das Rentabilitätsprinzip unkritisierbar, zu einem Stück Natur, gemacht worden, das dann in den Naturwissenschaften in der Tat als Natur sich konstituierte.
Ist nicht die Bekenntnislogik ein Produkt der Subsumtion der Tradition unter das Gesetz der Selbsterhaltung? Die Bekenntnislogik hat die Kirchengeschichte zu einem Teil der Weltgeschichte gemacht, die dem Prinzip der abgeschlossenen Vergangenheit gehorcht (der Sprachlogik des indoeuropäischen Perfekt).
Theologie als Sprachkritik, ist das nicht die Konsequenz, die aus dem Namen des Logos zu ziehen wäre?
Das indoeuropäische Perfekt (das Prinzip der abgeschlossenen Vergangenheit) ist die Grundlage des Begriffs, seiner Trennung von dem gegen ihn sich verselbständigenden Objekt.
Gehört nicht die Konstituierung der Öffentlichkeit, deren Denkmäler in Rom zu sehen sind, zur Ursprungsgeschichte der lateinischen Sprache? Und hat nicht das „klassische Latein“ tatsächlich in dieser Periode, die im Kollosseum und in den Foren ihre Denkmäler hinterlassen hat, sich entfaltet und konsolidiert? Die Entstehung des Publikums ist das Werk Roms, seiner Herrschafts- und Sprachgeschichte.
War die Trinitätslehre nicht auch ein Hilfsmittel der Zivilisierung der caesarischen Erbfolge (die durch die Militärputsche destabilisiert zu werden und außer Kontrolle zu geraten drohte)?
Der Caesarismus hat die Solidarität mit den Toten, die in der Lehre von der Auferstehung der Toten einmal gemeint war, aufgekündigt und das Christentum aufs Prinzip der Selbsterhaltung vereidigt. Die Ego-Pomp des päpstlichen Barock in Rom ist ein spätes Echo der Logik des Caesarismus, seiner theologischen Rezeption in der Trinitätslehre. Die Opfertheologie, die den Kreuzestod instrumentalisiert hat, hat die Solidarität mit dem Gekreuzigten aufgekündigt.
Stellt nicht der Name des Forums, der später den Markt bezeichnet, die Beziehung des Caesarismus zum steinernen Herzen der Welt her?
Ist nicht die Feindbildlogik, die auf ein symbiotisches System von Verkörperungen (von apriorischen Feindbild-Objekten) verweist, ein Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Astrologie (des Rätsels, dessen irdische die himmlische Lösung zur Folge hat)? Sind nicht auch die Planeten Verkörperungen dieser Logik, die sie an das blinde und sinnlose Kreisen auf den Wegen ihres Irrtums fesselt?
Ist der Objektbegriff der Abgrund, in den der vom Himmel gestürzte Satan (phosphoros, Luzifer, der Morgenstern) eingesperrt ist (Off 201ff), und ist die Reflexion der Feindbildlogik der Schlüssel, der diesen Abgrund zu öffnen vermag?
Sprache
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23.10.1996
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19.10.96
Es kommt nicht darauf an, Schuldgefühle zu vermeiden oder loszuwerden, sondern sie reflexionsfähig zu machen, und es kommt nicht auf die Bewahrung der Identität, sondern auf die der Lernfähigkeit an. Wer, um seine Identität zu wahren, Schuldgefühle nur abwehrt, anstatt sie zu reflektieren, wird lernunfähig.
Wer Schuldgefühle nur abwehrt, für den wird jeder, der Schuldgefühle weckt, zum Feind (Logik des Antisemitismus; Tötung des Urvaters).
Als Habermas den Verfassungspatriotismus erfunden hat, hat er das Gewissen (und mit ihm den Quell seiner philosophischen Inspiration) an die Verfassung delegiert.
War nicht die kantische Unterscheidung eines femininen von einem neutrischen Erkenntnisbegriff (die/das Erkenntnis) ein Versuch, Erkenntnis vom Bann der Reversibilität freizuhalten?
Der Feind meines Feindes ist nicht in jedem Falle mein Freund; aber er ist nicht schon deshalb, weil er nicht mein Freund ist, mein Feind. Diese eindeutige Reversibilität gibt es nur auf der Grundlage der Logik des Feindbildes.
Die schwindelerregende Logik, die den gegenwärtigen Weltzustand beherrscht, läßt sich nur durch ein Feindbild auf einfachere Strukturen bringen, aber nur um den Preis der Selbstverblendung.
Die Bekenntnislogik gründet in dem gemeinsamen Nenner eines gemeinsamen Feindbildes. Die Selbstghettoisierung durch ein gemeinsames Feindbild ist das logische Modell der subjektiven Formen der Anschauung und der Isolationshaft.
Zum Projekt Selbstaufklärung gibt es keine Alternative mehr.
Wer heute im Ernst Kritik der politischen Ökonomie zu treiben versucht, kann sich nicht auf die Kritik der Ökonomie beschränken in der Erwartung, daß die politischen Konsequenzen sich daraus von selbst ergeben, sondern er muß die Kritik der politischen Ursprünge der Ökonomie (Ursprung der Ware in Raub und Eroberung: die Sklaven und die Frauen sind die ersten Waren) in die Reflexion mit einbeziehen. Ihr gegenwärtiger Ansatzpunkt wäre die heute epidemisch sich ausbreitende Xenophobie.
Der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos geht die Geschichte der ursprünglichen Akkumulation, der Aneignung des Eigentums an Grund und Boden und der Grundlegung des Sklavenhauses Ägypten durch Joseph voraus. So dialektisch ist die Bibel. Nur das Sklavenhaus Ägypten konstituiert sich als Sklavenhaus in dem Augenblick, als ein Pharao kommt, der sich Josephs nicht mehr erinnert: der die Ursprungsgeschichte des Sklavenhauses verdrängt. Diesen Pharao, der auch JHWH nicht kennt, und zu dem Moses dann im Namen des Gottes der Hebräer spricht, trifft die Geschichte der zehn Plagen und der Verhärtung des Herzens. Für ihn wird Moses zum Gott und Aaron zu seinem Propheten.
Ist nicht Mizrajim ein sprechender Name, dessen Verstummen im Griechischen (schon in der LXX) und dann in der christlichen Tradition Buber in seiner Bibelübersetzung ratifiziert.
Enthält der Name der Hebräer, in dem die Fremdheit und der Blick der andern Völker reflektiert wird, nicht die Forderung, diesen Blick auszuhalten und die Schuld, das Korrelat dieses Blicks, reflexionsfähig zu halten? Schon Abraham war ein Hebräer. Ebenso bekennt sich Jona vor den Schiffsleuten als Hebräer, und ebenfalls Judith im Lager des Holofernes. Jona verkündet Ninive den Untergang, Judith tötet den Holofernes.
Die giftige Atmosphäre im Hogefeld-Prozeß gehört zu den Naturqualitäten eines RAF-Prozesses.
Zum Zug, der in den Abgrund rast: Unsere Gerichte halten sich ans allgemeine Relativitätsprinzip Einsteins, wenn sie die beschleunigte Bewegung als einen der Ruhe äquivalenten Zustand ansehen (wenn sie die Bewegung des Zuges, die Außenwelt und den Abgrund leugnen): Ist der Zug ein Fahrstuhl, der außer Kontrolle geraten ist? Das allgemeine Relativitätsprinzip gründet in dem Theorem der Identität von träger und schwerer Masse, und es ist die Grundlage der Theorien vom Urknall und von den schwarzen Löchern. Verkörpert nicht das allgemeine Relativitätsprinzip das Gesetz der Katastrophe im Zentrum der Physik? Und ist die Logik dieses Prinzips nicht die gleiche Logik, die auch dem Schuldbegriff zugrunde liegt (der Konstellation von Feindbild-Symbiose, Abwehrmechanismen und Projektion)?
Verhält sich die spezielle Relativitätstheorie zur allgemeinen wie die Barmherzigkeit zum Gericht?
Das Feindbild konstituiert das Bild von der Schwere der Schuld (um die es im Kampf gegen die RAF jetzt allein noch zu gehen scheint).
Läßt der Jakobus-Satz, daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums befreit, seine Seele rettet, nicht auf das Werk Horheimers und Adornos anwenden?
Wer das Böse nur verurteilt, gewinnt zwar für sich den Schein der Unangreifbarkeit, er trägt aber nichts mehr bei zur Auflösung des Banns des Bösen.
Sed libera nos a malo: Das Übel ist etwas, das uns zustößt, während wir im Namen des Bösen mitgemeint sind. Die Strafe befreit nicht vom Bösen, sie verewigt es (das Ideal der Strafe ist die Strafe für eine unendlich schwere Schuld). Dem Konzept der „Endlösung der Judenfrage“ lag die Vorstellung einer Erlösung der Welt durch Bestrafung derer, auf die die Antisemiten ihre eigenen Schuldgefühle projiziert hatten, zugrunde.
Die Fähigkeit in einen Angeklagten sich hineinzuversetzen, hängt im Falle der RAF von der Fähigkeit zur Reflexion der deutschen Vergangenheit ab: Sind nicht die Urteile in den RAF-Prozessen allesamt auch Versuche, auf diesem Wege die Vergangenheit endlich loszuwerden?
Die „kleine Verschiebung“, die die messianische Zeit von der Vorgeschichte trennt, ist die Verschiebung der Logik der Verurteilung von der Vergangenheit in die Gegenwart: Es ist die gleiche Verschiebung, die aus dem Weltgericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht macht: der Triumph der Barmherzigkeit über das Gericht.
Schmerz und Schrecken: Nicht der Schrecken lähmt, sondern der Schmerz, der den unaufgelösten Schrecken noch in sich enthält. Nur wer dem Schrecken standhält, entwickelt die Kräfte des Widerstands (die Kräfte, die in den Mechanismen der Empörung und Verurteilung bloß verpuffen; Empörung und Verurteilung führen auch dort noch zum Einverständnis mit dem Bestehenden. wo man glaubt, es zu bekämpfen). -
10.10.1996
Das Feindbild subsumiert die praktische Vernunft unter die transzendentale Logik, unter das System synthetischer Urteile apriori.
In Deutschland ist nun mal das das Recht funktional, ohne inhaltliche Beziehung zur Idee der Gerechtigkeit. Durch den Titel Staatsanwalt ist hier der öffentliche Ankläger eine bloße Funktion: Anwalt des Staates. Nicht er erhebt und vertritt die Anklage, sondern durch ihn hindurch der Staat, der ihn zugleich von der moralischen Verantwortung entlastet, exkulpiert (das Organisationsprinzip der Eigentumsgesellschaft).
Ist nicht die Kombination Petrus, Jakobus, Johannes wichtiger als die Kombination Petrus, Paulus, Johannes (die zur Konstruktion einer paulinischen Kirche führte, in der Reformation)? Blieb nicht auch der Protestantismus durch eine Art symbiotischer Feindschaft noch an die katholische Kirche gebunden? Etwas anderes ist die Kombination Rom, Jerusalem und Patmos.
Wenn Jakobus an die zwölf Stämme in der Diaspora schreibt, nimmt er da nicht ausdrücklich Bezug auf die Zerstörung Jerusalems?
Was haben die Träger gleicher Namen im Neuen Testament mit einander zu tun:
– Johannes der Evangelist mit dem Täufer, auch mit Johannes Markus;
– Jakobus der Sohn des Zebedäus mit dem „Herrenbruder“ (der ihm als Leiter der Gemeinde in Jerusalem folgte und dann zu den „drei Säulen“ gehörte);
– Simon Petrus mit Simon von Cyrene und dem Namensgeber der Simonie;
– der andere Judas (der Bruder des Jakobus, auch ein Herrenbruder?) mit dem Verräter?
Haben die sieben Köpfe und zehn Hörner des Drachens und des Tieres etwas mit den siebzig Völkern zu tun?
Zu dem Satz (auf der Rückseite des Buches von Pablo Richard): „Die Apokalypse entsteht in einer Zeit der Verfolgung“, bleibt zu fragen, ob nicht (und ggf. wie) die Verfolgungen mit dem Ereignis der Zerstörung Jerusalems zusammenhängen.
Wäre nicht besser als das Beispiel des Lustmörders, auf das Horst-Eberhard Richter hinweist, das der Nazis, deren Taten eine Dimension erreichten, in der es möglich war, jeden öffentlichen Hinweis (auf Dinge, die ohnehin alle wußten) als Greuelpropaganda zu dementieren.
Kann es sein, daß das Problem Birgit Hogefelds damit zusammenhängt, daß die eliminatorische Gewalt der Ächtung, der sie ausgesetzt ist, auf beiden Seiten aus der gleichen Quelle stammt: aus der „existentiellen“ Abwehr jeder Reflexion der deutschen Vergangenheit? Würde nicht diese Reflexion den symbiotischen Feindbild-Clinch, der für beide Seiten identitätsstiftend ist, von innen sprengen.
Unterscheidet sich nicht dieser Prozeß von anderen RAF-Prozessen dadurch, daß hier erstmals (allerdings nur auf der Seite der Angeklagten und ihrer VerteidigerInnen) Ansätze zu erkennen sind, den Bann der Logik der Empörung (den Feindbild-Clinch) zu brechen?
Wer blind und mechanisch den eigenen Rechtfertigungszwängen gehorcht, gleichsam sich selbst zu ihrem Objekt macht, betreibt, ohne es selbst zu merken, das Geschäft des Feindes: nicht nur, daß er unfähig wird, potentielle Verbündete vom wirklichen Feind (den er nicht mehr erkennt, da er ihn an seine reale Ohnmacht gemahnt, auf den er nur noch reagiert) zu unterscheiden. Er ernennt alle, die „gegen ihn“ sind, zu Feinden, um an ihnen dann (vor sich selbst und im Ghetto der Bekenntnisgemeinschaft, als deren Teil er sich begreift) gefahrlos seinen Mut unter Beweis stellen zu können. (Empörung macht blind. Der „Weltanschauungskrieg gegen den Bolschewismus“, der die Kirchen dem Faschismus als Verbündete zugeführt hat, war ein Vernichtungskrieg; er hat zugleich das Empörungs-Klima geschaffen, in dem die „Endlösung der Judenfrage“ in Angriff genommen werden konnte.)
Das Feindbild begründet den dämonischen Geheimbereich, die zweideutige Beziehung der Politik zur Öffentlichkeit. In diesem Kontext wird das angebliche Nichtwissen der Nachkriegs-Deutschen, die die Nazizeit mit erlebt haben, verständlich. Vor allem: Es läßt sich nicht mehr damit begründen, die Nazis hätten ihre Verbrechen ja selber geheim gehalten. Diese Geheimhaltung war, was die Judenpolitik und die Konzentrationslager betraf, in jeder Hinsicht durchlässig, ein bewußt erzeugtes Klima des Gerüchts, das den doppelten Zweck verfolgte (und erfüllte): ein allgemeines Klima der Bedrohung zu schaffen, in dem jeder wußte, auf welche Seite er sich zu schlagen hatte, und so zugleich den Antisemitismus zu fördern. Es gab Dinge, die alle wußten, von der sie aber auch wußten: darüber darf man öffentlich nicht reden. Das Klima der allgemeinen Bedrohung war zugleich ein Klima der erzwungenen Komplizenschaft. – Hat das nicht die Nazizeit überlebt? Gibt es nicht auch heute wieder Dinge, die alle wissen, über die man aber nicht reden darf?
Das Feindbild erfüllt diese entlastende Funktion: In den Feind braucht man sich nicht mehr hineinzuversetzen. Genau darin gründet seine identitäts- und gemeinschaftsstiftende Funktion. Es befreit von moralischen Hemmungen (von den Hemmungen des Gewissens), es begründet das pathologisch gute Gewissen, den gemeinsamen Wahn.
Das identitäts- und gemeinschaftsstiftende Element des Feindbildes ist zugleich Teil einer symbiotischen Bindung an den Feind.
Ist nicht die RAF zu sehr Ausdruck einer Krise, als daß sie schon als Teil ihrer Lösung sich begreifen ließe? Nur soviel ist wahr: Die Erkenntnis und Reflexion der Krise bedarf des Versuchs, die RAF zu verstehen, und das Feindbild RAF verschärft nur die Krise, anstatt zu ihrer Lösung beizutragen. Jedenfalls gehört der Versuch einer strafrechtlichen Lösung des RAF-Problems zu den Instrumenten der Krisen-Verschärfungs-Strategien.
Hat nicht die Linke seit der Besetzung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung immer wieder die Neigung bewiesen, an den schwächsten Stellen der „Front“ den eigenen Mut zu erproben? Ist sie nicht freiwillig (oder auch im Bann einer Verblendung durch Empörung, die sie nicht mehr zu reflektieren vermochte) in die Diskriminierungsfallen hineingerannt?
„Übervater“: Er hätte Freud lesen müssen („Totem und Tabu“): Der Vatermord vermag Brüderhorden zu begründen, Opfer- und Bekenntnisgemeinschaften, denen die blinde und bewußtlose Identifikation mit den verinnerlichten Vätern (Nationalismus als Sinnesimplikat jeder symbiotischen Feindbindung) als ihr Grundgesetz einbeschrieben ist, nicht aber den Akt der Befreiung.
Skinhead-Logik: Wer aus jeder Kritik „den Feind“ heraushört, macht sich selbst blind, ohnmächtig und dumm und braucht dann zur Selbsterbauung Mutproben.
„Es gibt nichts tierischeres als ein reines Gewissen“: Dieser Satz (der die Logik aller Opfer- und Bekenntnisgemeinschaften in ihrer Wurzel trifft) bezeugt die Sensibilität und Aktualität der Autorin, die ihn geschrieben hat: Er rechtfertigt nicht nur den Nobel-Preis, der ihr jetzt zuerkannt wurde; er ist ein Schlüssel zur Erkenntnis der Wurzeln des Faschismus.
War das nicht der Fehler der 68er: daß sie die Schrecken des Faschismus (die Schrecken, die der Versuch, Faschisten zu verstehen, auslöste) mit Hilfe der „unbedingten Verurteilung“ (der Empörung, die dann das „reine Gewissen“ erzeugte) geglaubt hat, verdrängen zu können?
Rührt nicht die Psychologie-Feindschaft daher, daß die hier geforderte Reflexion die geliebten Feindbilder zersetzt (Reflexion hat mit dem, was die Nazis „Wehrkraftzersetzung“ nannten, zu tun)?
Es gibt so etwas wie einen logischen Feind-Clinch: Sie kommen (wie das Subjekt vom Objekt) von einander nicht mehr los. (Ist nicht das Identitätsproblem ein Problem der Einheit des Objekts und der Welt wie auch ein Problem des Feindbildes, das diese Einheit garantiert; und lag darin, in seiner gemeinschafts- und identitätsstiftenden und zugleich moralisch enthemmenden Funktion, nicht die zentrale Bedeutung des Antisemitismus für den deutschen Nationalsozialismus?)
Wer bei H.-E. Richter nicht mehr hinhören kann – und da dürften sich in der Tat alle „Obrigkeiten“ mit den „Starrköpfen aus der RAF“ einig sein – will eigentlich garnicht wissen, was wirklich passiert ist, er wills nur entweder verurteilen oder rechtfertigen. Und genau diese Diskussion, die diese Alternative unterläuft, wäre notwendig. Dazu, scheint mir, liegen erste Ansätze sowohl in dem Beitrag von Birgit Hogefeld als auch in den Anmerkungen Horst-Eberhard Richters vor. Daß diese Diskussion vielleicht sogar zu allererst mit der Vergangenheit, die nicht vergehen will, zu tun hat, damit, daß Auschwitz, je weiter wir uns in der Zeit von ihm entfernen, uns immer näher rückt, …
Kann es sein, daß die symbiotische Feindbindung einen für beide Seiten gemeinsamen Grund hat: die Vergangenheit nicht an sich heranzulassen?
Hängt nicht die besondere Verführbarkeit des deutschen Volkes (zu der das Werk Daniel Jonah Goldhagens erneut einschlägiges Beweismaterial vorgelegt hat) mit einem auch hier in diesen Prozeß hineinwirkenden Staatsverständnis zusammen, ein Staatsverständnis, das unter anderem auch die Transformation einer Angeklagten zum Feind (und damit den Rückfall in die Logik des Vorurteils, die die Zumutung, in die Angeklagte sich hineinzuversetzen, apriori abwehrt und diesen grundhumanen Akt mit dem Stichwort Sympathisant grundsätzlich diskriminiert) zu erklären vermag?
Feind/Sklave/Ausländer/Ware? Ist nicht der Feind (das Objekt der reflexionslosen Verurteilung) das Grundmodell des Objektbegriffs?
Man muß begreifen, daß die „unbedingte Verurteilung“ (auch die des Faschismus) nicht nur ein Instrument gegen den Faschismus ist, sondern ebensosehr ein Erbe des Faschismus: Sie ist die Basis und der Kristallisationskern der deutschen Staatsmetaphysik.
Es gibt nicht nur eine Psychologie des Vorurteils, es gibt auch eine Logik des Vorurteils; und wäre deren Analyse nicht vielleicht sogar wichtiger?
Ein Luxus-Zug, der auf den Abgrund zurast:
– Die Rechten verriegeln und bewachen die Türen (daß ja niemand hereinkommt) und schmeißen alle raus, die nicht hineingehören,
– die Politiker und die Medien bemalen die Fenster und geben die Bilder als die Außenwelt aus, die sie unsichtbar machen,
– die Gerichte leugnen die Bewegung des Zuges, die Außenwelt und den Abgrund und verurteilen jeden, der daran erinnert.
Aber hat eigentlich wirklich jemand daran geglaubt, daß es helfen würde, in dem mit wachsender Geschwindigkeit dahinrasenden Kapitalismus-Express das Personal zu erschießen; käme es nicht vielmehr darauf an, seine Technik, die Beschleunigungsmechanismen (die nur als gemeinsame Mechanismen des Zuges und seiner Außenwelt sich begreifen lassen) zu studieren, um den Sturz in den Abgrund vielleicht doch im letzten Augenblick noch zu verhindern?
Weshalb die Paranoia die Welt falsch abbildet: Dient nicht das Feindbild auch dazu, das Handeln des Feindes zur Rechtfertigung des eigenen Handelns zu mißbrauchen, zugleich aber die Folgen dieses Mißbrauchs (ihre Reflexion) auszublenden?
Eine sprachlogische Anmerkung
Es fällt auf, daß die Vertreter der Bundesanwaltschaft im Hogefeld-Prozeß den Begriff Bekennerschreiben konsequent vermeiden und durch „Selbstbezichtigungsschreiben“ ersetzen; mittlerweile hat dieser Begriff auch in der Berichterstattung der Presse Eingang gefunden. Es dürfte nicht uninteressant sein, die etwas wirre Logik dieser Sprachkonstruktion ein wenig genauer zu betrachten:
– Im normalen Sprachgebrauch zeichnet sich der Begriff der Bezichtung durch seinen direkten, nach außen gerichteten Objektbezug aus: Bezichtigt wird immer ein anderer (im Falle der Verdächtigung, der Denunziation, der Anklage); hinzu kommt, daß bei einer bloßen Bezichtigung die Tatbeteiligung noch nicht feststeht, daß sie problematisch und noch nachzuweisen ist. Der reflexive Gebrauch des Begriffs findet sich eigentlich nur im Falle des begründeten Zweifels an der Wahrheit einer solchen „Selbstbezichtigung“ (z.B. wenn jemand sich selbst bezichtigt, um einen anderen zu decken): Bezichtigt wird einer, der die Tat leugnet, und das gilt auch für die „Selbstbezichtigung“, die stellvertretend für den wirklichen Täter dessen Tatbeteiligung leugnet.
– Sprachlogisch ist der Begriff der Selbstbezichtigung auf den Fall des Bekenntnisses nicht anwendbar, ein „Selbstbezichtigungsschreiben“ ist kein Bekennerschreiben. – Teil der staatsanwaltlichen Logik, eines strategischen, instrumentalisierten Gebrauchs der Logik, erzwungen durch den Kontext des politischen Prozesses (in der Nazizeit reichte die Denunziation, eines Beweises bedurfte es dann nicht mehr)?
– Adressat eines Bekennerschreibens ist die Öffentlichkeit, Adressat einer Selbstbezichtigung ist die Anklagebehörde; so wird die Tat durch die Sprache entpolitisiert und unter die Strafrechtslogik subsumiert (die Subsumtion unter die Strafrechtslogik wird mit Hilfe des Reflexionsverbots schon ins Vorfeld der Ermittlung und Anklage verlegt);
– wer sich zu einer Tat bekennt, will die Gründe der Tat öffentlich machen; durch den Begriff der Selbstbezichtigung werden diese Gründe (und d.h. in diesem Falle: der politische Hintergrund und die politischen Motive der Tat) schon im vorhinein ausgeblendet;
– Selbstbezichtigung ist so etwas wie eine Selbst-Denunziation, der Begriff bezieht den diskriminierenden Ton, der den kriminellen Charakter der Handlung ins Licht rückt, mit ein, er unterstellt als Absicht der Täter, was der Ankläger nur heraushört; die „Selbstbezichtigung“ macht die Tat noch verwerflicher, weil der sich selbst Bezichtigende sich zu etwas Verabscheuungswürdigem bekennt, damit aber sich selbst aus der Gemeinschaft der Verurteilenden ausschließt (nicht die Tat, sondern das Sich-Ausschließen aus dieser Gemeinschaft ist der zu sanktionierende Akt); oder auch: das Bekenntnis zu einer Tat greift die Rechtsordnung an, indem es intendiert, einer kriminellen Handlung den Schein des Normalen, des Erlaubten, einer ungestraft öffentlich zu machenden Handlung zu geben versucht (ein anderer, der nicht der Täter ist, würde dagegen durch die Denunziation ein öffentliches Interesse, deren Grenzen mittlerweile ohnehin die Staatsanwaltschaft definiert, wahrnehmen);
– liegt es nicht in der Konsequenz dieser Logik, daß am Ende das Konstrukt der „Nestbeschmutzung“ (als ein Akt kollektiver „Selbstbezichtigung“) zu einem Strafrechtstatbestand und damit kriminalisiert wird?
Ensteht hier nicht so etwas wie eine Schuldautomatik, die in der Logik der Verurteilung gründet? Es kommt nicht darauf an, daß man kein Unrecht tut, sondern allein darauf, daß man sich nicht dazu bekennt, sondern es unbedingt verurteilt und verabscheut; ob die, die es verurteilen, es möglicherweise selber tun, ist fast schon unerheblich. -
04.10.1996
„Es gibt nichts tierischeres als ein reines Gewissen“: Dieser Satz (der die Bekenntnislogik in ihrer Wurzel trifft) rechtfertigt nicht nur den Nobel-Preis: Er bezeugt die Sensibilität und Aktualität, die prophetische Erkenntniskraft, seiner Trägerin. Er ist ein Schlüsselsatz zur Erkenntnis jeder Art von Faschismus.
Die Logik des apagogischen Beweises ist der Stachel im Herzen des Objekts (Grund des kontrafaktischen Urteils, der Urteilsethik, der Wertethik).
Die Bekenntnislogik versucht die Lücke zu schließen, die der apagogische Beweis aufreißt. Dazu bedarf sie der Idee des Absoluten (der gegenstandslosen Spiegelung des Subjekts im Unendlichen). Die Confessiones des Augustinus enden mit dem Selbst-Bekenntnis.
Sind nicht die Confessiones des Augustinus die Urgestalt der erbaulichen Literatur, die lateinischen Ursprungs ist? Zur erbaulichen Literatur gehört die „fromme Lüge“: Religion als Mittel der Verführung anderer? Die Idiosynkrasie gegen das Theater verweist auf eine Dramaturgie, dessen Bühne eine Sprache ist, die die Namenskraft der Sprache aus dem prosaischen Indikativ, an den sie gefesselt ist, nicht mehr zu entwickeln vermag (wodurch unterscheidet sich der lateinische vom griechischen Indikativ?). Die „Wörtlichkeit“ des Genesis-Kommentars des Augustinus (de genesi ad litteram) drückt das aufs genaueste aus. Es ist die Wörtlichkeit eines Indikativs, der im Bann der imperialen Logik der lateinischen Sprache die Herrschaftsreflexion verlernt hat. Der Bann der imperialen Logik ist der Bann der Objektivierung.
Zu den Elementen der erbaulichen Literatur gehören:
– die Legende (die, nachdem sie von der Herrschaft in den Dienst genommen wurde, zur Fälschung sich entwickelt hat),
– die Privatisierung der Idee der Vorsehung (und deren Erkennbarkeit durch den Frommen), die die stoische Ataraxia als Gleichgültigkeit gegen die Welt ins Objektive wendet: in die Dinge projiziert,
– die zentrale Funktion der Sexualmoral (und der zölibatären Lebensweise), in die die verdrängte Herrschaftskritik projiziert wird,
– daraus abgeleitet die merkwürdige Beziehung zu Frauen (die heilige Mutter und die namenlose und dann verstoßene Geliebte).
Die subjektiven Formen der Anschauung (zur Logik der Natur- und Geschichtserkenntnis): Der mitleidlose Blick strahlt als Kälte der Welt zurück.
Der Bruch zwischen E- und U-Musik (und die zunehmende Verrottung beider) ist ein Reflex der Entstehungs- und Vollendungsgeschichte der Beton-Welt: Die Rockmusik lehrt die Menschen, nach der Pfeife dieser Betonwelt zu tanzen, während die Schlager (und die Pop-Musik) ihnen helfen, vor dieser Welt die Augen zu verschließen, sich aus dieser Welt herauszuträumen. Nicht mehr die Musik, sondern die avancierteste Gestalt ihrer Reflexion erschüttert die Fundamente der Welt.
Die Beton-Welt ist ein ebenso realer wie sprachlicher Sachverhalt: An der Zeit wäre die Entfaltung einer politischen Grammatik (Ursprung des Neutrum, Geschichte der Deklination und Konjugation, Beziehung der Sprache zur Mathematik, zum Inertialsystem).
Die Apokalypse unterscheidet zwischen den Gebeten der Heiligen (Rauchopfer) und den Taten der Heiligen (weiße Kleider).
Sind Satan und Teufel Verkörperungen der imperialen Macht, symbolisieren sie den Caesar? Gibt es hierzu Hinweise in der Geschichte der Versuchungen Jesu (die in der konstantinischen Wende real werden: Teilhabe an der Macht, Steine statt Brot, Sturz von der Zinne des Tempels)? -
01.10.1996
Das Prinzip der Schuldumkehr (und somit ihre Beziehung zum Schuldbekenntnis) bindet die Bekenntnislogik an die Logik der Verurteilung und ans Feindbild. Die Bekenntnislogik ist das Produkt der Instrumentalisierung des Symbolums. Drückt die Differenz des Bekenntnisses zum Symbolum nicht in der des confiteri zum homologein sich aus? Und ist nicht der Kontext der confessio (ihre passive, auf den Blick und das Urteil der Andern bezogene Beziehung zur Sündenvergebung, zur Rechtfertigung) ein anderer als der des homologein (der aufs Handeln: auf die aktive Nachfolge, verweist)? Die confessio trennt die Sündenvergebung vom Sündenvergeben (das Gericht von der Barmherzigkeit), sie transformiert so das homologein in ein theologisches Inertialsystem (sie subsumiert das Bekenntnis unters Gesetz der Instrumentalisierung).
Die Trinitätslehre ist – insbesondere in ihrer lateinischen Fassung – ein logisches Konstrukt. Es ist nicht unerheblich, daß die bedeutendsten lateinischen Theologen (von Tertullian bis Augustinus) Rhetoren waren, die die Logik, indem sie sie wie eine Ingenieurswissenschaft betrieben (als Mittel für subjektive Zwecke), zu einem Instrument der gesellschaftlichen Naturbeherrschung gemacht haben. Hier ist der instrumentalisierende Grundzug in die Theologie hereingekommen, der seitdem nicht mehr aus ihr herauszubringen ist. Ist nicht das Modell der trinitas der Raum mit seinen drei Dimensionen (und das der Orthodoxie die Orthogonalität)? Die Trinitätslehre ist das embryonale Modell der universalen Verdinglichung (der Verhärtung des Herzens).
Rind und Esel: Im Strafrecht verfolgt der Staat seine Konkurrenten: die Anmaßung des „Verbrechers“, von einem Recht Gebrauch zu machen, das nur ihm, dem Staat, zusteht. Deshalb kennt das Strafrecht keine Versöhnung und keine Wiedergutmachung, aber auch keine Umkehr, sondern nur die Strafe: die Befriedigung des Rachetriebs. Das Strafrecht wird, wenn es das Element seiner Humanisierung (die Domestizierung des Rachetriebs) endgültig verwirft, zu einer projektiven Verfolgungsmaschine (die dann im deutschen Judenmord gegen das Strafrecht, aus dem sie hervorgegangen ist, sich verselbständigt hat), eine Maschine, mit deren Hilfe der Staat sein eigenes Verbrechen (das Verbrechen seines Bestehens) an anderen verfolgt, um so sich selbst zu exkulpieren. Ist nicht das Bekenntnis zum Staat, Grund und einziger Inhalt des Nationalismus, das verstockte Bekenntnis zu diesem Verbrechen (und ist nicht die Schuldumkehr, in der das Bekenntnis sich konstituiert, der Grund der Verhärtung des Herzens)?
Hängt die consubstantialitas mit der homousia auf ähnliche Weise zusammen wie die confessio mit dem homologein?
Ist nicht die confessio eine passivische Perfektbildung (abgeleitet aus dem Verb confiteri, confessus sum), und ist nicht der lateinische Substanzbegriff ein Produkt (das gegenständliche Pendant) der confessio? Das Substantiv ist das Produkt der logischen Verknüpfung beider.
Wie kommt es, daß fast alle grammatischen Bezeichnungen (wie Substantiv, Akkusativ, Nominativ etc.) auf -iv(um) enden; drückt sich darin nicht schon ihre Beziehung zur Ursprungsgeschichte des Trägheitsbegriffs, des Inertialsystems, aus? – Verweist das -ivum nicht auch auf einen Eingriff, auf eine gegenständliche, formende Tätigkeit: auf eine apriorische Sprachlogik, eine Herrschaftslogik der Sprache? Ist diese Sprachlogik nicht die Embryonalform der transzendentalen Logik (und ihr Subjekt die des transzendentalen Subjekts)?
Vor dem Erscheinen des Tiers aus dem Wasser wird der Drache (der „Ankläger unserer Brüder“) vom Himmel auf die Erde geworfen. „Darum frohlockt, ihr Himmel, und die ihr darin wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen …“ Auf die Erde herabgeworfen, verfolgt der Drache das Weib, das den Knaben geboren hat, und das in die Wüste flieht, „fern vom Angesicht der Schlange“. Es steckt eine ungeheure Dramatik in den Kapiteln 12/13 der Johannes-Offenbarung: Der Drache übergibt dem Tier seine Kraft, seinen Thron und große Macht … Der Drache und das Tier werden angebetet; dann macht das Tier vom Lande ein Bild des ersten Tieres, das große Zeichen tut, sogar Feuer vom Himmel auf die Erde herabfallen läßt, es verleiht dem Bild Lebensgeist, sodaß das Bild sogar redet und bewirkt, daß alle, die das Bild nicht anbeten, getötet werden.
Worauf bezieht sich das Bild von dem vom Himmel auf die Erde geschleuderten Drachen, hängt es mit dem Wort aus dem Johannes-Evangelium zusammen: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden …“ (Joh 1231, vgl. auch 1430 und 1611, sowie Lk 1018). Und hat diese Geschichte nicht etwas mit der Ursprungsgeschichte des „transzendentalen Subjekts“, der Konstruktion des Bewußtseins und dem Ursprung der Philosophie (in denen die Ursprungsgeschichte des Staates sich spiegelt) zu tun?
Erinnert nicht die Trennung von Information und Feuilleton in den Medien (die auf die sachliche von Politik/Ökonomie und „Kultur“ zurückweist) an die Unterscheidung des Tiers aus dem Meere vom Tier vom Lande?
Die kantische Antomienlehre enthält die Ansätze einer Kritik der Logik, sie eröffnet einen Blick in den Abgrund der Logik, den Hegel durch die erneute Einbindung in die Logik (durch Einbindung der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik) zu schließen versucht hat. -
29.09.1996
Das Verurteilen rührt an die Angel der Welt. Merkwürdiger Doppelsinn des Worts Angel: Es bezeichnet sowohl ein Instrument des Fischfangs, den Haken, als auch den Dreh- und Angelpunkt (das Triangel ist das Dreieck). Verweist dieser Doppelsinn nicht auf den Winkel und dessen Norm, die Orthogonalität (den logischen Kern der Verurteilung)? (Hat die Angel etwas mit dem angelus zu tun; vgl. auch Anker.)
Haben die Könige von Edom etwas mit den ägyptischen Plagen zu tun, und haben beide etwas mit der Beziehung des Königtums zum Opfer zu tun?
Austreibung der Dämonen: Ist nicht jede Objektivation dämonisch, und war nicht der Titel „Sohn Gottes“ das erste Produkt der Objektivation (der Logik des Seitenblicks, des Urteils, des Indikativs)? Die homousia affiziert weniger den Sohn als vielmehr den Vater, den sie (in der Trinitätslehre) in die Logik der Instrumentalisierung mit hereinzieht: Die homousia, die die Sohnschaft verfügbar macht, ist das Gericht des Sohnes über den Vater. Wenn Jesus Gott Vater nennt und der Vater ihn seinen geliebten Sohn, so ist das etwas anderes als wenn wir ihn Sohn Gottes nennen (und den Titel zu einem Prädikat in einem Urteil über Jesus machen: zu einem Begriff). So nennen ihn auch die Dämonen und zittern (und so nennt ihn der Hauptmann unterm Kreuz, aber auch Petrus).
Der Sohn-Gottes-Titel entstammt der gleichen Logik, aus der auch das Gravitationsgesetz stammt (das Gravitationsgesetz verhält sich zur Schwere wie der dogmatische Sohn-Gottes-Begriff zu den Selbstbezeichnungen Jesu). Beide instrumentalisieren die Beziehung von oben und unten, sie rühren an die Grundlage des Begriffs (an die Form der Beziehung des Begriffs zum Objekt, die eine irreversible Oben-Unten-Beziehung, eine Spiegelung des Gravitationsfeldes, ist). Der Sohn-Gottes-Begriff hat die Theologie (auf dem Weg über die Trinitätslehre) zu einem Modell, zu einer Vorform der Naturwissenschaften gemacht. Im Sohn-Gottes-Begriff spiegelt sich die Trennung von Natur und Welt, Objekt und Begriff; er begründet einen Universalismus, der die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern unterdrückt, verdrängt und neutralisiert. Die Beziehung des Begriffs zum Objekt gründet in der Herrschaftsbeziehung, in der Beziehung des Herrn zum Beherrschten: sie verdrängt mit dem Bewußtsein der Asymmetrie die Fähigkeit zur Reflexion von Herrschaft, damit aber die Idee der Barmherzigkeit.
Rechts und Links nicht unterscheiden können ist die Unfähigkeit zur Reflexion von Herrschaft.
Die RAF-Prozesse, das Feindbild, die Verwaltungslogik, die Bekenntnislogik, das Geld und das Inertialsystem: sie alle gehen davon aus, daß es eine unendliche (die Barmherzigkeit lähmende) Schwere gibt. Diesen Sachverhalt hat Kafka in dem Satz reflektiert: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
Wie hängt der Sohn-Gottes-Titel mit dem Satz zusammen, daß die Pforten der Hölle (der Unterwelt) sie (die Kirche) nicht überwältigen werden? Worauf bezieht sich hier der Name der Kirche?
Rosenzweigs Kritik des All schließt die Kritik der Äquivalenz aller Richtungen im Raum, ihrer Ununterscheidbarkeit, mit ein.
Ägyptische Finsternis: Die Fundamentalontologie Heideggers hat den blinden Fleck der Philosophie totalisiert.
Das Sein ist der Inbegriff des Präsens, aber unser Präsens ist ein durchs Perfekt (durch die „vollendete Vergangenheit“) vermitteltes Präsens: In ihm steckt das ganze, hier wirklich unendlich gewordene Gewicht der Vergangenheit.
Die Schwere, und zwar die physikalische (der Trägheit äquivalente) wie auch die moralische der Schuld, ist der Ausdruck der Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart. Der Begriff der Schwere der Schuld gehört zum Feindbildsyndrom, er verwischt die Grenze zwischen einem Angeklagten und dem Feind und macht das Recht zu einem Instrument des Vorurteils. Das faschistische „gesunde Volksempfinden“ war immer schon ein Euphemismus für den völkischen Rachetrieb.
Gibt es in der hebräischen Bibel (außer dem Satan) auch Teufel oder Dämonen? Woher kommt der Teufel? Sind Satan, Teufel und Dämon drei Phasen oder drei Stufen der Sprachentwicklung?
Synthetische Urteile apriori sind Verwaltungs- (oder Staatsschutz-)urteile. Wäre Gemeinheit ein strafrechtlicher Tatbestand, würde es keine Staatsschutzsenate geben.
Das Inertialsystem spannt Rind und Esel gemeinsam vor den Pflug, sein Opfer ist das Lamm.
Die Instrumentalisierung ist eine Pluralisierung (jeder Begriff bezieht sich auf Objekte im Plural; es gibt keinen individuellen Hammer, sondern jedes Instrument ist logische Massenware: seit Kopernikus gibt es die Frage nach dem Leben auf anderen Sternen).
Modelle der Instrumentalisierung: Deutscher Gesang, deutsche Frauen und deutscher Wein. -
28.9.1996
Steckt in der kantischen Unterscheidung eines feminenen und eines neutrischen Erkenntnisbegriffs (die bzw. das Erkenntnis) ein bei seinen Nachfolgern schon verdrängtes Bewußtsein davon, daß die transzendentale Logik eine neutralisierte Erkenntnisform begründet? Und liegt hier nicht der Grund für die „romantische Revolution“, die Isaiah Berlin (in Lettre 34, S. 76ff) zu beschreiben versucht? Im Bann der Logik dieser neutralisierten Erkenntnis wird das Wahre (nicht die Wahrheit) zum „bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ (Hegel, Vorrede/Einleitung zur Ph.d.G.).
Kant begründet seine Vernunftkritik mit dem Hinweis auf die kopernikanische Wende, in der er das Modell seiner philosophischen Revolution erkennt. Ist die transzendentale Logik nicht in der Tat das philosophische Äquivalent der newtonschen Gravitationstheorie, beschreiben nicht beide gemeinsam den Grund und die Grenzen des Begriffs der Erscheinung (und im Begriff der Erscheinung das Korrelat des Begriffs, den Inbegriff aller Objekte von Urteilen)?
Ist die Fähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, der Anfang der Gotteserkenntnis? Und war es nicht der Pharao, der, weil er Joseph nicht mehr kannte, auch den Namen Gottes nicht mehr kannte? Deshalb mußte Moses auf den „Gott der Hebräer“ sich berufen, wenn er zum Pharao ging.
Israeliten heißen die, die Gott fürchten; Hebräer heißen die Gottesfürchtigen von außen: in den Augen der Völker. Vereinigt nicht der Name des Gottessohns beide Aspekte in sich (mit der Folge, daß durch die Dogmatisierung dieses Namens seine Wahrheit verdrängt wird, nur der Blick von außen, der dämonische Gebrauch des Namens zurückbleibt: der Gott der Hebräer)?
Backstreet boys: Gibt es dieses Gekreische nicht auch in der Religion?
Das „geboren aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria“, das in einigen frühen Bekenntnistexten sich findet, enthält die Erinnerung an den Mutterschoß, aus dem die Propheten berufen wurden, während das „natum de spiritu sancto ex Maria virgine“ den Heiligen Geist in den zeugenden Gott mit hereinnimmt (und die Prophetie storniert).
Die Erstgeburt ist dem Moloch zubestimmt, seine Auslösung durchs Opfer (des Lammes, auch der Taube) gehört zur Ursprungsgeschichte der Offenbarung. Bei der Bindung Isaaks war der erste Engel, der das Opfer forderte, der Engel Gottes, der zweite, der es verhinderte, der Engel des Herrn. Auch dem Zacharias und der Maria ist der Engel des Herrn erschienen: er nannte sich Gabriel.
Nach Emmanuel Levinas stehen die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ: Ist nicht der Indikativ die Sprache des Selbstbewußtseins, das sprachliche Korrelat des Weltbegriffs und des Objektivationsprozesses, den der Weltbegriff begründet und legitimiert? Aber gibt es nicht doch auch einen theologischen Indikativ: den der Lehre? -
26.09.1996
Läuft das Plädoyer der BAW nicht auf ein lebenslängliche Beugehaft hinaus? Keine der Taten, deretwegen Frau Hogefeld angeklagt ist, wurde wirklich nachgewiesen; „bestraft“ wird sie dafür, daß sie nicht bereit war, sich als Kronzeugin zur Verfügung zu stellen. Und die Öffentlichkeit interessiert’s nicht, weil es sich um einen RAF-Prozeß handelt.
Beitrag zur politischen Ökonomie: Der Nationalismus definiert die Grenze, die die Eigentümer von den Nicht-Eigentümern trennt (Sozis waren und bleiben „vaterlandslose Gesellen“). Wenn in Deutschland Gastarbeiter sich „wie Gäste benehmen“ sollen, so heißt das, daß sie als Nicht-Deutsche an den (Eigentümer)-Rechten der Deutschen keinen Anteil haben, daß sie, wie andere Ausländer auch, keine Rechte haben.
Sprachaufklärung für Theologen: Überzeitlich sind die Schlange und das Tier, ewig ist Gott.
Haben nicht die beiden subjektiven Formen der Anschauung ein unterschiedliches Gewicht? Vorrang hat die subjektive Form der inneren Anschauung, die Vergegenständlichung der Zeit (die ihre Entsprechung findet in den indoeuropäischen Grammatiken, in den Formen der Konjugation), der Kristallisationskern sowohl der Form des Raumes als auch des Geldes und der Bekenntnislogik. Mit der Vergegenständlichung der Zeit (durch die Trennung der logischen von der zeitlichen Folge, des Grundes von der Kausalität) entspringt überhaupt erst die Logik. Und mit der Vergegenständlichung der Zeit gewinnt die Sprache ihre vergegenständlichende Gewalt, wird sie zum Organ des Herrendenkens. Die vergegenständlichte Zeit trennt Gericht und Barmherzigkeit, macht das Denken zum richtenden Denken (der Seitenblick auf die Zeit ist der schuldverdrängende und der richtende Blick (wer einen „lieben Gott“ oder einen „gnädigen Gott“ sucht, der sucht den Gott der apriorischen Sündenvergebung: das hat einmal das Dogma für die Herrschenden geleistet, das leistet heute das Inertialsystem für alle; Hitler war die letzte Verkörperung dieses „lieben Gottes“, seitdem gibt es nur noch Schmusetiere; der „liebe Gott“, der vom barmherzigen Gott zu unterscheiden ist, ist der Gott, der uns von unseren Schuldgefühlen befreit und dann gnädig über die Folgen unseres Handelns hinwegsieht: der rechtfertigende Gott, der eigentlich das Weltgericht ist, das Hegelsche Absolute). Ist die Zeit (sind die Tempora der indoeuropäischen Sprachen) der Turm, der bis an die Himmel reicht und die Verwirrung der Sprache zur Folge hatte?
Liegt nicht zwischen dem Demonstrativpronomen und dem Relativpronomen die Logik der Vergegenständlichung (im Hebräischen bezeichnet das ascher den „Ort, wo“; und der Artikel hatte ursprünglich demonstrative Funktion; vgl. Hebräisch, Kurzgrammatik von Hans-Peter Stähli, S. 66)? -
25.09.1996
Gibt es in Staatsschutz-Prozessen heute kein Mittel mehr dagegen, daß die falschen Zeugen gewinnen? Ist nicht die bundesanwaltschaftliche Dialektik das Instrument der Konstruktion synthetischer Urteile apriori (die forensische Dialektik findet ihren Grund in dem mit dem Problem des apagogischen Beweises logisch verknüpften Prinzip, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist)?
Das Präsens ist die Zeitform der zweiten Unmittelbarkeit. Diese Unmittelbarkeit verdankt sich dem „Seitenblick“, die jedes Handeln in ein gesetzlich determiniertes Geschehen transformiert (Ursprung des Naturbegriffs, der diesen Seitenblick festschreibt).
Gott ist weder der Herr der Geschichte noch der Schöpfer der Natur: Er ist keine Legitimationsinstanz der Objektivierung.
Der kirchliche Begriff der Sündenvergebung ist gnadenlos: Er trennt die Sündenvergebung vom Sündenvergeben, von der Versöhnung.
Die Theologie heute ist die ebenso hilflose wie verkrampfte Auseinandersetzung mit der transzendentalen Logik, in die sie durchs Bekenntnisprinzip verstrickt ist. Die transzendentale Logik ist der Inbegriff einer Immanenz, die in den Grenzen der Subjektivität eingeschlossen bleibt, sie nicht zu sprengen vermag.
Christliche Priester-Theologie hat den Heiligen Geist zum Gattungswesen und zum Agenten des Selbsterhaltungsinstinkts des Kirchentiers gemacht. Deshalb ist der Heilige Geist in den Kirchen verstummt.
Die differentia specifica der Nachkriegsgeschichte gegenüber dem Faschismus, aus dem sie hervorgegangen ist, liegt in dem Fortschritt der Vergesellschaftung von Herrschaft: Nach dem Ende des Faschismus ist fürs Bewußtsein Herrschaft irreversibel von den Menschen auf die Dinge übergegangen. Habermas‘ Verzicht auf Naturkritik war die Kapitulation vor dieser Herrschaft der Dinge. Der Sieg des Objektivationsprozesses drückt unmittelbar in der Historisierung der Gegenwart sich aus, die sich selbst nur als vergangene Gegenwart (aus der Perspektive des Futur II, der zukünftigen Vergangenheit, deren merkwürdiger Doppelsinn erhalten bleibt) noch zu begreifen vermag.
Hängt damit nicht die seit Jahren etablierte Redewendung, mit der der Redende sich selbst in den Konjunktiv setzt, zusammen: „Ich würde sagen, …“
Zur frühmittelalterlichen Engellehre: Sind nicht die hierarchischen Strukturen (im Kosmos wie in der Gesellschaft) im Bann von Herrschaft erstarrte Reflexionsformen der Verdinglichung (der Begriffshierarchien)? Der Satz, daß „jetzt der Fürst dieser Welt hinausgeworfen wird“ (Joh 1231), bezeichnet einen (für das Verständnis des Christentums zentralen) sprachgeschichtlichen Sachverhalt.
Gehört nicht zum Titel Menschensohn die ezechielische Konstellation der Individualisierung der Schuld (die Verwerfung der Erbschuld), die ohne die Übernahme der Sünde der Welt nicht zu halten ist. Der Menschensohn ist der Sohn dessen, durch den „die Sünde in die Welt gekommen ist“. -
13.09.1996
Die Anbetung bezeichnet den Übergang der Religion von ihrem moralischen Begriff zur Ästhetisierung (das ästhetische Objekt konstituiert sich mit dem Urteil). Zu den historischen Grundlagen der Ästhetisierung der Theologie, die übers Dogma sich entfaltet hat, gehört die merkwürdige Verbindung von Mönchstum und imperialer Reichsideologie, die die Geschichte der Konzilien bestimmt (und 381 unter Theodosius in Konstantinopel vollendet wurde).
Die Gestalt der Anbetung, die im Mönchstum sich verkörpert, ist seit je ein Instrument der Ästhetisierung, der Mythisierung des Christentums gewesen. Mönche sind Zeloten, die, um ihre Kräfte zu sammeln, in die Wüste gehen, dort aber vergessen haben, weshalb sie in die Wüste gegangen sind.
Geschichte und Natur sind zu ästhetischen Objekten geworden, zu deren Ursprungsgeschichte diese theologische Vorgeschichte dazu gehört.
Der Materialismus (zu Ralph Stürmer) ist befreiend nur als Forschungsmaxime, nicht als Weltanschauung: Hier hat er Teil am Problem des Schuldverschubsystems, das nur entlastet, indem es zugleich die Last durch Verdrängung vermehrt. Der metaphysische Materialismus ist ein Instrument des Schuldverschubsystems, der Transformation der Last ins Joch.
Wenn die (pseudohistorischen) Hethiter in Wirklichkeit die Kappadozier sind, sind sie dann nicht ein Konstrukt zur Abschirmung, Legitimierung und Stabilisierung des Antisemitismus?
Ehe Abraham ward, bin ich: Hat Jesus damit nicht die jüdische Geschichte zur Gegenwart gemacht? Und ist sie nicht in der Tat nur so gegem ihren antisemitischen Mißbrauch gefeit?
Das Präsens (das gegen die Vergangenheit sich definiert) ist der blinde Fleck in der indoeuropäischen Grammatik und Sprachlogik. Die veränderte Konstruktion des Perfekt in den modernen Sprachen, seine Bildung mit Hilfe der Hilfsverben, hat dieses Perfekt zu einer präsentischen (und deshalb „vollendeten“) Vergangenheit gemacht. Im Verein mit dem Präsens, das in der Hilfsverb-Konstruktion des Perfekt wiederkehrt, ist das Perfekt der Deckel auf der Vergangenheit (das philosophische „Wesen“ ist ein Perfekt). Das moderne Korrelat dieses Deckels ist das Inertialsystem, das Produkt der Vergegenständlichung der subjektiven Formen der Anschauung (in dem diese subjektiven Formen der Anschauung sich selbst zum Gegenstand der Anschauung machen). Im Inertialsystem streicht die Subjektivität sich selbst durch, wird die Erinnerung an die kantischen Antinomien gelöscht.
In der deutschen Rezeption der kantischen Philosophie wurde die Erkenntniskritik seit je als Instrument der Legitimation des Kritisierten (der Naturwissenschaft) aufgefaßt, wurde das kritische Element verdrängt.
Das Inertialsystem ist das Korrelat der Ontologie, der Hypostasierung des Seins.
Abgestiegen zur Unterwelt: Ist dieser Abstieg nicht durch die Erfindung der Hölle perhorresziert worden? Und hat nicht diese Erfindung den Weg zum Himmelreich verschlossen?
Die Hölle bezeichnet präzise den Objektbereich der Verurteilung und des Vergangenen zugleich. Die Vergegenständlichung der Höllenvorstellung war das Korrelat der Apologetik, der Rechtfertigungszwänge. Erst das Inertialsystem hat die Höllenvorstellung abgelöst und vertrieben.
Personalisierung: Im Kontext der Höllenvorstellung sind die Juden, die Ketzer, die Frauen zu Verkörperungen und Agenten des Teufels geworden.
In diesem Zusammenhang wäre leicht nachzuweisen, weshalb in politischen Prozessen die Strukturen des Vorurteils und der in seinem Kontext ausgebildeten Verfolgungsformen sich reproduzieren (und weshalb sie offensichtlich geeignet sind, das Vorurteil neu zu beleben).
Wird hier nicht – über die Mechanismen des Schuldverschubsystems, der Ablenkung, des Blitzableiters, des Sündenbocks, die alle am Ende nicht mehr helfen werden – eine Situation vorbereitet, aus der es kein Entrinnen mehr geben wird? Trifft sich nicht hier die Auflösung des Problems des Schuldverschubsystems, des Vorurteils, des Antisemitismus, mit der Auflösung des Problems des Inertialsystems? Und bezieht sich nicht auf beide der Satz vom Lösen: Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein?
Das „Abgestiegen zur Unterwelt“ kommt nur im apostolischen Glaubensbekenntnis vor, während es im N und NC (wie übrigens die Höllenvorstellung in allen Symbola) fehlt; wodurch unterscheidet sich das apostolische Bekenntnis sonst noch von den übrigen (hinsichtlich des Ursprungs, des Inhalts und des Aufbaus)?
Gehört die „Venus-Katastrophe“ zur Ursprungsgeschichte des Begriffs der Unzucht (und zur Ursprungsgeschichte der Sexualmoral, der Urteilsmoral)? Und ist diese Geschichte nicht ein Teil der Ursprungsgeschichte der Herrschaftsinstitutionen, des Staats? Ist die Venus-Katastrophe ein anderer Ausdruck für die Verdrängung und Transformation der Herrschaftskritik (in deren Kontext die Sexualmoral immer noch gehört)?
Ist es der Welt-Auftrag der „Geschichte“, das Bewußtsein zu verdrängen, daß die Vergangenheit die Hölle ist?
Wenn die Vergangenheit die Hölle ist, und das Inertialsystem das Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, bezieht sich dann nicht das Wort von den Pforten der Hölle, die die Kirche nicht überwältigen werden, auch aufs Inertialsystem?
Gehört nicht die indoeuropäische Grammatik (der Turm, der bis zum Himmel reicht und die Sprachen verwirrt hat) in den gleichen Zusammenhang?
Der Name der Hebräer ist der explizite Verzicht auf die projektive Verarbeitung der Erfahrung, die zur Grundlage der indoeuropäischen Sprachen (die der Barbaren: der Ausgrenzung der Fremden, bedürfen) geworden ist.
Wie auch die Lazarus-Geschichte und die Gestalt der Maria Magdalena gehören die Totenerweckungen und die Vertreibung der Dämonen in den Evangelien zusammen. Welche Totenerweckungen und welche Dämonen-Austreibungen gibt es (der Jüngling von Naim, der Sohn des Jairus, Lazarus; welche Dämonen-Austreibungen außer der Austreibung der Legion in die Schweine und der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern)?
Wie hängen der Stoß, die Gravitation und die Lichtgeschwindigkeit, die Objektivationsformen, die sie repräsentieren, zusammen, liegt hier nicht die letzte Orthogonalitätsbeziehung, die auch der Vorstellung des Inertialsystems (des Produkts der Vergegenständlichung der subjektiven Formen der Anschauung) zugrunde liegt? Sind Stoß, Fall und Lichtsgeschwindigkeit Repräsentanten des Schicksals der Kausalität, der Wechselwirkung und der Teleologie im historischen Objektivationsprozeß?
Die Aufklärung ist das Produkt der Intrumentalisierung der Wahrheit (das Produkt der Ausscheidung, der Eliminierung der Reflexion aus der Wahrheit).
Biblische Zoologie: „Seht, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.“ Sind hier nicht die Werke des sechsten und fünften Tages beisammen? -
12.09.1996
Ist nicht das Konzil eine Metamorphose der Arena? An die Stelle des Märtyrers tritt der Confessor, und der Herr über beide ist der Caesar. Gehört dieser Prozeß nicht zur Neukonstituierung der Öffentlichkeit, der res publica, unter den Bedingungen des Imperium Romanum, des Caesarismus? Die Transformation des Märtyrers zum Confessor gehört zum Prozeß der Vergeistigung der Gewalt, der Identifikation mit dem Aggressor und dem Formelbekenntnis als Feigenblatt. Instrument dieser Transformation war das Dogma, die Trinitätslehre, die Orthodoxie (mit der Opfertheologie im Kern).
Beachtenswert ist die merkwürdige Unsicherheit im Prozeß der Dogmenbildung, im Gebrauch der Begriffe Zeugung und Geburt (die zurückweist auf die Differenz im Naturbegriff, den Unterschied zwischen der lateinischen und der griechischen Version dieses Begriffs). Vgl. „gezeugt/geboren, nicht geschaffen“, „hat Fleisch angenommen aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria/durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria“, „aus dem Vater gezeugt/geboren vor aller Weltzeit“ (sh. Staats, S. 19ff).
Nach dem griechischen Text ist der Sohn aus dem Vater vor aller Weltzeit gezeugt, und aus dem Heiligen Geist und Maria der Jungfrau geboren, nach dem lateinischen Text ist der Sohn vor aller Weltzeit aus dem Vater (der ihn auch gezeugt, nicht geschaffen hat) geboren, und durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren.
Hierzu eine Randbemerkung: Wenn Paulus (in der Apostelgeschichte) sagt, er sei ins römische Bürgerrecht „hineingeboren“, ist er dann nicht in dem gleichen Sinne Römer „von Natur“ wie nach 1 Kor 1114f „die Natur selbst (uns belehrt), daß, wenn ein Mann lange Haare trägt, es eine Schande für ihn ist, wenn aber eine Frau lange Haare trägt, es eine Ehre für sie ist“? Natur ist eine herrschaftsgeschichtlich definierte Kategorie.
Hängt nicht auch das „filioque“ mit der Differenz der lateinischen gegenüber der griechischen Sprachlogik zusammen? Im Griechischen geht der Geist aus dem Vater hervor, während der Sohn (den der Vater gezeugt hat) aus dem Geist (und aus der Jungfrau Maria) geboren wird; im Lateinischen hat der Vater den Sohn gezeugt, geht der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohne hervor, wird der Sohn durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren. Hat die lateinische Version den Heiligen Geist (der dem Sohn ebenso folgt, wie er ihm vorausgeht) endgültig vom Mutterschoß (vom Ort der Barmherzigkeit, aus dem die Propheten berufen und hervorgegangen sind) getrennt? Und erinnert nicht die lateinische Version eher noch (und auch logisch genauer) als der Mythos, auf den Freud sich bezieht, an den „Ödipus-Komplex“? Löst sich damit nicht die verwirrende Logik der lateinischen Version, in der Grund und Ursache ununterscheidbar werden, in der die zeitliche und die logische Folge nicht mehr sich auseinanderhalten lassen?
Ist die Trinitätslehre der durchschlagene Knoten, und ist die Stelle, an der er durchschlagen wurde, nicht rekonstruierbar?
Peri physeos: Steckt in diesem Generaltitel der vorsokratischen Philosophie nicht noch das Bewußtsein der männlichen Zeugung, des aktiven Hervorbringens im Ursprung des Objektivationsprozesses: Ist die Natur der Inhalt des Unzuchtsbechers?
Wenn das Meer die Völkerwelt symbolisiert, welche Folgen hat das für das Verständnis der signifikanten Stellen, an denen das Meer erscheint?
– Während es sonst heißt, daß Gott den Himmel und die Erde erschaffen (den Himmel aufgespannt, die Erde gegründet) hat, gibt es einige Stellen an denen es heißt, daß Gott den Himmel, die Erde und das Meer erschaffen hat. Und Jonas gibt sich (auf dem Schiff nach Tarschisch) als Hebräer zu erkennen, der „den Herrn (verehrt), den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht“ hat (haben dieses „Meer und das Trockene“ etwas mit der Völkerwelt und dem Petrus zu tun?).
– Und was hat es mit dem Stein, der, einem großen Mühlstein gleich, ins Meer geworfen wird (Apk 1821) auf sich? Ist es der gleiche Stein, der nach Mt 186 denen, die „einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zu Sünde verführen“, um den Hals gehängt und mit ihm in die Tiefe des Meeres versenkt werden sollte; und ist das Meer das gleiche, das am Ende nicht mehr sein wird (Apk 211)?
Zur Goldhagen-Diskussion: Sollte man nicht ein Buch an seiner eigenen Intention messen, und nicht an dem, was einer von ihm erwartet? Sind nicht von außen herangetragene Erwartungen (wie auch das von außen an eine Sache herangetragene Maß, insbesondere der Inbegriff dieser Maße, das Inertialsystem) hinterhältig?
Franz Rosenzweigs gelegentliche Bemerkung, daß seine Arbeit erst posthum Anerkennung finden werde, bezieht sich nicht nur auf seinen eigenen Tod, sondern nach Auschwitz auf den Untergang der Judenheit in Deutschland überhaupt. Und verstärkt sich nicht zusehends der Eindruck, daß Auschwitz, je weiter es in die Vergangenheit zurücksinkt, uns immer näher auf den Leib rückt?
Nochmal zur Sprache der Medien („diesen Jahres“): Wie hängt die Adjektivierung des Demonstrativpronomens zusammen mit der Vertauschung von Genitiv und Dativ nach trotz, wegen, entsprechend? Und wie hängen beide damit zusammen, daß der Nominativ immer deutlicher als durch den Akkusativ vermittelt sich erweist (Grund der Umwandlung des Nomens ins Substantiv)? Läßt das Ganze aus der Neudefinition des Wahrheitsbegriffs (aus der Formel: Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand) sich ableiten, die der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung (des Inertialsystems) sich verdankt, aus der neuen Urteilsform, die an den Objektbegriff sich anschließt?
Wegen müßte den Genitiv, trotz und entsprechend müßten den Dativ nach sich ziehen. Die Vertauschung von Genitiv und Dativ verschiebt die Sprache ins Autoritäre. Gehorsam wird zum Dank gegen die höhere Einsicht der Welt, während der Eigenwille seiner Sprache beraubt wird. Die Medien-Grammatik ist die präventive, vorauseilende Einübung in die Grammatik des autoritären Denkens. Sie treibt den Menschen den Widerspruch aus und macht die Sprache zur Sprache der Unterwerfung, der im Voraus kapitulierenden Ohnmacht, der mit Hilfe dieser Grammatik eingebläut wird, daß sie gegen das, was ist, nichts mehr auszurichten vermag.
Das Fernsehen ist das zum Leben erweckte Menetekel, das Zeichen an der Wand: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden (anschaulich vor Augen geführt in dem vorgestern gesendeten Gespräch Bioleks mit Kohl).
Ist nicht Kohl der lebendige Beweis dafür, daß der A…. keine Ohren hat? Ein überdeutlicher Hinweis zur Ortsbestimmung des Weltgeistes, der autistisch geworden ist und nicht mehr auf dem Pferde sitzt (ja, wo reiten sie denn, oder: wohin ist der Weltgeist gerutscht?).
Das Subjekt war noch das dem Allgemeinbegriff (dem Prädikat) Unterworfene; beim Objekt liegt diese Unterwerfung dem Urteil voraus, sie wird schon durch die subjektiven Formen der Anschauung, die damit in die Urteilsform hineinregieren (und die Begriffe depotenzieren), geleistet.
Im Kontext der polis wird die Natur von den Bürgern erzeugt; im Kontext des Imperium Romanum ist die Erzeugung der Natur abgeschlossen, wird die Natur zum Geborenen.
Die heutige Astrologie ist deshalb so unsäglich, weil sie dem System, das zu negieren sie vorgibt, verhaftet bleibt: dem System der Selbsterhaltung, das im kopernikanischen System kosmische Qualität gewonnen hat.
Der Begriff der Verurteilung markiert den Übergang von der Urteilslogik zum moralischen Urteil. Und dieser Übergang trägt alle Züge einer Katastrophe (die in der Geschichte vom Sündenfall im Wort von der Erkenntnis des Guten und Bösen sich anzeigt). Natur ist gefallene Natur, es gibt keine andere. -
11.09.1996
Bekenntnisgemeinschaften sind Gemeinschaften der Verurteilung: Damit ist die Bekenntnislogik (das Programm der Eliminierung: das gemeinsame Feindbild, die Ausgrenzung der Häretiker und die Bekenntnisunfähigkeit der Frauen, die zu Objekten der Sexualmoral werden) mit gesetzt. Abgeleitete Formen der Bekenntnisgemeinschaft sind der Nationalismus, die Weltanschauungsgemeinschaften; seit ihrer Installierung im Erkenntnisapparat in der Gestalt der subjektiven Formen der Anschauung gibt es zur Bekenntnislogik keine Alternative mehr.
Die Bekenntnislogik konstituiert sich im Schuldzusammenhang, zu ihren Konstituentien gehört der Rechtfertigungszwang; das Symbol der Bekenntnislogik ist der verdorrte Feigenbaum.
Der Raum kennt keinen Ort, die Zeit kennt keinen Anfang und kein Ende. – In welcher Beziehung steht die Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung zur Sprachentwicklung und zum Ursprung und zur Entfaltung der Gemeinheit?
Jeder Punkt im Raum ist Zentrum des ganzen Raumes; jeder Zeitpunkt trennt die Vergangenheit von der Zukunft. Es gibt keine Zeit, die sich nicht (im Hinblick auf eine nachfolgende Zeit) als vergangen, und keine, die sich nicht (im Hinblick auf eine vorausgegangene Zeit) als zukünftig bestimmen ließe. Aber unterscheidet sich nicht doch die vergangene Zukunft (die wirklich vergangen ist) von der zukünftigen Vergangenheit (die nur für unser Vorstellungsvermögen, unser Denken, vergangen ist)?
Zur Geschichte des Urteils: Das subjectum ist das Unterworfene, das Objekt ist der Feind. Als das subjectum zum Objekt (und damit das nomen zum Substantiv und das Prädikat zum Begriff) geworden ist, ist das Subjekt von der Objekt- auf die Subjektseite verschoben worden. Das Vehikel dieser Verschiebung waren die subjektiven Formen der Anschauung.
Sünde und Schuld sind vererbungsfähig, darin gründet ihre Beziehung zum Rassismus. Die Versöhnung ist nicht vererbungsfähig. Der Schuldzusammenhang ist ein Erbschaftszusammenhang; deshalb ist die Schicksalsidee der logische Kern des Mythos. Durchs Dogma ist auch die Versöhnung in die Erbschaftslogik hereingezogen worden.
Gilt nicht die Geschichte vom Sündenfall auch für die Eucharistie? Wer die Frucht pflückt und genießt, braucht den Schurz aus Feigenblättern (das Glaubensbekenntnis), um seine Scham zu bedecken.
Das Wort Schlangenbrut, das Jesus auf die Pharisäer anwendet, erinnert an die Schlange beim Sündenfall; es hängt mit dem andern Wort zusammen, in dem er den Teufel als ihren Vater (und als Vater der Lüge) bezeichnet. Die Schlangenbrut, das ist die Neutrumsbrut: Auf dem Bauche sollst du kriechen, Staub wirst du fressen.
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