In seiner Antisemitismus-Studie übersieht Heinsohn offensichtlich, welche Bedeutung diese gesellschaftlichen Gesteinsverschiebungen, die die Entstehung der Hochkulturen begleiten, für die Geschichte des Bewußtseins haben; hier rächt es sich, daß er beispielsweise den Ursprung der Schrift und die Entwicklung der Sprachen aus seinen Überlegungen ausschließt. Die Darstellung der „Reaktionen der Betroffenen“ auf die „kosmischen Katastrophen“ (S. 31) behandelt diese Reaktionen so, als könnten sie sich auch heute – nach der Ausbildung des Welt- und Naturbegriffs – so abgespielt haben. Daß es eine Geschichte des Bewußtseins gibt, die mit der der Sprachen aufs engste verknüpft ist, scheint außerhalb seines Gesichtskreises zu liegen. Daß es sich hier um vorödipale Zeiten handelt, daß die Bewußtseinsidentität noch nicht vorausgesetzt werden darf, daß das Bewußtsein erst mühsam beginnt, sich aus den mythischen Zwängen zu befreien und welche Rolle dabei die Struktur der Sprachen und die Entwicklung der Schrift, der Ursprung des Privateigentums und des Geldes, die Entstehung des Rechts, aber auch die Institutionen der Religion und der embryonalen politischen Strukturen, insbesondere die Institution des Königtums, spielen, scheint ihn nicht zu interessieren. Daß z.B. erst in den indogermanischen Sprachen über die grammatischen Innovationen, insbesondere die Futurbildungen als Voraussetzung des objektiverenden, hypostasierenden Denkens, ein Weltbewußtsein sich bildet, dessen Vorläufer Mythos, Idolatrie und Opfer sind, die dann – paradigmatisch in der griechischen Philosophie und in deren Konsequenz in der christlichen Theologie – durch Verinnerlichung (durch den ödipalen Prozeß hindurch) zur Grundlage des zivilisatorischen Bewußtseins werden, entgeht ihm. In diesem Zusammenhang – und jedenfalls nicht nur in dem des Interesses an der Voraussage von Naturkatastrophen (vgl. S. 43) – wäre z.B. das Orakelwesen (das in Griechenland ganz erheblich zur Durchbildung der Sprache und zur Entstehung der Philosophie beigetragen hat) zu diskutieren. Velikovsky und seine Adepten lösen keine Rätsel, sondern schürzen neue (oder genauer: machen sie kenntlich). Die monokausale Ableitung des Neuen aus Naturkatastrophen verkennt, daß es auch gesellschaftliche Naturkatastrophen (zu denen Heinsohn selber mit seiner Geldentstehungstheorie entscheidende Hinweise gegeben hat) gibt; und hier scheint mir, stellt sich ernsthaft die Frage: handelt es sich bei dem Zusammentreffen kosmischer und gesellschaftlicher Naturkatastrophen (die formal dem Leibnizschen Begriff der prästabilisierten Harmonie zu entsprechen scheinen) um reinen Zufall, oder gibt es dazwischen auch vermittelnde Agentien?
Wurden die Götter nach Einführung des Privateigentums durch die Statuen um ihre Opfer betrogen (vgl. Heinsohn, Antisemitismus, S.47)?
S. 54: Keine „wissenschaftlich begründete Religionsüberwindung“, sondern eine prophetische. Der Unterschied ist bestimmbar.
Im VIII. Kap., S. 72ff, führt Heinsohn den Antisemitismus allein auf seine theologischen Ursprünge zurück, ohne den Zusammenhang dieser Theologie mit dem Ursprung des Säkularisationsprozesses und des modernen Weltbegriffs zu begreifen. Aber hier wird es erst interessant. Washalb war beispielsweise der real existierende Sozialismus, insbesondere der Stalinismus, antisemitisch?
Es ist schon ein wenig irrsinnig, wie sich bei Heinsohn die Dinge zu einem System zusammenschließen: Die Naturkatastrophen-Theorie ist nur zu halten, wenn er die Befreiung vom Opfer im Atheismus terminieren läßt und diesen Atheismus in Widerspruch setzt zu den altorientalischen, heidnischen Hebräern, verbunden mit der These, daß erst das (erneut opfertheologische) Christentum monotheistisch geworden sei; so wie er auch schon in seiner Geldtheorie das gesellschaftskritische Element herausoperiert hat, so muß er hier den damit notwendig verbundenen szientifischen Antisemitismus der Wellhausen et al. mit rezipieren, und ihn dann in den Sack reinstecken, den er „Hebräer“ nennt. Zugleich muß er den „Juden“ die Schöpfungsidee nehmen, die doch die Prophetie, der die Absage ans Opfer sich verdankt, erst ermöglichte. Und seiner Geldtheorie das erkenntnis- und gesellschaftskritische Element, das zwangsläufig aus seinem Schuldknechtschaftskonzept folgt, und damit das Moment der Barmherzigkeit nehmen, dem doch die Absage ans Opfer sich verdankt. Zusammen damit muß er die Juden in die Nähe der Philosophen rücken (mit Hilfe des einen Theophrast-Zitats): das aber geht nur, indem er den Juden in ihrer eigenen hebräischen Vergangenheit das Barbaren-Äquivalent verschafft. Das Problem bleibt unlösbar, solange Heinsohn das im Begriff des Begriffs (und schließlich in dem der Welt) säkularisierte und zugleich verdrängte Exkulpations- (und Opfer-) Konzept nicht durchschaut. Inzwischen geht der Verdrängungsapparat, der dem Universums-Konzept zugrundeliegt, zu Bruch.
Der Weltbegriff konstituiert sich auf zwei Ebenen:
a. auf der des Ursprungs und der Stabilisierung des Begriffs (des Referenzsystems der Philosophie), und
b. auf der Ebene und im Rahmen der Stabilisierung der Produktions- und Austauschverhältnisse, des Ursprungs des Marktes, d.h. zusammen mit dem Ursprung des Rechtssystems, das das Privateigentum ermöglicht und garantiert.
Ebenso wie die Philosophie ist der Weltbegriff vom Ursprung, vom Bestehen und von der Geschichte des Privateigentums nicht zu trennen. Hinsichtlich eines jeden Sozialismus-Konzepts wäre festzuhalten: Vergesellschaftung ist ein „naturwüchsiger“ Prozeß und durch Verstaatlichung nicht zu humanisieren. Auch das staatliche Eigentum ist Privateigentum, wobei der Staat aus leicht durchschaubaren Gründen der dümmste (und der gemeinste) Privateigentümer ist.
Wodurch unterscheidet sich Moses von Hammurabi und Solon?
Gegen Adorno: Nicht das Eingedenken der Natur, sondern das der Ursprünge wäre als Ziel der Philosophie zu bestimmen. Von Adorno zu Habermas ist es in der Tat nur ein kleiner Schritt, aber einer in die falsche Richtung. Das Konzept des Eingedenkens der Natur ist Adornos säkularisierte Theologie.
Was bedeutet der Raum für das geschichtliche Eingedenken, für die Erinnerungsarbeit?
Zur biblischen Zoologie: Wie ist das mit den Schafen und Wölfen und Schlangen und Tauben?
Der neutestamentliche Begriff der Sünde der Welt bezeichnet das Konzentrat der Ursprungsgeschichte der Welt in Idolatrie, Sternendienst und Opferwesen. Auch das Menschenopfer steckt in den Fundamenten unseres Weltbegriffs. Daran erinnert der Kreuzestod (Problem der Ursprungsgeschichte der subjektiven Form der äußeren Anschauung: welches ungeheuerliche Problem hat Kant in diesem Begriff stillgestellt?).
Einige Bemerkungen zum Problem einer christlichen Theologie nach Auschwitz.
Der moderne Naturbegriff ist eine logische Konsequenz aus dem Weltbegriff.
Begriff und Institution der Diktatur hängt mit der Funktion des Prädikats im Urteil und mit der der Predigt im Christentum zusammen.
Bekenntnis und Dogma stammen aus der Sphäre des Rechts, oder sind Reflexionsbegriffe von Rechtsbegriffen.
Es gibt eingreifende Bedenken gegen die Vorstellung der Möglichkeit, das Recht mit den Mitteln des Rechts zu humanisieren. Vgl. den Zerfallsprozeß des Rechts im Gefolge der beiden Weltkriege, die Systemwidrigkeiten, die nicht mehr zu übersehen sind (fehlender Friedensvertrag, Anwendung des Strafrechts auf zwischenstaatliche Delikte, Verdrängung des Gemeinheitsproblems, Fortleben des „gesunden Rechtsempfindens“, d.h. des Rachemotivs im Rechtsstaat, Frage der Gewalt: Gewaltmonopol und Kampf gegen die Privatisierung der Gewalt; kann es sein, daß die Kritik an Carl Schmitt ihr Ziel erst erreicht, wenn sie das Recht selber trifft, dessen ungeheuerliche Systemlogik Carl Schmitt nur ausgesprochen hat – vgl. Walter Benjamins „Kritik der Gewalt“ und die Bemerkungen von Jaques Derrida dazu).
Tiere
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10.04.92
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06.04.92
Der Zusammenhang von Im Angesicht und Hinter dem Rücken hat zu tun mit dem von Bewußtsein und Verdrängung, nur daß er im Begriff des Angesichts nicht psychologisch, sondern als Objektives gefaßt wird.
Obelisk und Pyramide: Potenz und Totenkult?
Konnte Jesus überhaupt die zukünftige Schuld (unsere Schuld) schon auf sich nehmen, geschweige denn „hinwegnehmen“; d.h. ist die Geschichte im Rahmen einer Opfertheologie (Sühneleiden für zukünftige Schuld) überhaupt zu fassen? Die Opfertheologie ist die weltliche (kosmologische) Interpretation der Übernahme der Sünde der Welt als eines vergangenen Ereignisses, die aber eben damit bewußtlos das kapitalistische Konzept antizipiert und den Bezugsrahmen herstellt für die kapitalistische Gestalt der inneren und äußeren Naturbeherrschung.
Daß der Begriff der Welt in den historischen Prozeß verflochten ist, ist selber erst ein Resultat dieses historischen Prozesses und erscheint nicht zufällig zum ersten Mal bei Hegel.
Heute ist vom Christentum allein die Exkulpationsmagie übrig geblieben. Nur sie bindet die „Gläubigen“ noch an diese Religion.
Sapientia, sapere: Beziehung zur Scham; Fähigkeit, das Von außen gesehen Werden zu reflektieren (die Sünde der Welt auf sich zu nehmen). Diese Reflexion ist die Bedingung der Weisheit und des Erlernens des Schmeckens.
„Laßt die Toten ihre Toten begraben“: Ich glaube, mit dieser Begründung könnte man aus der Kirche austreten.
Ist der Freudsche Mythos von der Tötung des Urvaters nicht das genaueste Modell des christlichen Ursprungs des Antisemitismus, der Entstehung des Urschismas.
Definition: Die Welt ist der Abgrund, der die Menschen von sich selber, von einander und von Gott trennt. Vgl. Ludwig Wittgenstein: Die Welt ist alles, was der Fall ist.
Kruzifix und Auschwitz: Beides unterliegt dem Bilderverbot; erst die Einhaltung des Bilderverbots, macht den Weg frei für die reale Erinnerung (sprengt die Vorstellung einer homogenen Zeit, während die Opfertheologie diese Vorstellung einer homogenen Zeit voraussetzt und stabilisiert; die Opfertheologie ist ein Teil der Anpassung an die Welt, sie hat den Weltbegriff als Referenzsystem und Maß; die Versöhnung, die sie zu leisten vorgibt, ist Schein, Ersatz für die verdrängte Übernahme der Sünde der Welt).
Metaphorik ist die Quelle, aus der sprachliches Denken sich nährt. Der Kampf gegen die Metaphorik, der Zwang zum direkten begrifflichen Zugriff, zerstört die Sprache, kreuzigt des Logos.
Wenn die Beziehung von Innen und Außen eine Bedeutung hat, dann nur unter dem Aspekt von Rechts und Links: Links (das Richten) nach innen, Rechts (die Barmherzigkeit) nach außen. Das steht hinter dem Wort vom Balken und vom Splitter (während heute in der Folge einer schlimmen christlichen Tradition alle nur barmherzig gegen sich selbst, aber streng gegen die Andern sind, das Gut-Sein verdrängen).
Bei der Übernahme der Sünde der Welt kann und soll nicht geleugnet werden, daß es gegenständliche Schuldzentren in der Welt (die Welt selber als gegenständliches Schuldzentrum) gibt. Nur darf dabei nicht vergessen werden, daß man selber zu ihren Urhebern gehört, sich nicht davon freisprechen kann.
Jede Überwindung ist nur eine Metamorphose; die Vorstellung, das es wirklich überwunden sei, hängt mit der anderen zusammen, daß es tot und vergangen sei, und uns das Tote und Vergangene nicht mehr interessiert: die beste Garantie dafür, daß es weiterlebt.
Das verlorene Antlitz der Erde: Nach der „Heiligung der Welt“ jetzt die „Bewahrung der Schöpfung“? Ist nicht beides falsch?
Wenn die Schlange klüger war als die anderen Tiere des Feldes: heißt das nicht auch, daß die Tiere des Feldes auch klug sind? Liegt die Differenz nicht doch nur in der fehlenden (oder, worauf das Fell hinzudeuten scheint: nicht mehr reflektierbaren) Scham, in der fehlenden Fähigkeit, sich im Blick der anderen zu sehen? -
04.02.92
Haben die „Wolken des Himmels“, auf denen der Menschensohn wiederkommen wird, etwas mit den Wassern oberhalb des Firmaments zu tun?
Sind die biblischen Nahrungsgebote nicht vielmehr Nahrungsfreigaben; und hat die Freigabe der tierischen Nahrung etwas mit Sintflut und Arche (und mit der vorausgegangenen Bedeckung der Nacktheit des Menschen mit Tierfellen und dem (Tier-)Opfer Abels) zu tun? Gibt es einen vergleichbaren Grund für den christlichen symbolischen Kannibalismus (für das finstere Geheimnis der christlichen Sakramentenlehre)? Ist diese ganze Geschichte ein Teil der historischen „Auseinandersetzung mit der Natur“?
Die Moralität des Handelns, auch des politischen Handelns, bemißt sich nicht an den Zielen, sondern an den Mitteln. Dem widerspricht die Vorstellung, die Technik (und die ihr zugrundeliegende instrumentalisierte Struktur der Natur) sei „wertneutral“, nur scheinbar; sie verweist vielmehr auf den realen gesellschaftlichen Schuldzusammenhang, in den Natur und Technik heute verstrickt sind, und der nur durch „Übernahme der Sünde der Welt“ zwar nicht sich lösen, wohl aber sich durchsichtig machen läßt.
Die Naturwissenschaften betrachten alle Dinge von allen Seiten hinter dem Rücken (Schrecken um und um): Was bedeutet hier „Umkehr“? -
29.01.92
Die Vorstellung einer natürlichen Unschuld, einer stummen, vorsprachlichen Unschuld, auch die Bindung der Unschuld an den Bereich der Sexualität, honoriert das Vergessen. So hängt die Übernahme der Sünde der Welt mit dem Logos zusammen (gegen Rousseau und Derrida: gegen den christologischen Naturbegriff). Was bedeutet eigentlich die christliche Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie (die Lehre vom Sühneleiden Jesu) für das Verständnis der Sprache und der Erinnerung (Erinnerung und Raum: nicht getrennt vom Raum als Form der äußeren Anschauung, sondern Arbeit der Umkehr als Bedingung der Rekonstruktion der Sprache – Adams Benennung der Tiere)?
Der Zusammenhang des Logos mit der Übernahme der Sünde der Welt, wird noch deutlicher, wenn man mit hereinnimmt, daß der Weltbegriff die Hypostase des anklagenden Prinzips ist und die Sprache erst in ihrer parakletischen Funktion sich konstituiert und entfaltet.
Lukas hat ein Evangelium und die Apostelgeschichte (die Geschichte des Paulus und der beginnenden „Heidenmission“), Johannes ebenfalls ein Evangelium, dazu aber die Apokalypse. Werden die Evangelien des Lukas und des Johannes nicht durch die zweiten Schriften mit bestimmt? Steht im Johannes-Evangelium die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern?
Steht nicht der „Jünger, den der Herr lieb hatte“ für diesen Zusammenhang von Logos und Übernahme der Sünde der Welt und von Weltkritik und Name des Parakleten (vgl. auch die Geschichte vom Wettlauf zwischen Petrus und diesem Jünger zum Grab).
Die Beziehung des Raumes zur Sprache wird durch ihre drei Dimensionen definiert: durch das Verhältnis von „Im Angesicht“ und „Hinter dem Rücken“, von Rechts und Links und von Oben und Unten. Die trigonometrischen Funktionen sind Vergegenständlichungen der verdinglichten Umkehr. Wie hängen diese Dinge zusammen mit der Konstellation von Idolatrie, Sternendienst und Opfer? (Der Historismus: die Verdoppelung des Hinter dem Rücken. Die Last der Vergangenheit durch Vergegenständlichung sich zueignen anstatt sie zu übernehmen.)
Die Erinnerungsarbeit wird symbolisiert durch den descensus ad inferos.
Die Hilflosigkeit Drewermanns hängt damit zusammen, daß er an einem Begriff der Unschuld festhält, der auf Natur (den Mythos) und nicht auf die versöhnende Kraft der Sprache (den Logos, die Übernahme der Sünde der Welt und die Gottesfurcht) verweist. Das ist es, was ihn auf so merkwürdige Weise nicht nur hilflos, sondern zugleich stumm und aggressiv macht (was wiederum die Erfahrung einer ganzen Schicht von Gläubigen zu treffen scheint). In seinem Konflikt mit der Kirche prallen zwei Formen der Stummheit aufeinander, und deshalb ist eine Konfliktlösung fast unmöglich.
Goethes „zu den Müttern“ ist ein Echo des rousseauschen inzestuösen Naturbegriffs.
Es gibt keine Häresie, die nicht auf ein ungelöstes Problem in der theologischen Tradition hinweist. Nur mit der Verurteilung der Häresie wird das Problem bloß verdrängt, nicht gelöst, verurteilt die Kirche sich selber. Das gilt zuletzt auch für ihr Verhältnis zur naturwissenschaftlichen Aufklärung.
Im Gegensatz zur griechischen (und zu den dann folgenden europäischen Sprachen insgesamt) hat die hebräische Sprache kein Futur: Sie ist eine Sprache der Erinnerung, des Eingedenkens. Die Vergangenheit ist ihr apriorischer Gegenstand. Die Bildung des Futur (insbesondere des Futur II) zieht ihre Kraft aus der Vergegenständlichung und Instrumentalisierung der Vergangenheit. Sie macht die Zukunft wie die Vergangenheit: In diesem Kontext (von Mythos, Schicksal und Philosophie) entspringt der Begriff. Das Christentum hat durch das Bekenntnissyndrom, durchs trinitarische Dogma und die Opfertheologie, diese Instrumentalisierung der Vergangenheit verinnerlicht und damit fast unangreifbar gemacht. Es hat damit das Vergessen gefördert, dem Eingedenken, der Erinnerung die Grundlage entzogen. Die Christologie ist an die Stelle der Auseinandersetzung mit der Vorvergangenheit getreten; seitdem werden in der christlichen Geschichte Vergangenheiten nur noch überwunden (bis in die Geschichte der Aufklärung hinein, die insoweit ins christliche Erbe eingetreten ist). Mit der Verdrängung aber wächst die Last der Vergangenheit.
Welche Bewandnis hat es eigentlich damit, daß Maria Magdalena und die anderen Frauen am Ostermorgen zum Grab hinausgehen mit „Spezereien“, offensichtlich um den Toten zu salben („einzubalsamieren“)? Wie hängt diese Salbung mit der messianischen Salbung zusammen, mit dem Namen des Messias? Und wie hängt sie mit der Königstradition zusammen? Gibt es eine Beziehung zur Präparierung der Toten in Ägypten? -
28.01.92
Hängt die Unterscheidung von Rechts und Links nicht auch mit der von Plus und Minus (Erfindung der Null als Voraussetzung des Inertialsystems) und mit dem Schuldenproblem in der Geldwirtschaft zusammen (Schuldknechtschaft, doppelte Buchführung)? Erst mit der Vorstellung des unendlichen (homogenen und isotropen) Raumes setzt sich die Herrschaft des Tauschprinzips endgültig durch, wird der letzte Widerstand beseitigt. Im Inertialsystem werden die Dinge von allen Seiten von hinten betrachtet, und mit dem Gravitationsgesetz ist in jeder Richtung unten, gibt es kein Oben mehr, das die Gegenbewegung zum Fall anzeigen würde. Seitdem sind die Gottesfurcht und die Gnade (die Barmherzigkeit) grundlos geworden, und ist die Welt alles, was der Fall ist.
Die Reversibilität der Richtungen im Raum ist die Grundlage der mathematischen Gleichung. Und die Gleichheit ist eigentlich die von Vergangenheit und Zukunft, die vermittelt ist durch die Vorstellung des unendlichen, homogenen und isotropen Raumes. Hierbei bedeutet die „Unendlichkeit“ des Raumes letztlich, daß die Endlichkeit der Dinge kein Ende hat, und daß alles, was ist, endlich ist.
Muß nicht die Interpretation der Mikrophysik im Sinne der Kopenhagener Schule (oder zumindest ihrer deutschen Varianten) metaphysiziert, theologisiert werden, um den Widerspruch zu verdecken, der eigentlich einer des (physikalischen und gesellschaftlichen) Systems ist.
Sind nicht die aristotelischen Topoi (seine Lehre vom natürlichen Ort der Dinge) notwendige Elemente seiner Metaphysik, d.h. einer Metaphysik, die den Begriffsrealismus zur Grundlage hat. Auch der Unbewegte Beweger ist ein topologischer Begriff, die Vergeistigung des Falles, Produkt jenes Kurzschlusses, der das Denken des Denkens vergöttlicht, indem er es zum Gegenstand der Theoria, des Schauens, macht (Ursprung der christologischen Logik).
Was wir aufgrund einer schlechten Übersetzung die Schriftgelehrten nennen, sind in Wahrheit die Schreiber gewesen, die allerdings zugleich auch Schriftgelehrte waren. Die Trennung beider Funktionen, der Kopisten von den Scholaren, ist mittelalterlichen Ursprungs und setzt die Kanonisierung der Schrift (und der anderen Autoritäten) voraus. War nicht Esra ein „Schriftgelehrter“?
Die Elemente der Selbstinstrumentalisierung im Tierreich: Der Mensch hat diese Mittel der Selbstinstrumentalisierung (die Hörner, Klauen, Zähne, aber auch die Fisch- oder Vogelgestalt) in seinem Verstand verinnerlicht und in der Hand universalisiert. Sind nicht die Fische und Vögel auf eine sehr viel mathematischere Weise lateral-symmetrisch als beispielsweise die Säugetiere und erst recht die Menschen?
Bei den Pflanzen ist vorne, rechts und oben identisch: sie kennen eigentlich nur oben und unten (Blüte und Wurzel; sie wurzeln im Grunde und „streben zum Licht“). Bei den Tieren wird die Unterscheidung von vorne und hinten bzw. rechts und links erkauft durch die Unfreiheit noch oben, während für den Menschen oben, rechts und vorne getrennte Dimensionen sind.
Die Subjektivierung der sekundären Sinnesqualitäten ist nur ein Aspekt der Sache: Die Subjektivierung der räumlichen Dimensionen ist der verdrängte Grund des gesamten Subjektivierungsprozesses. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Diese Scham ist der erste Ursprungsreflex des unendlichen Raumes; er hat zur Voraussetzung die Erkenntnis des Guten und Bösen, die Vorform der instrumentalisierenden, vergegenständlichenden Erkenntnis.
Für die Fische ist das Wasser das Medium der vollendeten Öffentlichkeit: die Fische kennen keine Scham und keine Privatsphäre; die Vögel dagegen haben ihre Nester und ihr Federkleid. (In welcher Beziehung stand die Vogelschau zur Unterscheidung von Rechts und Links?)
Die Fische und die Vögel bewegen sich in einem dreidimensionalen Medium: im Wasser und in der Luft.
Weshalb werden bei der Sintflut die Tiere gerettet und dann zu Nahrung freigegeben?
Im Angesicht, das ist etwas anderes als von Angesicht zu Angesicht. Der Satz „Laß dein Angesicht leuchten über uns“ drückt eher aus, was mit dem „Im Angesicht“ gemeint ist.
Wer eine Sache hinter ihrem Rücken untersucht (wer „über“ eine Sache forscht), muß mit der Verdachts- und Beweislogik arbeiten und dann auch „hinter“ der Sache nach dem Grund suchen. Alle Hypostasierungskonzepte (imgrunde die ganze Philosophie, die Suche nach den archä) verdanken sich dieser Logik und treiben sie in die Dialektik hinein. Diese Hypostasierungslogik ist ein Motor der naturwissenschaftlichen Aufklärung, sie wirkt nach bis hinein in die Kopenhagener Schule: Die Hypostasierung der „Rätsel“ der Mikrophysik dient nur der Stabilisierung dieser Logik, die ihre letzte Stütze in der Vorstellung des unendlichen Raumes hat. Und diese Logik ist die Herrschaftslogik.
Wer „eine Frage in den Raum stellt“, sucht keine Antwort, sondern eine „Lösung“: Grundlage des Verwaltungsdenkens (Zusammenhang mit dem Personbegriff).
Was hat der Caesar, der wie der König (der Gesalbte) in der Heros- und Opfertradition steht, mit der Durchsetzung des Raumes und des Weltbegriffs zu tun, mit der Gewalt, die beide repräsentieren? Wo liegt der Unterschied zwischen der königlichen und der kaiserlichen Gewalt (Zusammenhang mit dem Fernhandel, der Stabilisierung des internationalen Marktes, mit dem Pantheon und der neuen Gestalt und Funktion der Religionen)? -
19.01.92
Läßt sich aus dem biblischen Schöpfungsbericht eine Theorie der Sprache entnehmen? Oder ist die Sprache der Schöpfung eine Frage, die immer noch auf unsere Antwort wartet?
– Himmel und Erde sind stumm erschaffen (ohne das Wort).
– Erst das Licht ist durchs imperative Wort geworden (Anfang der Schöpfung durchs Wort).
– Das Firmament, die Lichter am Himmelsgewölbe, wurden, nach der Ankündigung durchs Wort, gemacht,
– die großen Seetiere, die Fische und die Vögel, nach der Ankündigung durchs Wort, geschaffen (nicht vom Wasser hervorgebracht).
– Durch das imperative Wort wurde die Sammlung des Wassers an einem Ort veranlaßt.
– Durch den instrumentalen Imperativ wurde die Erde veranlaßt, die Pflanzen wachsen zu lassen, ebenso die Tiere hervorzubringen (Gott hat dann die Tiere gemacht, und Adam hat sie später benannt).
– Die Menschen wurden erschaffen (3 x „schuf“) nach dem Selbstgespräch Gottes („Laßt uns den Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“).
– Geschieden wurden (stumm, ohne ankündigendes Wort) Licht und Finsternis sowie (mit ankündigendem Wort und instrumental: durch das Firmament) die Wasser oberhalb und unterhalb des Firmaments.
– Benannt wurden Licht und Finsternis (nach der Trennung) als Tag und Nacht sowie das (die Wasser trennende) Firmament als Himmel (Zusammenhang von Scheiden und Be#nennen).
– Instrumentalisierung, Ermächtigung (und Delegation des Scheidens, Herrschens, Hervorbringens und Benennens): das Firmament (scheidet Wasser von Wasser), die Leuchten am Himmel (erleuchten den Tag und die Nacht und herrschen über die Zeiten), die Erde (läßt Pflanzen wachsen, bringt Tiere hervor), der Mensch (herrscht über die geschaffene Welt, benennt die Tiere). Zusammenhang von Instrumentalisierung und Benennung?
– Zu unterscheiden sind:
. das hervorbringende Wort (Licht)
. das imperative Wort (an das Wasser: Sammlung an einem Ort, an die Erde: Wachsen der Pflanzen, Hervorbringen der Tiere)
. das ankündigende (z.T. auch imperative, zweckbestimmte) Wort (das Firmament, die Leuchten, die Pflanzen, Fische, Vögel, Tiere)
. das reflexive Wort (die Menschen)
. das benennende Wort (Tag und Nacht, der Himmel)
. das segnende Wort (an die Fische, Vögel, Tiere und Menschen: „Seid fruchtbar und vermehret euch …“)
– Gottes Wort wird unmittelbar repräsentiert
. als das schaffende Wort durch das Licht,
. als benennendes Wort durch den Tag und die Nacht sowie durch das Firmament (als Himmel) und schließlich
. durch den Segen (der sich an die Fische und Vögel, an die Menschen und an den siebten Tag richtet: die Reproduktion und Ausbreitung des Lebens: das „Seid fruchtbar und vermehrt euch“).
Beim Segen für die Menschen sprach er erstmals „zu ihnen“ (im Plural, nämlich zu Mann und Frau).
Wer spricht wann zu wem im zweiten Schöpfungsbericht? Hier kommen
– nach lauter stummen Tätigkeiten:
. noch keine Feldsträucher, -pflanzen, aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte den … Acker;
. Gott formte den Menschen und blies ihm den Odem ein;
. legte in Eden einen Garten an und setzte dorthin den Menschen (wie vorher die Leuchten an das Himmelsgewölbe);
. ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, in der Mitte den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse;
. ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; teilt sich in vier Hauptflüsse;
. Zweck: daß der Mensch den Garten bebaue und hüte;
– als erstes Wort das Gebot Gottes an die Menschen („von allem Bäumen …“, mit der direkten Ansprache: „Du“),
– dann erst spricht er (Monolog: „es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“);
– danach benennt Adam die Tiere (die Gott dem Menschen zuführt),
– dann – nach einem „tiefen Schlaf“ und nach der Trennung von Mann und Frau – spricht erstmals der Mensch (Monolog: „Das endlich ist …“).
– „Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander.“
– Der erste Dialog (Dialog der Verführung, des Betrugsvorwurfs gegen Gott) ist der zwischen der Schlange und der Frau, während die Interaktion der Frau „mit ihrem Mann“ noch stumm ist.
– „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. … versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott … unter den Bäumen des Gartens.“
– Gott ruft Adam, Adam meldet sich, antwortet; Dialog Gottes mit der Frau;
– Gott verflucht die Schlange, die Frau und Adam, sowie im Wort an Adam den Acker.
– Adam benennt seine Frau (Eva, Mutter aller Lebendigen).
– Abschlußmonolog Gottes, Vertreibung aus dem Paradies und Aufstellung der Kerube „mit dem lodernden Flammenschwert“.
– Adam erkennt Eva, seine Frau.
Was war das Wort Gottes ohne den Menschen? Ist nicht in dem (noch unentfalteten, gleichsam embryonalen) sprachlichen Element des Schöpfungsberichts der Adressat dieser Sprache mitgesetzt? Wer ist dieser Adressat? Gibt es ein Hören und Verstehen des Geschaffenen schon vor der Erschaffung des Menschen, oder ist die Schöpfung ein ins Leere, in der Erwartung, daß der Mensch sie einmal vernehmen und begreifen wird, gesprochenes Wort? Ist die objektive Sprache das Element, in dem die Schöpfung bis hin zum Menschen sich entfaltet?
Zum Inertialsystem: die Erhaltungssätze ergeben sich zwangsläufig aus den Orthogonalitätsbedingungen des Systems (nach der Übertragung und Erweiterung der räumlich-metrischen Strukturbestimmungen aufs Inertialsystem: auf die Zeit und die Materie, die „träge Masse“).
Die Reflexion des Herrschaftsmoments im Inertialsystem ist nur möglich, wenn sich das Inertialsystem als etwas Abgeleitetes bestimmen läßt (Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit). Die Kommunikationstheorie, die (nach der falschen Versöhnung mit der Natur) die Versöhnung durch den Konsens ersetzte, verdrängt das Schuld- und Herrschaftsmoment in der Erkenntnis.
Gründet die Sexualmoral im Verbot des Mißbrauchs des Segens? Hängt hiermit die Selbstverfluchung in der Geschichte der petrinischen Verleugnungen zusammen?
Wer den „inneren Schweinehund“ (sc. das Gewissen oder die Gottesfurcht) in sich besiegt hat, hat seitdem Angst vor der „Nestbeschmutzung“ („die Juden haben das Gewissen erfunden“: die Gottesfurcht).
Die private Existenz ist die vergesellschaftete, verdinglichte Gestalt des Lebens „im Angesicht“, seine Geschichte ist mit der des Christentums (und mit der der christlichen Sexualmoral, der Privatisierung der politischen Moral) untrennbar verbunden. Die christliche Sexualmoral gehört in den Kontext der verwalteten Lehre und des verwalteten Segens (der verwalteten Gnade: der christlichen Opfertheologie). Grund ist die Verwechslung der Schöpfung mit der Welt (die dann am Ende die schöpferische Potenz blasphemisch naturalisiert; sie ist vorbezeichnet im trinitätstheologischen Begriff der Zeugung, der den der Versöhnung neutralisiert, indem er ihn naturalisiert).
Zwei Zitierweisen: Neben dem autoritären Zitat, das den Zitierenden der Begründung enthebt, gibt es das Einsichtzitat, in dem die Begründungspflicht fortbesteht, der Zitierende nur die Formulierungshilfe eines anderen in Anspruch nimmt (Verhältnis von Einsicht und Begründung: Problem des Erkenntnisbegriffs).
Die Geschichte der Dogmenentwicklung ist die Geschichte der Identifikation mit dem Aggressor.
Kant hat mit seinem Begriff der „kopernikanischen Wendung“ etwas sehr Wichtiges bezeich#net: Das Inertialsystem und die naturwissenschaftliche Aufklärung übernimmt von dem Herrschaftsauftrag an die Sonne das Herrschen über die Zeit, von dem an den Mond das Erleuchten der Nacht (Bedeutung der Astronomie für die Geschichte der Aufklärung).
Die Welt ist der Inbegriff der Urteile der anderen (des Auslands, der Geschichte, der Wissenschaft), die nur deshalb meine Zustimmung fordern, weil ich selbst für andere ein anderer bin (der ohnmächtig-wütende Protest des Ausländerfeinde gründet in diesem Konzept). -
31.12.91
„Alle Menschen streben nach dem Wissen“, weil sie die Ungewißheit des Nichtwißbaren (und der potentiellen Schuld), der Zukunft, nicht ertragen können. Das deutsche Versicherungswesen ist gerade keine „Solidarhaftung“, sondern einerseits ein Netz, durch das zu viele hindurchfallen, und anderseits ein Abwälzen der Last auf die Nachfahren, die Zukunft, die gleichsam apriori in Schuldhaft genommen wird: ein Exkulpationssystem.
Wer Wahrheit an die Kommunikation bindet, bindet sie an die Beweislogik, mit all den Folgen, die sich daraus ergeben (Freispruch der Gemeinheit).
Im Zusammenhang der Hegelschen Beziehung von Volksgeist und Weltgeist müssen die Volksgeister (die Nationen) sterblich sein: deshalb ist der Idealismus antisemitisch.
Das „die Erde bringe hervor“ bedeutet, daß die Pflanzen und die Tiere nicht unmittelbar von Gott geschaffen wurden (ausgenommen die großen Seetiere).
Ist der Ort der erschaffenen „großen Seetiere“ das Wasser über oder das unter dem Firmament?
Das Schicksal ist das gesichtslose Anlitz der Natur.
Grundlage des liberum arbitrium (der Wahlfreiheit) sind das Geld und der Raum (und ihre „Freiheitsgrade“), wobei das Geld die Beschränkung auf drei Dimensionen aufhebt (das Geld korrespondiert dem „Wert“, dem Gewicht der Einzeldinge; Zusammenhang des Wertgesetzes mit dem Gravitationsgesetz: was ist hier die Sonne?).
Die Entstehung der Schrift (Säkularisation des Bildes), der Ursprung des Geldes (des Wertgesetzes) und die Entstehung des Weltbegriffs (der Raumvorstellung) sind Teile eines Prozesses.
Derrida: Grammatologie, S. 173: Rousseau, der Christologe des modernen Naturbegriffs. Oder: Rousseau, die Krise der Schrift und der Rückfall in die Barbarei. (In Derrida explodiert die Rousseausche Revolte der Natur – vgl. hierzu Horkheimer.)
Die Stimme bewegt nicht die Natur, wohl aber die Ökonomie.
Seit dem Ende des letzten Krieges herrscht in Deutschland ein geradezu wütender Rechtfertigungszwang.
Zum Begriff der Offenbarung: Der brennende Dornbusch ist der Inbegriff (das Außenbild) der Apokalypse. Im Prozeß der Weltbildung wird die Offenbarung apokalyptisch.
Liegt die Schuldknechtschaft (der Ursprung der hpr) vor dem Ursprung der Kriege (dem Ursprung des Handels und der Schrift)? Wann und wo ist erstmals von Kriegen die Rede? (Alle Kriege zielen auf Eroberungen: gibt es auch Erunterungen?)
Ist die nordafrikanische Vätertheologie (der Ursprung der lateinischen Theologie in Nordafrika) punisch, hängt sie mit der Geschichte der Phönizier, mit der Erfindung der alphabetischen Schrift zusammen? -
22.12.91
Natur und Welt sind durch die Urteilsform an einander gebunden und von einander getrennt: Natur ist der Inbegriff aller Objekte von Urteilen, Welt der Inbegriff aller Urteile über Objekte. Der unreflektierte Gebrauch dieser Begriffe (ihr Gebrauch im Kontext der Selbsterhaltung, dem Grund der Urteilsform) verfällt ihrem Bann: er macht die Gemeinheit des Urteils unsichtbar. Naturphilosophie, die ihren Zusammenhang mit dem Weltbegriff, dem Prinzip der Selbsterhaltung, nicht reflektiert, verfehlt ihr Objekt.
Raum und der Ursprung des Scheins (der Gemeinheit): Der Raum ist durch die Neutralisierung des Richtungsmoments (durch die Mathematisierung der Winkelfunktionen oder durch die Neutralisierung der Teleologie und Instrumentalisierung des Zweckbegriffs: durch die selbstverschuldete Unfähigkeit, rechts und links: Zweck/ Grund und Ursache, zu unterscheiden) zur Basis und zum Medium der Instrumentalisierung geworden: Grund der
– Verdinglichung des Objekts,
– der Neutralisierung des Namens sowie
– der Zerstörung der argumentativen Kraft der Sprache;
Herrschaft des Gravitationsgesetzes.
Traum, Symbolbildung, Verschiebung und Projektion: So hängen der Traum und die Vorurteilsmechanismen mit dem Raum zusammen. In dem Verhältnis von Verschiebung und Projektion steckt das Relativitätsprinzip. Und die transzendentale Logik ist eine Logik des Vorurteils (der synthetischen Urteile a priori); sie schließt u.a. die Verteidigung des anderen aus (Konstruktion des Selbstmitleids; Zusammenhang mit dem autoritären Charakter: Ausschluß der Verteidigung in Terroristenprozessen; Verteidiger „Organ der Rechtspflege“). Die Bekenntnislogik beschreibt den gesellschaftlichen Kontext des Vorurteils.
Raum und Umkehr: Die Vertauschung von vorn und hinten und von rechts und links zieht die Vertauschung von oben und unten nach sich. Das „hinter dem Rücken“ (Verwechslung von vorn und hinten) und der Verzicht auf Barmherzigkeit (Verwechslung von rechts und links), mit einem Wort die wölfische Welt und ihr Grund, das Selbstmitleid, unterwerfen die obere Welt der unteren: begründen die Niedertracht und die Gemeinheit, mit einem Wort: den autoritären Charakter. Projektion und Verschiebung gehören zusammen wie die Unfähigkeit zur Verteidigung des anderen mit dem autoritären Charakter (beide wurzeln im Selbstmitleid, in der Erfahrung des „Schreckens um und um“). – Konstruktion der Materie (Ursprung des Inertialsystems) und Rekonstruktion der Sprache (Zusammenhang der Konjugationen mit den Deklinationen) – Der Logos und die Übernahme der Schuld der Welt?
Wer einen Menschen tötet, zerstört nicht eine Welt, er zerstört seine eigene Welt (die sprachlichen Wurzeln seiner eigenen Welt). Kain wurde „unstet und flüchtig“ (wie der Dornstrauch in der Jotam-Fabel).
Ist das Opfer Abels das Opfer des Wortes, mit dem Adam die Tiere benannt hat? (Vgl. den „Duft des Wortes“ im Sohar, S. 33) -
08.12.91
Die islamisch-christliche Differenz im Schöpfungsbegriff: in jedem Augenblick neu und Erhaltung der Welt, reflektiert die Differenz der Beziehung des Islams und des Christentums zur Philosophie, zur Verinnerlichung des Schicksals.
Im zweiten Schöpfungsbericht werden die Tiere von Gott aus dem Acker gebildet (und dem Menschen zur Benennung vorgeführt), nur im ersten bringt sie die Erde hervor.
Was ist der Unterschied zwischen der Erde (E. und Himmel), dem Acker (Acker und Adam) und dem Garten Eden (dem Garten der Bäume, die Gott „aus dem Acker … schießen“ ließ)? Und welche Bedeutung haben die vier Flüsse im Garten Eden (Beziehung zu den Wassern oberhalb und unterhalb der Feste)?
Das Christentum ist eine apokalyptische Religion, sein Grundwort ist das „Maranatha“, das dann freilich im Prozeß der Dogmatisierung (Parusieverzögerung) verdrängt wurde.
Nicht das Denken, sondern die Mathematik (in der das Denken sich nur auf sich selbst bezieht) ist das Narkotikum.
Jesus hat das Feuer auf die Erde gebracht, und er wollte, es brennte schon. Nur ist dieses Feuer dann nach innen geschlagen und zum Schwelbrand geworden: so ist das Christentum ausgebrannt.
Ist nicht heute die Kirche der Lazarus, der tot ist und schon riecht?
Wer in der Sprache sehen gelernt hat, für den gibt es keine Theorie mehr, sondern nur noch die Wahrheit.
Zum Genitiv: Hängt der Begriff des Genitivs nicht mit dem genus, mit der Zeugung, mit den toledot zusammen? Aber so, daß dieses Verhältnis (wie in der Trinitätslehre) in die casus mit hereingezogen: in ein Eigentums- und Herrschaftsverhältnis umgewandelt worden ist. Gilt nicht auch hier das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren?
Im Genitiv sind die Zeugungen idealistisch geworden (werden Begriffe zeugungsfähig und gezeugt): das ist der blasphemische Sinn des Zeugungsbegriffs, Erbe des hieros gamos und dessen, was die Propheten Hurerei nannten. Die Hegelsche Logik: die Totalität der Anti-toledot, und die Onanie der synthetischen Urteile a priori (die das namenlose Objekt erzeugen). Zusammenhang von Er- und Bezeugen (im Kontext des Beweises)?
Die Idee des Ewigen hat zwei Konnotationen, die zusammenzubringen sind: Die eine ist, daß sich das Ewige in keinerlei Hinsicht als vergangen denken läßt; die andere aber ist, daß das unabgegoltene Vergangene, die Toten, in die Idee des Ewigen mit hereingehören. Das aber heißt, daß die Idee des Ewigen ohne Erinnerungsarbeit, ohne das Eingedenken: ohne den Gedanken, daß die Toten, die wir nur noch ausbeuten, unsere Richter sein werden (ohne Umkehr des Historismus), nicht zu denken ist.
Mit jedem Menschen stirbt eine Welt, aber nicht das Zeugen, sondern Gerechtigkeit begründet eine Welt. -
05.12.91
Zu Ferdinand Ebners Bemerkung, das „Ich bin“ sei der erste Satz, das Urwort der Sprache (S. 141), ist berichtigend auf den Namen Adams (abgeleitet von adama – Acker: Zusammenhang von Acker und Erde: ist der Acker Erde als Eigentum, steckt das Moment des Eigentums in adama und Adam?) hinzuweisen. Die Sprache konstituiert sich nicht in der idealistischen Selbstbeziehung des Ich, sondern in der Fähigkeit zur Selbstreflexion der irdisch-gegenständlichen Schuld- und Eigentumsbeziehung: im Bewußtsein, Staub zu sein und wieder zu Staub zu werden. – Hängt der Name des Mannes isch (und der andere Name des Menschen Enosch/Henoch) mit dem des Feuers zusammen (wie der Name des Himmels)? Und steckt in Enosch das ani (Ich/nicht) und das isch (Feuer)?
Und verweist der Name Adams nicht auch auf die hervorbringende Kraft der Erde (am dritten und am Anfang des sechsten Schöpfungstages), aber als eine vergangene und so vom Menschen angeeignete, daß er deshalb die Tiere benennen, aber auch die Erde (den Acker) als Natur in den Schuldzusammenhang der durch ihn (durchs Eigentum und durchs Selbsterhaltungprinzip) konstituierten Welt mit hereinziehen kann? Mit der Erkenntnis des Guten und Bösen (die das Zu-Staub-Werden des Adam und das Staubfressen der Schlange zur Folge hat) ist der Keim gelegt für den Ursprung des Staates (den Prozeß der Verweltlichung und die Trennung von Welt und Natur).
Das kantische Objekt ist Staub. (Noch einmal Nelly Sachs lesen!)
Wann wurde die Erde zum Acker? – Der zweite Schöpfungsbericht unterscheidet sich vom ersten dadurch, daß hier in der Idee des Paradieses die Erde zum Garten des Menschen gemacht wird: So wird sie danach zum Acker. – Wie verhält sich der „Blutacker“ (Hakeldama, darin ist adama enthalten) zum adamitischen Acker, oder zu dem Acker, von dem das Blut des Abel zu Gott schreit?
Heißt es beim Verbot zu schwören: Eure Rede sei ja, ja, nein, nein; oder heißt es: Eure Rede sei ja oder nein? Man wird ausschließen dürfen, daß Jesus hier die Grundsätze der Informatik und das herrschende Identitätsprinzip lehren wollte.
Zum Weltbegriff: Die Welt spricht sich durch die Exkulpationsmechanismen, die in ihren Begriff eingebaut sind, selber schuldig, ihr Begriff ist ein realer Inbegriff der Projektion.
NB: Es genügt nicht, der Weltgeschichte eine Naturgeschichte entgegenzusetzen, sondern es kommt darauf an zu begreifen, daß das eine ohne das andere nicht zu denken ist und beide unter einem Bann stehen. Wie die Planeten um die Sonne, so kreist unser Natur- und Geschichtsverständnis um das (ebenso leere wie – nicht leuchtende, sondern – scheinerzeugende) Zentrum der transzendentalen Logik und Ästhetik: um das Prinzip und den Inbegriff der Subjektivität.
Wird das adamitische Wesen des Menschen in den Bekenntnisreligionen verdrängt (durch die persona: die Maske, den Charakter), oder kommt es hier auf seinen Begriff? – Ist der Charakter das Animalische, von Adam Benannte im Menschen? Ist Adam das Grundwort der Sprache?
Ist die Erinnerung der Natur im Subjekt adamitisch? -
28.11.91
Das Relativitätsprinzip stellt genau den abschließenden Abstraktionsprozeß vor Augen: Hier wird – ähnlich wie durchs Tauschprinzip die Stadt (der Markt) – die Mechanik mit all den Folgewirkungen begründet. Zu den ersten Folgewirkungen gehört die Neubegründung der Astronomie durchs Gravitationsgesetz (auf der früheren Stufe des Sternendienstes und des Opfers). Die Ablösung und Konstituierung des mechanischen Objektivitätsbegriffes, dessen Grundlage der Bewegungsbegriff ist (mit der Äquivalenz von Raum und Objekt) verhält sich zum agrarischen (magischen) Objektivitätsbegriff wie das (gegen die Erde sich verselbständigende) Tier zur (ortsfesten) Pflanze. Gelenkfunktion hat das Relativitätsprinzip (auf der früheren Stufe das Tauschprinzip). „Hode hä sophia estin. Ho echon noun …“ (Off 1318)
Tiere sind nominalistische Wesen (sie wurden von Adam benannt). Und es ist kein Zufall, daß in der Apokalypse (beim Fall Babylons) die Könige, die Kaufleute und die Spediteure genannt werden (auch Noah und die Kirche sind Spediteure).
In der Religion übernimmt der Bekenntnisbegriff diese Funktion der (vergegenständlichenden) „Ablösung“: daher die zentrale Funktion des Bekenntnisbegriffs im Kontext der Konstituierung des Weltbegriffs (in der Sexualität – generell in der Sinnlichkeit -wird die letzte Bindung an die vorzivilisierte Welt gesehen; deshalb der Kampf gegen die Sexualität: die Sexualmoral, und die Vergeblichkeit dieses Kampfes: der Wiederholungszwang; aufzulösen nur durch Reflexion).
Die Subjektivierung der Sinnlichkeit ist ein Teil der Selbstverdinglichung des Subjekts (durchs Tauschprinzip, durchs Inertialsystem und durchs Bekenntnis).
Natur und Welt sind Totalitätsbegriffe, deren Funktion u.a. darin zu liegen scheint, uns durch ein quasi abkürzendes Verfahren die Last der Reflexion abzunehmen (die gleiche Leistung hat vor der Konsolidierung des Weltbegriffs die Idolatrie erbracht).
Kriegszeiten sind Bekenntniszeiten, und Bekenntniskriege sind die brutalsten Kriege.
Das hat die Linke nie begriffen, obwohl sie es von Marx hätte lernen können: daß der Materialismus keine Ideologie ist, sondern eine Anweisung, den Vorrang des Objekts anzuerkennen und nicht den Rechtfertigungszwängen zu verfallen, die seit Ursache des Idealismus gewesen sind (auch der Materialismus ist als Rechtfertigungslehre Idealismus).
Die apostolische Nachfolge ist die vergeistigte Form der Genealogie und bezieht sich auf eine Form des Lebens, das sich über die Sakramente reproduziert.
Rock: das Schreien der Steine.
Wer ist eigentlich der Pharao: das „große Haus“? In der Schrift kommt die Bezeichnung mit und ohne Eigennamen vor. Drückt sich in dieser Unterscheidung etwas aus? Sonst ist von Königen die Rede, nur im Hinblick auf Ägypten vom Pharao. Haben die Bezeichnungen König und Pharao den gleichen Stellenwert, die gleiche Bedeutung, drücken sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen andere Gestalten von Herrschaft aus (ist der Heideggersche Begriff „Haus des Seins“ pharaonisch)? Hängt es zusammen mit dem Unterschied zwischen dem „Turmbau von Babel“ und dem Sklavenhaus (mit den Fleischtöpfen), in dem die Israeliten (als hebräische Sklaven) beim Pyramidenbau (bei der Erstellung der Todesarchitektur) helfen mußten?
Die babylonische Gefangenschaft ist etwas anderes als das Sklavenhaus Ägyptens; davon ist dann das jüdische Exil wiederum zu unterscheiden (wie ist die Entwicklung von Hebräern zu Israeliten und dann zu Juden: Jesus war zu den „verlorenen Kindern Israels“ gesandt).
Durch das nationalistische Vorurteil, unter dem unsere Geschichtsschreibung leidet, und das wir in die Bibel hineintragen, wird diese entstellt und unkenntlich gemacht; so wird sie automatisch antisemitisch erfahren.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ursprung des Inertialsystems und der Entwicklung des Bank- und Kreditwesens (Ursprung und Entwicklung der doppelten Buchführung)? Nach dem Relativitätsprinzip ist die Bewegung eines materiellen Objekts der entgegengesetzten Bewegung des Inertialsystems äquivalent (Äquivalenz von Objekt und System; entspricht der Äquivalenz von Masse und Energie in der speziellen Relativitätstheorie Einsteins). Die Erfindung der doppelten Buchführung (Erfolgsrechnung: Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben) war die Grundlage des modernen Kreditwesens; sie hat das Anschauungsmaterial (das fundamentum in re) geliefert für den theologischen Begriff der creatio ex nihilo.
Gibt es eine Statistik über die Entwicklung des Geldumlaufs in den Industrieländern, und kann man unterscheiden zwischen Geldmenge und Zirkulationsgeschwindigkeit? Die vollendete Dynamisierung zeigt sich daran, daß der Wert des Geldes heute nur noch in Ausnahmefällen (imgrunde nur in rückständigen Ländern) von den Goldreserven der Zentralbank abhängt; die reale Abhängigkeit bezieht sich auf die Außenhandelsbilanz (zu deren Stabilisierung, wie im Falle der früheren Getreideeinkäufe der Sowjetunion, u.a. die Goldreserven eingesetzt werden können). – Der Fehlschluß der staatskapitalistischen Länder liegt darin, daß sie glauben, die Regeln des Tauschprinzips (der Geldwirtschaft) beibehalten und zugleich die Gesetze der Geldwirtschaft beherrschen zu können. Hier geraten sie zwangsläufig in die Rolle des Zauberlehrlings (sie lösen Entwicklungen aus, deren Folgen sie nicht überblicken können).
Der Annihilierungsprozeß, der jeder Kapitalschöpfung zugrunde liegt (und im Kreditwesen instrumentalisiert wird), gewinnt gegenständliche Bedeutung in jeder Form der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (bis hin zu den imperialistischen Raub- und Vernichtungskriegen). Deshalb war der Weltanschauungskrieg (und seitdem jeder Religionskrieg) ein Vernichtungskrieg (und aus dem Antisemitismus ableitbar).
Am Abend in einer Talk-Show Ernst Fuchs, der darauf hinweist, daß es eine unmittelbare Erfahrung des eigenen Ursprungs und des eigenen Todes nicht gibt: Beides, die Zeit vor meiner Geburt und mein Tod, ist mir eigentlich nur durch Mitteilung von außen und durch Rückschlüsse aus meiner Erfahrung mit anderen, bewußt. Ich für mich bin ewig, das Bewußtsein meiner zeitliche Endlichkeit (meines Anfangs und meines Endes in der Zeit) ist nur ein Reflex meiner Welterfahrung. Vergleich mit der sinnlichen Erfahrung (der Wahrnehmung der sinnlichen: der erleuchteten und farbigen, der warmen und kalten und der rauschenden, tönenden und klingenden Welt), die ebenfalls in ihrer Unmittelbarkeit nicht mitteilbar ist, außer über die Sprache nicht mit der Erfahrung der anderen kommuniziert. Dieses Ewige wird durch Objektivierung aufgehoben, vernichtet, bleibt unerinnert. An ihre Stelle tritt das Ich, das selber in den Weltzusammenhang verflochten (und somit wie die Welt sterblich) ist. Es wird wiedergewonnen nur als die Erfahrung und das Bewußtsein der Ewigkeit des anderen. -
29.10.91
Welt und Natur (Begriff und Name/Objekt) verhalten sich wie Lachen und Kränkung, dem die Lösung durch Weinen verwehrt ist (jedes Lachen enthält Wut in sich, ist ein Appell an kollektive Gewalt, das Weinen ist das principium individuationis: ein Hilferuf und Appell an den Parakleten). Das unterdrückte, verdrängte Weinen der Natur (das Verstummen des Objekts: des Tiers) ist die Antwort auf das Lachen der Welt (des Schicksals, des Begriffs, der Gesellschaft). Lachen (Wut) und unterdrücktes Weinen verhalten sich wie Prädikat und Subjekt im Urteil (Reversibilität des Urteils: im Prädikat wird das Tun zum Erleiden: das Handeln zur prädikativen Bestimmung des Subjekts, zum Begriff). In jedem Lachen steckt ein Stück wütende Anpassung an die Welt, und in jedem Weinen, in der Trauer, eine Ahnung davon, was der Natur angetan wird. Naturphilosophie ist möglich nur noch als Trauerarbeit (Zusammenhang mit dem Ursprung der Astronomie, des Geldes und der Schrift – Raum, Geld und Bekenntnislogik). Name und Schrift gehören zusammen wie Innen und Außen (theologischer und herrschaftsgeschichtlicher, „kunsthistorischer“ Ursprung der Schrift: vgl. Kafkas „Strafkolonie“), d.h. so, daß mit der Verewigung des Namens in der Schrift (wie im Opfer und in der Apotheose des Helden: im Geld) der Name seine benennende Kraft verliert und zum Begriff wird (Ursprung der Astronomie).
Hängen terra und terror (Erde und Schrecken) sprachlich zusammen (ist der Terror gleichsam die Innenseite des „Himmels“, der Feste, die die Wasser voneinander scheidet); ist Adam ein Schreckensname und der „Auftrag“ des Menschen, die Erde (adama) zu bearbeiten, eigentlich der der Verarbeitung des Schreckens, der auf der Erde lastet (erkennbar in der Gestalt der Tiere, die Gott Adam zuführte, denen Adam aber durch Benennung die Solidarität verweigert, mit der Folge, daß die Schlange sich rächte; bezeichnet nicht vor allem der „Staub“ das Produkt des Schreckens)? Und hängt die Ausbreitung des Terrors (die den orbis terrarum zum orbis terroris macht) mit der wachsenden widerstandslosen Anpassung an die verweltliche Welt zusammen? – Vgl. den „Schrecken Isaaks“ und die übrigen Schreckens-Stellen in der Schrift („Der Herr nennt dich … Schrecken um und um“ Jer 203,10, vgl. Jer 465, 4929, Ps 3114).
Weish 716: „doch der Herr lacht über sie“, vgl. Ps 3713: „Der Herr verlacht ihn …“
Gegen Nietzsche: Der Atheismus ist nicht Gegenstand einer „fröhlichen“, sondern der traurigsten Wissenschaft. Die Trauer und den Schmerz des Atheismus durch Lachen übertäuben ist barbarisch.
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