Anders II, Anm. 5 zu S.46: Diejenigen Tiere, die nur konsumieren, also noch nichts aufspeichern (es sei denn am eigenen Leibe), kennen weder Dauer noch Gegenstand noch Eigentum. Die drei bilden ein kategoriales System.
Das Fernsehen arrondiert zur zweiten Natur durch die logisch geforderte zweite Welt (vgl. Anders II, S. 54). Diese zweite Welt ist eine, in der wir als Objekte den Schein, Subjekt zu sein, frei Haus geliefert bekommen und genießen; dieser Schein ist selber naturwüchsig gewachsen im Nachbarschaftstratsch, der durchs Fernsehen auf die reale Welt ausgedehnt wird.
Das moralische Subjekt hat keine Erlebnisse, sondern Erfahrungen. Erlebnisse hat nur das ästhetische Subjekt: der Zuschauer. Die Berufserfahrungen verweisen darauf, daß Erfahrungen Praxis voraussetzen, während Erlebnisse nur im Geltungsbereich des Trägheitsprinzips möglich sind. Die Lohnarbeit und das Experiment (der Kapitalismus und die naturwissenschaftliche Aufklärung) vermischen Erlebnis und Erfahrung, begründen den Schein einer moralisch neutralisierten Praxis (und Erfahrung).
Waren die „Fälschungen“ des Mittelalters nicht schon angelegt in jener Art des Positivismus, die erstmals im Dogma, ausgeführt bei Augustinus (u.a. in dem ad litteram im Titel De genesi ad litteram), erscheint? Die mittelalterlichen Fälschungen gehören in die Vorgeschichte des Nominalismus: In ihnen enthüllt sich der Realismus als Machtinstrument, als experimentelle Nutzung der „verandernden Kraft des Seins“. Die Fälschungen fallen in die gleiche Zeit, in der kirchliche Machtpolitik in Institutionen wie die Lehre vom Fegfeuer, im Zölibat und in der Einführung der Ohrenbeichte (dem Mißbrauch der Lösungsvollmacht der Kirche) sich manifestiert. Aber auch hierfür gilt das „bona fide“ mit dem Johannes Paul II zusammen mit der „Rehabilitierung“ Galileis auch die Inquisition, die ebenfalls in den Kontext der Fälschungsgeschichte hereingehört, freigesprochen hat. Ohne Fälschung waren auch schon das Urschisma (die Ablösung der Kirche vom Judentum) und die Urhäresie (die Gnosis) nicht zu bewältigen. In die Folgegeschichte der Fälschungen gehören das Chronologie-Problem (in der Erd- wie in der Menschheitsgeschichte), insbesondere das altorientalische Sumerer-Problem, aber auch der Antisemitismus (die Grundfälschung überhaupt) und der Faschismus und die Hilflosigkeit gegen ihn, sowie heute eine Struktur von Politik und Öffentlichkeit, die ohne Geheimdienste und ohne aktive Desorientierung der Öffentlichkeit nicht mehr zu funktionieren scheint. FBI und KGB bzw. Stasi und Verfassungschutz sind Produkte unseres Jahrhunderts und Symptome eines Zustands der Welt, der in der christlichen Vorgeschichte (in der Geschichte der Pornokratie, der Fälschungen und der Pornographie) sich herausgebildet hat, und gegen die die bloß moralische Betrachtung („Kriminalgeschichte des Christentums“) ohnmächtig bleibt, durch den in dieser Geschichte erwachsenen Mangel an Reflexionsfähigkeit im Entscheidenden, nämlich im Gegenwartsbezug, in der Fähigkeit zur Selbstverständigung der Gegenwart, gehindert wird, mit ihm den Begriff einer Erkenntnis, die ihrem Anspruch gerecht werden könnte, verdrängt.
Der Nominalismus hat das realistische Moment in der Begriffsbildung soweit subjektiviert, daß es nicht mehr reflektierbar war.
Mt 529ff, 188f, Mk 943ff: „Wenn dich deine Hand, den Fuß, dein Auge zum Bösen verführt, so hau sie ab, reiß es aus. Es ist besser …“ Rätselhafter Spruch (hat dieses Auge etwas mit dem Augapfel zu tun, an den rührt, wer Israel angreift?).
Die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, rührt her von der Verblendung gegen die Gegenwart (Subsumtion der Vergangenheit unter die Zukunft). Und ist das „und so viel Vieh“ nicht ein Deckname für Behemot? Auf den Aufruf des Königs hin haben in Ninive außer den Menschen auch die „Tiere: Rinder, Schafe, Ziegen“ Buße getan: Sie sollten „nichts essen, nicht weiden, nicht trinken“.
Die zukünftige Welt ist vergangen: so ist sie der eigentliche terminus ad quem der Erinnerungsarbeit.
Tiere
-
29.04.93
-
07.04.93
Hat Ischa (die „Männin“) etwas mit Ischtar (Venus) zu tun, und ist die Erschaffung der Eva aus der Seite des (in Tiefschlaf versunkenen) Mannes ein Symbol der „Venus-Katastrophe“? Gibt es eine Beziehung zwischen der Ischa und den Ascheras? Und hat die Benennung der Tiere durch Adam etwas mit dem Tierkreis zu tun?
Warum hat Gott das (Tier-)Opfer Abels angenommen, aber das (vegetarische) des Kain nicht? War Kain nicht die Erstgeburt, und welches Problem hat Gott mit den Erstgeborenen?
Zu den sieben Todsünden: Es ist ein Unterscheid, ob man sie bloß meidet, oder man sie „auf sich nimmt“ und (als Sünden der Welt) begreift.
Bei den Auferweckungsgeschichten handelt es sich nicht nur um männliche Personen: zu den Auferweckten gehört auch die Tochter des Jairus (aber bei ihr hieß es vorher: „sie schläft nur“). Das Mädchen war zwölf Jahre alt, nach der Bitte des Synagogenvorstehers (Jairus) und vor der Auferweckung des Mädchens wird die Frau, die seit zwölf Jahren an Blutfluß litt, geheilt (Mt 918ff, Mk 521ff, Lk 840ff). -
06.04.93
Zu den Gleichungen der Lorentz-Transformation: Entspricht der Längenkontraktion und der Zeitdilatation in der Bewegungsrichtung nicht eine Längendilatation und Zeitkontraktion in der Gegenrichtung? Und sind nicht alle dynamischen Verhältnisse auch in dem Sinne apriori, daß sie die Paritätsverhältnisse, die Gleichgewichtsverhältnisse, voraussetzen? Die Gleichungen der Lorentz-Transformation lassen sich als Drehungen in einem metrischen Kontinuum auffassen: Ist das dynamische Maß dieser Drehungen das Plancksche Wirkungsquantum (aus der Planckschen Strahlungsformel abzuleiten)?
Sind nicht die Tiere, die den aufrechten Gang verlernt haben, Opfer der Deklination, der Beugung (Zusammenhang von Deklination und Konjugation mit der Struktur des Raumes: mit Linearität und Orthogonalität)? Und ist nicht der Kreis das mathematische Modell des logischen Schlusses (Identitätsprinzip des Begriffs)? Insoweit ist das kopernikanische Weltbild die Grundlage der Hegelschen Idee des Absoluten, und die Vorstellung des unendlichen Raumes ein Reflex des Gewaltmonopols des Staates.
Zur Theorie des Geschwätzes: Geschwätz, Urteil und Öffentlichkeit; im Geschwätz entfaltet sich die Gemeinheit, die vom Prinzip der Öffentlichkeit nicht zu trennen ist (das Eine ist das Andere des Anderen). Die Hegelsche Logik reflektiert die Gesetze des Geschwätzes, dem sie in der Idee des Absoluten zugleich auch verfällt. Der unendliche Raum ist die verinnerlichte Gestalt des ägyptischen Sklavenhauses.
Sodom und Gomorrha (sowie Jericho und Gibea) als Konflikt zwischen Stadt und Haus (Babel und Mizrajim): Babel (Stadt und Turm), Ninive (die große Stadt, von Nimrod gegründet, der der erste Held war auf der Erde und ein großer Jäger vor dem Herrn), Pharao (das große Haus). Notwendigkeit der Kritik der politischen Ökonomie.
Melchisedek hat Brot und Wein geopfert; in der Josefs-Geschichte sitzen der Mundschenk und der Bäcker des Pharao im Gefängnis, und nur der Mundschenk kommt frei, während der Bäcker hingerichtet wird (ein Teil der Geschichte des Zusammenhangs von Trunkenheit und Herrschaft, die das Brot nur im Sklavenhaus sichern kann).
Sind nicht Stadt und Haus: das Offene und das Geschlossene (Reflexion und Begriff, Deklination und Konjugation), die beiden Aspekte des Raumes? Heideggers Haus des Seins ist anti-urban (wie Heidegger überhaupt das Urbane in den Gestalten des Man, der Uneigentlichkeit, der Neugier, perhorresziert).
Gefährlich ist die falsche Klarheit, die im Rahmen der Bekenntnislogik nur auf der Grundlage des Feindbilds sich herstellt. -
05.04.93
Wenn man Empfindlichkeit und Sensibilität unterscheidet, hat dann dieser Begriff des Sensiblen (der Sensibilität) etwas mit der kantischen Unterscheidung von mundus sensibilis und intelligibilis zu tun? Wäre nicht Sensibilität die Voraussetzung der Intelligibilität?
Hängt die kantische Unterscheidung von „bloß reflektierten“, sprich Verstandes-Begriffen, und „geschlossenen“, d.i. Vernunft-Begriffen (S. 282), die er dann Ideen nennt, mit der Form des Raumes zusammen? Ist nicht der Raum der Deckel auf der Vergangenheit (auf der vergangenen Zukunft), der nur durch Reflexion sich öffnen läßt? Und ist nicht jeder Begriff ein unreflektierter Schluß?
Indem ich eine Sache vergegenständliche, begebe ich mich hinter ihren Rücken, betrachte ich sie von der Seite ihrer Vergangenheit. Der Gegenstand ist die tote Sache, und die alte Definition der Wahrheit als adaequatio intellectus et rei ist nicht identisch mit der neuen (auch bei Kant und Hegel), die die alte falsch übersetzt: der Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand.
Ist nicht in dem Satz „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (Gen 126) mit gemeint, daß die Erde, die Fische, die Vögel und die Tiere Teil unserer selbst sind? Nicht Selbstbeherrschung, aber seiner selbst mächtig sein, darauf käme es an.
Bezeichnen die Dornen und Disteln nicht Momente des Raums, wobei zwischen den Dornen und Disteln noch zu unterscheiden wäre: zwischen dem intentionalen Zugriff (der Dornen) und den nicht intendierten Nebenfolgen (den Disteln)? Der Weizen fiel unter die Dornen, die Krone war eine Dornenkrone, der brennende Busch ein Dornbusch und der König der Bäume in der Jotamfabel der Dornenstrauch.
Das Königtum ist eine an die Stadt gebundene Einrichtung (der Pharao ist der Herr des Sklavenhauses), und Henoch, der (im Stammbaum Sets) nicht stirbt, gibt (im Stammbaum Kains) den Namen für die erste Stadt her: Ist Henoch eine Prophetie auf den Messias?
Ist der Hund der Wächter der Stadt und die Katze das Haustier?
Sind nicht die Heils- und die Unheilsprophetie zwei Seiten oder zwei Aspekte der gleichen Sache, anstatt zwei getrennte Sachen, zu denen sie erst unter dem Zwang des Identitätsprinzips der objektivierenden Logik werden? Und wird die objektivierende Logik nicht eo ipso zum Grund des Antisemitismus: hier erscheint die Heilsprophetie als in Jesus erfüllt, die Unheilsprophetie aber damit (mit der „Entsühnung der Welt“) als erledigt; sie gilt nur noch für die Juden. -
30.03.93
Reichtum ist, was alle andern dem Reichen schulden.
Der Gnadenschatz ist das von der Kirche verwaltete Erbe, daß Jesus durch seinen Tod erworben (oder produziert?) hat.
Nordafrika und Irland: Die Selbstbegründung des Christentums in der Provinz verdankt sich zunächst handelskapitalistischen (Nordafrika ist kanaanäisch) und dann agrarischen Bedingungen (vermittelt durchs irisch-schottische Mönchswesen). Die Scholastik trägt bereits frühkapitalistische Züge. Sie erweist sich am Ende als zweiter, diesmal regressiver Durchlauf des Mythos.
Die Rosenzweigsche Todesangst hat insofern etwas mit Getsemane zu tun, als sie, indem sie das All (das Universum) sprengt, sich in den drei Bruchstücken des Alls als Grund des Mythos wiedererkennt (Mensch, Welt, Gott).
Das Inertialsystem ist die Vergegenständlichung der Hegelschen List.
Zum Satz von Binden und Lösen gehört die apokalyptische Geschichte vom Millenarium. Das Millenarium selber bezeichnet die Zeit der Bindung. Aber diese Zeit ist auf tausend Jahre begrenzt: Für diese Zeit gilt das Wort vom Weizen und vom Unkraut.
Liefern die alten Dogmatiken (von Brinktrine oder Diekamp) gleichsam den Stoff für das Volkslied „Es klappern die Mühlen am rauschenden Bach“?
Ist nicht die gegenwärtige Welt ein Produkt der Instrumentalisierung des Sündenfalls (ein Produkt der Selbstreferenz der Instrumentalisierung)?
Im Angesicht und Hinter dem Rücken: Muß man nicht heute auch die andere Bedeutung (deren Realsymbol das Fernsehen ist) mit hereinnehmen, daß die neue Unmittelbarkeit, als restlos produzierte und in sich vermittelte, ihre eigenen säkularen Mysterien in sich verbirgt: um sie begreifen zu können, müßte man die Vorgänge hinter dem eigenen Rücken begreifen; deshalb die zwanghafte Neigung zur Paranoia, die das Fernsehen produziert (und in den Projektionsangeboten, die es liefert, zugleich ausbeutet). Dieser Geheimbereich, der in der Stasi der DDR sichtbar geworden ist, ist allgegenwärtig; sein Wachstum kann (wie das der Banken oder das des Militärs) als Maß des Fortschritts angesehen werden. Aber das Fernsehen ist nicht nur der Schein des verlorenen Angesichts, die Ausbeutung und Vermarktung seines Verlusts: es ist eine Station (wenn nicht die letzte) auf der Bahn seines Sturzes, die von den Gesetzen der Scham bestimmt wird („und sie erkannten, daß sie nackt waren“).
Wäre die Theologie seit Augustinus ohne das Konzept des Fegfeuers überhaupt zu retten gewesen: ohne die Instrumentalisierung und Relativierung der Dämonenfurcht? Das Fegfeuer ist Ausdruck des Katzenjammers nach dem augustinischen Konzept des seligen Lebens (Kater nach der Trunkenheit).
