Stimmt es eigentlich, wenn Szemerenyi (in seiner Einführung in die vergleichende Sprachwissenschaft, S. 26) schreibt, daß „die Phoneme … keine eigene Bedeutung besitzen, sondern dazu dienen, größere Einheiten zu differenzieren: sie sind nur diakritische Zeichen“? Ist es nicht genau diese Abstraktion, die den Weg zum Verständnis der Sprachgeschichte und des Ursprungs der Schrift, der Buchstabenschrift, versperrt? Wird nicht so ein auf die reine Materialität, auf ihren Kontext mit der Technik, reduzierter Begriff der Phoneme, die Abstraktion von ihrem Ausdrucksgehalt und ihre Subsumtion unters Inertialsystem, begründet und sanktioniert? Dem entspricht es, wenn Sz., soweit ich bis jetzt sehe, das, was das eigentliche Interesse am Studium der indoeuropäischen Sprachen begründen könnte, nicht zu sehen scheint: den Prozeß der Konstituierung und Ausgestaltung einer Sprache, die aufgrund ihrer strukturellen (grammatischen) Besonderheiten geeignet und in der Lage war, den Prozeß der Zivilisation in Europa zu eröffnen und seiner Entwicklung (u.a. auch als Kirchensprachen: Griechisch und Latein) den erforderlichen Rahmen zu bieten. Hier geht es um die einzige Sprachfamilie, die durch Strukturen wie z.B. das Futur, den Komparativ und das Neutrum dem Weltbegriff, der dann als Zivilisationsschwelle die moderne Aufklärung ermöglicht hat, die geeignete Grundlage geschaffen hat. Nur waren es dann allerdings auch die gleichen Strukturen, die diese Sprache am Ende auf eine ganz neue Weise barbarisch gemacht, nämlich gegen ihre Selbstreflexion immunisiert hat.
Der positivistische Wissenschaftsbetrieb gleicht dem Zustand des EDV-Bereichs darin, daß beide sich nicht mehr verständlich ausdrücken können. Weshalb geht es nicht mehr ohne eine zurechtgestutzte Sprache, eine Sprache, deren benennende Kraft konsequent zerstört wird. Für Szemerenyi sind die Phoneme bedeutungslos, weil das Gleiche für die Kategorien seiner Wissenschaft gilt.
Petrus und einige andere der Jünger waren Fischer: sie sollten den Leviatan fangen (vgl. die Geschichte vom Fischfang). Jesus war Zimmermann, Paulus Zeltmacher (ein Zelt ist ein Haus für Nomaden, es ist für den Abbruch bestimmt; hat das etwas mit dem Zug durch die Wüste und der Bundeslade zu tun? – Der Tabernakel ist ein Zelt).
In welcher Beziehung stehen die drei projektiven weltbegründenden und -stabiliserenden Begriffe Barbaren, Natur und Materie zu einander?
– Die Barbaren sind die Fremden (die Bärtigen und die Stammelnden),
– die Natur (physis) ist das Geborene (Gezeugte),
– die Materie ist das Woraus, die Mutter von allem.
Mit der Welt wurde nur die Entfremdung, das Für-andere-Sein der Dinge, aber nicht die Dinge selbst, erschaffen: Und der „Schöpfer“ der Welt ist der Staat, nicht Gott.
Wenn den Barbaren der Name der Hebräer entspricht, was entspricht dann den Begriffen Natur und Materie: das Opfer und die Unzucht?
Sind die Steigerungsformen Komparativ und Superlativ nicht die Winkelfunktionen der Sprache (und findet man sie nur im Indogermanischen)? Dem Komparativ liegen Wertverhältnisse, liegt die Meßbarkeit zugrunde: der Grad.
Die Raumvorstellung ist die Grundlage jeder Hypostasierung; und es gibt keine Hypostasierung ohne Komparation, ohne Vergleich, ohne den Blick auf anderes (Futur, Neutrum und Steigerung bilden ein System).
Wenn die Erkenntnis des Guten und Bösen etwas mit dem Komparativ, die Schlange mit dem Neutrum zu tun hat, hat dann der Engel mit dem kreisenden Flammenschwert etwas mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit zu tun (mit der Schicksalsidee und mit der Idee der ewigen Wiederkunft des Gleichen)? In der Vorstellung des Kreises wird die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft besiegelt.
Das Johannes-Evangelium wird erst dann wirklich verstanden, wenn man in den „Juden“ die Kirche erkennt, die ohnehin seit je die Juden nur als Projektionsfolie benutzt hat. Ist nicht die Kirche die „Synagoge des Satans“ und ihr Gott der „Vater der Lüge“?
Die These, der Faschismus sei irrational, ist wahr und unwahr zugleich: Seine Irrationalität ist ein Moment der Wahrheit über die subjektive Rationalität. Dieses Wahrheitsmoment wird deshalb verdrängt, weil man glaubt, den Schrecken, den seine Wahrnehmung auslöst, nicht ertragen zu können.
Der Weltbegriff verräumlicht die Zeit, der Naturbegriff verzeitlicht das Räumliche. Darin ist die Beziehung von Natur und Welt zu Objekt und Begriff (zur Urteilsform) begründet.
Zur Definition des Rechtsstaats: In einem Rechtssystem, das aus seiner eigenen Logik heraus nicht mehr aufs Tun, sondern aufs Erwischtwerden abstellt (vgl. das Problem der Beweisbarkeit und die Bedeutung des Zeugen), wird nur noch das Erwischtwerden bestraft, aber das umso drastischer (es hat noch nie ein so gewaltiges Strafbedürfnis gegeben). Und wenn es (im gleichen Kontext) dann heißt, daß Leistung sich wieder lohnen muß, dann tendiert das dahin: Alles was sich lohnt, ist per definitionem Leistung.
Wer sind die Hethiter? Nach Gunnar Heinsohn die Chaldäer (mit Nebukadnezar als Hattusilis III). Was heißt das für die chaldäische (sumerische) und hethitische Sprache?
Szemerenyi
-
10.03.93
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie