Unter den neutestamentlichen Namen kommen Abraham und Isaak, Moses und Aaron, David und die Namen der Propheten nicht vor (mit zwei Ausnahmen: Zacharias ist Sacharja, und Simon Petrus wird einmal als Barjona, Sohn des Jonas, bezeichnet). Die am häufigsten vorkommenden Namen sind: Simon und Judas, Jakobus und Johannes, Joseph; auffällig sind der jüdische Gebrauch griechischer (und römischer) Namen: Andreas, Philippus, Alexander (Petrus, Paulus, Rufus). Bei den Frauen ist Maria fast ein Standard-Name, dazu Elisabeth, Hannah, Martha, Salome, Susanna.
Unterstellt nicht dieses falsche Adorno-Zitat von Habermas „Eingedenken der gequälten Natur“, daß Adorno nur mit dem Negativen sich befaßt habe (nur mit der gequälten Natur, nicht mit der anderen Natur, was immer das sein mag)? Wer der Natur-Kritik glaubt enthoben zu sein, verdrängt die Wahrnehmung des Schreckens und verliert die Fähigkeit zur Kritik des Bestehen.
Ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos ein Hinweis darauf, was mit dem einen Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über 99 Gerechte, gemeint ist? Die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos ist die Ursprungsgeschichte des steinernen Herzens, das am Ende durch ein fleischernes ersetzt wird. Steckt nicht hinter dieser Ersetzung des steinernen durch ein fleischernes Herz ein politisches und ein sprachlogisches Problem zugleich (und sind nicht die zentralen politischen Probleme zugleich auch sprachlogische Probleme)?
Der Symbolbegriff schließt den affirmativen Gebrauch aus; es gibt keine ein für allemal gültigen Zuordnungen der Symbole zu ihren Bedeutungen. Das Symbol ist ein Reflexionsmedium, das gegen die verdinglichende Gewalt des Urteils sich richtet, diese Gewalt gegenstandslos macht. Es ist der Vorschein der Erfüllung des Worts, die nicht mehr nur im Medium der Sprache sich vollzieht.
Beziehen sich nicht die drei Verdrängungsakte, die die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis als ihr Schatten begleiten:
– die Verdrängung der Sinnlichkeit (die in den Objekten keinen Halt mehr findet),
– die Verdrängung der Kritik (deren Subjektivierung zur bloßen Meinung) und am Ende
– die Verdrängung der Schuld (die zu einem pathologischen Gefühl wird, von dem das aufgeklärte Subjekt sich freizumachen hat -hierher gehört der ungeheure Verdrängungsakt, der nach dem Krieg die Schrecken des Faschismus durch Objektivierung der Erfahrung entzogen hat),
auf die drei theologischen Themen, die am Angesicht, am Feuer und am Namen sich entzünden? Ist nicht das Angesicht der Schlüssel zur sinnlichen Erfahrung, das Feuer das Symbol der Beziehung der Kritik zur Idee der Wahrheit, und ist es nicht der Name, der die Fähigkeit der Erinnerung und Reflexion der Schuld begründet? Schuld wird zu einem pathologischen Gefühl, wenn der Name (wie der Gottesname in der Trinitätslehre) zu Schall und Rauch wird.
Verhalten sich nicht Angesicht und Name wie Nähe und Ferne, und sind nicht beide durch das Feuer auf einander bezogen? Ist nicht der Name das unendlich Ferne, das Gesicht das unendlich Nahe, bezeichnen sie nicht die beiden Grenzen der räumlichen Unendlichkeit (die des unendlich Großen und des unendlich Kleinen), die durch die Orthogonalität auf einander bezogen sind?
Wenn das Angesicht und der Name etwas mit der Form des Raumes zu tun haben, dann hat die Reflexion und Kritik der Form des Raumes etwas mit der Heiligung des Gottesnamens zu tun: mit der Idee des Leuchtens Seines Angesichts.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Plancksche Strahlungsformel rühren gemeinsam an das im Orthogonalitäts-Problem verborgene Problem des Feuers.
Die Sinnfrage (die John L. Berger zufolge die Grundfrage der Religion ist) leugnet die Auferstehung. Wer nach dem Sinn von Sein fragt, ontologisiert den Habitus des „neutralen Zuschauers“, der weder neutral noch bloß Zuschauer ist, er ontologisiert den Habitus des Herrenblicks (den heute das Fernsehen kultiviert); er leugnet die moralische Gemeinschaft mit der Welt und zerstört das moralische Selbstverständnis der Menschen. Wer nach dem Sinn von Sein fragt, möchte die Last der moralischen Pflichten, die darin gründet, daß das Sein keinen von ihrem moralischen Verständnis (von der Sensibilität, von der Fähigkeit zur Wahrnehmung des Leidens) unabhängigen Sinn hat, loswerden. Das Bedürfnis nach Sinn ist eine Konsequenz aus dem objektivierenden Verständnis des Seins.
Die Frage nach dem Sinn von Sein ist antisemitisch (eine Ursprungsgestalt des eliminatorischen Antisemitismus im Sinne Daniel Goldhagens).
Gibt es außer dem Blut des Abel und dem Leiden der Israeliten im Sklavenhaus Ägypten noch andere Dinge, die „zu Gott, zum Himmel schreien“? Ist der Schrei die Ursprungsgestalt des Gottesnamens?
Der Hinweis, daß es nicht nur die eine, allen gemeinsame Welt (die eine Projektion unseres menschlichen, am Selbsterhaltungsprinzip geschulten Verstandes ist), sondern verschiedene, nach Gattungen getrennte Welten gibt, daß zu jeder Nation, zu jeder Sprache, zu jedem Beruf, insbesondere aber zu jeder Tiergattung (und diese Zuordnung ist die exemplarische) eine eigene Welt gehört, ist nicht metaphorisch, sondern in der Logik des Weltbegriffs selber begründet.
Vgl. hierzu:
– Kants Definition der Begriffe Natur und Welt sowie Hegels Begründung für seinen Satz, daß die Natur den Begriff nicht halten könne, weil es dann nämlich keine verschiedenen Gattungen und Arten der Tiere geben dürfe: zur einen Welt gibt es nur ein Tier;
– aber auch die Geschichte der Benennung der Tiere durch Adam, an die die kantische Definition des Weltbegriffs rührt, und das apokalyptische Symbol des Tieres, das in Hegels Bemerkung über die logische Beziehung von Tier und Welt sich entschlüsselt: das Symbol des Tieres ist ein sprachlogisches Symbol;
– und schließlich die Geschichte der Tieropfer, die ihr apokalyptisches telos im Opfer des Tieres und des falschen Propheten finden wird.
Hat das Tier aus dem Meere etwas mit der griechischen (der prädogmatischen), das Tier vom Lande etwas mit der lateinischen (der postdogmatischen) Sprache zu tun?
Wie hängt das Feuer mit dem Dingbegriff, und wie hängen beide mit der Geschichte der Instrumentalisierung zusammen?
Theologie
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15.08.1996
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14.08.1996
Erst durch Historisierung (durch deren musealisierende, verfremdende Wirkung) wird Religion zur Religion: zum Götzendienst.
Historisierung und die ausgrenzende Beziehung zu Fremden (die in den Namen der „Barbaren“ oder „Heiden“ sich ausdrückt) gründen in einer gemeinsamen Logik, die der ethnologische Blick (dessen apriorisches Objekt im Namen der „Wilden“ sich anzeigt) dann radikalisiert.
Ist diese Historisierung nicht der Motor der Dynamik, die die Geschichte der Philosophie beherrscht? Erst als vergangener wird der philosophische Gedanke, der in seinem Ursprung einer unmittelbaren Einsicht sich verdankt, gegenständlich, wird er zum Gegenstand der Reflexion eines andern. Ist es nicht die gleiche Vergegenständlichung, die das Licht zu einer elektromagnetischen Wellenbewegung macht, die mit Lichtgeschwindigkeit sich fortpflanzt? Wird diese Beziehung zu Vergangenem nicht durch den Raum (als Form der Äußerlichkeit) zu einer präsentischen Gewalt (zum indoeurpäischen Präsens), und ist diese Gewalt nicht die Grundlage der naturwissenschaftlichen Erkenntnis?
Feuer und Wasser, die im hebräischen Namen des Himmels eins werden, bezeichnen die beiden Seiten der einen Grenze, die die Zukunft von der Vergangenheit trennt: das Wasser aus der Sicht der Vergangenheit, das Feuer aus der der Zukunft.
Überschätzt Goldhagen nicht doch das Gewicht von „Anschauungen“, die Bedeutung ideologischer Schulung? Der Antisemitismus wird durch die Praxis gelernt, als deren Rechtfertigung er dann dient. Der Antisemitismus kommt gleichsam post festum; es gibt eine vorausgehende Grundentscheidung zur Gemeinheit, die dann des Antisemitismus, an dessen Wahrheit ohnehin niemand glaubt, zur eigenen Entlastung und Rechtfertigung sich bedient. Adressat dieser Entlastung und Rechtfertigung sind die Anderen, ist die Öffentlichkeit, deren Zustimmung das Wissen um die Unwahrheit der Ideologie verdrängen hilft. Die Verdrängung nährt und steigert die Wut, die in den Handlungen der Antisemiten sich entlädt. Und das Vorurteil hilft dann, die letzten Hemmungen zu beseitigen. Damit hängt es zusammen, wenn der Antisemit (wie auch der Sexist) von seinem Objekt nicht mehr loskommt. Es wäre eine interessante Aufgabe zu untersuchen, was es ist, was Angehörige der Polizei so anfällig fürs Vorurteil macht, ob und auf welche Weise diese Anfälligkeit mit ihrem „Auftrag“, mit den Zwängen, in die ihre beruflichen Pflichten und ihre Tätigkeit sie verstricken, zusammenhängt.
Es ist eine gemeinsame Logik, die die kirchliche Folterpraxis im Mittelalter mit der Brutalität und Gemeinheit der Nazis verbindet. Schon die mittelalterlichen Pogrome, Ketzer- und Hexenverfolgungen waren „Säuberungsaktionen“, deren Ziel es war, die Reinheit der Lehre und die Einheit der christlichen Welt wiederherzustellen und zu erhalten. Die Logik, die dem zugrundelag, war die Bekenntnislogik, zu deren Konstituentien seit je das einheitsstiftende Feindbild, die Ausgrenzung der Verräter und der Sexismus, die Frauenfeindschaft, gehörten.
Auf S. 624 (Anm 68) bemerkt Goldhagen, daß hinsichtlich der subjektiven Reaktionen der an den Mordaktionen Beteiligten nur „von ‚Ekel‘ … die Rede sein (kann), nicht aber von ‚Scham’“. Vgl. hierzu Kants urteilslogische Bemerkung zum „Ekel“ in seiner Kritik der Urteilskraft (ist nicht Kants Bemerkung über den Ekel in der Kritik der Urteilskraft eine notwendige Konsequenz aus seinem Begriff der Lust und des Geschmacks?).
Waren die insbesondere bei Aktionen gegen Juden auftretenden Grausamkeiten und Brutalitäten (die spezifische Gemeinheit) nicht Mittel zur Gewöhnung an das Unfaßbare? So machte man die Taten auch für sich selbst, vor dem eigenen Bewußtsein, irreversibel. Das, was man ihnen antat, war der Beweis, daß es zu Recht geschah.
Akten konstituieren das Inertialsystem der gesellschaftlichen Welt; zu ihrer Erstellung und Bearbeitung bedarf es der Verwaltung, deren Handeln an das gleiche Recht gebunden ist, das den Akten praktische Relevanz verleiht.
Die Urteilsmagie gründet im Strafrecht, das das Urteil über die Strafe zu einem Instrument staatlicher Gewalt macht, seine Folgen aber zugleich ins gesellschaftliche Unbewußtsein der Knäste verdrängt (die Gefängnismauern sind Hilfsmittel der gesellschaftlichen Verdrängung), in denen die Gemeinheit herrscht, die kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Das Urteil löst den Schrecken nicht auf, es verdrängt und reproduziert ihn.
Entspringt nicht das „Restrisiko“ der Atomkraftwerke, das jederzeit zur Katastrophe sich ausweiten kann, dem gleichen Sicherheitsdenken, das auch dem Strafrecht und dem militärischen Kalkül zugrunde liegt? Zu diesem Sicherheitsdenken gehört seit je das Wegsehen, die selektive Wahrnehmung der Realität, das dem Handeln der Polizeibattaillone im letzten Krieg, auch den Exzessen der Judenverfolgung, zugrunde lag.
Von der Verurteilung der Häresien, die dem Prozeß der Dogmenbildung zugrunde lag, ist nach ihrer vollständigen Säkularisierung die Urteilsmagie zurückgeblieben. Das Urteil ist von der Bekenntnislogik (von den „subjektiven Formen der Anschauung“) nicht abzulösen. Hier liegt die christliche Wurzel des Faschismus sowie jeder Art von Staatsterrorismus. Die Globalisierung des technischen und ökonomischen Instrumentariums der europäischen Zivilisation ist durch die Einforderung der Menschenrechte allein nicht zu humanisieren, notwendig wäre, diesen Prozeß durch Erinnerungsarbeit reflexionsfähig zu machen. Das Medium dieser Erinnerungsarbeit aber ist die Theologie.
Zum „Scheusal Ägypten“: Ist nicht das gesellschaftliche Subjekt, dem das Opfer der Israeliten ein Greuel ist, das „Scheusal“? Und das Wort des Moses: „Den Ägyptern ist ein Greuel, was wir dem Herrn, unserm Gott opfern, wie es der Herr befohlen hat; wenn wir vor den Augen der Ägypter opfern, was ihnen ein Greuel ist, so steinigen sie uns“ (Ex 826), ist das nicht der zentrale, das Verständnis der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos insgesamt eröffnende Satz?
Steckt nicht das methodische Problem des symbolischen Schriftverständnisses im Problem der Beziehung der hebräischen zur griechischen (indoeuropäischen) Sprachlogik: im Problem des Ursprungs und der sprachlogischen Entfaltung des Neutrums? Hier geht es nicht darum, welches die „wahre Sprache“ ist. Vielleicht könnte man den Sachverhalt so umschreiben: Sind nicht die „Symbole“ der Schrift (wie die Schlange, die Dornen und Disteln oder der Kelch) Ausdruck eben jener sprachlogischen Elemente, durch die indoeuropäischen Sprachen von der hebräischen sich unterscheiden (wie das Neutrum, die grammatischen Grundlagen der Vergegenständlichung und Verdinglichung, schließlich die in den indoeuropäischen Formen der Konjugation vorgebildeten „subjektiven Formen der Anschauung“)? Paradigma dieser Symbolik ist der Name der Hebräer selbst: die bis in die Struktur der Sprache hineinreichende Selbstwahrnehmung als Fremde für andere; ein Name, dem im Griechischen der Name der Barbaren (die projektive Vergegenständlichung der Fremden als Grundlage des eigenen „hellenistischen“ Selbstverständnisses) gegenüber steht.
Ist nicht die Herrlichkeit Gottes das Leuchten Seines Angesichts? Und wenn es heißt, daß der Menschensohn „auf den Wolken des Himmels“, „in großer Macht und Herrlichkeit“ wiederkommen wird, hat das nicht etwas mit diesem Leuchten Seines Angesichts zu tun?
Haben nicht die gleichen Dinge, die Paulus ausblendet, während die Evangelien davon berichtetn, auch sprachlogische Bedeutung. Liegt nicht in den Wundergeschichten eine sprachlogische Sprengkraft, die nur dem Fundamentalismus und der selbstzufriedenen Erbaulichkeit verborgen bleibt? Oder auch: Wie verhalten sich die „symbolischen“ Wundergeschichten zu den „typologischen“ Personengeschichten (Maria Magdalen und die sieben unreinen Geister; die gesamte Petrus-Geschichte, vom Messias-Bekenntnis über das „Weiche von mir, Satan“ bis zu den drei Leugnungen; die Petrus/Jakobus/Johannes-Geschichten; die beiden Lazarus-Geschichten)?
Hat die Bitte der Zebedäus-Söhne: „Verleihe uns, daß wir einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen dürfen in deiner Herrlichkeit“ (Mk 1037, bei Mt 2020ff ist es die Mutter der Zebedäus-Söhne, die ihn für ihre Söhne fragt) etwas mit dem andern Satz zu tun: „Und mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken“ (1527, vgl. Mt 2738, Lk 2332ff, Joh 1918)?
Ist das Wort Jesu am Kreuz an seine Mutter und an Johannes nicht auch ein Adoptionsakt (wie die Gottessohnschaft bei der Johannes-Taufe und auf dem Berg der Verklärung, oder auch die Saulus-Paulus-Geschichte, der möglicherweise eine Alexander-Saulus-Geschichte vorausgeht)? Ist nicht die Adoption das Modell der „Wiedergeburt“ (die auch das Paulus-Wort, er sei „Römer von Geburt“ anders verständlich machen könnte)?
Ist Joseph von Arimathäa der Adoptivvater des gekreuzigten Jesus?
Was bedeutet es, wenn es heißt, daß Simon von Cyrene „vom Felde“ kam (Mk 1521, Lk 2326, vgl. Mt 2732; nach Joh 1917 trug Jesus sein Kreuz selber)? Ist hier ein Feld im agrarischen Sinne gemeint (das Feld von Bauern oder Hirten), gab es in der Nähe Jerusalems solche Felder? War Simon ein Tagelöhner?
Mit der Rezeption des Weltbegriffs werden auch Theologie und Religion dem Gesetz der Instrumentalisierung unterworfen, das sich dann in der Bekenntnislogik ausdrückt. Ist nicht die Bekenntnislogik die Gewalt, die beide, die Theologie und die Religion, von innen her angreift und aufzehrt (ein Prozeß, den sie im Innern beider gegen beide anstrengt und führt), sie, ohne daß die Betroffenen es merken, in ihr Anderssein transformiert: sie bewußtlos säkularisiert? Notwendig wäre es, diesen Prozeß endlich zu begreifen (durch Erinnerungsarbeit und Reflexion).
Liegt Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ nicht an der Schwelle des Umschlags zur Prophetie, auf den Joh 129 sich bezieht: des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt; ist nicht das Eingedenken der Natur im Subjekt selber schon das „Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt“? Adorno zitiert in diesem Satz die Kritik der Urteilskraft, in der Kant mit dem Begriff einer „Natur im Subjekt“ die ästhetische Produktivkraft des „Genies“ bezeichnet; der Adornosche Satz erinnert zugleich an die Intention Georg Lukacs‘, der erstmals die Kunst anstatt aus der Sicht des Konsumenten aus der des Produzenten zu begreifen unternommen hatte.
Haben die drei Weisen aus dem Morgenland etwas mit den „Zauberern“ in der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos zu tun?
„… der ich bilde das Licht und schaffe die Finsternis“: Das Erste ist nicht das Bessere. Ist das nicht die biblische Grundlage der Kritik des Ersten (und der Väter)?
Neuer Kannibalismus: Sind wir nicht dabei, im Leib der Sprache die Gebärmutter durch den Bauch zu ersetzen: die Barmherzigkeit durchs Fressen (die Schlange frißt den Staub, den Adam produziert)?
Das eine verlorene Schaf und die verlorene Drachme (Lk 154ff): Der eine Sünder, über den, wenn er umkehrt, im Himmel mehr Freude sein wird als über 99 Gerechte, sind das der Staat (das verlorene Schaf) und die Kirche (die verlorene Drachme)? -
12.08.1996
Verdrängungsverstärker Naturwissenschaft: – die Rolle Weizsäckers (der „Kopenhagener Schule“); – symbolisieren die Insekten (die „Mücken“, das „Geziefer“ und die „Heuschrecken“) das Inertialsystem und seine Denominationen? War das Passah-Lamm das „Opfer, das den Ägyptern ein Greuel ist“ (das „Scheusal Ägyptens“): das Opfer, das das Volk eigentlich nach drei Tagereisen in der Wüste darbringen sollte (die letzte vorhergehende Plage, die Finsternis, dauerte drei Tage, und die vorletzte Plage, die Heuschrecken, verweist auf den Untergang der ägyptischen Streitmacht im Schilfmeer)? Hören und Sehen: „Und Gott hörte ihr Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Israeliten und gab sich ihnen kund.“ (Ex 224f) Das Sehen begründet die Kommunikation. Aber zwischen dem Hören und dem Sehen liegt das Gedenken, durch das beide aufeinander sich beziehen.
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10.08.1996
Daniel Goldhagen zitiert auf S. 87 ein Flugblatt aus dem Rheinland (aus dem 19. Jhdt.), in der es heißt, „die Welt überhaupt“ werde von dieser Frage (der Emanzipation) angerührt. Erinnert diese Wendung nicht tatsächlich an den Zusammenhang des Antisemitismus mit der Geschichte des Weltbegriffs?
Der Faschismus ist Ausdruck einer Zwangslogik, deren Bann allein durch Reflexion zu brechen ist. Adornos Satz, daß die Welt sich immer mehr der Paranoia angleiche, die sie gleichwohl falsch abbildet, trifft genau diesen Sachverhalt.
Hängen die Sätze „Ich bin das Licht“ und „Ihr seid das Licht der Welt“ mit dem Licht des ersten Schöpfungstags zusammen, zu dessen Vorgeschichte der Geist über den Wassern gehört? Und bezieht sich hierauf die Wahl des ersten Tages als dies dominica, als Herrentag, sowie der Satz, der Menschensohn sei Herr des Sabbats (was nicht auf seine Abschaffung, sondern auf seine Erfüllung zielt)?
Erst ein Volk, das sich aus dem Bann, bloß Volk (bloß Schicksalsgemeinschaft) zu sein, löst, das auf Erden löst, was dann im Himmel gelöst sein wird, entrinnt der Gefahr des Antisemitismus (was liegt zwischen dem Lösen des sechsten und des siebten Siegels?).
Liegt nicht das innere Problem des Christentums, wie auch die Lösung des Rätsels der Apokalypse und ihrer Beziehung zur Prophetie, darin, daß es nicht mehr nur um die Beziehung zweier Seiten (Innen und Außen, Im Angesicht und Hinter dem Rücken), sondern um die Konstellation der sechs Seiten eines Objekts (hat dieser Hinweis etwas mit der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos und mit der des Übergangs von der Eucharistielehre zum Inertialsystem zu tun)?
Muß man nicht bei der Entschlüsselung der Geschichte von den zehn ägyptischen Plagen davon ausgehen, daß die Plagen, wie sie hier beschrieben sind, aus der Sicht des Pharao sich darbieten (so wie für ihn JHWH der Gott der Hebräer ist)? Und wurde eigentlich das „Scheusal Ägyptens“ schon geopfert?
Das Problem der Verhärtung des Herzens Pharaos verweist auf das Problem des pathologisch guten Gewissens, auf die Ursprungsgeschichte der Bekenntnislogik (und damit des Weltbegriffs, des Herrendenkens, des Staates). Vgl. dazu die Geschichten
– der drei Jünglinge im Feuerofen (Daniel),
– des Martyriums der sieben Brüder und ihrer Mutter (2 Makk),
– der Sara und des Dämons Asmodai (Tob) und
– der Maria Magdalena und der sieben unreinen Geister.
Oder insgesamt: Das Christentum schließt den Frieden mit der Welt aus.
Hat die Konstellation, in der die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos sich löst, etwas mit der Konstellation zu tun, in der die Beziehung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zur Planckschen Strahlungsformel durchsichtig wird?
Haben die drei ersten Plagen etwas mit den kantischen Totalitätsbegriffen zu tun, und kommt die Natur aus dem Wasser und die Welt vom Lande (die Tiere der Apokalypse)?
Wer waren die „ägyptischen Zauberer“, und von welchem Punkt an konnten sie, was Moses und Aaron taten, nicht mehr nachmachen, wann sagten sie. Das ist der Finger Gottes?
Das Wort „Der ich bilde das Licht und schaffe die Finsternis …“ ist an Seinen „Gesalbten Cyrus“ adressiert.
War nicht am Ende des Krieges die schlagartige Verdrängung dessen, was man vorher gewußt hat, der Preis für die „Bewältigung“ der Vergangenheit durch bloßen Gesinnungswechsel, durch Eintritt in die Gemeinschaft aller, die die Vergangenheit nur zu verurteilen brauchten, um sich davon loszusagen? Verdrängt werden mußte neben dem eigenen Anteil an dieser Vergangenheit insbesondere auch, was man über die Beteiligung der anderen wußte: Selbst die Verdrängung (die kollektive Amnesie) gehorchte noch den in der Nazizeit eingeübten Gesetzen der Komplizenschaft (steckt nicht im Begriff der Gesinnung ein kollektiver, bekenntnislogischer Anteil: Paradigma der Gesinnung ist die nationale Gesinnung).
Die im Umkreis der Habermas-Schule gängige Kritik der Postmoderne trägt ausgesprochen projektive Züge. Und ist nicht in der Tat die habermassche Kommunikationstheorie ein postmodernes Konstrukt, das sich von der französischen Postmoderne nur dadurch unterscheidet, daß sie kein Bewußtsein davon hat, daß sie es nicht weiß?
Einer der Effekte des Inertialsystems ist die Irreversibilität der Zeit. Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist die Basis und die Voraussetzung dieser Irreversibilität der Zeit; ohne die irreversible Zeit wäre die Ausdehnung des Raumes, wären die räumlichen Beziehungen der Orte im Raum nicht definiert. Sie macht so die Grenze zur Vergangenheit zu einer absoluten, sie ist zugleich das Instrument der Instrumentalisierung der Erinnerung, der Löschung der Kraft des Eingedenkens.
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist das logische Prinzip, das die Vergangenheit absolut setzt und sie der Erinnerung, dem Eingedenken entzieht. Diese Logik arbeitet mit der instrumentalisierten Form der Erinnerung, die das Eingedenken ausschließt. Darauf, auf die Kritik dieser instrumentalisierten Erinnerung, zielte Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ (nicht das Eingedenken der „gequälten Natur“, so Habermas).
Ist nicht das Inertialsystem die Form einer Beziehung zur Objektivität, die auf einer kollektiven Amnesie (auf den „subjektiven Formen der Anschauung“) sich gründet und sie zugleich reproduziert? Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung der Reflex des „stummen Inneren der Gattung“ im Subjekt? Und gehört die Selbstreflexion im Spiegel des Auslands zur Logik dieser durchs Inertialsystem festgeschriebenen Beziehung zur Objektivität, die mit dem Wort, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, nicht mehr anfangen kann?
Das Inertialsystem ist der Reflex des Selbsterhaltungsprinzips, es ist in sich selbst herrschaftsgeschichtlich, und d.h. durch die Geschichte des Staats als der Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern, als Organisationsform einer Gesellschaft, die auf der Grundlage der Geldwirtschaft auf dem Prinzip der Selbsterhaltung sich gründet, vermittelt.
Welche wirklichen „Erfolge“ hat die Weltraumforschung (neben der Erfindung der Teflonpfanne) aufzuweisen? Zu nennen wäre:
– zunächst einmal ihr rüstungstechnischer Beitrag zur Entwicklung von Waffensystemen (die Raketen sind nutzbar als Trägersysteme);
– hinzu kommt ihre „ökonomische“ Funktion auf der Grundlage der Satelliten-Technik, die neben der Wetterforschung insbesondere die Globalisierung der Telekommunikation gefördert hat (und mit ihr die Globalisierung der Marktgesetze, zu deren Folgen auch die fortschreitende „Privatisierung“ aller ökonomischen und kommunikativen Einrichtungen, nicht zuletzt des Fernsehens: ihre Subsumtion unters Wertgesetz, gehört).
Wer das bereschit am Anfang der Genesis mit „im Prinzip“ übersetzt, kommt der Sache sehr nahe: Gemeint ist ein „logischer“, kein zeitlicher Anfang, nur wäre dieser Begriff der Logik genauer zu bestimmen: Er gehört zur Logik des Namens, nicht des Begriffs. -
08.08.1996
Erbauliche Theologie dient allein der Einübung des Geschwätzes. Biblische Personen und Erzählungen werden nur noch als Folie der Selbstbespiegelung wahrgenommen. Es gibt eine erbauende Kraft der Schrift, und in ihren Zusammenhang gehört das Wort vom Eckstein, den die Bauleute verworfen haben. Diese Verwerfung des Ecksteins führt direkt in die an sich blasphemische Erbaulichkeit. Die Erbaulichkeit orientiert sich an einer Idee der Unsterblichkeit der Seele, die vom Zustand der Welt abstrahiert, während das erbauende Denken am Zustand der Welt sich orientiert: Es findet seinen Grund in der Lehre von der Auferstehung der Toten.
Das Gelübde ist auf der Grenze zwischen Tauschprinzip und Rechtsprechung angesiedelt, das Gelübde selbst als Angebot oder Anklage, das Eintreten seiner Erfüllungsbedingungen als Kauf oder Urteil. Und ist nicht das Tauschverhältnis die säkularisierte Gestalt eines Herrschaftsverhältnisses (mit dem Verkäufer als Knecht und dem Kunden als Herrn), oder genauer: Verwandelt das Tauschverhältnis nicht das Herrschaftsverhältnis in eine reversible Beziehung, ist es nicht das Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft (und der Verhärtung der Herzen)? Aber diese Reversibilität ist der Ursprung des Scheins: der Trennung des Bewußtseins vom Sein, der Ursprung des falschen Bewußtseins (Bedingung und Resultat der Verhärtung des Herzens).
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum gründet in der Orthogonalität, beide zusammen (und mit ihnen die Zwangsvorstellung des dreidimensionalen Raumes) gründen in der Irreversibilität der Zeit. Wäre das Inertialsystem mehr als ein metrisches Konstrukt, wäre es eine objektive Wesenheit, so würde das Zeitkontinuum gesprengt. Darin liegt die Wahrheit des Urknalls, in dem diese Sprengung sich reflektiert, und der am Ende, nicht am Anfang liegt. Auf dieses Ende zielt Heideggers (von Vernichtungsphantasien genährte und beherrschte) Frage: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?
Die Lichtgeschwindigkeit (die durchs Inertialsystem vermittelte Außenseite des Lichts) rührt ans tohuwabohu und an die Finsternis über dem Abgrund.
Das Recht und das Inertialsystem sind die vergeblichen, und deshalb unendlichen Versuche, den Bruch, der Natur und Welt scheidet, zu heilen, und ist es nicht dieser vergebliche Versuch, auf den sich das Wort von den Pforten der Hölle, die die Kirche nicht überwältigen werden, bezieht?
Kann es sein, daß es in den USA deshalb nie eine linke Partei gegeben hat, weil der Rassismus den Klassenkampf unsichtbar gemacht hat? Die linke Theorie hat insofern recht, als der Rassismus dem Grunde nach auf ein gesellschaftliches Verhältnis, nicht auf ein biologisches sich bezieht. Aber erfahren wir dieses gesellschaftliche Verhältnis (auch den Klassenkampf) nicht in der Tat als Natur, und hat es für uns nicht die Gewalt der Natur, die der Staat und das Recht dann garantieren? Zu dieser Natur gehören dann – wie zur christlichen Welt die Hölle – die Knäste.
Auto und Fernsehen: Freie Bahn für freie Bürger. Die andern enden vor der Glotze.
Entspricht nicht der Bildschirm der Scheibe im Schaufenster, die die potentiellen Käufer von der Ware trennt; sind nicht Fernsehmoderatoren zum Leben erweckte Waren?
Wort zum Sonntag und Morgenandacht: Das Fernsehen markiert das Ende, das Radio den Anfang vom Ende.
Kohl hat sich durchgesetzt, weil er alles aussitzt: Ist er überhaupt ersetzbar?
Als die SPD Lafontaine zum Parteivorsitzenden wählte, hat sie das Pfeifen im Walde mit den Trompeten von Jericho verwechselt.
Wie unterscheidet sich das Erbarmen vom Mitleid (vgl. hierzu die Geschichten von den „wunderbaren Brotvermehrungen“: das eine Mal „ergriff ihn das Mitleid mit dem Volke“, das andere Mal „erbarmte ihn des Volkes“)? Unterscheidet sich nicht das Mitleid von der Barmherzigkeit durch das Bewußtsein der Ohnmacht? Und gilt das Erbarmen (der Impuls zu helfen) den Opfern, das Mitleid (die Erfahrung der Ohnmacht und der Schrecken angesichts der Frage: Wie können die das tun?) den Tätern? Hängt nicht Nietzsches Idee des Herrenmenschen (der „blonden Bestie“) mit der Abwehr des Mitleids (als „größte Gefahr“) zusammen, mit der Unfähigkeit, diese Ohnmacht zu ertragen? Anstatt das Bewußtsein der Ohnmacht im Mitleid zu reflektieren, schlägt er sich auf die Seite der Herren, die am Ende kein Mitleid mehr dulden.
Das Fernsehen kann Mitleid erzeugen, niemals Barmherzigkeit. Gründet das Mitleid im Sehen, während die Barmherzigkeit das sprachlich reflektierte Sehen zur Grundlage hat? Das Mitleid gehört zur Logik der Schrift, die Barmherzigkeit gründet im Wort (das Objekt des Mitleids ist stumm, das der Barmherzigkeit schreit zum Himmel).
Unterscheidet nicht schon die Schrift zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Wortes? Ist diese innere Unterscheidung der Prophetie nicht in den Begriff der Prophetie mit hereinzunehmen, und ist nicht die Apokalypse (die Fortentwicklung der Prophetie unter den Bedingungen des Weltbegriffs, der in dieser Unterscheidung sich ausdrückt) der Ausdruck und die Entfaltung der Objektivität dieser Unterscheidung?
Der Weltbegriff unterliegt einem organischen Prozeß: So enthält er in sich selbst die Ursachen seines Untergangs. Spenglers Kulturbegriff gründet in diesem Weltbegriff.
Ist nicht der Urknall ein spätes Echo der creatio mundi ex nihilo? War nicht dieses theologische Konstrukt bereits ein Reflex des „Weltuntergangs“, die bloße Umkehrung des Endes? Als Schöpfer der Welt ist der Staat der Vollstrecker ihres Untergangs.
Gibt es den Begriff der Verstockung (der Verhärtung des Herzens) schon vor der Exodus-Geschichte?
Das Ding ist der Reflex der unendlichen Ausdehnung des Raumes (und der Zeit), während das Angesicht diese Unendlichkeit widerlegt. Die subjektiven Formen der Anschauung sind die realsymbolische Entsprechung des biblischen Kelchsymbols; ihre verdinglichende Gewalt korrespondiert dem „göttlichen Zorn und Grimm“.
Der Hinweis auf die Verantwortung bleibt formal, ein Instrument der Selbstentlastung (und des Schuldverschubsystems), wenn ich nicht davor die Frage setze, ob ich sicher bin, daß ich, wenn ich an der Stelle des Andern gewesen wäre, anders hätte handeln könnte.
Auch die Nazis waren Opfer. Das entlastet sie nicht von ihren Taten, aber vielleicht hilft dieser Satz, die Wiederholung dieser Taten, die über ihre bloße Verurteilung sich vorbereitet, zu verhindern.
Die Ausgrenzung des Schreckens aus dem Begriff des Faschismus (durch das Instrument der Verurteilung) ist die Ausgrenzung derer, die ihn nicht loswerden.
Hat nicht der Gebrauch der Verurteilungslogik, zu dem es keine Alternative mehr zu geben scheint, sehr viel mit den „sieben unreinen Geistern“ zu tun?
Die einzige brauchbare Definition Gottes: Er ist es, der die Toten erweckt.
Der Corpus Christi Mysticum schließt (nach der „Mysterientheologie“ Odo Casels) die Einbeziehung in das Leiden und den Tod Jesu mit ein.
„Was sind das doch armselige Menschen …“ und „Was sind das doch für armselige Menschen …“: Dieses „für“ rückt den Satz aus dem Bereich des Erschreckens (und der Barmherzigkeit) in den der Verurteilung (des Gerichts). Die erste (ursprüngliche) Fassung des Satzes ist Ausdruck eines katholischen Selbstverständnisses, das es nicht mehr gibt. Die Kirche gibt keinen Halt mehr für den Widerstand gegen die Welt, sie hat die Mittel dieses Widerstands als Ballast abgeworfen. So findet sie sich als das steinerne Herz der Welt in deren leerem Zentrum wieder.
Drückt sich nicht in dem „für“ die Verdrängung genau der Wahrnehmung aus, die in dem ersten Satz zum Ausdruck gebracht wurde? -
6.8.96
Der Satz, daß Gott ein Gott der Lebenden, nicht der Toten sei, klingt nach in dem anderen: „Laßt die Toten ihre Toten begraben“, der sich auf die Väter bezieht. Welche Väter gibt es in den Evangelien (außer Joseph, Zacharias, Zebedäus u.a. auch den Simon von Cyrene <der das Kreuz getragen hat, und der nur dadurch näher bestimmt wird, daß er der Vater zweier Söhne, des Alexander und des Rufus, ist>, den Jairus, den römischen Offizier)? Der Rassismus ist das auf den Kopf gestellte, ins Biologische gewendete Symbol. Und der Antisemitismus ist der Kern des Rassismus, nicht nur eine seiner Anwendungen. Der Weltbegriff hat einen herrschaftslogischen Kern, der erst in der Geschichte sich gebildet hat. Der teleologische Ursprung der Metaphorik ist vermittelt durch den Primat der Kausalität, die selber unter dem Apriori der Selbsterhaltung steht. Real ist die Sprache der Kausalität und Selbsterhaltung, alles andere ist metaphorisch. Das Realitätsprinzip ist auf die Kausalität eingeschworen, ein Schwur, der sich selbst als Zeugen anruft: Modell der Beziehung der transzendentalen Logik zur transzendentalen Ästhetik. Die subjektiven Formen der Anschauung sind im wörtlichen Sinne Formen der Verschwörung (auf der Basis eines Schwurs, den jeder bei sich selbst schwört, wobei er die Welt zum stummen und falschen, aber unwiderlegbaren Zeugen, zum augenlosen Augenzeugen, macht – Parodie der Beziehung Jesu zum Vater.) Die Metaphorik ist das Residuum des Namens. Gehört nicht zum philosophischen Begriff der Autonomia die Ataraxia, die sich vom Mitleid nicht mehr hinreißen läßt? Aber dieser (bürgerliche) Begriff der Autonomie gründet in der finanziellen Unabhängigkeit, von der die Armen apriori ausgeschlossen sind. Die wahre Einsicht wäre eine, die sich unmittelbar mitteilt und deshalb nicht mehr erfragt zu werden braucht. Die Geschichte der Verklärung auf dem Berge Tabor wäre wahr, wenn sie sich Petrus, Jakobus und Johannes unmittelbar mitgeteilt hätte, wenn diese sie nicht nur gesehen hätten. Die mittelalterliche Eucharistieverehrung und -spekulation hat das Geheimnis des Worts an die Mathematik (das Hören ans Sehen) verraten. „Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich“: Wer das Kreuz auf sich nimmt, hat es nicht mehr vor Augen, kann es nicht mehr vergegenständlichen. Ist dieser Satz nicht die Widerlegung der Opfertheologie? Und sind die Evangelien nicht insgesamt ein Akt des Eingedenkens gegen die paulinische Objektivierung, die die Abstraktion überhaupt erst möglich macht, die dann im Credo sich ausdrückt (in dem das Leben Jesu zum „incarnatus est de Spiritu Sancto, ex Maria Virgine, et homo factus est; crucifixus etiam pro nobis, sub Pontio Pilato passus et sepultus est“ zusammenschnurrt)? Der Bruch zwischen Paulus und den Evangelien, den das Dogma zudeckt, wird thematisiert in der Apokalypse. Hat nicht der Faschismus auch die Sieger in seinen Strudel mit hereingezogen? Hängt das Problem, das um die Begriffe aioon, oder saeculum, aeternitas, sich herumrankt, nicht damit zusammen, daß die Herrschaftsgeschichte zum logischen Zentrum des Weltbegriffs geworden ist? Die Herrschaftsgeschichte hat das Überzeitliche vom Ewigen geschieden. Woher kommen und was bedeuten diese Worte, die die Idee des Ewigen umkreisen? Von der Botschaft der Sterne hat die Kirche nur die Boten, die Engel, zurückbehalten, wobei sie die dämonischen Ursprungs- und Elementarmächte der Einfachheit halber (und zur Legitimation der kirchlichen und weltlichen Hierarchien) mit zu den Engeln gezählt hat. Die Austreibung der sieben unreinen Geister steht noch aus (und ist nicht durch die Ersetzung des Sabbath durch die dies dominca schon erfüllt). Gehört nicht auch der Name des Barabbas zur evangelischen Geschichte der Verwerfung der Väter? Die Idee des Absoluten gründet im Rechtfertigungszwang und endet im Wiederholungszwang (deshalb ist der Staat die sterbliche Gestalt des Absoluten: es gibt keine andere). Das Ganze ist das Unwahre: Die Wege des Irrtums sind die Wege des in sich selbst zurückkehrenden Kreisens. Wenn die Metaphorik teleologischen Ursprungs ist, ist dann nicht das Geld ein metaphorisches Instrument? Oder: Wenn das Inertialsystem die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, ist dann nicht das Geld die Umkehrung dieses Aktes, nämlich die Subsumtion der Vergangenheit unter eine Zukunft, die selber schon unter die Vergangenheit subsumiert ist? Das Geld ist das Instrument, mit dessen Hilfe das Subjekt (über die subjektive Form der inneren Anschauung) sich an das Ende der Zeitreihe setzt, um durch die Erhebung über die Zeit autonom zu werden. Unter dieser Prämisse wird das Bekenntnis zum flatus vocis, durch seine Trennung vom Namen wird es zur im Unendlichen verhallenden Stimme. Hängt es nicht mit der Verdrängung des Namens und des Angesichts zusammen, wenn der Name der Welt auch als Name für alle Menschen sich verwenden läßt? Der Andere wird zum bestimmten Anderen nur durch den Namen; für sich ist er nur ein Anderer für Andere. Der bestimmte Artikel ist nur der Repräsentant des Namens in der Sprache, während der unbestimmte Artikel das unter den Allgemeinbegriff fallende Objekt bezeichnet (ein Objekt unter vielen: an sich ein Kollektivum). War die Vätertheologie nicht erst möglich, nachdem aus dem Gesalbten, dem Messias Jesus, der Jesus Christus geworden ist, und der Name Christus zum Allgemeinbegriff, der alle Christen unter sich befaßt? War es nicht der Trick der homousia, daß sie den Sohn dem Vater gleichgesetzt hat? Laßt die Toten ihre Toten begraben: Liegt die logische Funktion dieses Tods der Väter nicht in der Beziehung der Väter zum Begriff, in ihrer „zeugenden“ (die Gattung begründenden) Funktion. Ist nicht der Rassismus die logische Konsequenz aus der Väterreligion (und der Antisemitismus sein Kern)? Der Zölibat ist die fundamentalistische Version eines logischen Sachverhalts. Bezeichnet nicht der Unzuchtsbecher, ähnlich wie der Taumelbecher und der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, ein logisches Problem (hat das Wissen mit dem Kelch, und haben Natur und Welt mit Grimm und Zorn zu tun, und liegt hier der Schlüssel zum „Unzuchtsbecher“)? Das Possessivpronomen ist das principium individuationis, und zwar sowohl für den Besitzer und Eigentümer wie für den Besitz und das Eigentum. Auf den beiden Seiten des Schaufensters, durchs Schaufenster getrennt, sind Ware und Käufer nur Exemplare einer Gattung, erst im Kauf (durch die Eigentumsbeziehung) gewinnen sie Individualität, Ununterscheidbarkeit. Erst der Fernsehmoderator, der sich selbst verkauft, gewinnt (als die Ware, zu der er sich macht) Individualität. Wer wissen will, wo der Filmstar der zwanziger Jahre geblieben ist, sollte sich den Fernsehmoderator ansehen (nicht den Darsteller der Fersehserie, der hinter seiner Rolle, die ihn zum Nachbarn aller macht, verschwindet: Derrick ist nicht Tappert, sondern Tappert ist Derrick; auf der Straße würde ich ihn als Derrick „erkennen“). Das Charisma ist eine Qualität, die in der Eigentumslogik gründet. Der Führer war die Verkörperung der sich selbst anpreisenden und verkaufenden Ware; deshalb war er auch die Verkörperung des Antisemitismus. Er war die Verkörperung einer Ware, die ihr Massendasein leugnete: die Uniform als signum individuationis. Er war nur die Matrix, das Modell einer Massenproduktion, mit dem Antisemitismus als Produktionsmittel. Der ungeheure Verdrängungsakt, der mit einem Schlage alle Deutschen von der Schuld befreit hat, hängt damit zusammen: Alle haben ihre Anschauungen (ihr Feindbild) wie ein Hemd gewechselt, ihre Verstrickung wie die Uniform abgelegt. Der Produktionsapparat ist erhalten geblieben, er wurde noch gebraucht.
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5.8.96
„Der Messias braucht Hilfe durch das Volk“ (Bedenbender TuK 68, S. 36). Das sollte aber um Gottes willen nicht heißen, daß der Messias „Anhänger“ braucht: nur der Führer braucht Anhänger, er wäre ohne das Volk ein Nichts; auch der Führer weiß alles, nur: während der Führer einer ist, den alle fragen müssen, ist der Messias der, den niemand zu fragen braucht. Der Messias braucht die Hilfe des Volkes nicht, wie eine Avantgarde die Hilfe der Massen braucht, er braucht sie nicht im Sinne der Machtfrage. – Braucht der Messias die Hilfe des Volkes, braucht nicht das Volk die Hilfe des Messias, die in der Verbreitung des verteidigenden Denkens (des Geistes) sich manifestiert? Das Volk braucht den Messias: um aus dem Bann, nur Volk zu sein, endlich sich zu befreien. Max Horkheimer hat einmal gesagt, daß ein Richter, der nicht in den Angeklagten sich hineinversetzen kann, nicht fähig sei, ein gerechtes Urteil zu fällen. Aber gibt es nicht Strafrechts-Tatbestände (und prozessuale Verfahrensregeln), die, in bestimmten Fällen, insbesondere in Fällen der politischen Justiz (aber auch schon beim Mord), darauf abzielen, diese Identifikation, die Fähigkeit, in den Angeklagten sich hineinzuversetzen, apriori auszuschließen? Es gibt Fälle, in denen diese Identifikation bereits als strafrechtlicher Tatbestand gilt (und gesetzlich als solcher definiert ist), mit der Folge, daß der Angeklagte zum Feind und das Recht zu einem Instrument des Vorurteils wird.
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4.8.96
Luther hatte Recht, als er Rom mit Babylon in eins setzte, aber er hätte die Kirche nicht verlassen dürfen. Babylon unterscheidet sich von Ägypten dadurch, daß es aus Babylon keinen Exodus gibt. Für Babylon gilt der Satz des Jeremias: Betet für das Wohl der Stadt. Nach der Apokalypse ist der Herr in Sodom und Ägypten, aber nicht in Babylon gekreuzigt worden (Off 118). Babylon aber hat Jerusalem zerstört. Unterschlägt (oder verdrängt) die Befreiungstheologie nicht Babylon (und deshalb das Problem der Verhärtung des Herzens Pharaos, die Vorgeschichte des Kelch-Symbols)? Es ist strikt untersagt, die Zeiten zu berechnen, denn den Tag und die Stunde kennen weder der Sohn noch die Engel, sondern nur der Vater. Es ist jedoch geboten, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Heute haben alle Katastrophen ihr bewegendes, ihr kausales Zentrum auch in der Sprache, so wie das heliozentrische System sein Zentrum in der Sonne hat, das die Irrwege der Planeten determiniert. Die Enden der Erde, sind das nicht die göttlichen Namen, auf die die sechs Richtungen des Raumes versiegelt sind (die sechs „Planeten“, ohne Saturn)? Und sind diese Richtungen des Raumes nicht allein erfahrbar im Angesicht (so hängen der Name und das Angesicht zusammen)? Kopernikus und Newton haben die obere und die untere Welt gleichnamig gemacht (den Saturn durch die Sonne, den Sabbath durch die dies dominica, ersetzt), sie haben den Hades totalisiert. Gilt für diese Welt, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? Wenn wir zu ihm umkehren (in der Heiligung des Namens), wird Er zu uns umkehren (im Leuchten Seines Angesichts). „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht“: Steht hier das „Er sprach“ in der erzählerischen Vergangenheit und das „Es werde Licht, …“ im Präsens der indirekten Rede? Oder würde der hebräische Text auch die Interpretation zulassen, daß das „Es werde Licht, …“ nur eine Erläuterung des „Er sprach“ ist, daß Sein Wort im Licht sich manifestiert, und daß die Verdoppelung des Lichtwerdens auf das dialogische Moment in Gottes Wort verweist? Und damit auf ein dialogisches Moment im Licht: das das Sehen und Gesehenwerden umfaßt; hiervon abstrahiert die Anschauung, die in den Formen der Anschauung monologisiert und vergesellschaftet wird. Die Konvergenz von Sprache und Licht wird durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum neutralisiert; sie ist die Grundlage der Erschaffung des Menschen: „nach Seinem Bild, nach Gottes Bild, als Mann und Weib“. Deshalb reicht die Unterscheidung des Männlichen und Weiblichen bis in den Sprachgrund herab (im Hebräischen ist auch die zweite Person nach Geschlechtern differenziert). Sprache als Mitteilung, Information, Botschaft: Der Monolog ist Rede über etwas; er ist objektivierend und instrumentalisierend; er vollzieht sich hinter dem Rücken der Dinge wie der Adressaten. Das Paradigma des Monologs ist das Buch, die Wissenschaft, die Vorlesung; seine Erfüllung findet er in den Medien, die nur noch Leser, Hörer, Zuschauer kennen; sein Vorläufer war die Predigt. Im Deutschen wird zur formellen Anrede die dritte Person plural, das Sie, verwandt, im Englischen die zweite Person plural, das you, das dann zur generellen Anrede der zweiten Person geworden ist, das thou verdrängt hat. Im Deutschen ist das Personalpronomen der dritten Person plural identisch mit dem der dritten Person singular femininum (während für die zweite Person plural das Possessivpronomen der dritten Person singular femininum <das Ihr> verwandt wird). Während im Deutschen die Possessivpronomina im Singular analog gebildet sind (mein, dein, sein), und nur das Femininum der dritten Person abweicht (das Ihr, das dann als Personalpronomen der zweiten Person plural verwandt wird), sind im Englischen die Possessivpronomina der dritten Person singular geschlechtsspezifisch differenziert (his, her), nur die der ersten und zweiten Person (mine, thine) sind analog gebildet. Hängen diese Unterschiede mit dem Unterschied beim Infinitiv Sein (englisch: to be) zusammen, und verweisen sie nicht auf ein tiefes sprachlogisches Problem? Wasser zu Blut (1. ägyptische Plage, vgl. auch Off 88, 163,4): Ist dieses Blut das Lebensprinzip des subjektlosen, aus dem gesellschaftlichen Schuldzusammenhang erwachsenden Lebens? Entstehen nicht daraus die Frösche (2. Plage), die dann auch im Nil bleiben (zu den Fröschen vgl. Off 1613f)? Stab/Schlange: Bei welchen Plagen wird der Stab verwandt? Welche Bedeutung hat der Stab in der Wüstenwanderung, und hängt er mit der „ehernen Schlange“ zusammen, die später dann zum Tempel gehörte, aus ihm in der Königszeit (durch Hiskia, 2 Kön 184) entfernt wurde? Das Strafrecht ist das (auf dem Grunde des Gewaltmonopols sich konstituierende) Bekenntnis des Staates (vgl. zur Ursprungsgeschichte des modernen Strafrechts den Zusammenhang von Dogma und Inquisition). Werte sind Reflexionsformen des Strafrechts in der Ethik, gründen sie nicht sowohl in der Ethik als vielmehr in der (Bekenntnis-)Logik des Strafrechts. Sprachlich und logisch sind Werte Urteile, die jedoch objektive Realität nicht durch argumentative Begründung, sondern durch kollektive Sanktionierung (durch Verbote und durch Verurteilung) gewinnen (sowas tut man nicht). Zu Werten „bekennt“ man sich, und Werte werden „durchgesetzt“. Werte sind Reflexionsformen des im Strafrecht gesellschaftlich organisierten Rachetriebs.
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3.8.96
Die Bekenntnislogik stellt die Schuldreflexion still durch das Instrument der Urteilsmagie: den Mechanismus der Verurteilung.
Seit die Welt zur Hölle geworden ist, kann niemand mehr an die Hölle glauben: So schlimm kann Gott nicht sein, so sind nur wir. Aber ist die andere Frage wichtiger: ob die Pforten der Hölle uns wirklich nicht „überwältigen“ werden?
Sind nicht die zehn Plagen Ägyptens das Negativ der mystischen Stufen der Erkenntnis, beschreiben sie nicht den Weg, der hineingeführt hat und deshalb vielleicht auch wieder herausführt?
Ist nicht der Ofenruß, der gen Himmel geworfen wird (die 6. Plage), die Wende, ist hier nicht der Punkt, an dem die Zauberer die Taten des Moses und Aaron nicht mehr nachzumachen vermögen, weil sie selbst erstmals Opfer der Plagen sind? Bei den „Mücken“ (der 3. Plage) vermochten die Zauberer es auch nicht, und sie warnten den Pharao: hier ist „Gottes Finger“, aber sie waren nicht selbst betroffen. Beim „Geziefer“ (der 4. Plage) wird Israel erstmals ausgespart, Mizrajim ist alleine das Opfer, und hier sagt Moses dem Pharao, der ihn auffordert, im Land zu opfern, daß ihr Opfer das des Scheusals Ägyptens ist.
Hat die vorletzte Plage (vor der Tötung aller Erstgeburt), die Finsternis, etwas mit der Finsternis über dem Abgrund zu tun, und kann es sein, daß die Tötung der Erstgeburt (in der Mitternacht) dem tohuwabohu in der Schöpfung korrespondiert? Und haben die Frösche, die in die Schlafgemächer und in die Backtröge eindringen und am Ende im Nil verbleiben, etwas mit den apokalyptischen Tieren (mit denen die Apokalypse sie dann auch zusammenbringt) zu tun?
Wenn die Tötung der Erstgeburt auf das tohuwabohu und die Finsternis auf die über dem Abgrund sich bezieht, haben dann nicht die Heuschrecken etwas mit dem Geist über den Wassern zu tun? Die Heuschrecken (die 8. Plage) aber sind offenkundig ein Symbol der militärischen Macht; in dieser Plage ist das Schicksal der ägyptischen Militärmacht am Schilfmeer vorbezeichnet.
Es ist wahr, wer die Zeiten berechnen will, erliegt der Verstarrung, was aber nicht heißt, daß man die Zeichen der Zeit nicht erkennen soll.
Die Differenz zwischen dem Erzählten und der historischen Realität ist festzuhalten, aber sie bezeichnet nicht die Alternative, um die es geht; wenn die Erzählung Vorrang hat vor dem Indikativ des Historischen (auf das sie gleichwohl sich bezieht), dann nur, weil sie an die erkennende Kraft der Sprache rührt, die im historischen Indikativ (im „Wie es denn eigentlich gewesen ist“) verdampft. Diese erkennende Kraft der Sprache (der Halacha) gehört der gleichen Ordnung an wie das Gebot (die Haggada). Beiden eignet ein Realitätsbezug (der des Eingedenkens), von dem der historische Indikativ, die historische Objektivierung, abstrahiert. Das Eingedenken unterscheidet sich von der historischen Objektivierung dadurch, daß es versucht, im Vergangenen der Gegenwart innezuwerden, während die historische Objektivierung die Gegenwart (den seiner selbst gewissen Herrenblick) ins Vergangene projiziert.
An welchen Stellen in den Evangelien erscheint das betonte Du außer in Mt 1618 (sy ei Petros) sonst noch? Läßt diese Stelle auch so sich verstehen, daß das Prädikat („Fels“) nicht nur auf diese bestimmte Person (auf Simon Petrus), sondern auf die Form der Beziehung zum providentiellen dialogischen Partner des Messias, die Kirche, insgesamt sich bezieht, die nicht hört und nicht versteht, und den Dialog ins Leere verströmen und die Antwort zum Monolog der Theologie (zur Theologie hinter dem Rücken Gottes) verstarren läßt? Ist das Tu es Petrus die Vorankündigung der dreifachen Leugnung? Und ist die Kirche nicht in der Tat bis heute das stumme, versteinerte Du Gottes? – Gibt es hierzu Hinweise in den anderen Stellen, an denen das betonte Du (das Du als Anruf des Andern: als Gebot oder als Aufruf zum Gericht) erscheint?
Theologie im Angesicht Gottes treiben, das ist etwas anderes als „Christum treiben“.
Merkwürdiges Wort der Jünger: „Siehe, jetzt redest du frei heraus und gebrauchst keine Bildrede. Jetzt wissen wir, daß du alles weißt und nicht nötig hast, daß dich jemand fragt“ (Joh 1629f); müßte es nicht heißen, „daß du jemanden fragst“? Weshalb hat jemand, der alles weiß, nicht nötig, daß ihn jemand fragt; nach unserem Verständnis des Wissens, hat der, der der alles weiß, nicht mehr nötig, andere zu fragen. Was ist das für ein Wissen, das den, der es hat, den Fragen der anderen enthebt?
Der Glaube ist ein Wissen, das dem Rechtfertigungszwang (den Fragen der anderen oder auch den durch die Rechtfertigungszwänge vorgezeichneten Wegen des Irrtums) enthoben ist.
Hängt das merkwürdige Wort im Johannes-Evangelium nicht auch mit der Sprachgeschichte der Frage zusammen, die bei Heidegger implodiert? Die Frage, auf die das Wort aus Joh sich bezieht, ist die Frage der „Theodizee“, die in Heideggers Frage nach dem „Sinn des Seins“ oder auch in seiner Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“ nachhallt (und faschistisch radikalisiert wird). Beide Fragen stellen das Sein unter Rechtfertigungszwang, unterwerfen es einem Jüngsten Gericht, dessen Richter der Fundamentalontologe ist.
Ist nicht der Glaube, der Berge versetzt, der Glaube, der die Wege des Herrn bereitet, seine Straßen gerade macht, ein Glaube, der dem Bann der Apologie entronnen ist, der aus sich selbst einleuchtet, zu dem es keine Fragen mehr gibt? Gehört das apokalyptische Bild vom Berg, der ins Meer geworfen wird (Off 88, vgl. auch 1821), nicht hierher?
Wäre zu Ton Veerkamps „Plusquamperfekt“ nicht daran zu erinnern, daß das eine griechischen Erfindung ist? Und ist nicht der Satz „Was nicht erzählt wird, ist nicht passiert“ ein vergeblicher (weil unangemessener) Ausbruchsversuch aus dem Historismus?
Ist nicht das Epos die ästhetische Ursprungsgestalt des Neutrum, der Vergegenständlichung, die Gestalt seiner ersten Entfaltung, die Tragödie das Produkt der ersten Reflexion und Verarbeitung des Epos und die Philosophie der erste Versuch, der tragischen Aporie zu entkommen, der dann in die universale Neutralisierung hineinführte? Die Philosophie hat das Schicksal, das ästhetisch-moralische Korrelat des Neutrum, das im Mythos sich entfaltete und in der Trägodie als die die Tragik erzeugende Macht der Objektivierung sich enthüllte, als instrumentale Gewalt sich zugeeignet.
Kirchengeschichtlich fallen das Urschisma und die Rezeption des Weltbegriffs, als dessen hypertropher Ausdruck und Reflex die Gnosis sich begreifen läßt, zusammen.
Zum Begriff als Reflex der Herrschaftsgeschichte: Ist nicht das Sklavenhaus zugleich der Eisenschmelzofen (das Schwert, das die Wunde schlug, heilt sie auch)?
Ist nicht die „Jahwä“-Theologie eine Theologie, deren pharaonische Tradition (die Tradition der Verstockung und Verblendung) darin sich zeigt, daß sie den Namen immer nur als den des Gottes der Hebräer versteht? -
2.8.96
Credo, quia absurdum: Die Bekenntnislogik entspringt in einer Konstellation, in der ich selbst mich mit den Anderen identifiziere, „vor denen“ ich „das Bekenntnis ablege“: mit der Welt, die das Bekenntnis nicht versteht. Die Bekenntnislogik ist die Logik des Schuldverschubsystems: sie lädt der Welt die Sünde auf, anstatt die Sünde der Welt auf sich zu nehmen, und beruhigt sich in dem Glauben, daß Jesus, das „Lamm Gottes“, die Sünde der Welt „hinweggenommen“ hat. Die Bekenntnislogik ist die Umkehrung der Versöhnung. – Steht das Verhältnis der Kirchen zu ihren Vergangenheiten bis hin zu Auschwitz nicht unter dem Gesetz dieser Bekenntnislogik, der Logik der Konfessionalisierung und damit der systematischen Verweigerung der Erinnerung, des Eingedenkens? Im Kontext der Bekenntnislogik werden Vergangenheiten immer nur überwunden oder bewältigt, nicht erinnert. „Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt …“ (Mk 838): Steht nicht die Bekenntnislogik unter dem Gesetz dieser Scham? Und die Konsequenz: „dessen wird sich auch der Menschensohn schämen“ bezeichnet einen einfachen logischen Sachverhalt, sie ist nicht Ausdruck eines Rachetriebs (nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir), zu dem sie erst auf der Grundlage der Bekenntnislogik wird. Die Salbung in Bethanien (Mk 143ff, vgl. Bedenbender in TuK 67, S. 51): Ist sie nicht Totensalbung und die Salbung des Messias (des Gesalbten) zugleich? Ton Veerkamp zitiert in TuK 67, S. 53 die drei Stellen in der hebräischen Bibel, an denen das Verb nippasch, „aufatmen, beseelen“ vorkommt. Die eine bezieht sich auf David (2 Sam 1614), eine weitere auf Gott, der am siebten Tage „aufatmete“ (Ex 3117) und die dritte auf Ex 2310, „wo der Sohn der Dienstmagd und der Fremde ‚beseelt‘ werden“. Der letzte Vers lautet vollständig: „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun, am siebten Tage aber sollst du feiern, damit dein Rind und dein Esel ruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremdling aufatmen können“ (Übersetzung nach Zürcher Bibel). Verweisen Rind und Esel auf Joch und Last, der Sohn der Sklavin und der Fremdling auf den Sohn Marias und die Heiden? Hat nicht die Bemerkung Ton Veerkamps, daß „am Schabbath … unsere Maschinerie relativiert (wird)“ und „die strukturlose Zeit … die tödliche Bedrohung aller Menschheit (ist)“, auch „erkenntnistheoretische“ Konsequenzen: rühren sie nicht an das Problem des Inertialsystems, an die Vergegenständlichung der Zeit, die Konstituierung der Vorstellung des Zeitkontinuums durch Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: durch dein Blick von außen auf die Dinge (den Seitenblick, den Blick des Andern. den verandernden Blick)? In dieser Konstellation liegt die ungeheure Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, das an die innere Grenze dieses Systems rührt und auf die Sphäre verweist, die dem „Seitenblick“, dem verandernden Blick, sich entzieht. Die Natur kann den Begriff nicht halten: sie löst sich auf mit der Erkenntnis des Namens; die Welt kann das Objekt nicht halten: sie ist der Inbegriff der Verblendung, die mit der Auferstehung der Toten und im Leuchten Seines Angesichts vergeht.
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1.8.96
Stephanus sah die Himmel offen und „den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 756). Wenn sich heute die Himmel öffneten, was würden wir sehen? Meine Entscheidung, Benediktiner zu werden, war – außer durch meine Beziehung zu Wolfgang Mias, die dann eher zu einem Hemmnis geworden ist – im wesentlichen auch durch zwei Bücher bestimmt: durch Henri Bremond: Das wesentliche Gebet (Regensburg 1936), und durch Theodor Filthauts Darstellung der Mysterientheologie (Die Kontroverse über die Mysterienlehre, Warendorf 1947). Die Geschichte der Säkularisation war auch die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung des Nominalismus, der Depotenzierung der erkennenden Kraft der Sprache, die auf die Kraft des Namens zurückweist, die Substituierung und Ersetzung der erkennenden Kraft der Sprache (des Namens) durch eine Gestalt der Erkenntnis, die glaubt und vorgibt, der Sprache äußerlich zu sein. Die Vorstellung, daß das Erkennen der Sprache eigentlich nicht bedarf, weil es unmittelbar auf Objekte sich richtet, während die Sprache erst ins Spiel kommt, wenn es darum geht, diese Erkenntnis an andere zu vermitteln; diese Vorstellung, die unterstellt, daß Sprache nur der Kommunikation, nicht jedoch der Erkenntnis dient, ist nicht widerspruchsfrei zu begründen. Sie entspringt zwei getrennten, jeder für sich inkonsistenten, dann aber, und zwar nicht real, sondern ästhetisch, durch Spiegelung, sich wechselseitig begründenden und legitimierenden Zusammenhängen: dem naturwissenschaftlichen und dem ökonomischen. Beide, so scheint es, begründen einen Begriff der Objektivität, der zu seiner Konstituierung der Sprache nicht mehr bedarf. Bezieht sich hierauf nicht das Gebot der Heiligung des Gottesnamens, dessen Erfüllung allein den Bann zu sprengen vermöchte? Johannes: Sein Vater ist Sacharja, seine Mutter Elisabeth; Jesus: Vater Joseph, Mutter Maria. Definition des Rechts: Organisation des Rachetriebs. Deshalb bezieht sich das Strafrecht generell auf Handlungen, auf Taten, nur im Falle des Mords auf den Täter: den Mörder. Das Recht kennt nur Strafe, keine Wiedergutmachung: Ihm geht’s nicht um die Opfer, sondern nur um die Restitution des Gewaltmonopols des Staates, um die Erhaltung einer Ordnung, die im Selbsterhaltungsprinzip gründet (zitiert nicht Susannah Heschel in ihrem Aufsatz in TuK Nr. 70, S.33ff, einen evangelischen Theologen, der erklärt, die christliche Ethik kenne keine Wiedergutmachung?). Was begriffen ist, ist definitiv; was verstanden ist, ist dialog- und diskursfähig. Ist nicht die pax Augusta die Grundlage des herrschaftsfreien Diskurses: eine Gewaltordnung? Auch der Verfassungspatriotismus ist ein auf Gewalt gegründeter Patriotismus. Zum Problem der Väter in den Evangelien siehe auch die von Bedenbender zitierte Mk-Stelle (deren Signifikanz B. nicht gesehen hat): Mk 1028ff, TuK 67, S. 19. Hat das Verschwinden der Väter („Laßt die Toten ihre Toten begraben“) etwas mit der Zerstörung Jerusalems zu tun? Und ist nicht das, was man den Antisemitismus in den Evangelien genannt hat, Ausdruck der Verzweiflung angesichts einer heraufziehenden Katastrophe, die sich nicht mehr aufhalten ließ, nicht aber ein Hinweis auf eine angebliche Mitschuld „der Juden“ an einem „Gottesmord“? Gehört nicht auch die Wahrnehmung hierher, daß der Begriff der „Vaterstadt“ nur im Kontext des Wortes erscheint, daß in ihr kein Prophet etwas gilt? (Wie kommt Nathanael, der einzige Apostel, den Jesus einen „wahren Israeliten“ nennt, zu der Frage, ob denn aus Nazareth etwas Gutes kommen könne?) Kinder und damit „Erben“ Gottes können nicht Kinder und Erben von Vätern sein? Feigenblatt: War nicht die Bekenntnislogik die Ursprungsform der theoretischen Objektivierung, mit dem Opfer als Kern des Objektbegriffs? Und gehört zur Bekenntnislogik nicht die Logik der Verurteilung, Grund der Distanz zum Objekt, das so der Erkenntnis durch Mimesis, durch Identifikation entzogen wird? Gehört nicht zu den Voraussetzungen des Verurteilungsmechanismus, der den Faschismus-Diskurs beherrscht, seine Nutzung als Feigenblatt, die ungeheure Verdrängungsleistung nach dem letzten Krieg (die die Bekenntnislogik erstmals unverhüllt hat hervortreten lassen)? Und stellt Daniel Goldhagen nicht diesen Verurteilungsmechanismus in Frage, wenn er die Nachkriegsverdrängung in Frage stellt? Eine der Konsequenzen aus diesem Verurteilungsmechanismus ist Habermas‘ Kommunikationstheorie, die mit der Verwerfung der Idee einer Kritik der Naturwissenschaften die Reflexion dieses Verurteilungsmechanismus ausgeblendet hat. Die Dialektik der Aufklärung ist dann auch konsequenterweise nur verdrängt, nicht wirklich aufgearbeitet worden. Die Sprache der Dialektik der Aufklärung war die Sprache der Verzweiflung, die erst im Munde der Schüler der Frankfurter Schule (die keine Schule war) zu dem Jargon geworden ist, den heute alle nur noch herauszuhören scheinen. Die Verurteilungslogik zündelt bloß, wo es darauf ankäme, selber durch das Feuer hindurchzugehen. Simon von Cyrene, der Jesus das Kreuz tragen geholfen hat, war der Vater des Alexander und des Rufus (Rufus ist ein lateinischer Name; er bezeichnet einen Rothaarigen). In Röm 1613 läßt Paulus einen Rufus grüßen „und seine und meine Mutter“: War Simon von Cyrene der Vater des Paulus?
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31.7.96
Welches Befreiungspotential steckt in der Wahrnehmung, daß nicht die Opfer, sondern die Täter nach dem Krieg sich frei von Schuld fühlten: Liegt hier nicht der Beweis, daß der Rachetrieb (der die Schuld auf sein Opfer verschiebt) nicht den Opfern, sondern allein den Tätern zuzuschreiben ist? Bezieht sich hierauf nicht der Satz von dem „einen Sünder“, über dessen Bekehrung mehr Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte, ebenso wie der letzte Satz des Jakobusbriefs: daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums (und ist dieser Irrweg nicht der der Projektion, der Weg, den das Schuldverschubsystem eröffnet) bekehrt, seine eigene Seele rettet und „eine Menge Sünden zudeckt“? Ist dieser Weg des Irrtums nicht der der Verblendung und Verstockung, und ist das nicht der Weg der Herrschenden: der Weg des Pharao? Hätte das Scheusal Ägyptens geopfert werden können (und wäre Israel auf andere Weise befreit worden), wenn es gelungen wäre, den Pharao (den „einen Sünder“) aus dem Irrweg seiner Verstockung herauszuholen. Die Griechen hatten die Fremdheit nach draußen (ins Anderssein, in die „Barbaren“) projiziert; zur Absicherung haben sie die Natur (die Totalität des Andersseins) erfunden. Die Christen haben die Fremdheit in die Vergangenheit projiziert (in die Juden und Heiden, die Verkörperungen der vergangenen Welten): Instrument dieser Projektion war die Lehre vom Sündenfall (die zur Vorstufe der Gravitationstheorie geworden ist); zur Absicherung haben sie die Hölle erfunden, die seit je für die Christen einen höheren Realitätsgrad hatte als die Himmel. Lassen sich hieraus nicht Antisemitismus, Ketzer- und Hexenverfolgung, sogar die Scheiterhaufen, zwanglos ableiten? Unter einen Begriff werde ich (als Objekt) subsumiert, beim Namen werde ich gerufen. Hängt die Logik des Namens nicht mit der der Auferstehung zusammen? Verhalten sich Begriff und Name nicht wie Gericht und Barmherzigkeit? Verstärkt sich nicht der Eindruck, daß die Theologie heute verzweifelt sich bemüht, die Idee des seligen Lebens, ihre einzige Kraftquelle, zu verdrängen, sie nicht mehr laut werden zu lassen? Das kopernikanische System ist ein System von Bewegungen, deren jede in einem Abstraktionsschnitt sich konstituiert, in dem sie von den anderen jeweils absieht; die Einheit des Systems ist eine den einzelnen Bewegungen äußerliche: die des Raumes. – Die Erdrotation bezieht sich auf den Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Finsternis, – das Kreisen der Erde um die Sonne auf den Jahreskreislauf; – worauf bezieht sich das Kreisen des Mondes um die Erde? Auf den Zyklus der Frau? Bezeichnet der mit dem paulinischen Begriff des Fleisches nicht das mit dem Ich gesetzte Ich-Fremde? Das würde auf den Zusammenhang des Begriffs des Fleisches mit der Sintflut verweisen („das Ende alles Fleisches ist bei mir beschlossen; denn die Erde ist voller Frevel von den Menschen her. So will ich sie denn von der Erde vertilgen“, Gen 613), auf die Überflutung der Erde mit dem Ich und seinen Emanationen. Erinnert nicht das Freudsche „Wo Es ist, soll Ich werden“ an den paulinischen Begriff des Fleisches? Der Tod macht den Leib zum Fleisch. Ist es nicht das Kelch-Symbol, in dem die Herrschaft des Todes sich verkörpert, und gründet hierin nicht die Verknüpfung des Kelches mit dem Kreuz in der Getsemane-Geschichte? Sind es nicht die 99 Gerechten, die aus der Tatsache, daß Maria Magdalena, die große Sünderin und Büßerin, von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, den Schluß gezogen haben: Die muß es aber schlimm getrieben haben? Wer seine Seele retten will, wird sie verlieren; wer sie aber rettet, hat mehr als seine Seele gerettet. Der Christ müßte eigentlich fähig sein, den Satz, daß niemand über seinen Schatten springt, zu widerlegen. Im Kontext des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist die Existenz der Lichtgeschwindigkeit der Beweis, daß die Physik es nur mit dem Schatten zu tun hat. „Im Namen des Volkes“: Der Satz am Kreuz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ richtet sich eindeutig an die Richtenden; und sprechen kann diesen Satz nur das Opfer, der Verurteilte, nicht aber einer, in dessen Namen das Urteil gesprochen wurde. Die Natur kann den Begriff deshalb nicht halten, weil sie ihn zu halten versucht. Aus dem gleichen Grunde kann die Geschichte das Objekt nicht halten. Nur die Barmherzigkeit erreicht ihr Objekt: durch Auflösung des Begriffs im Namen. Ist nicht die Beziehung von Täter und Rachsucht der Beweis dafür, daß ich der Täter der Sünde Adams bin? Und genau hierauf bezieht sich der Satz des Täufers über Jesus vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich (nicht hinweg-) nimmt. Die Sünde der Welt, das ist die Erbsünde, und der eine Sünder, über dessen Bekehrung eine größere Freude in den Himmeln herrscht als über 99 Gerechte, ist der Täter dieser Sünde, der endlich sich bekehrt. Die Sünde der Welt reproduziert sich durchs Recht. Das unterscheidet das Recht von der Gerechtigkeit. Ziel des Rechts ist die Erhaltung und Wiederherstellung des Rechts gegen den, der es verletzt, nicht die Gerechtigkeit. Mit dem Satz „Im Namen des Volkes“ konstituiert sich das Volk als Schicksalsgemeinschaft; die Wiederherstellung des Rechts ist nicht die Versöhnung. Und der Satz von Jutta Ditfurth, daß der Staat seine Terroristen braucht, verweist auf diese Logik, in der er gründet. An welcher Stelle der zehn ägyptischen Plagen finden die Allmachtsphantasien der Verwaltung ihren Platz? Hat das „Scheusal der Ägypter“ etwas mit der Zeusstatue im Tempel in Jerusalem. mit dem Greuel am heiligen Ort, zu tun? Und ist dieses Scheusal der Repräsentant der Allmachtsphantasien der Verwaltung (der subjektlosen Herrschaft)? Zu Habermas‘ Verfassungspatriotismus, den er wohl auf das Prinzip der Gewaltenteilung bezogen wissen will: Die Gewaltenteilung ist ohne Zweifel notwendig, aber ebensosehr auch reflexionswürdig, wenn sie nicht zum Prinzip der Selbstverblendung werden soll. Sind wir nicht dabei, die Legislative zum verlängerten Arm der Exekutive zu machen, und reproduzieren sich in der Jurisdiktion nicht immer deutlicher die Elemente der Exekutive? M.a.W., beginnt nicht die Gewaltenteilung sich selbst von innen aufzuzehren; droht nicht die Exekutive, sie zu verschlingen? Es gibt bereits Verwaltungen, die keiner demokratischen Kontrolle mehr unterliegen, die selbst als Legislative sich konstituieren: Vollzugsorgane der stärkeren ökonomischen Mächte, die sie beherrschen. Aufgrund objektiver Zwänge wird die Legislative immer mehr zum verlängerten Arm der Exekutive. Zugleich regrediert die Jurisdiktion in Verwaltung (werden reflektierende Urteile zu bestimmenden, zu synthetischen Urteilen apriori). Die Verwaltung wird zur Verwaltung des Wissens, mit dessen Hilfe sie Gesetzgebung (Natur) und Rechtsprechung (Welt) präjudiziert. Die Gewaltenteilung gründet in den Totalitätsbegriffen, die die Verwaltung zum Instrument der Transformation der Urteilskraft ins universale Vorurteil machen. Wird nicht das Gewaltmonopol des Staates durch das Wissensmonopol der Verwaltung abgesichert, wobei mit Hilfe der Geheimhaltung zwischen Herrschaftswissen und öffentlichem Wissen (zwischen Handlungskompetenz und Selbstdarstellung) deutlich unterschieden wird? Hierzu gehört es, daß der Staat bemüht ist, die Zuständigkeit der Medien auf den durch ihn definierten Bereich des öffentlichen Wissens einzuschränken, der Öffentlichkeit den Zugang zum Herrschaftswissen zu verwehren. Dem kommt der Informationsbegriff, das Selbstverständnis der Medien, auch ohne daß man gezwungen wäre, einen vorauseilenden Gehorsam zu unterstellen, weit entgegen, durch die Logik von Tatsache und Meinung, die zur Sache äußerlich sich verhält und den kritischen Begriff zur subjektiven Meinung, zum bloßen Raisonnement, und damit unschädlich macht. Rückt nicht ein Zustand immer näher, in dem es unmöglich zu werden beginnt, gegen das, was ist, noch anzuschreiben, in dem das Bestehende von der Logik seiner Rechtfertigung nicht mehr sich trennen läßt? Die These scheint begründbar zu sein, daß die Gewaltenteilung (wie auch die Konstellation der drei Totalitätsbegriffe Kants) das Gegenstück, das genaue Korrelat, zu der dreifachen Abstraktion darstellt, die das kopernikanische System determiniert und in ihm sich entfaltet. Bezeichnet nicht der Begriff der Determination (der Abstraktion von der Idee eines objektiven Ziels) das Grundprinzip der Begriffsbildung, das gleiche Prinzip, das den Objektivationsprozeß an den der Instrumentalisierung bindet? Durch dieses Prinzip ist das Verfahren der Begriffsbildung ans Selbsterhaltungsprinzip gebunden, und der Erkenntnisprozeß an ein Verfahren kollektiver Identitätsbildung (Ursprung des Nationalismus). Das reicht hinein in die Naturerkenntnis und in die historischen Gestalten der Kosmologie. Der Terminus, von dem abstrahiert wird, ist der Name und das Angesicht, und die Determination selber, der Abstraktionsprozeß, ist das Feuer. (Vgl. das ungeheure Bild in der sechsten der zehn ägyptischen Plagen, daß „der Ofenruß vor den Augen des Pharao gen Himmel“ geworfen wird.) Gehört nicht das Strafrecht zu den Konstituentien auch der logischen Determination? Ist nicht Kants Wort von der Erhabenheit des moralischen Gesetzes in mir und des Sternenhimmels über mir eine Station auf dem Wege der Selbstaufklärung der Aufklärung (auch der Astronomie)?
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