Merkwürdiger Eindruck: Der Hinweis Teilhard de Chardins, daß alle Tiere Produkte hypertropher Selbstinstrumentalisierung (mit Zentralorganen wie Hörnern, Zähnen, Klauen, Hufen) sind, läßt sich aufs deutlichste demonstrieren an der Mimikri, an der vollständigen Anpassung an die Umwelt (Zeichnung und Farbe der Schmetterlinge, Federkleid der Vögel): an dem Eindruck, daß die Wahrnehmung der Umwelt (die Farben der Äste, Blätter, Blüten) in die Produktion des eigenen Gesehenwerdens mit einfließt. Erinnert das nicht an das „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“, an die Selbstwahrnehmung im Blick der andern? Gibt es einen Zusammenhang von Selbstinstrumentalisierung und Scham, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung? Aber wer blickt sie an?
Junge Tiere blicken intelligent, neugierig, aufmerksam; alte Tiere blicken dumm, verschlossen, enttäuscht, depressiv.
Wie der Benjaminsche Begriff der Aura scheint dieses Phänomen mit der Objektivität des Angesichts zusammenzuhängen, die zerstört, zersprengt wird durch die kantische subjektive Form der Anschauung: den Raum.
Die allverbreitete Verbrechensfurcht ist die projektive Verarbeitung der eigenen Schuldgefühle, die vom Besitz sich nicht ablösen lassen. -
26.03.93
Die Euphorieeffekte, von denen Dirk Baecker (S. 120) spricht, sind Ursache sowohl der Fachidiotie als auch des politischen und weltanschauulichen Ghettodenkens; sie gründen im Schuldverschubsystem, sind Folgen der Exkulpierungsmechanismen. Das Problem heute sind nicht die Fehler, die wir machen können, sondern die Unmöglichkeit der Dinge, die notwendig sind. Der Weltbegriff, der darin darin gründet, daß er gegen die Notwendigkeit sich mit der Unmöglichkeit abfindet, bezeichnet nicht nur die Zivilisationsschwelle, sondern auch die Grenze, die die Erwachsenen von ihrer Kindheit trennt.
Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ löst die Hegelsche Dialektik aus dem Bann des Raumes (des Pharaonischen). Die Lösung des Banns des Raumes (oder die Lösung der sieben Siegel) befreit das Angesicht.
Der Export der Armut war das Geschäft der Banken; er hat die Banken – wie vorher die Universalisierung des Giroverkehrs -über Anpassungs- bzw. Modernisierungskrisen hinweggerettet. Um einen ähnlichen Effekt scheint es sich beim Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zu handeln. Aber wo ist das nächste Ventil für den wachsenden Schuldendruck, den die Banken verwalten: Schlägt die Schuldenproduktion (die Erzeugung der Armut als Kehrseite des spekulativen Reichtums) nicht jetzt auf die Ursprungsländer in den Metropolen zurück? (Und war nicht die Geschichte der Agrarmarktordnungen, mit der Überschußproduktion und dem daraus resultierenden Exportdruck als Äquivalent des Schuldendrucks: mit der Zerstörung des Welt-Agrarmarkts und der Vernichtung der Agrarproduktion in der Dritten Welt, ein Reflex und ein Ableger der Bankenentwicklung?) Ist nicht das Bankenwesen Kern und Modell projektiver Verarbeitung der Realität? (Grund des Begriffs der Barbaren, der Natur und der Materie; Grund des Staates: Wird das Problem der Schuldknechtschaft von Gunnar Heinsohn nicht noch unterschätzt; geht nicht der Weltbegriff als Projektionshilfe und -absicherung und die Zivilisation aus der Verinnerlichung der Schuldknechtschaft hervor?)
Zu dem von den Kirchen so gerne zitierten Rat Jesu, wer ihm nachfolge, müsse Diener, dürfe nicht Herr und Meister sein:
– Niemand kein zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon (Mt 624); und
– in diesem Satz den Hinweis auf den deuterojesajaischen Gottesknecht (Jes 42ff) und zugleich das Zentrum der jesuanischen Weltkritik erkennen.
Das Herrschaftsgebot im Schöpfungsbericht bezieht sich auf eine Herrschaft, die das Töten, das Fleischessen und die Angst noch nicht mit einschließt. Vgl. Jürgen Ebachs Untersuchung über den Schrecken der Tiere. -
18.03.93
Nach Raymond Bogaert „Grundzüge des Bankwesens im alten Griechenland“ wurden Eingänge (Einzahlungen) im Genitiv, Ausgänge (Auszahlungen, Kredite) im Dativ bezeichnet (S. 11). Kann es sein, daß Genitiv und Dativ Links und Rechts (die Seiten) bedeuten? Und sind Genitiv und Dativ die sprachlichen Repräsentanten des Tauschs? Die Banken verwalten das Tauschprinzip wie die Planeten das Inertialsystem.
Die Anschauung abstrahiert von der eigenen Verstrickung ins Angeschaute; das Produkt dieser Abstraktion ist die Form des Raumes. Und sie überantwortet damit das Angeschaute den Gesetzen der Projektion (Barbaren, Natur, Materie).
Die ersten Privatbanken sind von Sklaven gegründet worden, generell liegt ihr Ursprung im Bereich des Opferwesens und der Tempelwirtschaft. Das Bankenwesen ein Begleitinstitut der Lohnarbeit, die den Systemcharakter des Geldes begründet? Die Bankentürme in der Skyline Frankfurts stehen in der Tradition des Turms von Babel.
Die Tradition des Opfers und ihre Verinnerlichung in der dogmatischen Theologie gehören zu den Fundamenten des Bankenwesens.
Die Instrumentalisierung des Opfers macht sich gemein mit dem Mord und leugnet das Antlitz (Kruzifix und Münze).
Sein, Haben und Werden, das sind die objektiven, naturhaften (den Naturbegriff begründenden) Hilfszeitverben. Ist nicht das Sein die veranderte Gegenwart, das Haben und das Werden die zukünftige Vergangenheit und vergangene Zukunft? Vergleiche die beiden Bildungen „Ich werde gehabt haben“ und „Ich werde geworden sein“ (aktives und passives Futur II).
Wann sagte Jesus: Bei Gott ist kein Ding unmöglich? Mt 1926, Mk 1027 und Lk 1827: Nach dem Wort über den Reichen, das Kamel und das Nadelöhr.
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Im Sechstagewerk nutzt er dann den Himmel als Namen für die Feste, die die Wasser oben von den Wassern unten scheidet, und die Erde zur Hervorbringung der Pflanzen und Tiere. Die Finsternis über dem Abgrund nennt er nach der Erschaffung des Lichts Nacht, und die Wasser, über denen der Geist Gottes schwebt, trennt er durch das Firmament (Schuld und Segen).
Wer das Leben aus den Leiden und Taten der Atome und Moleküle herleiten will, verhält sich ähnlich wie der, der das Wachsen der Bäume aus dem darin investierten Kapital herleitet.
Die Merkaba ist sprachlichen Wesens, und wer sie entschlüsselt, begreift den Ezechiel.
Zu dem Siebengestirn Cohen, Rosenzweig, Bloch, Benjamin, Lukacs, Horkheimer und Adorno den Orion finden. (Vgl. Hi 3831, auch 99 und Am 58)
Die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sind die Bedingungen der Möglichkeit sowohl der dinglichen, körperlichen Existenz: der Vergangenheit der Dinge, als auch des Feuers: der dinglichen Gegenwart der Zukunft (entsprechen der Vergangenheit in Ding und Raum die Zukunft in Feuer und Licht?).Adorno, Banken, Bäume, Benjamin, Bloch, Bogaert, Cohen, Einstein, Geld, Horkheimer, Lohnarbeit, Lukacs, Philosophie, Rosenzweig, Sprache, Theologie, Tiere, Wasser -
09.03.93
Notwendig wäre eine Kritik des positivistischen Wissenschaftskonzepts der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.
Sind nicht Qualitäten in Eigenschaften zurückübersetzte Handlungen (objektivierte Tätigkeiten)? Ist nicht das Prinzip der Qualitäten das der Verdinglichung (das Ding und seine Eigenschaften)? Qualifikationen sind instrumentalisierte und lernbare Tätigkeiten, und Tätigkeitsmerkmale sind Vergütungskriterien.
Den drei Dimensionen des Raumes entsprechen sechs Außenflächen des Dings. In welcher Beziehung stehen diese zu den durch fünf Nächte getrennten sechs Schöpfungstagen?
Merkwürdig, daß die Erde im Schöpfungsbericht auch als tätiges Subjekt erscheint, und zwar als erstes nach Gott. Sie bringt sowohl die Pflanzen als auch die Tiere hervor. Nur die Tiere des Wassers und des Himmels werden wie Himmel und Erde und wie die Menschen von Gott erschaffen. War die Hervorbringungskraft der Erde mit den Pflanzen und Tieren erschöpft? Und mußte Gott sich selbst gleichsam wieder hervorrufen, wenn er sich selbst anspricht: Lasset uns den Menschen machen, und dann in einem dreimaligen Ansatz den Menschen erschafft: als Gottes Bild, als sein Ebenbild, als Mann und Weib?
Der Demiurg ist von Gott durch das Schicksal geschieden. Der Schöpfungsgedanke ist der ungeheuerlichste Gedanke, den die Menschheit je gehabt hat. Er ist nicht zufällig dann verdrängt und durch das Herrschafts-Konzept einer creatio mundi ersetzt worden. Die Geschichte dieser Verdrängung ist die der Theologie, ihre Vorgeschichte die der Idolatrie. Der Kampf der Propheten gegen die Idolatrie ist der Kampf für die Schöpfungsidee. Das creatio-mundi-Konzept, das konsequent abgesichert wurde durch Trinitätslehre, Opfertheologie und Christologie, unterbindet heute die Fähigkeit zur Reflexion der Naturwissenschaften. Es unterbindet sie ebenso wie die Kapitalismus-Kritik. Das Dogma war von Anfang an politische Theologie.
Die Naturwissenschaften lassen eine andere als technologische Beziehung von Theorie und Praxis nicht mehr zu.
Rast die Welt nicht auf einen Abgrund zu, den sie selbst produziert, und mit dem eins zu werden sie trachtet: Wäre das nicht der endgültige hieros gamos?
Das Bekenntnisprinzip ist von der Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie (von der Herausnahme des Kreuzestodes aus der Nachfolge) nicht zu trennen.
Lassen nicht am Schicksal des römischen Latifundiensystems die Entwicklung und die Tendenzen des gegenwärtigen Systems der politischen Ökonomie sich ablesen?
Jeder Tauschwert für mich ist es nur als Gebrauchswert für andere: das ist die Differenz zwischen Tausch- und Gebrauchswert. Die Grenze, die das Vorhandene vom Zuhandenen trennt, ist die Grenze zwischen der ersten und der dritten Person. Oder die Eigentlichkeit für mich ist die Uneigentlichkeit für andere. Deshalb sind beide nicht unterscheidbar. Ist nicht die Heideggersche Eigentlichkeit der entsetzlich verkümmerte Rest des Hegelschen Bewußtseins der Freiheit?
Sind nicht die Aktionen der Rechtsradikalen heute Kamikaze-Aktionen?
Der Begriff der Entfremdung bezeichnet sehr genau einen richtigen Sachverhalt: Indem ich mich dem Anderssein der Welt anpasse, entfremde ich mich, löse ich das nur im Verhältnis zu Fremdem sich konstituierende Selbst auf. Die Entfremdung ist das Produkt der verandernden Kraft des Seins. Die Rechten übersetzen diesen Begriff heute in die Praxis. Gefährliche Verwechslung des Fremden mit dem Andern. Das Anderssein ist systemimmanent, der Fremde sprengt das System. Deshalb ist die Tötung des Fremden systemerhaltend.
Die Unterscheidung von realprojektiven Begriffen wie Raum, Welt, Natur, Materie von realsymbolischen Begriffen wie Wasser, Angesicht, Finsternis, Licht gehört zu den Grundlagen der Theologie. Der Kampf gegen den Anthropomorphismus ist ein Kampf gegen realsymbolische Begriffe.
Haben die paulinischen Archonten etwas mit den Sakramenten zu tun? Die christliche Gnadenlehre ist ein Produkt der Subsumtion der göttlichen Barmherzigkeit unter das Herrendenken, der kirchlichen Instrumentalisierung der göttlichen Barmherzigkeit: ein Folgekonstrukt der Opfertheologie.
Mein erster Brief an Buber stand noch unter dem Vorzeichen einer positiven kirchlichen Theologie (Identifizierung des Leibs Christi mit der Philosophie). Deshalb mußte ich mich im zweiten Brief hinter dem Alles und Nichts verstecken. -
03.03.93
Zur Unterscheidung von Unreinem von Greueln: Und ihr kamt hin und habt mein Land unrein gemacht, und mein Erbteil habt ihr zum Greuel gemacht. (Jer 27)
Das Naturproblem läßt sich erst lösen, wenn das Geldproblem gelöst ist, das Syndrom der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen (Zusammenhang des Schuldenproblems mit dem des Gewaltmonopols des Staates).
Enthält nicht die astrologische Kosmologie ein mythologisches Gesellschaftskonzept?
Die Tiere und die Subjektivierung, Individualisierung und Verinnerlichung des Lichts (Blut als verinnerlichte Scham). Hat sich in der Geschichte der Aufklärung das Licht gebildet, aus dessen Subjektivierung, Individualisierung und Verinnerlichung der Same und der Kristallisationskern des apokalyptischen Tieres entstanden ist? Und spiegelt sich nicht in dem Verhältnis der agrarischen zur städtischen Gesellschaft die Schöpfungsgeschichte der Pflanzen- und Tierwelt? Gehören die Tieropfer zu den Ursprüngen des städtischen Lebens? Sind nicht die Tempel Abbilder der Sternenwelt, in denen sich der Übergang von der agrarischen zur städtischen Existenz widerspiegelt? Ist nicht mit dem Ursprung der Philosophie und des Weltbegriffs der Nationalismus mitgesetzt, das Absolute als ein Partikulares, das, wenn es zum Absoluten werden will, imperialistische Züge annimmt? Wäre nicht in diesem Kontext des Zahl des Tieres zu ermitteln?
Was Adorno die restlose Säkularisierung der theologischen Gehalte genannt hat, wäre das nicht heute als die Befreiung der Theologie vom Verfolgungswahn, vom verdinglichenden Denken, vom Weltbegriff zu bestimmen?
Ist nicht im Kontext des astrologischen Kosmologieverständnisses die Ischtar, Astarte, Venus das genau Bild der Hurerei? Und gewinnt nicht von hierher die Velikovskysche Venus-Katastrophe das genauere Korrelat in einer gesellschaftlichen Naturkatastrophe?
Wenn Maria Magdalena in der gesamten Kirchengeschichte als die große Sünderin, als Prostituierte gesehen worden ist, ist darin nicht ein Hinweis auf die perhorreszierte Ischtar/Venus enthalten? Sind die sieben unreinen Geister Planetengeister? Und ist nicht das historische Korrelat der Venus-Katastrophe der Ursprung der Sexualmoral, ihre Trennung von der Herrschaftskritik? Und welche Bewandtnis hat dann, wenn Jesus in den Evangelien als Freund der Zöllner und Dirnen erscheint, und das vor dem Hintergrund des Wortes von den neunundneunzig Gerechten und dem einen Sünder?
Gehören nicht die Zöllner-Geschichten in den gleichen Zusammenhang wie das Wort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ und die Geschichte von der Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel?
„Maria aber bewahrte all diese Worte in ihrem Herzen.“
Nur wer die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern vermag, hilft, daß das Wort nicht leer zu ihm zurückkommt.
Heideggers Fundamentalontologie ist das Protokoll des ontologischen Erstickungstodes.
Orion und Siebengestirn: Hat das Siebengestirn etwas mit den sieben Planeten (und den sieben unreinen Geistern) zu tun?
Gründet nicht die Unfähigkeit, oder auch der Unwille, das Gewaltmonopol des Staates auch gegen Rechts anzuwenden, in dem Gefühl, daß beide sehr viel mehr mit einander zu tun haben, als die Vertreter des Staates nach außen bekunden dürfen; sind sie nicht Teil der verdrängten und unaufgearbeiteten eigenen rechten Vergangenheit? -
23.02.93
Off 411: Ist ta panta ein Plural? Dann kann man es nicht mit „Welt“ übersetzen.
Virginitas: Nach Hypostasierung der Materie (der Sexualität) Heiligsprechung der Unschuld; Produkt der Individualisierung und Privatisierung der Moral, Folge des Verzichts auf Weltkritik, Abwehr des Anteils am Schuldzusammenhang des kollektiven Weltgrunds.
Als Gefangene unserer Geschichte sind wir Gefangene der anderen.
Müßte man im NT nicht das homologein im „Bekenntnis“ des Namens mit „Heiligung“ des Namens übersetzen?
Nicht Herrschaft-, sondern Gewaltkritik: Idee einer Herrschaft ohne Gewalt (Gen 1: Zusammenhang des Herrschaftsauftrags mit dem vegetarischen Nahrungsgebot, d.h. ohne Töten der Tiere).
Das Votum gegen den Anthropomorphismus der jüdisch-christlichen Tradition (eine notwendige Folge der Rezeption des Weltbegriffs) ist ein Votum gegen die Erinnerung, gegen das Verstehen des andern: ein Votum gegen den Heiligen Geist.
Der Weltbegriff symbolisiert die vollendete Selbstentfremdung.
Wenn die Welt durchs Kreuzesopfer entsühnt wurde, kann Politik kein Gegenstand der Kritik mehr sein.
Hängen die Differenzen im Weltbegriff im Griechischen und Lateinischen (kosmos und mundus) mit denen im Naturbegriff (physis und natura) zusammen?
Das Christentum kann sich nur über die jüdische Religion und über den Islam selbst begreifen.
Zum Binden und Lösen vgl. Hiob 3831 (vgl. auch Hiob 99 und Am 58): Knüpfst du die Bande des Siebengestirns, oder löst du des Orions Fesseln? (Siebengestirn = großer Bär? Orion = Sternbild der Äquatorzone, im Winter am Abendhimmel sichtbar.)
Der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs trennt das Tun vom Urteil: vom Erwischtwerden. Er verlegt die Sünde ins Erwischtwerden. Das war der Hintergrund der Seiterschen Bemerkung nach Rostock, als er nur die Befleckung des deutschen Namens im Ausland wahrnahm, aber weder die Ängste und die Schmerzen der Opfer jetzt, noch die Erinnerungen derer, die die Schrecken der Vergangenheit erlebt und überstanden haben, und auch nicht den barbarischen Zustand der Täter. Hat er damit nicht die Opfer (auch die vergangenen, die schon einmal ausgebürgert wurden) in einem ganz neuen Sinne zu „Ausländern“ gemacht? Und sind die Lichterdemonstrationen nicht doch auch nur ein Stück Exkulpationsdemonstration: Wir sinds nicht gewesen (der Sprachregelung Kohls entsprechend: Die Deutschen sind nicht ausländerfeindlich)? Klingt in dem Ganzen nicht auch ein spätes Echo der Friedensreden Hitlers nach?
Die sieben unreinen Geister, sind das nicht auch Produkte des Mißbrauchs der sieben Sakramente (als Instrumente zur Begründung und Stabilisierung des Weltbegriffs)? Und ist nicht die analogia entis ein nicht ganz ungefährliches Konstrukt: ein früher Hinweis darauf, daß am Ende die Natur christologische Züge angenommen hat?
Hängen die sieben unreinen Geister damit zusammen, daß auch der Syrer Naaman erst durch die siebenfache Taufe im Jordan von seinem Aussatz befreit wurde? Was hat es mit dem Jordan auf sich: Johannes taufte am Jordan; und mit der Überschreitung des Jordan beginnt die Landnahme unter Josua?
Das Hegelsche Weltgericht ist der Inbegriff der Sünden der Welt, Produkt der Unfähigkeit, sich in den andern hineinzuversetzen.
Erinnerungsarbeit ist die Antwort auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (Hinweis: der Raum ist die Macht der Vergangenheit über die Zukunft). Dazu bedarf es der Arglosigkeit, der Freiheit vom paranoiden Denken.
Gibt es heute noch Reichtum; und eröffnet sich hier, in der Vorstellung des Reichtums selber, nicht ein Abgrund.
„Sind wir Gefangene unserer Geschichte?“ Bezieht sich das Wir und das Unser auf das gleiche Subjekt: Gibt es hier nicht ein Übergewicht der Last der christlichen Geschichte?
Der Weltbegriff ist der Vorhang, hinter dem wir unschuldig schuldig, und d.h. gemein geworden sind. Ist nicht die Physik eine Form der paranoiden Erkenntnis? Der Weltbegriff ist ohne einen projektiven Anteil (und ohne die Stabilisierung dieses projektiven Anteils) nicht zu halten. Die „Entsühnung der Welt“ ist eigentlich die Entsühnung des Subjekts: die Erlaubnis, sich ohne Bewußtsein von Schuld des Instruments des Weltbegriffs zu bedienen. Durch die creatio mundi ex nihilo wurde diese Schuld Gott, und durch die Opfertheologie zugleich Jesus angelastet: Liegt hier der logische Grund der homousia?
Wird aus dem Koran das gleiche Wort im Englischen mit „creator“ und im Deutschen mit „Herr“ übersetzt? Wenn ja, welcher Schöpfungsbegriff steckt dahinter: einer, der den Untertan zur Kreatur seines Herrn macht?
Wo liegt die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen (zwischen mir und dem anderen)?
Das Frauen, wenn sie in den Himmel kommen, zu Männern werden, ist keine Erfindung Tertullians; es steht schon so bei Lukas, wo es heißt, daß die, „die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, … durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes werden“ (Lk 2036).
Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen (Lk 2114): Das ist das Verbot der vergegenständlichenden Theologie.
Im Schöpfungsbericht kommt dreimal bara und dreimal baruch vor, dreimal „schaffen“ (Himmel und Erde, Fische und Vögel und die Menschen) und dreimal „segnen“ (im Hinblick auf die Fische und Vögel, die Menschen und den siebten Tag).
Der biblische Herrschaftsauftrag an den Menschen unterscheidet sich von der Geschichte der Naturbeherrschung dadurch, daß er das Töten ausschließt. Er folgt nach dem vegetarischen Nahrungsgebot für Menschen und Tiere. Herrschaftskritik wäre von Gewaltkritik zu unterscheiden, und an den Naturwissenschaften die Verblendung zu bestimmen, die auf die Gewaltsubstanz der Welt (auf die Beziehung zum Gewaltmonopol des Staates) verweist.
Hängt die Frage der Beziehung von Herrschaft und Gewalt (und der Beziehung beider zur Macht) mit der Bildung des Angesichts zusammen? Wie unterscheiden sich Herrschaft, Gewalt und Macht?
Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen (Joh 35). Bezieht sich das nicht auf Gen 12 (auf den Geist Gottes über den Wassern, und die erste Geburt, vor der Wiedergeburt, auf die Finsternis über dem Abgrund)? Ist die Finsternis über dem Abgrund die Idolatrie, und der Geist über den Wassern die Prophetie?
Nach Auffassung des Islam ist Koran das Äquivalent der zerstörten ersten Tafel vom Sinai, und ebenso das Äquivalent zur Person Jesu, nicht zu den Evangelium, zum „Neuen Testament“. Ist nicht nur der Koran eine „Heilige Schrift“ (und die entsprechende Benennung der Bibel ein Produkt der Islamisierung)?
Was bedeutet es, wenn im Hebräischen schon die zweite Person (und nicht erst die dritte) nach Geschlechtern getrennt ist? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Gebot: Du sollst kein falsches Zeugnis wider deinen Nächsten geben?
Mit der Verdrängung der Idee des seligen Lebens wurde die Wurzel der Sinnlichkeit abgeschnitten.
Lebt nicht die Stummheit des Helden in veränderter Gestalt im Begriff und in der persona fort?
Falsch ist die quasi teleologische Beziehung des Kreuzestodes auf mein Seelenheil.
Kann es sein, daß die männliche Rolle des Konfessors daher rührt, daß die Männer das Opfer begehen, d.h. die Schuld auf sich nehmen, während die Frauen zum Priestertum nicht zugelassen wurden, um sie vor der Schuld des Opferns zu bewahren (Grund der religiösen Bedeutung der virginitas)? Vgl. auch Walter Burkert: Wilder Ursprung.
Materie und Opfer: Das Opfer hängt mit der Erfahrung des Tötens zusammen, ist ein Mittel der Verarbeitung dieser Erfahrung. Es wurde überflüssig mit der Verinnerlichung des Opfers: mit dem Ursprung der subjektiven Form der äußeren Anschauung, der Konstituierung der Raumvorstellung. Auch die Materie ist Produkt des Tötens.
Burkert, S. 22: Darstellung eines Schuldverschubsystems.
Der Weltbegriff rechtfertigt das Töten und die Naturbeherrschung ohne die Erinnerung des Opfers (unter Verdrängung dieser Erinnerung).
Wo gibt es die indogermanische Mediopassivform, und was bedeutet sie (Burkert, S. 25)?
Gibt es einen generellen Zusammenhang zwischen Musik und Opfer? Hängt der Ursprung der Musik in der kainitischen Genealogie mit der Ursprungsgeschichte des Opfers zusammen?
Burkert, S. 26: Maskierte Männer haben das Tier zu töten. Die Maske schützt die Täter vor dem Erkanntwerden. Leistet das nicht seit dem Ursprung dieses Begriffs der Begriff der Person (Zusammenhang mit dem biblischen Feigenblatt)? Mit Vorliebe treten Chöre in den Tragödien in der Maske von Fremden oder von Frauen auf; wenn sie Athener darstellen, können dies allenfalls alte Männer sein, kaum je aber die jungen Bürger von Athen.
Die Idee des Schicksals (als Schuldzusammenhang des Lebendigen) gründet im Tötungsritual des Opfers. In dieser Tradition steht die Geschichte der Naturwissenschaften (Bedeutung der Opfertheologie für die Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften).
Sprachdenken ist metaphorisches Denken, aber eines, das man unter Kontrolle behalten muß. Ein sich verselbständigendes (hypostasiertes) Bilderdenken führt von der Sache weg. Man kann sich auch in Bildern verfangen und verstricken.
Wie hängen die drei Aspekte des Naturbegriffs: Herrschaftsobjekt, Medium der Exkulpation und Ursprung von allem, mit dem Raum zusammen, mit dem Im Angesicht und Hinter dem Rücken, Rechts und Links und Oben und Unten?
Problem der Beziehung der Verinnerlichung des Opfers zur These, daß nichts Vergangenes wirklich vergangen ist: Werden nicht am Ende die Steine wirklich schreien? Und hat der Satz „Maria bewahrte alles in ihrem Herzen“ etwas mit der verborgenen Erinnerungskraft der Materie zu tun (Erinnerung der Zukunft)? Wäre das „Macht euch die Erde untertan“ nicht zu ergänzen durch das Verbot zu vergessen?
Worauf bezieht sich das „Herniederfahren“ Gottes beim Turmbau zu Babel?
Der Weltbegriff entmächtigt die Sprache.
Das Christentum ist als Kirche durch seine Leugnung hindurch gerettet worden.
Was trennt die Innenwelt von der Außenwelt, das Private vom Öffentlichen? Bezeichnet nicht das Schwert die Grenze von Innen und Außen (Enthauptung)? Ist das Schwert nicht ein Symbol für diese Grenze (kreisendes Flammenschwert)? Und gibt es einen Zusammenhang des Schwertsymbols mit der Geschichte des Opfers? Das Schwert ist in der Geschichte des Opfers geschmiedet worden. Und eine, wenn nicht die zentrale Verkörperung des Schwertsymbols ist der Weltbegriff als Inbegriff des Begriffs und als Konstituens des Natur- und Objektbegriffs.
Der Gedanke, daß ich kein Recht hatte, die Privilegien der Opfer für mich in Anspruch zu nehmen, gehorcht schon einer sowohl christologischen wie auch antisemitischen Logik. Privilegien der Opfer gibt es nur im Christentum; Nur hier hat das Leiden Verdienstcharakter (Grund der Vergöttlichung Jesu).
Der Gegenbegriff zum Vorbestraften und zum Verbrecher ist der des Unschuldigen (u.U. „wegen erwiesener Unschuld freigesprochenen Bürgers“). Aber ist nicht der unschuldige nur der „unbescholtene“ Bürger (Schuld gleich Bescholtenheit, bewiesener Verdacht)? Was heißt eigentlich „Vorbestraft“? Unterscheidet sich der Vorbestrafte vom Unbescholtenen nicht doch nur durchs Erwischtwordensein? Die aktive Nutzung des Nicht-Erwischtwerden-Könnens ist der Quellpunkt der Gemeinheitsautomatik.
Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins. (1 Joh 57) Wie hängt das zusammen mit Gen 12, dem Geist Gottes über den Wassern, und der Beziehung von Johannes- und Jesus-Taufe? Aber was hat es mit dem Blut auf sich? Klingt darin die Vorstellung mit an, wonach Blut als Ausdruck der verinnerlichten Scham sich fassen läßt? Gründet hier die Heiligkeit des Bluts; und ist es dieses Blut, das zum Himmel schreit (Abel, Noe, Ursprung und Geschichte des Opfers)? (Hat die deutsche Blutwurst etwas mit der Eucharistie zu tun?)
Beziehung zum Kelch in Getsemane: Verstrickung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte. Diesen Kelch trinken heißt: der durch ihn verursachte Trunkenheit sich nicht überlassen, dabei seiner selbst mächtig bleiben (Abstieg zur Hölle?). Entspricht dem nicht das „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“? Und ist das nicht gemeint in der Frage an Jesu an die Zebedäus-Sühne: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?
Das Neutrum (ne-utrum) macht das Ungleichnamige gleichnamig. Es gründet im Futur II, der grammatischen Form der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die das Andersein der Zukunft ausschließt: Quellpunkt des Inertialsystems. Der genaueste Anwendungsfall einer Reflexion, die diesen parvus error in principio aufzulösen versuchen wollte, sind die Naturwissenschaften, insbesondere die Astronomie, die Kosmologie. Die philosophische (und vor ihr die mythische) Subsumtion von Himmel und Erde unter den Totalitätsbegriff Welt ist der Ursprung der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen; mit ihr ist die nominalistische Konsequenz der Philosophie mitgesetzt, ihre sprachzerstörerische Kraft. Sie gründet in dem mathematischen, die Mathematik begründenden Konstrukt, dessen Symbol das Gleichheitszeichen ist: der Orthogonalität, die die Richtungen im Raum reversibel und Vergangenheit und Zukunft ununterscheidbar macht und die Gegenwart ausblendet. Sie macht insbesondere die Umkehr gegenstandslos: Hier lassen sich Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie Oben und Unten nicht mehr unterscheiden. In diesem Kontext ist die Umkehr (im Christentum) zur Buße geworden. So leugnen die Naturwissenschaften das Angesicht, die Gnade und den Islam (den Willen Gottes). Der Islam im rechten Verstande, die „Unterwerfung“ unter den Willen Gottes, ist kein Passivum, sondern ein Aktivum: nicht das Erleiden eines Schicksals, sondern das Tun des Willen Gottes.
Theologische Ableitung des Inertialsystems: Hat es nicht auch symbolische Bedeutung, wenn der Islam den Sabbat auf den Freitag vorverlegt hat, gleichsam vor dem Sabbat stehenbleibt, während das Christentum den Sabbat auf den Folgetag (die dies dominica) verschoben hat, ihn gleichsam „überwunden“ hat, als Preis dafür aber selber dem Inertialprinzip verfallen ist (die Ruhe des Sabbat, die Spitze und Erfüllung der höchsten Aktivität, in die Ruhe des Toten: in Trägheit zurückübersetzt hat)? Ausdruck dieser „Überwindung“ des Sabbat ist das Symbol des steinernen Herzen der Welt.
Ist nicht der Weltbegriff ein Instrument, das es uns ermöglicht, uns den Anblick des Wirbels, in dem wir stehen, zu ersparen, uns den falschen Begriff der Ruhe (als Bewegungslosigkeit: vorgestellt im ruhenden Raum des Inertialsystems) zu vermitteln? Er installiert im Zentrum der Theologie den Götzendienst. -
12.01.93
Bezeichnet der Begriff des Schicksals den Ursprung und das Zentrum des Neutrum (Benveniste, S. 400)?
Sodom, Jericho, Gibea:
– In Sodom bietet Lot seine Töchter an, aber er wird mit seinen Töchtern dadurch gerettet, daß die Engel JHWHs den Mob blenden. Lot, seine Frau und seine Töchter (ohne die Schwiegersöhne) entkommen, Sodom wird zerstört. (Wer ist Lot?)
– In Jericho rettet die Dirne Rahab (hat sie etwas mit dem Meeresungeheuer Rahab zu tun?)die Boten Josues vor dem Mob, indem sie sie unbemerkt entkommen läßt. Jericho wird durch Posaunenschall zerstört, Rahab wird gerettet.
– In Gibea bietet der Levit seine Nebenfrau (aus Bethlehem) an, sie wird zum Opfer des Mobs. Aber das wird zum Anlaß des Rachefeldzugs aller israelische Stämme gegen Benjamin und der Zerstörung Gibeas.
Die früher in Schulen gebräuchliche Disziplinarstrafe: Stell dich in die Ecke und schäme dich, ist wohl nach dem Krieg aus dem Gebrauch gekommen. Hängt das mit dem falschen Ergebnis der Kollektivschuld-Diskussion (der „Kollektivscham“) zusammen?
Kommen Wotan und Odin aus der gleichen Sprachwurzel, aus der auch odium, Haß, kommt? Und sind nicht Haß und Wut Komplementärformen, deren Zusammenschluß (Verkörperung) in der objektlosen Angst sich wiederfindet?
Wie stehen Haß und Wut zu Macht und Ohnmacht?
Haben die Befreiungskriege nicht Wotans Heer zitiert: Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
Ist nicht das Dogma ein Anästhetikum: gehört nicht zur Konstruktion des Dogmas (zur Logik des Bekenntnisses) eine narkotisierende Wirkung? Folge der „verandernden Kraft des Seins“, der Ontologisierung.
War Paulus nicht der erste Konvertit, und gibt es eine Konversion ohne einen Rest von Ressentiment? Und: Wie verhält sich die Konversion (als bloßer Wechsel des Bekenntnisses) zur Umkehr?
Zum Begriff des Neutrum: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
Die Kopenhagener Schule: Ist das nicht der ebenso ungeheuerliche wie entsetzliche Versuch, aus den Todeszuckungen die Anfänge des Lebens herauslesen zu wollen?
Ist nicht der christliche Antijudaismus gerade jener Paranoia verfallen, die Jesus selber mit dem „Herr vergib ihnen“ auch als Opfer noch hat vermeiden wollen?
Johannes wurde von Herodes geköpft, Jesus von Pilatus gekreuzigt und Stephanus von Saulus gesteinigt. Johannes ist der Rufer in der Wüste, der hinweist auf das Lamm, das die Sünden der Welt auf sich nimmt; Stephanus sah den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes sitzen.
Ist das Blut die flüssige, dingliche Scham? Was hat es dann
– mit dem Blut Abels, das zum Himmel schreit,
– dem Verbot, Blut zu essen,
– mit dem Blutvergießen (dem Mord- und Tötungsverbot),
– der seit zwölf Jahren blutflüssigen Frau, die durch die Berührung seines Gewandes geheilt wird,
– mit dem „Dies ist mein Blut, … trinket alle davon“,
– mit der (von Sünden) reinigenden Kraft des Blutes
auf sich? Und wie hängt der Blutkreislauf mit dem Kreisen der Planeten zusammen (das kreisende Flammenschwert mit dem Verbot, Blut zu vergießen), mit der Beziehung des Blutes zu den Blättern der Pflanzen (das Innen bei Tieren entspricht dem Außen bei Pflanzen: rot und grün; Chlorophyll: Beziehung zum Licht, wie die Scham, in der der irdische Ursprung des Lebens in seinen Anfang zurückkehrt)?
Hi 1618: Erde, decke mein Blut nicht zu, und für meinen Klageschrei sei kein Ruheplatz da.
Ps 913: Denn der dem vergossenen Blut nachforscht, hat ihrer gedacht; er hat das Schreien der Elenden nicht vergessen.
Joel 34: Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare. (Vgl. Off 612)
Kain ist „verflucht vom Ackerboden hinweg“, denn das Blut Abels „schreit vom Ackerboden her“ (Gen 411, vgl. auch Hi 1618), und der Acker, den die Hohepriester für das „Blutgeld“ des Judas kauften, heißt seit dem „Blutacker“ (Mt 278).
Eph 213: Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden.
Ebd. 612: Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die Geister der Bosheit in der Himmelswelt.
Ist nicht jetzt die Zeit des Endes aller Symbole und des Beginns der Erkenntnis gekommen? -
11.01.93
Urteil (lat. iudicium): wie heißt das Urteil (im Recht und in der Logik) im Griechischen? Grundlage des Urteilsspruchs ist der Zeuge oder der Eid (der Gott zum Zeugen nimmt; in der Bibel muß der Schwörende seine Hand an die Lende dessen legen, vor dem der Schwur abgelegt wurde, berührt): Wie verhalten sich Zeugenschaft und Schwur zum Raum? Ist der Raum nicht die anonymisierte Zeugenschaft aller (Medium der Vergesellschaftung) und ist die Ausdehnung des Raumes nicht ein Produkt des automatisierten Fortzeugens (mit der Orthogonalität als Grund und Zentrum der Automatik): die Indifferenz von Tätigkeit und Statik (dynamischer und mathematischer Qualität: Trennung und Begründung von Objekt und Begriff, Natur und Welt)?
Der Objektbegriff und die Verführung durch Herrschaft verändert die Sprache. Herrschaft gründet in dem Recht zu töten, das über die Raumvorstellung vergesellschaftet wird; so dringt das Gewaltmonopol des Staates in die Sprache ein (wie der Raum in die Zeitvorstellung und in den Begriff der Materie). Darin liegt der naturgeschichtliche Grund der Naturwissenschaften und des Kapitalismus, den sie selber wiederum instrumentalisieren.
Das Sein ist das unkenntlich gemachte Gewaltmonopol des Staates.
Zu Kafkas Geschichte vom Schauspieldirektor, der eine Premiere, die Inszenierung eines neuen Stückes, vorbereitet. Das Bild wäre noch zu verschärfen: Nach dem Selbstverständnis der Prophetie beginnt die Umkehr im Mutterleib.
Zu den fatalen Ergebnissen der Kollektivschuld-Diskussion nach dem Krieg gehört es, daß die Aufarbeitung der Schuld, die Erinnerungsarbeit, durchs Schambekenntnis ersetzt wurde. So hat man sich nur durch die Scham überschwemmen lassen, damit aber genau jene Verdrängungsarbeit unterstützt, die die Aufarbeitung heute fast unmöglich macht. Die nachfolgende Politik mußte eine Feigenblatt-Politik sein (und darin ist Kohl Meister). Die Aufforderung zur Scham hält ihr Objekt infantil (während die Schuldverarbeitung es erwachsen werden läßt). War vielleicht die Benennung der Tiere durch Adam eine Aufforderung zur Scham: So ist ihnen das Fell gewachsen? Das Unverschämte (des Begriffs, der Welt) und das Schamlose (des Objekts, der Natur) sind Zwangsfolgen der falschen Verarbeitung der Scham. Nicht Scham, sondern Umkehr: Der kosmische Ausdruck der Scham ist die Materie.
Ist die Frage Kains „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ mehr als eine rhetorische Fangfrage? Weist die Frage nicht darauf hin, daß er „es nicht war“, daß es etwas in ihm war (vor dem er vielleicht dann doch seinen Bruder hätte behüten sollen), und bezieht sich darauf das Wort Gottes vor der Tat: „Wenn du recht tust, darfst du aufblicken; wenn du nicht recht tust, lauert an der Tür die Sünde als Dämon“. Diese „Sünde als Dämon“ ist die „Sünde der Welt“ aus Joh 129. Die Sünde an der Tür und das, was in Kain als Es den Abel erschlug und den Mord beging, war der Ursprung der Welt. Und diese Welt ist in der Tat „aus Nichts“ erschaffen, aber auch nicht von Gott.
Ist das Benennen (in der Schrift) wirklich etwas so Harmloses: die Benennung der Tiere durch Adam, aber auch schon davor die Benennung des Lichts und der Finsternis, auch die der Feste, die die Wasser scheidet? Die Söhne werden in der Regel von den Müttern benannt (und von den Vätern als gegeben hingenommen). Gibt es außer bei der Geburt des Johannes (wo der Zacharias durch Bestätigung des Namens die Sprache wiedergewinnt) noch andere Ausnahmen (wie ist das bei den Kindern der Propheten)?
Bezieht sich nicht auch der Titel „Erstgeborener“ auf die Mutter, deren Mutterschoß der Erstgeborene eröffnet, nur Jesus ist der „Erstgeborene des Vaters“?
Wäre nicht zu den etymologischen Forschungen (Benvenistes und anderer) darauf hinzuweisen, daß auch das Bedeuten und Bezeichnen in die grammatischen Strukturen der Sprache eingebunden ist. Wie unterscheiden sich Bedeuten und Benennen? Bezeichnen nicht das Deuten und Bedeuten den Indifferenzpunkt zweier gegeneinander gerichteter oder zueinander inverser Tendenzen, nämlich einer expressiven und einer deiktischen Tendenz. Wie verhält sich das zu der bemerkenswerten Zweideutigkeit, die im Deutschen den Sinnbegriff kennzeichnet?
Das Christentum hat die Umkehr bis heute nicht begriffen, statt dessen kennt es wohl Bekehrungen. Drückt nicht das Affix be- ein projektives Element aus, die falsche, veranderte Umkehr: die im andern reflektierte und verdinglichte Umkehr?
Entspringen die indogermanischen Sprachen mit der Bildung des Neutrum, mit der Nutzung seiner exkulpativen, herrschaftssichernden Gewalt? Und waren die ersten Neutra nicht herrschaftssichernde Kategorien (Emanationen der Schlange)?
Ist das Futur II Produkt der Instrumentalisierung des kreisenden Flammenschwerts? Hängt sein Ursprung zusammen mit dem Sternendienst? Und ist das, was durch dieses kreisende Flammenschwert abgetrennt (weltlich konstituiert) wird, in den astrologischen Bedeutungen der Planeten (im antiken Sinne) genauer bezeichnet? Und wurde dieser Knoten nicht durchschlagen durch einen Akt, in dem das heliozentrische System begründet wurde? Wie hängt die Heliozentrik mit der Geschichte der Großreiche, mit Alexander und dem Cäsarenwesen zusammen, oder auch mit dem Begriff des „Reichs“?
Ist die Physik die Finsternis über dem Abgrund? Und wäre nicht die Theologie über den nächsten Satz, den Geist Gottes über den Wassern, zu begründen? Oder genauer: verhalten sich Finsternis und Abgrund zum Geist Gottes und den Wassern wie Philosophie und Begriff zur Prophetie und zum Namen? Hat der Sündenfall nicht nur den Abgrund eröffnet, und den Menschen die begrenzte Befugnis, sich der Mächte des Abgrunds zu bedienen?
Die jüdische Tradition kennt den Brudermord; ist nicht der Vatermord ein bis heute unaufgeklärtes und unbegriffenes mythisches und christliches Erbe (im Ursprung des Weltbegriffs), und bezieht sich darauf nicht der Freudsche Mythos von der Urhorde?
Die Tiere wurden benannt, der Gottesname soll geheiligt werden: Ist die Heiligung des Gottesnamens nicht die Antwort auf die Opferung des Gottesnamens (seine Verbergung hinter dem Namen des Vaters), und ist bisher nur diese Opferung Gegenstand der christlichen Tradition? Drückt diese Opferung sich im Bilde vom Sitzen zur Rechten des Vaters (der Bindung der Rechten des Vaters, die nach Paulus zeitlich begrenzt ist: bis Ihm alles unterworfen ist) aus?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie