Jede Personalisierung dient der Selbstentlastung (der Selbstexkulpierung, der die Logik des Weltbegriffs zugrundeliegt): darin liegt der Zweck des Rechts und der Theologie zugleich.
Nicht die Person, sondern das Angesicht: Die Personalisierung hält Gott verantwortlich für „das, was er gemacht hat“, für die Welt, und entlastet die Menschen. In der Struktur des Personbegriffs steckt der zugleich unkenntlich gemachte Sündenbock-Mechanismus mit drin (Grund der Geschichte vom rachsüchtigen zum autistischen Gott, über den heute jeder gefahrlos daherreden kann; gehört die Lösung des Autismus-Problems zum Lösen überhaupt?). Das Angesicht Gottes ist die reine Forderung der Barmherzigkeit; das Theodizee-Problem ist eine Folge der Personalisierung.
Zusammenhang der kirchlichen Abtreibungskampagne mit der dritten Leugnung: Ist die Diskriminierung der Abtreibung nicht ein Versuch der projektiven Verarbeitung der seit den Kirchenvätern institutionalisierten Leugnung der Nachfolge; hat nicht die Kirche aus Furcht vor den messianischen Wehen die Wahrheit abgetrieben (das Talent vergraben)? Aber Gott will nicht, daß das Wort leer zu ihm zurückkommt.
Ist nicht das Ding die trunkenheitserzeugende Substanz? Der Name des Dings hängt sprachlich und sachlich mit dem des Things, des Gerichts, zusammen.
Rührt nicht das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit an den potentiellen Umkehrpunkt des Inertialsystems (und damit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis insgesamt)?
Zusammenhang von Walten, Verwalten, Gewalt und Bewältigung?
Das Irrationale (z.B. der Faschismus) ist nicht nur irrational: Käme es nicht endlich darauf an, die Rationalität des Irrationalen zu bestimmen (gehört nicht die bloße Empörung zum Drachenfutter: zum Staub, den Adam produziert und den die Schlange frißt)?
Theodizee
-
15.12.93
-
22.09.93
Nach Flavius Josephus symbolisieren die vier Farben im Vorhang des Tempels die vier Elemente:
– Scharlach: das Feuer,
– Weiß: die Erde,
– Blau: die Luft und
– Purpur: das Meer.
Sind die „vier Vokale“, die nach Flavius Josephus auf der Kopfbinde des Hohepriesters geschrieben sind, die des Tetragrammaton, die vier Buchstaben des Gottesnamens? Wie verhält sich diese Tradition zum bibelwissenschaftlichen „Jahwä“?
Wer die Religion vollständig auf die Gesinnungs- und Bekenntnisebene schiebt, leugnet die Erkenntnisforderung und den Erkenntnisanspruch der Religion. Diese Beziehung zur Erkenntnis ist im Christentum nach dem Urschisma durch die Gnosis verstellt worden.
Wenn Hegel in der Rechtsphilosophie den Monarchen aus der Logik des Systems ableitet, so rührt er damit an die Logik des Namens. Und er bezeichnet zugleich den Punkt, an dem die messianische mit der Königstradition zusammenhängt.
Sind nicht der Urknall, der schwarze Hohlraum und das schwarze Loch projektive Verkörperungen der Verdrängung des Namens, und stehen sie nicht in einer systematischen Wechselbeziehung (die aus der Logik des Inertialsystems sich müßte ableiten lassen)?
Ist das bara in Imperfektum oder ein Perfektum (Produkt einer nicht abgeschlossenen oder einer abgeschlossenen Handlung)? Oder kommt dieses Verb in der Schrift in beiden Formen (bei Buber erkennbar als „schuf“ und „hat geschaffen“) vor, allerdings mit differerierenden Konnotationen (bis hin zum Gottesnamen)? Und wie verhält das Schaffen zum Machen? Vgl. hierzu den Wechsel in Gen 24a,b:
– vom Imperfekt zum Perfekt, mit anschließender Versetzung in die Vergangenheit („Zur Zeit, da …“) und Änderung des Verbs (von schaffen zu machen),
– von Elohim zu Elohim JHWH und
– von „Himmel und Erde“ zu „Erde und Himmel“ (Vertauschung der Folge der Objekte): aus der unabgeschlossenen Schöpfung von Himmel und Erde wird die abgeschlossene Schöpfung von Erde und Himmel.
Die Unterscheidung der „Quellen“ orientiert sich nicht nur am Gebrauch des Gottesnamens. Welche anderen sprachlichen Kriterien liegen ihr noch zugrunde? Kann es nicht sein, daß sich dahinter ein kompositorisches Element verbirgt?
Läßt sich Bubers Bibel-Übersetzung nicht unter dem Stichwort Ästhetisierung kritisieren (vgl. das „Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser“, in dem das Tätige des Brütens zu einem artistischen Akt wird)? Spielt das nicht mit herein, wenn die Armen, die Fremden, das Opfer, der Geist, die Gerechtigkeit, die Wahrheit, die Barmherzigkeit und andere aus dem Text verschwinden? Was wird aus dem Zorn?
Natur ist der Inbegriff aller Objekte, die der Herrschaft der Vergangenheit unterworfen sind, während der Weltbegriff Vergangenheit und Zukunft dadurch trennt, daß er die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert (nur unter der Herrschaft der Vergangenheit sind Zukunft und Vergangenheit getrennt). Auf diesen Schnitt beziehen sich die Schwertsymbole: vom kreisenden Flammenschwert des Kerubs am Eingang des Paradieses bis zur Duchschlagung des Gordischen Knotens durchs Schwert des Alexander. Konstituiert das Schwert die Zeit, indem es sie von der Ewigkeit trennt, sie der Vergangenheit unterwirft?
Wer ist Malchus?
Das Schwert, das die Wunde schlägt, heilt sie auch (oder: Schwerter zu Pflugscharen): Sind die subjektiven Formen der Anschauung (und ist das Inertialsystem), und mit ihnen das Reich der Erscheinungen, das Werk des Schwertes? Begründet das Schwert mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit (und der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) auch den Begriff des Wissens und die Trennung des Natur- und Weltbegriffs?
Steht nicht die Natur unter dem Bann der Subjektivität? Und ist nicht Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ zu radikalisieren durch die Kritik des Naturbegriffs selber?
Ärgernisse müssen kommen, aber wehe denen durch die sie kommen: Ist dieser Fluch nicht auch ein Segen (und ein Fluch nur für die, die den Segen darin nicht sehen)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern (Adorno): Dieser Satz wird mißverstanden, wenn man ihn relativistisch versteht.
Auch Herrschaftskritik ist vor der Gefahr des Herrendenkens nicht gefeit.
Problem der Chronologie: Die sogenannte Tiefenzeit ist ein Versuch, den Naturbegriff so zu verankern, daß er unwiderlegbar wird. Mit der Tiefenzeit kapituliert das Subjekt endgültig vor dem Bann, den es selbst über die Natur legt. Jeder Bann aber ist ein Todesbann.
Nicht nur die Rettung der vergangenen Hoffnung, sondern die Errettung der vergangenen Zukunft (gegen das „Prinzip Hoffnung“).
Wer sind heute die Aussätzigen: Gehören dazu nicht auch die Objekte des Vorurteils, die Juden, die Frauen, die Ausländer?
Gibt es eigentlich keinen Theologen, dem beim Kohlschen Wort vom „Umdenken“ (ähnlich wie damals beim Ehrhard-Wort von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“) etwas einfällt? (Es paßt zu einem geistigen Klima, in dem die Reichen die Armen sind, die sich für das Ganze aufopfern.) Ist die Theologie schon so verderbt, daß ihr Gegenteil sich als ihre Verkörperung ausgeben kann (vgl. die „Theologen“ in der CDU, mit denen sich Kohl jetzt umgibt: Hintze und Heitmann, während er bei die Besetzung der Fachressorts Wirtschaft und Finanzen Fachleute um jeden Preis zu meiden versucht). Die Regierungsmannschaft Kohls wird durch das Feuer kabarettistischer Kritik nur noch gestählt (mit Hilfe der Theologie).
Stichwort „falsche Propheten“ (vom Deuteronomium bis zum NT, insbesondere auch in der Apokalypse): Das Problem sind nicht die falschen Propheten selber, sondern das Problem ist eine Politik, die wie ein Magnet die falschen Propheten anzieht. Die falschen Propheten sind am projektiven Gebrauch der Diskriminierungslogik (am instrumentellen Gebrauch der double-bind-Falle) erkennbar:
– „Asylantenflut“: wir überschwemmen die Welt mit der Armut, die wir nach draußen exportieren;
– die Xenophobie ist der Spiegel des Schreckens, den wir in der Welt verbreiten;
– die „Banden-Kriminalität“ (Begründung des „großen Lauschangriffs“) das Spiegelbild der realen Politik und Ökonomie: des Überfalls und der Beraubung der Armen).
Zugleich wird der Anspruch der Religion durch die projektive Ausmalung ihrer raf-Variante: des Fundamentalismus (den es zugleich tatsächlich gibt) destruiert.
Der Weltbegriff als Instrument der Schizophrenisierung: Psychose-Generator.
Das Buch Hiob ist nicht die Antwort auf das Theodizee-Problem, sondern der Nachweis, daß bereits die Frage (notwendig und) blasphemisch ist. Es beschreibt die Grenzen der Urteilskraft, dazu braucht es den „Ankläger“.
Wer nachweist, daß Äpfel keine Birnen sind, hat damit nicht nachgewiesen, daß es keine Birnen gibt.
Ist nicht die große Musik, spätestens seit Bach, der ohnmächtige, aber keineswegs hilflose Versuch, das Problem des Nominalismus (auch des double bind, der Trennung von Ton und Inhalt eines Satzes) zu bestimmen?
Ein Text, der es nicht erträgt, daß Worte in ihm auch gegensätzliche Bedeutungen repräsentieren, kann nicht wahr sein. Der Nachweis, daß ein Text Widersprüche enthält, ist nicht in jedem Falle eine Widerlegung.
Der ontologische Gottesbeweis hat die Selbstoffenbarung Gottes im brennenden Dornbusch neutralisiert (und die Persil-Reklame antizipiert).
Wer die Erfindung der Schrift als technisches Problem begreift, neutralisiert das Problem anstatt es zu lösen. Welches gesellschaftliche (und sprachlogische) Interesse liegt der Erfindung der Schrift zugrunde? Gibt es einen Staat ohne Schrift?
Das Schlimme heute ist, daß unsere Theologie erinnerungslos Abschied von ihrer eigenen Vergangenheit zu nehmen versucht. So macht sie sich selbst zum Agenten des Hasses der Welt. Nur so (durch Identifikation mit dem Aggressor) glaubt sie, selbst der Angriffszone dieses Hasses sich entziehen zu können.
Haben sich nicht alle am Schicksal der raf mitschuldig gemacht, die damals wußten, daß Analysen der raf so falsch nicht waren, dieses Bewußtsein aber verdrängten, weil sie gegen die Sympathisanten-Hetze hilflos waren.
raf und Scheiterhaufen: Beide sind falsche, instrumentalisierende Verkörperungen des Feuers (und seiner Beziehung zum Opfer und zur Sünde der Welt; Zusammenhang des Scheiterhaufens mit der Geschichte der Alchemie, der „Goldmacherkunst“).
Nur von der Sünde wider den Heiligen Geist heißt es, daß sie weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werde, während es heißt, daß, wer den Vater und den Sohn leugnet, der Antichrist sei (1 Joh 222).
Ist der Feminismus nicht zunächst ein Symptom, nur in einigen Verkörperungen auch schon der Ansatz zu einer Lösung (Elisabeth Schüßler-Fiorenza, Rosemary Radford-Ruether, Mary Daly)?
Ist nicht durch die Logik des Weltbegriffs das Sein zum Haben anderer geworden? Darin gründet die verandernde Kraft des Seins, wird das Sein zu einem Moment im gesellschaftlichen Schuldzusammenhang (als dessen innere Reflexion die Heideggersche Fundamentalontologie zu begreifen ist).
Lassen sich die englische und die deutsche Sprachlogik nicht an der Form der gesellschaftlichen Anrede erkennen: Im Englischen ist die zweite Person sing. mit der zweiten Person plural (you) identisch, im Deutschen reden sich Erwachsene mit dem Personalpronomen der dritten Person plural (Sie) an: Hängt das nicht mit der Beziehung des Seins zum to be zusammen?
Durch den Begriff des Wissens wird die Wahrheit auf Objekte bezogen (als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand definiert). -
18.09.93
Die alte KZ-Wärter-Logik „Wenn du’s nicht tust, dann tut’s ein anderer“ und „Einer muß schließlich die Drecksarbeit tun“ ist die herrschende Logik in Politik und Wirtschaft heute.
Die ambivalente Position der Dialektik der Aufklärung, zu der Walter Benjamin das Bild geliefert hat, war nicht durchzuhalten. Man kann sich der Theologie nicht bedienen und sie zugleich als Zwerg unterm Tisch verstecken, man muß sie hervorholen, auch auf die Gefahr hin, daß die im Gebrauch des Weltbegriffs wurzelnden Vorurteile dann nicht mehr zu halten sind.
Was wir die Welt nennen, ist eine Momentaufnahme im Säkularisationsprozeß. Es ist die Ersetzung der Gegenwart, die von objektiven Korrespondenzen: von Verheißungen und Erinnerungen durchdrungen ist, durch das Gesetz der Gleichzeitigkeit (durch die Form des Raumes). Ist es nicht der quälend verlangsamte Weltuntergang, den wir betreiben, den wir allerdings zugleich aufgrund unserer Mittäterschaft wahrzunehmen nicht mehr fähig sind. Daß die Elemente verbrennen und der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, ereignet sich das nicht vor unseren Augen: im naturwissenschaftlichen Aufklärungsprozeß?
Was Jesus dem Johannes im Gefängnis mitteilen läßt (Befreiung von den sieben unreinen Geistern?):
– Blinde werden sehend und
. Lahme gehen,
– Aussätzige (d.i. Unreine: Beziehung zur Scham?) werden rein und
. Taube hören,
– Tote werden auferweckt und
. den Armen (die Gott in der Welt repräsentieren) wird die frohe Botschaft verkündet, und
– selig ist, wer an mir (an der Schrift, an den Juden) keinen Anstoß nimmt (Mt 115, Lk 722f),
ist das nicht unsere vergangene Zukunft? Heute werden die Sehenden blind, die Gehenden lahm, die Reinen zur Wohnung der unreinen Geister, die Hörenden taub und die Armen der ausweglosen Verzweiflung ausgesetzt, während das im letzten Punkt benannte Ärgernis zwanglos sich auf die Theologie hinter dem Rücken Gottes (die den Anstoß des Kreuzestodes wegrationalisiert) und auf Auschwitz sich beziehen läßt. Hat nicht die Kirche zwangshaft und bewußtlos „an ihm Anstoß“ genommen (den Kelch getrunken), und dann den „Anstoß“ (das Ärgernis) projektiv mißbraucht?
Ist dieses Jesus-Wort die Antwort auf das agnus dei, qui tollit peccata mundi, und die Entfaltung des Johannes-Worts von der Umkehr (Kehret um, denn das Reich Gottes ist nahe)? Es verknüpft die Befreiung von der Trägheit mit dem Sehen (das Angesicht), das Hören (Heute, wenn ihr meine Stimme hört) mit der Reinigung vom Aussatz und die frohe Botschaft an die Armen (die Gott selbst repräsentieren) mit der Auferweckung der Toten. Bezieht sich hieraus das ergreifende Paulus-Wort, wonach die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet?
Nach dem Wort an Johannes kommt das Wort über Johannes (der, den ihr sucht, ist nicht an den Höfen der Könige).
Zur Täufer-Theologie gehören Joh 129 und die obige Stelle (Mt 115 und Lk 722f), aber dazu zum letzten Punkt insbesondere die Aufarbeitung des Urschisma, die Kritik des kirchlichen Antijudaismus (Karl Thieme: die Stephanus-Rede und der Hebräerbrief).
Arglos wie die Tauben: sich an ihm nicht ärgern.
Heute genügt nicht mehr die Umkehr, sondern die Befreiung von den sieben unreinen Geistern, das Lösen der sieben Siegel. Klingt das nicht erstmals beim Jeremias an, dessen Nähe zu Jesus hier erkennbar wird: im Wort von dem „Grauen um und um“? Dieses Wort erscheint an drei Stellen (wie auch Gottes Aufforderung an Jeremias, nicht mehr für dieses Volk zu beten, und im Kontrast dazu das Gebot an das Volk: Betet für das Wohl der Stadt). Worauf beziehen sich diese Stellen?
Nicht Griechenland, sondern Rom ist Babylon: Ist das Futur II (eine grammatische Errungenschaft der Lateiner) ein Produkt der Astrologie?
Im Tempel, im Allerheiligsten, wohnt nicht Gott selber, sondern der Tempel ist das Haus des Namens (und der Herrlichkeit) Gottes. In katholischen Kirchen entspricht dem Namen Gottes die Eucharistie, aber was heißt das? Beim Tod am Kreuz ist der Vorhang des Tempels, der das Allerheiligste vom übrigen Raum abtrennte, zerrissen (was bedeutet der Vorhang im Tempel, Gen 2631ff?). Was ist in Auschwitz zerrissen?
Das Bekenntnis und die ohnmächtige und folgenlose Gesinnung (vgl. gesonnen und gesinnt). Ist nicht die Gesinnung wie das Bekenntnis eine Alibi-Veranstaltung, der Bunker, in den sich das schlechte Gewissen vor dem Angesicht Gottes flüchtet? Adam und sein Weib „verbargen sich vor dem Angesichte Gottes des Herrn unter den Bäumen im Garten“ (Gen 38): Gehört das zur Geschichte des Ursprungs der Architektur?
Islam und Christentum: Ist die Kaaba die Erinnerung an das unerlöste steinerne Herz der Kirche?
Angst und Erkenntnis: Während die apokalyptische Stimmung Angst erzeugt, entspringt und konstituiert sich apokalyptische Erkenntnis in der Reflexion der Angst.
Begriff und Erfahrung (zur Kritik der Erfahrung). Begriffe sind die Narben erlittener Erfahrung, Produkte des verdrängten Leidens. Welche Funktion hatte der Kreuzestod und seine theologische Verarbeitung (seiner Objektivation, Verdrängung und Instrumentalisierung) in der Geschichte des Begriffs? Ist nicht der Begriff in der Tat das Instrument der Zerstörung des Namens, der auf dem Grunde des Leidens ruht? Nur über das Leiden wird das Wort seiner selbst mächtig, gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück. Aber selbst das hat die Philosophie mit dem Begriff des „Existentiellen“ nochmal einzufangen und zu instrumentalisieren versucht. Der Existenz-Begriff ist mythologisch, weil er die Kraft des Namens in das Privileg des Opfers umlenkt und so neutralisiert, weil er die Heiligung des Namens (wie das Christentum) mit der Heroisierung, der Vergöttlichung des Opfers verwechselt. Nach meiner Kenntnis ist in der jüdischen Tradition der Begriff der Heiligung des Namens eine andere Bezeichnung fürs Martyrium. Ist das nicht das proton pseudos, aber liegt darin nicht zugleich auch die Verführungsgewalt des Mythos, daß er das Opfer mit der Sinnfrage verknüpft (das ist der Sinn von Heideggers Frage nach „dem Sinn von Sein“): Die Sinnfrage substituiert sich der erkennenden Kraft des Namens, kehrt sie nach außen und neutralisiert sie. Die Sinnfrage und ihr Vorläufer, die Theodizee, verrät das Opfer durch Heroisierung, durch Vergöttlichung. Die Göttlichkeit Jesu ruht in der Kraft des Namens, und nur insoweit in der Kraft des Opfers. Hier ist der Berührungspunkt der messianischen mit der Königstradition, die auch aus der Geschichte des Opfers stammt.
Was unterscheidet die Königs- (Davids-) Tradition von der Reichs- und Kaiser-Tradition (von der Nebukadnezar-, Alexander-und Caesar-Tradition)? Oder auch: Was unterscheidet die englische und französische von der deutschen Tradition (in den politischen Institutionen, in der Sprache und in der Philosophie)? Aber hatten nicht auch die Engländer und die Franzosen ihren imperialistischen Sündenfall (Indien und Napoleon; das zweite deutsche Reich hat sich den Kaisertitel durch einen Sieg über Frankreich, das dann prompt zum Erbfeind ernannt wurde, zurückgeholt; Bedeutung des Rußlandfeldzugs für Hitler)?
Enthält nicht das Problem der deutschen Einheit eine bis heute unbegriffene Herausforderung (die offensichtlich durch den Kandidaten Heitmann verdrängt werden soll)? -
10.09.93
Was bedeutet das urchristliche Symbol des ichthys (Jesous Christos Theou Hyios Soter), des Fisches? Ist die Kirche (als Corpus Christi mysticus) der Fisch (der den Jonas verschlungen hat)?
Ebach: Weltentstehung, S. 157: „Innerhalb der Genealogie der Kulturheroen ist für eine euhemeristisch erklärte Göttin kein Platz. Erfindungen und zivilisatorische Errungenschaften werden in diesem Abschnitt ausschließlich Männern zugeschrieben.“ – Was bedeuten dann die Frauen in der kainitischen Genealogie (die Frauen des Lamech) und die Frauen im Stammbaum Jesu? In der hebräischen Genealogie „nehmen sich“ Abraham und Nahor erstmals Frauen.
In der Sintflut sind es vor allem die „oberen Wasser“, die die Erde überschwemmen. Hängt das mit dem Ursprung der Astronomie zusammen (vgl. auch Thales und den Ursprung der Philosophie: Alles ist Wasser)?
Steckt in dem griechisch-deutschen „eu“ (=oi) der griechische bestimmte Artikel pluralis (hoi und der Ursprung des Materiebegriffs, des Welt- und Naturbegriffs)?
Die Verinnerlichung des Opfers hat ihr gegenständliches Korrelat in der Brutalität, die die reale Außenseite jeder „heilen Welt“ (auch der „Entsühnung der Welt“ durch das opfertheologische Verständnis des Kreuzestodes) ist. Die Verinnerlichung und die Vergöttlichung des Opfers gehören zusammen: Durch die Vergöttlichung des Opfers werden die Opfer des Opfers verdrängt, der Wahrnehmung entzogen. So wird das Opfer selber tabuisiert, es ist nicht mehr kritisierbar. Ist nicht die Trinitätslehre (auch) ein Gottesfurcht-Vermeidungs-Instrument, und wenn sie einmal etwas anderes war, ist sie nicht heute dazu geworden?
Der Weltbegriff als Haß-Generator.
Jesus hat nicht gelacht, aber die Dämonen ausgetrieben: Rührt nicht die Dämonenaustreibung an den Grund der Welt?
Rückt nicht heute die altorientalische Welt in eine ebenso beängstigende und erschreckende wie auch befreiende Korrespondenz zur Gegenwart?
Hat nicht die Verdrängung des Chronologie-Problems, die Etablierung der „Tiefenzeit“ in Geologie und Geschichte, u.a. auch die Funktion, sich die ungeheure Engführung des historischen Prozesses in der Vergangenheit und damit das Bewußtsein der korrespondierenden Engführung (in Ökonomie und Physik und in der Theologie) in der Gegenwart vom Leibe zu halten (Desiderat einer Geschichte der Banken)?
Die „neue Unübersichtlichkeit“, die Habermas beklagt, ist kein bloß theoretisches Problem, sie ist ebensosehr Produkt einer Selbstverblendung, deren Ursprung bei Habermas sich benennen läßt. Und diese Selbstverblendung gehört mit zu jenen Mechanismen, die den gegenwärtigen Problemen in Politik und Gesellschaft (Xenophobie und Rechtsradikalismus) zugrundeliegen: Das geht soweit, daß heute die Mittel, die man zur Lösung der Probleme bereit hält, die Probleme zu verstärken und anzuheizen scheinen (Zusammenhang der dritten Leugnung mit der Selbstverfluchung: hier schürzt sich der logische Knoten des Weltbegriffs).
Die Zweideutigkeit der Heideggerschen Frage nach dem Sinn von Sein ist nur aufzulösen über die Kritik des Theodizeeproblems (das in der deutschen Heidegger-Rezeption zentral ist). Das Theodizee-Problem ist selber ein Prophetie-Verhinderungs-Problem, das in der Frage nach dem Sinn von Sein seine ganze larmoyante Suggestivkraft entfaltet: Die Zweideutigkeit ist m.a.W. nur aufzulösen im Kontext der Kritik des Weltbegriffs, der Schuldreflexion.
Die Sinnfrage rührt an den Kernpunkt der Prophetie: an das Problem der Erfüllung des Worts (und der benennenden Kraft der Sprache).
Ist nicht die Philosophie Heideggers – wie der Faschismus, zu dem sie gehört – ein Versuch der Widerlegung des Satzes, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden (ein Versuch, diese Pforten von außen zu schließen, der sich dann zangsläufig im Innern wiederfindet)?
Im Agnus Dei hat die Kirche das tän hamartian tou kosmou (Joh 129) pluralisiert: notwendige Folge der falschen Übersetzung: der Ersetzung der Auf-sich-Nahme durch die Hinwegnahme?
Ist das Possessivpronomen 3. Pers. pl. gleich dem Personalpronomen der 2. Per. pl. (sie/ihr)? Und hat das nicht seinen logischen Grund in der Identität des Infinitivs Sein mit dem Possessivpronomen 3. Pers. sing., während es zugleich die Grundlage des deutschen Volskbegriffs ist: der Rückverwandlung des wechselseitigen Herrschaftsverhältnisses in ein reines Schicksalsverhältnis: sprachlicher Grund der Hegelschen Logik? -
02.06.92
Beim Augustinus ist nicht nur der Teufel, sondern auch die Frau allegorisch (Genesis II, S. 217ff). Zusammenhang von Allegorie und „Eigentlichkeit“ (i.e. „Wörtlichkeit“) s. S. 223. Ist die Allegorie Produkt der Trennung von Tatsachenfeststellung und prophetischer Bedeutung der Texte (bis hinein in den Fundamentalismus christlicher Kreise heute)?
Ist die „Eigentlichkeit“ (das „Vorlaufen in den Tod“) nicht die Übersetzung des Futur II ins Existentielle (und war sie nicht seit den Anfängen der christlichen Theologie und zusammen mit der Ursprungsgeschichte der Sexualmoral, sowie der Teufels- und Höllenvorstellung, der Grund der Allegorie)?
Prophetische (typologische) Bedeutung der Verführungsgeschichte Jesu (nach den 40 Tagen in der Wüste) für die Geschichte der Kirche. Ist die „Selbstverfluchung“ nicht eine reale Konsequenz aus der Geschichte der Allegorie (aus ihrer Bedeutung für die Geschichte der Theologie)?
Verhalten sich Gravitation und Licht invers zueinander (wie Barbaren und Hebräer)?
Das Buch Hiob ist keine Theodizee, sondern ein Kommentar zum Schöpfungsbericht. Die Freunde Hiobs werden deshalb am Ende verurteilt, weil sie die Partei des Anklägers ergreifen, sich mit dem Ankläger identifizieren. Ist nicht unsere Theologie weithin eine Theologie der Freunde Hiobs? Haben wir überhaupt begriffen, wer Hiob ist?
Der Ankläger ist das Subjekt der Weltgeschichte; er ist Subjekt als Ankläger und Richter im historischen Prozeß (als Sieger, als der, der im Streit gewinnt und überlebt: der auf der Seite des Urteils steht, des Seins). -
04.03.92
Gegenstand des Buches Hiob ist nicht die Theodizee, sondern die Schöpfungslehre und die Gottesfurcht (Anthropodizee). Die Theodizee, die Vorstellung, daß Gott sich rechtfertigen müsse, ist der genaueste terminus a quo der Umkehr. Die Theodizee gehört wie der ontologische Gottesbeweis zu den Gottesfurcht-Vermeidungs-Strategien.
Es wäre eine ebenso interessante wie lohnende Untersuchung, festzustellen, welche Zweifel die Kirche zuläßt und welche sie sanktioniert. Differenzen hinsichtlich der Schöpfung, der Wunder, der Auferstehung lösen keine Konflikte mehr aus, aber die Jungfrauengeburt und die Unfehlbarkeit des Papstes dürfen öffentlich nicht in Frage gestellt werden, weshalb?
An der Physik hat sich die Kirche die Finger verbrannt, und das gebrannte Kind scheut das Feuer.
Die Gottesfurcht, die Weltkritik und das Angesicht sind für die Kirche leere Hülsen geworden.
Es ist die Rolle des Zuschauers, in die die Theologie die Gläubigen versetzt, die dann zwangsläufig die Frage der Rechtfertigung nach sich zieht, die nach dem richtigen Leben aber erstickt.
Mit der Rezeption der Philosophie hatte die Kirche schon ihren Frieden mit der Welt geschlossen; deshalb ist sie heute unfähig, den Stand der Dinge zu erkennen.
Der Begriff der Buße klingt heute so sehr nach demütigendem Herrendenken, daß der Ursprung im Begriff der Umkehr nicht mehr erkennbar ist.
Die Kirche hat mit Petrus und gegen Maria Magdalena die dreifache Leugnung gewählt und die Umkehr ausgeschlagen.
Kann das „Deus sive natura“ des Spinoza nicht auch bedeuten, daß die im modernen Naturbegriff zum Schweigen gebrachte Theologie die Sprache wiederfinden muß (deshalb Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt). Das Nest der Widersprüche im Naturbegriff löst sich nur zusammen mit der Selbstreflexion des Dogmas: der Trinitätslehre und der Opfertheologie.
Spürt man in Adornos Philosophie nicht doch einen Hauch von Katholizismus?
Die Gemeinheitsautomatik (siehe die Stasidiskussion) hat die fatale Eigenschaft, daß sie den Verlierer an den Pranger stellt, während der Gewinner fein heraus ist (Zusammenhang mit dem „pathologisch guten Gewissen“ der Angeklagten in Nazi-Prozessen).
Die Gemeinheitsautomatik und die Rechtfertigungsmechanismen – das gesamte Schuldverschubsystem – mit Verschiebung und Projektion gründen in der Sprachverwirrung: in der Beziehung des Raumes, der Mathematik, zur Sprache. Erst mit der Herrschaft des Inertialsystems ist das Eine zum Anderen des Anderen geworden.
Unterscheiden sich Mythos und Offenbarung nicht wie der Naturkreislauf und die Genealogie? Und ist nicht die zentrale Bedeutung der Sexualmoral im Christentum begründet in der Vergeistigung der Genealogie in der Trinitätslehre und der Verinnerlichung des Opfers? Die Kritik der Sexualmoral und die Kritik des verdinglichten Dogmas: der Trinitätslehre und der Opfertheologie, gehören zusammen.
Zum Traum in der Bibel (bei Joel werden in den letzten Tagen die Greise Träume und die Jünglinge Visionen haben, während die Söhne und Töchter wie auch die Knechte und Mägde weissagen, jedoch nicht die Väter und Mütter, auch nicht die Herren): Sind es nicht in der Regel die Träume der Könige (Nebukadnezar/Daniel; Pharao/Josef), aber auch Josef träumt (er werde König über seine Brüder), auch Jakob und Salomo. Dagegen fällt Adam in Tiefschlaf, als Eva erschaffen wurde, auch Abram (Gen 1512, vgl. auch Hi 413). Außerdem gibt es die prophetische Entrückung (Elias, Ezechiel, Habakuk). Gibt es im NT keine Träume (außer den Träumen Josefs im Zusammenhang mit der Geburt und der Kindheitsgeschichte Jesu, dem Traum des Zacharias bei der Geburt des Johannes, dem Traum der Frau des Pilatus, dem Traum des Paulus vor der Griechenmission, dann in Korinth, in Jerusalem, auf dem Schiff vor Malta, dem Traum des Hananias bei der Bekehrung des Paulus, dem Traum des Kornelius vor dem Auftrag zur Heidenmission an Petrus), nur Besessene und die Austreibung von Dämonen?
Vgl. Sir 133: Das Traumbild ist ein Spiegel: ein Abbild des Gesichts gegenüber dem Gesicht selbst. – Bezeichnet hier das „Gesicht“ sowohl das reale Gesicht als auch die Vision?
Sind unsere Theologen nicht wie die blinden Hühner, die auch gelegentlich ein Korn finden, aber kein Hahn darunter?
Gehört nicht der episcopus zum Anfang jener Geschichte, die mit den Aufsehern endet? -
16.12.91
Ignaz Goldziher (Der Mythos bei den Hebräern, Leipzig 1876) weist darauf hin, „daß in den semitischen Sprachen zur Bezeichnung des Begriffs „Theil“ Wörter verwendet werden, welche „Seite“ bedeuten“ (S. 137). Das stimmt damit überein, daß hier offensichtlich die erst mit dem begrifflichen Denken (mit dem Begriff der Materie) entspringende neutralisierte Beziehung des Ganzen zu seinen (abtrennbaren) Teilen noch fehlt. „Im Angesicht“ und „hinter dem Rücken“ sind (ebenso wie die Rechte und die Linke) in der Tat nur zwei Seiten der gleichen Sache, aber nicht zwei Teile eines gegen seine Teilung neutralen Ganzen. Dieses Ganze ist das Unwahre.
Opfer, Idolatrie und Sternendienst (was entspricht dem bei den Ägyptern?) gehören einer Phase der Geschichte an, in der der Bekenntnisbegriff und der Materiebegriff sich noch nicht gebildet hatten. Anfänge im Kontext des Instituts der Schuldknechtschaft?
Der Personbegriff substituiert dem Antlitz die Maske, bringt das Antlitz zum Verschwinden, macht die Person zum (objektivier- und austauschbaren) Träger des Namens.
Lachen und Bekenntnis: Den zwei Seiten den Bekenntnisses entsprechen die zwei Seiten des Lachens. Das Bekenntnis und das Lachen sind Produkt und Ursache der Verinnerlichung des Opfers und des Exkulpierungs- und Rechtfertigungszwangs (Ursprung der Person; reicht über die Theodizee bis in die Trinitätslehre hinein).
Der Witz und das Bekenntnis: Beide haben ein Objekt (Feindbild) und einen Adressaten (den Komplizen); und Frauen sind nicht bekenntnisfähig und können deshalb keine Witze erzählen. Ist das Bekenntnis ein Witz über die Juden? Bekenntnis als Medium der Selbstverfluchung.
Die Reversibilität der Richtungen des Raumes ist zusammen mit der Irreversibilität der Zeit und der Indifferenz gegen das Objekt (bei gleichzeitiger Determination seiner Struktur) nur im dreidimensionalen Raum konstruierbar (Beziehung zum Bekenntnis: dessen Indifferenz gegen seinen Inhalt, der zugleich absolut determiniert ist durch Trinitätslehre und Opfertheologie).
Das materielle Objekt wird im Raum durch den bloßen Punkt repräsentiert; seine Ausdehnung, seine Masse, sein Widerstand erzeugen den Schein, als kämen die Dinge „von außen“ in den Raum hinein. Dieses Außen (auf das dann die Schöpfungsvorstellung sich bezieht) aber gibt es im Verhältnis zum Raum nicht; es ist vielmehr die Vorstellung des Außersichseins der Dinge selbst, die erzeugt wird durch ihre Subsumtion unters Raum-Zeit-System. So sind sie per definitionem tot, gegenständlich, verfügbar. Genetischer Zusammenhang mit der Geschichte der Idolatrie, des Sternendienstes und des Opfers, real mit dem Mord: Am Anfang der Geschichte steht der Brudermord, der den Kain zeichnet und „unstet und flüchtig“ werden läßt, ebenso wie dann in der Jotam-Fabel den Dornstrauch.
Mit dem letzten Satz des Buches Jona beginnen (und das Buch Tobit einbeziehen). – Welche Organe werden dem Fisch im Buch Tobit entnommen und zu welchen Zwecken? Jona wird von dem Fisch verschlungen, der im Buche Tobit erlegt wird (und durch den die Sara von dem Dämon Asmodai befreit und der Tobit von seiner Blindheit geheilt wird); Ninive wird im Buche Jona verschont, im Buche Tobit unter Berufung auf den Prophetenspruch des Jona zerstört. Gibt es im Buche Tobit eine Entsprechung zum letzten Satz des Buches Jona (rechts und links unterscheiden)? Welche Bedeutung hat das Symbolum (der Aufbewahrungsvertrag) beim Tobit? Handelt es sich nicht um zwei postapokalyptische Varianten?
In der Schrift bewirkt die Beschämung entweder ein Erröten oder ein Erblassen. Worin liegt der Unterschied? – Im Adressaten: Ich erröte vor anderen und erblasse vor mir selbst. -
06.11.91
Was bedeutet Diachronie: Kann es nicht sein, daß eine Kritik der homogenen Zeit auch die Möglichkeit mit erwägen muß, daß es (in der Folge des griechisch-neutestamentlichen Äonenbegriffs) zeitliche Real-Konstellationen gibt, die zerstört, unkenntlich gemacht werden, wenn man ihre Momente an realhistorische Abläufe bindet (historische Bibel-Kritik); oder daß es einen „Fundamentalismus“ gibt, der der faschistischen Konsequenz dadurch entgeht, daß er von einer chronologischen Anbindung der biblischen Texte (aus rational belegbaren Gründen) Abstand nimmt (Frage: Wer war Abraham? – „Ehe Abraham ward, bin ich“: Zusammenhang mit der „Übernahme der Schuld der Welt“ und der logostheologischen Präexistenz „vor Erschaffung der Welt“ – nicht vor der Erschaffung von Himmel und Erde. – Wirft das nicht auch ein neues Licht auf das Lachen Abrahams und Saras und auf den Schrecken Isaaks? – Zusammenhang der toledot: Schöpfungsgeschichte und Genealogien – und Trinitätslehre: toledot zum Mythos, zur „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ umgebogen?).
Horkheimers Wort vom Christentum als der menschenfreundlichsten Religion, „aber sind keine schlimmeren Untaten als im Namen dieser Religion geschehen“, findet hier seine Begründung, ebenso die These, daß es ein der Welt angepaßtes Christentum ohne Antisemitismus nicht geben kann.
Der Kampf der Kirche gegen die Abtreibung, der ohne Rücksicht auf die Probleme, die die Frauen selbst damit haben, geführt wird, wird deshalb so wütend geführt, weil er an das andere Abtreibungs-Trauma des Bekenntnisses rührt: an die Abtreibung der Wahrheit aus Furcht vor den messianischen Wehen in der Phase der frühkirchlichen Anpassung an die Welt und des Dogmatisierungsprozesses (das Dogma als Wechselbag: Remythisierung durchs Trinitätsdogma und durch Christologie und Opfertheologie; das Bekenntnis als Narbe). Der Kampf wird an der Grenze der Selbstverfluchung und nicht zufällig (in der Tradition des Antijudaismus) mit dem emotional hochbesetzten Mordvorwurf geführt.
Sind die apokalyptischen Siegel, mit deren Lösung die Wehen beginnen, die Sakramente? Und sind die Sakramente (zunächst das Symbolum, das Bekenntnis) Zeichen der „Bindungen“, mit denen die Kirche auf Erden wie im Himmel bindet?
Oder haben die sieben unreinen Geister, von denen Maria Magdalena befreit wurde, etwas mit den sieben Siegeln der Apokalypse zu tun?
Fragen:
– Gibt es eine Untersuchung über die Geschichte des Bekenntnisbegriffs?
– In welchem Zusammenhang taucht der Weltbegriff im NT auf? – In der Geheimen Offenbarung ist Jesus Herr der Welt, Gott Herr der Schöpfung.
– Weshalb ist das NT in Griechisch geschrieben, und warum gibt es in ihm dann einen Brief an die Hebräer?
– Wer sind die Hebräer, und weshalb heißt die hebräische Sprache die hebräische? Gibt es sprachlichen und/oder realen Zusammenhang zwischen den Hebräern und den Barbaren?
– Ist die Bezeichnung für Welt in Joh 129 kosmos?
Das Subjekt des jesuanischen „Ich bins“ ist der genaue Gegensatz, der Gegenpol zum transzendentalen Subjekt Kants.
Indem Kant Raum und Zeit zu subjektiven Formen der Anschauung macht, trennt er die äußere von der inneren Anschauung, zerstört er den objektiven Anteil der Erinnerung und damit den Grund der Sprache (macht er das Objekt namenlos).
Verräterisch der in der marxistischen Tradition übliche Begriff des „Allseitigen“: Er bewirkt, daß die Dinge von allen Seiten, d.h. immer nur von außen, hinter ihrem Rücken betrachtet werden; Anpassung an den Erkenntnis-Status der Physik. Naturwissenschaftliche, d.h. objektivierende und instrumentalisierende Erkenntnis ist „allseitige“ Erkenntnis. Eliminiert wird der eigene Blick der Dinge, das, was sie ausdrücken, ihre Sprache.
Es ist Gottestrug und es zieht zwangsläufig den Gottesbeweis und die Theodizee nach sich, wenn die Theologie sich den innertrinitarischen Prozeß als das selige Leben Gottes in sich selber vorstellt. In Wirklichkeit ist es das selbstentfremdete Leben eines Organismus, in dem kein Glied nicht trunken ist. Es ist der Zornesbecher.
Die Genealogie Kains kommt in der Genealogie des Set noch einmal, aber in veränderter Konstellation vor: was bedeutet diese Veränderung?
Man muß einmal die Hegelsche Kriegslehre mit der kantischen vergleichen, um den Abgrund zu erkennen, der beide Philosophien trennt.
Der Marxsche Satz, wonach die Hegelsche Philosophie vom Kopf auf die Füße zu stellen ist, bezeichnet das richtige Problem, ist aber nicht dessen Lösung. Es ist das Problem der Umkehr, das Marx dann mit dem Revolutionsbegriff auch wieder verfehlt. -
20.09.91
Theorie des Feuers (gibt es in der Schrift eine Erinnerung an den Ursprung des Gebrauchs des Feuers?).
Off 1318: Hode hä sophia estin. ho echon noun psäphisato ton arhithmon tou thäriou. arhithmos gar anthropou estin. kai ho arhithmos autou hexakosioi hexäkonta hex. – Ist es die Zahl eines oder des Menschen? Weisheit und Verstand werden dann in Off 179 zitiert und erläutert: auf Rom bezogen.
Der Drache, das Tier aus dem Meere und das Tier vom Lande: wie verhalten sich diese drei zur Struktur von Herrschaft, Schuld und Verblendung?
Die Schrift macht das hic et nunc gegenstandslos und das Eine zum Anderen des Anderen (oder sie befreit den Gegenstand vom hic et nunc, von seinem Namen, und begründet die verandernde Kraft des Seins).
Der Fisch ist ein Christus-Symbol (ichthys = iesous christos theou uios sotär), aber ebenso das Lamm (der Widder?). Jedoch der Fisch aufgrund seines Namens, das Lamm, weil es stumm zur Schlachtbank geführt wird. Das Lamm liefert Wolle und Fleisch, die Kuh Milch und Fleisch, das Schwein nur Fleisch (das Schwein wird durch Domestizierung nackt).
Gibt es eine Evolutions-Synopse, die die Erdentwicklung, die Entwicklung der Pflanzen und die der Tiere synoptisch, in ihrem gleichzeitigen Verlauf, darstellt?
Die Sonne beherrscht den Tag und das Jahr, der Mond die Nacht und den Monat.
Der Sabbat ist der Tag des Saturn, nicht der Sonne. Der Sonnentag ist der erste Tag, der der Erschaffung des Lichts. Die Wochentage, die auch mit dem Schöpfungswerk (dem Hexaemeron) zusammenhängen, stammen wahrscheinlich aus dem Sternendienst, sie orientieren sich an den „Planeten“, den beweglichen Sternen:
– Sonne
Licht (Tag und Nacht)
– Mond
Gewölbe mitten im Wasser, scheide Wasser von Wasser (Himmel)
– Merkur
Wasser sammle sich, das Trockene werde sichtbar (Land, Meer)
das Land lasse Grün, Pflanzen mit Samen, Bäume mit Samen und Früchten wachsen (das Land brachte … hervor)
– Jupiter
Lichter am Himmelsgewölbe, um Tag und Nacht zu scheiden (als Zeichen und zur Bestimmung von Festzeiten, Tagen und Jahren); Gott machte die beiden großen Lichter (das größere soll über den Tag, das kleinere über die Nacht herrschen) und die Sterne; Gott setzte die beiden Lichter ans Himmelgewölbe (sie sollen über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen, Licht von der Finsternis scheiden)
– Mars
das Wasser wimmele von lebendigen Wesen, Vögel über der Land am Himmelsgewölbe; Gott schuf …; Gott segnete sie (fruchtbar, vermehren, bevölkern)
– Venus
das Land bringe alle Arten von lebenden Wesen hervor (Vieh, Kriechtiere, Tiere des Feldes).
Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich, sie sollen herrschen über Fische des Meeres, Vögel des Himmels, das Vieh, die ganze Erde und alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf … (als sein Abbild, als Abbild Gottes, als Mann und Frau). Gott segnete (seid fruchtbar, vermehrt euch, bevölkert die Erde, macht sie euch untertan, herrscht über Fische, Vögel, Tiere). Nahrungsgebot (vegetarisch).
So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge.
– Saturn
Gott vollendet das Werk, das er geschaffen hatte.
ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte.
segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig, denn an ihm ruhte Gott, nachdem er … geschaffen hatte.
Hängt die Finsternis (die Scheidung des Lichts von der Finsternis) mit dem Gravitationsfeld zusammen? Und hängt die Mathematik mit den Zeugungen zusammen?
Wehalb durfte am Freitag kein Fleisch, wohl aber Fisch gegessen werden (Venus/Drachen: apokalyptisches Mahl des Leviatan)? Der Freitag ist der Tag der Kreuzigung, der Donnerstag der des Abendmahls.
Zum Zeichen des Tieres an Hand und Stirn: Was bedeuten Hand und Stirn? (Off 1316ff; zu Zeichen vgl. Gen 415, 912; zu Hand Deut 68; zu Stirn Ez 94 und Off 94).
Er ging hinaus und weinte bitterlich: das Weinen ist Trauerarbeit. Das Weinen bezieht sich auf den Trotz, in der Geschichte der drei Verleugnungen auf den in der Selbstverfluchung sich vollendenden Trotz. Das Weinen ist Ausdruck der Einsicht und des Bekenntnisses: Ja, das bin ich gewesen, das habe ich getan.
Wenn ich noch die Zeit und die Kraft dazu hätte, würde ich gerne
– einen Kommentar zur Hegelschen Logik schreiben. Arbeitstitel: Die Hegelsche Logik und das Inertialsystem.
– Oder eine Kritik der Heideggerschen Philosophie. Arbeitstitel: Die Fundamentalontologie oder das Herrendenken als Selbstverfluchung.
Kann es nicht sein, daß ebenso wie Abraham in der Genealogie vor die Könige (mit dem Einschub der Parodie auf beide: das Richterbuch) gesetzt wird, auch die Schöpfungsgeschichte, das Hexaemeron, im Rahmen der (nachdynastischen) Auseinandersetzung mit dem Sternendienst, an den Anfang gesetzt wurde?
Welche Rolle spielen eigentlich Lot, Ismael und Esau in der Vätergeschichte?
Ist Melchisedech, der „König von Salem“, ein Nachfahre des David? Welche Abraham-fremden Vorfahren gibt es in der Genealogie Davids (und Jesu): die Frauen?
– Tamar die Kanaaniterin (Mutter des Perez),
– Rahab die Frau aus Jericho (Mutter des Boas),
– Rut die Moabiterin (Mutter des Obed),
– Batseba die Hethiterin (Mutter des Salomo)?
Schon der Vorläufer des Personbegriffs, die hypostasis (das hypokeimenon oder die Substanz), das Zugrundeliegende, der Träger der Eigenschaften (wie die Person Träger des damit neutralisierten Namens ist) ist vom Bekenntnisbegriff (und der Bekenntnislogik, die die Logik der Verdinglichung ist) nicht zu trennen. Das Bekenntnis drückt genau die Trennung des Subjekts vom Prädikat, des Trägers (Dings) von seinen Eigenschaften aus; diese Trennung ist der Grund der Verdinglichung, sie verwandelt die dann sich bildende Beziehung in eine Schuldbeziehung. So zieht der Personbegriff auch den Namen in diese Schuldbeziehung mit herein (und neutralisiert seine benennende Kraft, verwandelt ihn in einen singulären Begriff: in eine singuläre Eigenschaft, die die Person dingfest macht; im Spitznamen drückt sich diese verdinglichende, fertigmachende Gewalt als Gelächter, deren letztes Objekt die Person ist, aus).
Empörung gibt es nur im Kontext der Personalisierung (Personalismus und Wertethik). Grundsatz der Personalisierung: An sich ist die Welt in Ordnung, aber leider gibt es ein paar Bösewichter (Prinzip der Idolatrie: Vergöttlichung der Bösewichter).
Personalismus und Wertethik ratifizieren die Zerstörung der Idee des Glücks. Benjamins Satz „Glücklich ist, wer seiner selbst ohne Schrecken inne wird“ bezieht sich auf ein Selbst, das sich allein im Angesicht Gottes konstitituiert.
Der Personalismus ist ein Ableger der christlichen Sexualmoral, die ihn zugleich stabilisiert; diese ist der Grund dessen, was seitdem „persönliche Verantwortung“ heißt: Zentrum einer Moral, die als Urteilsnorm das moralische Urteil durch Setzung des korrespondierenden Objekts: der Person, konstituiert. Hier liegt der Grund und der Ursprung des historischen Verdrängungsprozesses, Produkt einer auf den ersten Blick geringfügigen Verschiebung: der Vorstellung, die Erbsünde werde durch die Sexuallust (anstatt durch durch die sexualmoralische Urteilslust) auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Das einzige Gegenmittel ist das Nachfolgegebot, das dem sexualmoralisch begründeten Feinddenken den Boden entzieht. (Zusammenhang von Sexualmoral, Objektivation und Verdinglichung, Personalisierung und Verinnerlichung des Opfers, Verschiebung des Mitleids vom Opfer aufs Selbst). Neubestimmung des Schuldbegriffs im Kontext des Nachfolgegebots (Befreiung vom Projektionszwang).
Personalisierung ist die letzte Möglichkeit, unter Verkennung der realen Beziehungen zwischen Welt und Person (der Weltgrundes der Person) Rachephantasien auszuleben. Die Verdrängung der Frage, was nach dem revolutionären Akt kommt, brutalisiert den revolutionären Akt, macht ihn terroristisch; ihr subjektiver Grund sind Heile-Welt-Phantasien (das Unheil kann nur von Bösewichtern kommen: so aber hat’s seit je die Kirche gelehrt). Die Säkularisierung der falschen Theologie, die Beibehaltung des Bekenntnisprinzips (mit Feinddenken, Ketzerverfolgung und -nicht zuletzt – Frauenfeindschaft) ist nur ein Indiz dafür, wie tief das christliche Erbe sitzt, wie sehr es uns in Fleisch und Blut übergangen ist; sie ist aber nichts weniger als eine geglückte Aufhebung des falschen Christentums. Der Atheismus, die Gottesleugnung, ändert die Welt nicht, versperrt nur der Reflexion die letzte Chance, das Moment der Unwahrheit im Weltbegriff zu begreifen.
Der Personbegriff drückte einmal die Anerkennung durch andere aus, die Hegel zufolge im Kampf um Leben und Tod errungen wurde und (ebenso wie das Eigentum, die Rechtsfähigkeit) die Person zur Person machte; in der verwalteten Welt ist die Person zum Knoten im Netz geworden, in dem sie gefangen ist und aus dem sie nicht mehr herauskommt: ist sie zu einer bloßen Funktion des Staates geworden, dessen Gewaltmonopol sie hilflos ausgeliefert ist, sofern sie nicht durch Eigentum geschützt ist. In dem Schimpfwort „diese Person“, das seinen logischen Ort im nachbarlichen Gerede hat, drückt sich die Wahrheit der vorfaschistischen Wertethik aus: als Person ist sie ungeschützt den Werturteilen ihrer Umwelt ausgeliefert; ohne Personbegriff kein Feinddenken: Horkheimers Wort über die Ambivalenz des Christentums gründet im christlichen Gebrauch des Personbegriffs (ohne den Personbegriff in der Trinitätslehre würde es keinen Grund für Apologetik und Theodizee geben; die damit systemlogisch verbundene Gottesidee ist ohne verteidigendes, apologetisches Denken nicht zu halten: Umkehrung der so neutralisierten Idee des Heiligen Geistes; es ist nicht unwichtig zu wissen, daß Tertullian, der den Personbegriff in die lateinische Theologie eingeführt hat, Jurist war: der Gedanke ist nicht abzuweisen, daß der Personbegriff hier nur noch das gemeinsame Verfügungsrecht der drei göttlichen Personen über die eine Wesenheit, die homoousia, ausdrückt).
Der Bekenntnisbegriff sowie Form und Inhalt des christlichen Dogmas bilden ein System, das jedoch nur dann zu begreifen ist, wenn das System als ganzes gleichsam als sein eigener Umkehrpunkt begriffen wird. Die Bekehrung dieses Systems, seine Rettung vor dem Instrumentalismus, läßt sich begründen aus dem Nachfolgegebot; ihre Realisierung wäre die Wahrheit des Satzes „Schwerter zu Pflugscharen“.
Gegen Heinsohn: Das Opfer ist kein Mittel der Katastrophenbewältigung, sondern eines der Schuldbewältigung: es will (wie das Experiment in der Physik) eine Untat durch Wiederholung ungeschehen machen. Und die Idolatrie (auch der Sternendienst und das Bilderwesen) ist ein Mittel der Komplizenschaft: der Rechtfertigung von Herrschaft.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Bezeichnungen Barbaren und Hebräern? Wenn, dann würde das genau die Differenz zwischen der hellenischen und der israelitischen Tradition ausdrücken: der Unterschied zwischen der projektiven Fremdbezeichnung und der reflexiven Selbstbezeichnung (sie „lebten als Fremde im Lande“ – ist der „hebräische Sklave“ ein „fremder“ Sklave?). Ist die Teilung bei Eber die zwischen Hellenen (im weitesten Sinne) und „Barbaren/Hebräern“ (der erste historische Ausdruck der Klassengesellschaft), die Teilung, in der sich die Hebräer auf der anderen Seite wiederfinden (und „Abraham der Hebräer“ sollte „ein Segen für die Völker“ werden)? Der verzweifelt scharfsichtige Nietzsche hatte Recht: die jüdisch-christliche Religion ist eine Sklaven-Religion (aber der „Wille zur Macht“ ist die falsche, die faschistische Konsequenz daraus: jedoch die einzige, wenn die jüdisch-christliche Tradition verworfen wird). Die Söhne Ebers waren Peleg (Teilung) und Joktan, Peleg gehört zum Stammbaum Jesu. Zwischen den Genealogien Joktans (Gen 1026) und Pelegs (Gen 1118) liegt der Turmbau zu Babel (Gen 111ff).
Nochmal zu den Söhnen Ebers: Ist der Teil der Nachkommenschaft Ebers, der vor der Sprachverwirrung benannt wird und wohl im Arabischen wohnt, eine Abspaltung, in der sich die Ursprache (die Sprache vor der Sprachverwirrung) erhalten hat? Oder hat Eber mit Abraham und seine Söhne mit den Söhnen Abrahams (und insbesondere Joktan mit Ismael) zu tun (wo sind ihre Siedlungsgebiete: die Söhne Joktans von Mescha, wenn man über Sefar kommt, bis ans Ostgebirge – Gen 1030 – und die Söhne Ismaels von Hawila bis Schur, das Ägypten gegenüber an der Straße nach Assur liegt – Gen 2518; ist nicht die Jakobsleiter in der Jakobsgeschichte das Gegenstück zum Turmbau von Babel)?
Die barbaroi sind die „Stammelnden“, nur die Hellenen sind sich selber verständlich. Ist nicht in der Prophetie der „Taumelkelch“ ein Bild für das, was im Hellenismus (im griechischen Mythos und in der Philosophie, in dem, was Nietzsche im Dionysischen, der Innenseite des Apollinischen, begriffen hat) dann sich entfaltet? Im Hegelschen Absoluten, in dem „kein Glied nicht trunken ist“ (vgl. hierzu auch Kants Antinomien der reinen Vernunft und Hegels Bemerkungen dazu), kehrt das wieder. In der philosophisch instrumentierten Trinitätslehre ist dieser „Taumelkelch“ ins Christentum eingewandert. Und der zentrale Begriff war wohl der der homoousia, den Konstantin in Nizäa durchgesetzt hatte.
Das Stammeln der Barbaren ist in der Schrift Wort geworden. Und die Aufgabe der historischen Bibelkritik scheint es zu sein, die Bibel aus ihrer falschen Verständlichkeit in dieses Stammeln zurückzuübersetzen, aus dem heraus sie vielleicht einmal wirklich verstanden werden kann. (Ist Hebräisch eine Objektsprache? Und verweist die Unterscheidung von Hellenen und Barbaren auf den Turmbau zu Babel?)
