Die Logik der Gemeinheit bezieht sich gerne auf Tatsachen (die sie notfalls auch erfindet, jedenfalls dann, wenn sie im Augenblick nicht „widerlegt“ werden können: „Notlüge“). Durch den Begriff der Tatsachen werden die Schuldbeziehungen dingfest gemacht: werden alle zu Tätern gemacht (und durch die Logik des Weltbegriffs zugleich entlastet). Tatsachen sind die Säulen des Weltbegriffs und die Fixsterne des Schuldzusammenhangs. Tatsachen sind nackt. Tatsachen sind „nackt“, weil sie „nicht widerlegbar“ sind, Gemeinheit hingegen ist nicht nachweisbar. Zur „Sünde der Welt“: Welcher Anfang ist in dem Satz „Im Anfang war die Tat“ gemeint? Zur Theologie im Angesicht Gottes: Nur Gott sieht ins Herz der Menschen. Was wird aus einer Welt, in der der Gedanke an diesen Gott nicht mehr zu halten ist (die von dieser „Gottesvergiftung“ endgültig sich befreit haben wird)? Das Inertialsystem verwandelt die Welt in „alles, was der Fall ist“ (macht Licht und Finsternis ununterscheidbar). Nackte Tatsachen: Der Bereich, in dem das Gesetz der Fortpflanzung des Lichts im Raume gilt, ist der Bereich der aufgedeckten Blöße. Hängt die Existenz des Lebendigen nicht mit der „Fortpflanzung“ des Lichts im Raume zusammen? Die Pflanzen entringen sich der Schwere, „streben zum Licht“; die Tiere haben das Licht verinnerlicht, sind deshalb selbständige (wahrnehmende, dem Selbsterhaltungstrieb gehorchende, Ziele anstrebende, aus eigenem Antrieb sich bewegende) Wesen. Nicht durch den Werkzeuggebrauch, sondern durch die Fähigkeit, die Welt, die den Werkzeuggebrauch begründet und legitimiert, zu reflektieren, unterscheidet sich der Mensch vom Tier. War nicht schon die Astrologie ein kosmologischer Reflex des Selbsterhaltungsprinzips? Das konservative Konstrukt, wonach die Familie die Keimzelle des Staates ist, hat seine Wahrheit darin, daß in der Tat an den Familiendramen heute der Zustand und das Schicksal des Staates sich ablesen läßt. Als Verstärker wirken die Medien, die nur voyeuristisch an diesen Dramen teilhaben, sie für die voyeuristische Bedürfnisse des Publikums ausbeuten. Die Medien unterstützen und verstärken die Rechtfertigungszwänge, die diesen Familiendramen zugrundeliegen, sie determinieren. Die Lindenstraße ersetzt die Nachbarn, die viel langweiliger sind, sie ist ein Isolationsprojekt (sie isoliert die, die ihr verfallen sind, und unterhält die so Isolierten). Sie ist eine Art Beichte im Schuldverschubsystem (bekannt und als Urteilsobjekte vorgeführt werden die Sünden der andern, die Absolution erhält der Zuschauer, nach dem das moralische Urteil insgesamt beherrschenden Prinzip: Gott sei dank, daß wir nicht so sind). Ist nicht das „Bekannte“ („mir ist bekannt, daß …“) Inhalt eines im Schuldverschubsystem auf die Objektivität, auf Anderes oder Andere projizierten Bekenntnisses; das (Glaubens-)Bekenntnis ist das veranderte (Schuld-)Bekenntnis? Verzeihen und Vergessen: Von jemandem, der nicht verzeihen kann, sagt man er könne nicht vergessen. Aber das ist nachweislich falsch. Die Logik dieses Satzes gründet in jener Selbstzerstörung der Erinnerung, ohne die es den Weltbegriff nicht geben würde. Hier liegt die Wurzel der fatalen Folgen des christlichen Erlösungskonzepts, das die ganze Vergangenheit dem Vergessen überantwortet. Zur Frage der Säkularisierung theologischer Gehalte: Die Anwendung dieses Konzepts auf die Rechtfertigungslehre, die schon in den Wurzeln des Christentums angelegt ist, führt über die Bekenntnislogik direkt in den Faschismus. Bekenntnistheologie ist Feigenblatt-Theologie, ist Heuchelei. Das Rechtfertigungsproblem ist ein Teil des Schamsyndroms (im Paradies heißt es: „sie waren nackt und sie schämten sich nicht“; nach dem Sündenfall hingegen „gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: aber kein Wort, daß sie sich jetzt schämten). Die subjektiven Formen der Anschauung werden sich der Reflexion solange entziehen, wie von der Schuldreflexion abstrahiert wird. Zur dritten Leugnung: Die Sünde wider den Vater und die wider den Sohn können vergeben werden, die Sünde wider den Heiligen Geist kann weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden. Das Objekt ist der Inbegriff der sechs Finsternisse (der sechs Nächte), durch die die sieben Schöpfungstage voneinander getrennt sind, und die wie diese zum Schöpfungsbericht gehören. Gehört nicht der Stalinismus, das Problem „Aufbau des Sozialismus in einem Lande“, in die Geschichte der Parusieverzögerungen? – Die Bekenntnislogik, die im „Diamat“ auch den „real existierenden Sozialismus“ beherrschte, (und in ihrem Kern der Weltbegriff selber) ist das notwendige Korrelat der Parusieverzögerung. Ist das Schicksal des Stalinismus, des „real existierenden Sozialismus“, ein Menetekel für die Kirche?
Stalinismus
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