Die Sprache des NT ist Griechisch: die damalige „Weltsprache“ und die Sprache der Philosophie. Aber das neutestamentliche Griechisch ist weder das eine noch das andere, es stammelt gleichsam in beiden Sprachen. Zu begründen ist das neutestamentliche Griechisch eigentlich nur durchs Nachfolge-Gebot: als ein erster Versuch, in der Sprache der Welt die Schuld der Welt auf sich zu nehmen. So hat es auch sprachlich die Gestalt des Gottesknechts angenommen (Jes 421-9, 491-7, 504-11, 5213-53).
In Heideggers Fundamentalontologie wird der Taumelkelch zur Droge; davon ist die Kirche süchtig geworden.
Maß, Zahl und Gewicht (Waage): sind das nicht Raum, Zeit und Materie (vgl. Hegels Logik, Quantität)?
Zu Maß, Zahl und Gewicht (die Produkte der Abstraktion und des Vergleichens, von Augustinus als Hinweis auf die Trinitätslehre verstanmden): Liegt der Ursprung des „Gewichts“ im Geldwesen (das Geld als Einheit von schwerer und träger Masse; babylonische Tempelwirtschaft und Astronomie / Astrologie, Schuldknechtschaft; moderne Astronomie und Gravitationslehre als Stabilisator der Mechanik; Kopernikus und Newton waren Münzbeamte)?
Die Welt, auch die physikalische, ist die Wolfswelt.
Der „Schrecken Isaaks“ ist der Schrecken des „Er lacht“. Die tiefe Zweideutigkeit, die Dämonie des Lachens, in dem Freude und Hohn kaum voneinander sich trennen lassen, klingt hier an. Zuletzt erscheint das in der verkehrten (unbekehrten, mit dem christlichen Begriff der Sexualmoral zusammenhängenden) Vorstellung des Augustinus, daß zur Glückseligkeit der Seligen im Himmel der Anblick der Leiden der Verdammten in der Hölle gehört. Hier ist einer der christlichen Ursprünge des Faschismus; hier sind die Seligen im Himmel schon auf der Bahn zum KZ-Wächter. In jeder Law and Order-Mentalität steckt etwas davon.
Der positivistische Ansatz in Loretz‘ Hebräer-Buch hängt nachweislich zusammen mit der Unfähigkeit, das Moment der Gemeinheit im wissenschaftlichen Objektivismus (und in der vergesellschafteten Welt) zu reflektieren.
Die Josephs-Geschichte beschreibt den Vorgang der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals im Kontext des Staatskapitalismus, während die ökonomisch-religiösen Institutionen in Babylon solche der Privatwirtschaft gewesen zu sein scheinen. Das Königtum und die Tempelwirtschaft sind Instrumente eines Handelsbürgertums, das so die Grundlagen des Handels: das Geld und das Vertragswesen, absicherte (dagegen ist der Dekalog von Grund auf antikapitalistisch).
Pyramide und Mausoleum: Zusammenhang von Staatskapitalismus und Totenkult.
Der Ursprung der Idee, die Welt müsse zivilisiert werden, ist griechisch (Alexander); und der Ursprung der Idee, sie müsse befriedet werden, römisch (Cäsar / Augustus). Beides kehrt wieder in der spätchristlichen Verbindung von Mission und Kolonialismus (die Asylanten von heute sind die Nachfahren der Hebräer).
Ebenso, ja mehr noch wie im Wörterbuch steckt die Weltgeschichte in der Grammatik (Genitiv / Dativ; mit dem Ablativ verschwindet der Sprachgrund der Gnadenlehre). Der Weltbegriff selber ist Teil einer grammatischen Struktur, eines grammatischen Konstrukts, des gleichen Konstrukts, durch das der Begriff in der Sprache verankert wurde (das prädikative Urteil, die damit zusammenhängenden Strukturen der Deklination und Konjugation), während die Mathematik sich aus der Sprache und gegen die Sprache entfaltete (Beziehung von Mathematik und prädikativem Urteil; Verstärkung der Gewalt des prädikativen Urteils durch die Mathematik: Was bedeutet der Begriff Mathematik?).
Die Metaphysik setzt die Physik, die Gegenstandswelt, voraus. Deren Konstruktion setzt wiederum die Astronomie voraus.
Die Heideggersche Philosophie ist ein Reflex der verdinglichten Objektwelt: die auftrumpfende Ohnmacht des Subjekts, der zwangshaft sich selbst reflektierende Instrumentalismus, der das Bewußtsein, Instrument zu sein (der „Uneigentlichkeit“), unter taktischer Verwendung der selber instrumentalisierten Bekenntnislogik (des Dezisionismus) zur „Eigentlichkeit“ aufspreizt. -
26.06.91
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik: Franz Rosenzweig, Existenzielles Denken und gelebte Bewährung, Freiburg/München 1991:
– „Existentielles Denken“ apriori falsch; aus der einen Bemerkung über Heidegger nach dem Davoser Gespräch läßt sich das nicht ableiten, ohne den Ernst des „Stern“ zu desavouieren, ihn dem Jargon der Eigentlichkeit unterzuordnen;
– ebenso „gelebte Bewährung“: bei Franz Rosenzweig geht es um die Bewährung der Wahrheit, die den Weg ins Leben eröffnet; gelebte Bewährung: er hat sich bewährt, ihm wird die Reststrafe erlassen?
Als ich den „Hinweis“ schrieb (mit dem ich überhaupt nicht zufrieden war), habe ich nur dunkel geahnt, worauf ich mich da eingelassen hatte. Mir war nur eines unzweifelhaft klar: hier war die einzige theistische Philosophie, die dem Anspruch des Stands der Aufklärung standhielt. Benjamins Wort über R., er habe es vermocht, „die Tradition auf dem eigenen Rücken zu befördern, anstatt sie seßhaft zu verwalten“, war mir schlicht einleuchtend. Aber es hat mir den Zugang zu diesem doch sehr spröden und unzugänglichen Werk nicht erleichtert. Hinzu kam, daß mir sehr früh klar war, daß eine unmittelbare Rezeption nach Auschwitz nicht mehr (und wahrscheinlich auch vorher nicht) möglich war. Dieses Buch war (schon vor dem Eintritt der Katastrophe) eine jüdische Antwort auf den Antisemitismus; es von der Opfer- auf die Täterseite herüberzubringen, erschien mir (auch angesichts meiner Erfahrungen mit der Theologie) zwingend notwendig, aber auch fast unmöglich. Den leichteren Weg der existentiellen Adaptation mochte und konnte ich nicht gehen (vor R. hatte ich Adorno gelesen, über den ich an Walter Benjamin und dann an R. geraten bin).
Der Fall Rosenstock ist für mich eigentlich die rätselhafteste (wenn nicht die peinlichste) Geschichte in meiner Beziehung zu Rosenzweig: Ich habe Eugen Rosenstock-Huessy noch in Münster anläßlich einer Gastvorlesung in den fünfziger Jahren gehört, habe es dann aber, nach dem, was ich von ihm an wilden Spekulationen über Rosenzweig (so meine Erinnerung) zu hören bekam, vorgezogen, ihn nicht auf sein Verhältnis zu Rosenzweig anzusprechen. – Ich habe übrigens den Briefwechsel Rosenzweig-Rosenstock nie als einen Beitrag zum „jüdisch-christlichen Dialog“ verstanden, sondern, soweit er Rosenstocks Beitrag betrifft, als eine wenig interessante Privatangelegenheit.
R.’s Sprachphilosophie ist Ergebnis, Resultat seiner Kritik der Philosophie des Begriffs, auf die seine Kritik des „All der Philosophie“ abzielt. Hier findet die Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Prophetie nach dem Ende der Geschichte der Philosophie erstmals ihre Stelle (unterschiedliche Stellung von Sprache und Begriff zum Objekt, Kritik des Wissens – vgl. hierzu Benjamins theologische Formulierung dieser Kritik im „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ -, unterschiedliche „Aggregatzustände“ der Erkenntnis).
Was ist „unvordenkliche Existenz“ (S. 30)? – Wer Adorno gelesen hat, weiß, daß der Begriff der Existenz aus dem Idealismus nicht herausführt, vielmehr in ihm (sowohl bei Kant wie auch bei Hegel) seinen präzise bestimmbaren Stellenwert hat; Existenz ist eine idealistische Kategorie. Was Rosenzweig anspricht (ich mit Vor- und Zunamen, nicht das Ich mit seinem Palmenzweig), ist eigentlich nur im Rahmen seiner Sprachphilosophie, im Zusammenhang mit der erkenntniskritischen Rehabilitierung des Namens (der Name ist nicht Schall und Rauch) gegen den von der Philosophie sonst nicht abzutrennenden Bann des Begriffs (der Subsumtions- wie der dialektischen Logik) zu verstehen, d.h. eher vor dem Hintergrund von Benjamins erkenntniskritischer Vorrede zum „Ursprung des deutschen Trauerspiels“, als im Kontext der Fundamentalontologie Heideggers, gegen die Rosenzweigs Hinweis auf die „verandernde Kraft des Seins“ (im „Neuen Denken“) immer noch das entscheidende Argument liefert.
Das „ich mit Vor- und Zunamen“ ist übrigens nicht die „Person“, deren Begriff aus der lateinischen Theologie (Tertullian) stammt und heute zu einer verwaltungstechnischen Kategorie geworden ist. Die Differenz ist minimal, fast nicht mehr zu bestimmen, aber zugleich eine ums Ganze: Aufhebung der Differenz zwischen mir und den anderen, Resultat und Grund der Instrumentalisierung des Subjekts, Angleichung des Subjekts ans vergegenständlichte Objekt. Nicht zufällig definiert die Person das Subjekt der Schuld; Grund der Zurechenbarkeit. In der Theologie (zuerst in der Trinitätslehre) bezeichnet die Einführung des Personbegriffs den Ursprungspunkt des apologetischen Denkens, des Theodizee-Zwangs: Der Personbegriff setzt die Menschen und Gott unter Rechtfertigungszwang, gleichsam unter ständigen Anklagedruck. Er ist so nur mit einer Opfertheologie zu begründen, in der am Ende die Gottesidee selber untergeht.
Kann man die Stellung des Islam aus dem R.schen System herauslösen (S. 36), ohne das System selbst zu zerstören? Wird es nicht so wieder zu dem, was es doch um keinen Preis sein will: zur Religionsphilosophie, zur Weltanschauung?
Auf andere Weise ist dann freilich doch das „System zu zerstören“ – um es zu retten: Nach Auschwitz (und im Kontext einer Kritik des Herrendenkens in ihrem Kern: in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung) haben sich die elliptischen Zentren so verlagert, daß das System nur über eine Neukonstruktion zu retten ist. Die bloße Konservierung, die nützlich ist zum Verständnis, vergißt das Beste, trägt bei zur Zerstörung.
Franz Rosenzweigs „Stern der Erlösung“ ist auch ein Genie- und Gewaltstreich. Und genau von diesem Bann wäre es zu befreien. (Vgl. dazu auch die Bemerkungen Scholems zum Stern.)
Bei Heidegger ist von der Philosophie nur der autoritäre Gestus übriggeblieben, und dessen Begründung und Erhaltung dient die gesamte Fundamentalontologie. Die strategische und taktische Absicherung dieses Gestus ist ihr einziger Inhalt.
Meine Intention ist der des Historikers genau entgegengesetzt: mir geht es nicht um die Vergegenständlichung der Vergangenheit, sondern um ihre Entgegenständlichung: um das Eingedenken, um die Erinnerung, darum, auch in den fremdesten und chockierendsten Dingen noch meine eigene Geschichte zu erkennen. Was ich in mir selber aufarbeiten muß, steckt in dieser Vergangenheit.
Der raf ins Album: Die terroristischen Aktionen haben die ihrer Absicht genau entgegengesetzten Wirkungen; sie exkulpieren die Strukturen und Handlungen, die sie angreifen. So, wie nach den Morden an der Startbahn alles, was vorher passiert ist, vergeben und vergessen war. D.h. mit in Rechnung zu stellen ist immer die antiaufklärerische Wirkung, die Tatsache, daß im Rahmen des Schuldverschubsystems die andere Seite am stärkeren Hebel sitzt. Der Terrorismus macht die Charaktermasken des Bestehenden zu Opfern, und damit unangreifbar. -
10.06.91
Wertsetzung und Sinngebung setzen voraus, daß die Sache an sich wert- und sinnlos ist. Insoweit sind auch die positiven Werte Ausdruck von Verzweiflung.
Die Häresie wurde als Verrat empfunden, weil sie das Geheimnis der Orthodoxie ausplauderte. Durch die Mobilisierung der apologetischen Kräfte ist die Orthodoxie dann immer tiefer in die Verstrickung hineingeraten (Zusammenhang von Orthodoxie, Vergegenständlichung, Apologetik/Theodizee und Opfertheologie; Grund und Kontext der Häresienbildung).
Im Faschismus erfüllt sich die Geschichte der Häresien, aber so, daß gegen ihn Apologie nicht mehr greift, nicht mehr möglich ist, sondern nur noch das Bekenntnis, die Erfüllung des Nachfolgegebots: die Übernahme der Schuld der Welt, an deren Grund der Faschismus (durch den bedenkenlosen Gebrauch der Gemeinheitsautomatik) rührt.
Geschichte und Opfer: Die Nachgeborenen glauben, Herr der Vergangenheit zu sein, über die sie als Wissende und Urteilende (wenn sie das Erbe der Vergangenheit antreten, ohne die darin kapitalisierte Schuld zu reflektieren) sich erheben; sie können aber über die Vergangenheit nur deshalb sich erheben (und die Früchte der geopferten Vergangenheit ohne das Bewußtsein von Schuld genießen), weil sie mit der Vergegenständlichung des Vergangenen zugleich sich von der vergangenen Schuld glauben exkulpieren zu können, ihr damit aber gerade rettungslos verfallen. – Der Antisemitismus wollte mit den Juden die Vergangenheit, für die sie einstehen, loswerden. Und nicht zufällig ist jeder Historismus chauvinistisch: der Staat repräsentiert diese Herrschaft über die Vergangenheit; deshalb muß er seine Bürger, von denen er die Verdrängungsleistung fordert, generell unter Anklage setzen und braucht einen Staatsanwalt. Wehe denen, die sich erinnern.
Kontrafaktische Urteile in der Geschichte haben genau diese Exkulpationsfunktion. Als Urteilender distanziert man sich von der vergangenen Schuld, anstatt sie aufzuarbeiten. Kontrafaktische Urteile sind insoweit falsch, wie sie der gleichen Faktizitätslogik gehorchen wie die Tatsachenurteile. Auch der kontrafaktisch Urteilende steht als der moralisch Überlegene auf diesem Riesenleichenberg. Oder auf der Vergangenheitskolonie, der Vergangenheits-Dritte-Welt, dem Vergangenheits-Proletariat (das durch den Tod enteignet ist und dessen Arbeitsfrüchte wir genießen: dem ganzen Heer der toten Erniedrigten, Ausgebeuteten und Vergessenen).
Die Vergegenständlichung vollzieht am Objekt die Taufe der Vergangenheit. Genau das leistet die kantische Vorstellung der Zeit als subjektive Form der Anschauung.
Confessor und virgo: Der Mann nimmt die Schuld auf sich und kann sich davon nur befreien durchs Bekenntnis, er kann heilig werden nur als Bekenner; die Frau ist davon dispensiert, sie wird nur schuldig, wenn sie ihre Unschuld verliert: ist die Unschuld bei der Frau eine biologische, keine moralische Qualität?
Im Anfang war das Wort, aber was ist der Anfang anderes als der erste Ursprung der Vergangenheit? Genau in diesem Punkt entspringt die Sprache. So hat die Sprache eine ursprüngliche Beziehung zu den Toten – als Ausdruck der Trauer über das Vergehen. Darauf bezieht sich die Lehre von der Auferstehung von den Toten.
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Aber woher kam die Urflut, die dann übrigens noch geschieden wird in die Wasser diesseits und jenseits des Firmaments?
Theologisch begründete Herrschaftskritik kann sich nicht einschränken auf den gesellschaftlichen Aspekt von Herrschaft, sie muß auch den naturalen Aspekt mit einbeziehen. Die gesellschaftliche Herrschaft enthält über ihr Verhältnis zur Naturbeherrschung auch ein naturales Moment, das im Rahmen einer theologischen Herrschaftskritik offengelegt werden muß (das ist der letzte Sinn einer Naturphilosophie). Es gibt einen Naturgrund von Herrschaft, den wir besetzt halten, der aber mit den Strukturen der gesellschaftlichen Herrschaft über die Natur nicht identisch ist, sondern zugleich davon getrennt untersucht und dargestellt werden muß. -
08.06.91
Welt und Natur sind Totalitätsbegriffe, die den Bruch verdecken, den sie selbst produzieren.
Der Begriff der Natur verdankt sich der gleichen Logik, der die Christologie, die Vergöttlichung Jesu, sich verdankt (beide stützen sich gegenseitig). Dieser Naturbegriff, der in die Nähe des Schöpfungsbegriffs gerückt wurde, ist Produkt der Vergöttlichung des Opfers: der vergebliche Versuch wiedergutzumachen, was Naturbeherrschung der Natur antut. Benjamins Kritik des Begriffs des Schöpferischen bezieht sich auf diese Logik.
Die Welt ist alles, was der Fall ist. Zum Verständnis dieses Begriffs des Falles muß man neben der naturwissenschaftlichen auch die moralische und die juristische Bedeutung des Begriffs mit heranziehen, um zu begreifen, was der Begriff der Welt hier ausdrückt (Zusammenhang mit dem Ursprung der Sexualmoral, mit der Opfertheologie, dem Unschulds- und Reinheitsbegriff sowie damit, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist).
Der theologische Gebrauch des Personbegriff, seine Anwendung auf Gott in Trinitätslehre und Christologie, ist der Systemgrund für die Notwendigkeit der Theodizee, begründet den (paranoiden) Zwang zur Rechtfertigung Gottes.
Immer zentralere Bedeutung gewinnt der Opferbegriff: Er ist der Grund für die entsetzliche Verwirrung im Katholizismus und für die Drogenwirkung der kirchlichen Bindung.
Kann es sein, daß das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit einerseits an den Schöpfungspunkt (den Anfang) rührt, andererseits aber auch etwas mit dem Vergleich Israels mit dem Augenstern Gottes (Sach 212) zu tun hat?
Wer den Antisemitismus zu einer Gesinnung macht, verharmlost ihn genauso wie die Frauenfeindschaft verharmlost, wer sie zu einem männlichen Apriori macht; beide sind tief in der geschichtlichen Struktur der Welt, der mit dem Weltbegriff systemlogisch verknüpften Gemeinheitsautomatik, verankert. Das gleiche gilt für die (tendentiell paranoide) Kategorie des Verrats.
Bekenntnislogik und negative Trinitätslehre: Das „Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae“ ist wörtlich zu nehmen, insbesondere auch im Hinblick auf das Antlitz (facies ist übrigens im Lateinischen ein femininum).
Wenn Augustus mit augur (augurale = Feldherrnzelt im Lager) zusammenhängt: dann hat das Wort des Augustus das (prognostische, imperative) Gewicht der auguratio, die Gewalt, das Handeln der ihm Unterworfenen in die bloße Ausführung eines schicksalhaft determinierten Geschehens umzuwandeln.
Prophetie sagt nicht die Zukunft voraus; ihr Erkenntnisgrund ist nicht die Divination des Schicksals (vgl. das Buch Jona).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie