Verwaltung

  • 25.3.96

    In der Natur, die alles richtig macht, weil sie blind ihren Gesetzen gehorcht, erkennt sich die Verwaltung wieder.
    Die Kritik der Astrologie wird konkret erst als Kritik der Verwaltung.
    Das Verhältnis der Spaziergänger zur Natur ist ein anderes als das der Radfahrer. Sind die Naturschützer Radfahrer?
    Zum Namen der „hebräischen“ Schrift: Die phonetische Schrift gründet in der Beziehung der Sprache zu anderen Sprachen, in der Materialisierung der Sprache durch Rückführung auf den gemeinsamen Lautbestand. Die erste Gestalt einer phonetischen Schrift, die phönizische, war die Schrift eines Handelsvolkes (in einer Zeit, in der Handel Fernhandel war), eine Schrift, die erfunden wurde, um die Aussprache von Wörtern anderer Sprachen festhalten und wiedergeben zu können. Aus der phönizischen Schrift ist sowohl die hebräische als auch die griechische Schrift hervorgegangen. Die phonetische Schrift verfremdet jede Sprache, indem sie sie in das Licht anderer (fremder) Sprachen rückt. Sind die Begriffe Hebräer und Barbaren, die auf diese Fremdheit sich beziehen, Produkte der phonetischen Schrift (der Logik der Schrift)?
    Im Buch Esther wird der Erlaß des Königs an alle Gaue in ihrer Schrift, an alle Völker in ihren Sprachen, nur an die Juden in ihrer Schrift und in ihrer Sprache versandt (89).
    Zur Unterscheidung von Katze und Hund: „Hunde sind gehorsam, Katzen nicht“. Die Katze war ein Symbol Ägyptens, der Hund ein Symbol Babylons; Ägypten war das Sklavenhaus, Babylon eine Tempel- („freie Markt“-) Wirtschaft. (Fressen Hunden Fische?)
    War der Bann, das Verbot zu plündern, antibabylonisch? Oder anders: War die Erlaubnis zu plündern ein Mittel zur Erzeugung und Stabilisierung der Kampfbereitschaft (der „Moral“ der Truppe, wie man das vermutlich heute noch nennt) des babylonischen Militärs, und haben erst die Römer den „Gehorsam“ erfunden?
    Unzuchtsbecher: Wenn der Faschismus etwas mit verdrängter Homosexualität zu tun hat, was drückt dann in der gegenwärtigen lesbischen Bewegung sich aus? Wäre nicht eine politisch-ökonomische Reflexion der Schwulen- und Lesbenbewegung, die beide gegen das sexualmoralische (Vor-)Urteil in Schutz nimmt, an der Zeit?

  • 2.3.96

    Der Positivismus, der nicht nur eine „Richtung“ in der Philosophie, sondern die herrschende Tendenz des Wissenschaftsbetriebs heute insgesamt bezeichnet, ist das Instrument der Rückbildung der organisierten Erkenntnis ins Anorganische. Schlimm ist nicht diese Rückbildung, sondern die Unfähigkeit ihrer Reflexion. Genau dadurch aber unterscheidet sich beispielsweise Mach (und auch wiederum Wittgenstein) vom Wiener Kreis, daß sie ernsthaft daran sich abgearbeitet haben, den Vorgang bewußt zu machen, während der Wiener Kreis sich offensichtlich gern als Kommandoebene des Positivismus etabliert hätte. Gleicht er darin nicht der Intention und der Funktion des Neoliberalismus in der Ökonomie? Hier liegt nicht die Wurzel des „Kausalitätsproblems“: Als Apologet des kapitalistisch organisierten Eigeninteresses, in dessen eingeschränktem Wahrnehmungsfeld er selbstverständlich von der Geltung des Kausalprinzips ausgehen muß, muß er, um das hypostasierte Eigeninteresse irritationsfrei zu halten, zugleich versuchen, die Anwendung des Kausalprinzips auf die Erkenntnis der objektiven, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Folgen des Handelns zu unterbinden, was am einfachsten durch Verschiebung von der Ökonomie auf die Physik, die ohnehin zur Metaphysik der Ökonomie geworden ist, möglich ist (die Vernebelung der ersten Natur macht auch die zweite unsichtbar, wobei als sicherstes Mittel der Vernebelung immer noch die Verdinglichung logischer Sachverhalte sich erweist).
    Verwaltung gründet in der Umformung von Exkulpationsmechanismen in Handlungsmechanismen. Sie liefert das Modell subjektlosen Handelns: Man tut seine Pflicht, weiß aber nicht mehr, was man tut.
    Definition der Verwaltung: Der Bock als Gärtner.
    „Leistung muß sich wieder lohnen“: Die Kehrseite des staatlichen Sparzwangs, der neben dem Sozialbereich insbesondere die Verwaltung trifft, ist der unaufhaltsame Verschwendungstrieb derer, die davon profitieren. Dort, wo die Leistung nur noch am Verdienst gemessen wird, sind die Besserverdienenden eo ipso auch die Leistungsträger (auch ein Problem der Beweislogik).
    Das unterscheidet den Gehorsamen vom Hörenden, daß der Gehorsame die Verantwortung an den Herrn abgegeben hat: an das blinde Gesetz, das die Welt beherrscht, während der Hörende sein Handeln in die eigene Verantwortung übernimmt.
    Das Schuldverschubsystem ist das Resultat des widersinnigen Versuchs, Barmherzigkeit zu delegieren. Barmherzigkeit ist die Substanz der Autonomie, sie ist grundsätzlich nicht delegierbar.
    Der Beleidigte bleibt in die Infantilität gebannt: Er glaubt an die Kraft des Liebensentzugs.
    Das kopernikanische System ist der kosmische Reflex (und die kosmische Legitimation) des Selbsterhaltungsprinzips und der staatlich organisierten Gesellschaft von Privateigentümern (aus der das Proletariat definitionsgemäß herausfällt).
    „Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Den ersten Teil dieses Satze zitiert auch Jesus (Mt 2322) in einem gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gerichteten Text über das Schwören (das Schwören beim Tempel, beim Altar, beim Himmel).
    Kant hat den Raum als subjektive Form der äußeren Anschauung definiert, Hegel hat diesen Begriff zugespitzt zur Form der Äußerlichkeit. Darin drückt sich der logische Sachverhalt aus, daß alles Räumliche dem Gesetz des Seins für Andere(s) unterworfen ist. Der räumliche Punkt ist das Bild des Objekts: Indem ich eine Sache objektiviere, mache ich sie zu einem Sein für Andere.
    Adjektiv (that’s the question): Habermas hat in dem falsch zitierten Adorno-Wort „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“, das vom Original nur durch das Adjektiv „gequält“ sich unterscheidet, das Wort insgesamt verfälscht. Das Adjektiv, indem es dem Objekt eine Eigenschaft beilegt, objektiviert und verdinglicht das Objekt. Erst durch ihre (in den indoeuropäischen Sprachen entfaltete) Steigerungsfähigkeit wird das Adjektiv zum Adjektiv, gewinnt es seine grammatische, die Sprachlogik verändernde Funktion. (Vgl. das tob meod im Hebräischen, das „gut, gar sehr“, und die Rosenzweigsche Bemerkung hierzu, aber auch die merkwürdige Tatsache, daß die Steigerung des Adjektivs „gut“ (und welcher anderen in welchen Sprachen?) in den indoeuropäischen Sprachen von der allgemeinen Steigerungs-Regel abweicht, für die Steigerungsformen neue Stammformen (gut, besser, am besten) genommen werden; vgl. hierzu auch das Problem des Neutrums, seinen Ursprung im Fragepronomen <das keine geschlechtliche Unterscheidung, nur die von Person und Sache kennt, eine Unterscheidung, die im Hebräischen auf den Namen des Himmels verweist> und die hethitische, an die Logik des Fragepronomens anschließende Zwischenstufe der grammatischen Genus-Regelung, die ebenfalls nur die Unterscheidung von Person und Sache kennt (ohne Trennung von Männlichem und Weiblichem): gibt es Steigerungsformen im Hethitischen; wie verhält es sich mit den Personalpronomina – auch im Hebräischen? Wo entspringt das „Wie“, der mit der Steigerung sprachlogisch verbundene Vergleich, der im Deutschen an die weibliche Form des bestimmten Artikels <an das „die“, so wie Wer an „der“ und Was an „das“> erinnert? – Vgl. hierzu die Hypostasierung der Frage im Begriff der Judenfrage, der Seinsfrage, schließlich der Frage überhaupt, die bei Heidegger gleichsam durch Redundanz zum Grund der Eigentlichkeit metaphysisch aufgeladen wird: Ist „die Frage“ die letzte Gestalt des Wassers, mit dem die Philosophie einmal begonnen hat? Sind die Seinsfrage, die Judenfrage, die Frauenfrage u.ä. die schwarzen Löcher der Grammatik?).
    Wie verhält sich die Frage zu den sprachlogischen Formen der Konjugation (zu den Dimensionen der Zeit, zur Abtrennung des Handelns vom Subjekt)? Wie verhalten sich Frage und Problem? Was bedeutet der Ursprung des Wissens für die Geschichte des Begriffs der Frage? In welche Engführung bringt der Weltbegriff den Begriff der Frage? Wodurch unterscheiden sich Frage und Problem (Antwort und Lösung), und wie verhalten sich das Binden und Lösen zu Frage und Problem?

  • 20.2.96

    Verrottung des Staates: Der deutsche Staat hat den Sieg als Basis. Deshalb konnte er den Versailler Friedensvertrag nicht ertragen, und deshalb hat es nach dem Zweiten Weltkrieg einen Friedensvertrag überhaupt nicht mehr gegeben, dafür das Wirtschaftswunder, das die faschistische Weltherrschaft auch nach der militärischen Niederlage als ökonomische noch als reales Ziel vor Augen hatte, während auf der Seite der Sieger die westlichen Mächte den Sieg mit dem Verlust der Kolonien bezahlen mußten, die östliche Siegermacht mit dem Zerfall der Herrschaftsinstitutionen. Der Zerfall sowohl des Kolonialsystems als auch der Sowjetmacht verdankt sich der gleichen Ursache:
    – Die unmittelbare Kolonialherrschaft wurde überflüssig, als nach der Globalisierung des Marktes sich herausstellte, daß die ökonomischen Zwänge (die „Sachzwänge“) das Gleiche, ohne die Hilfe unmittelbarer politischer Herrschaft, nur noch sehr viel effektiver, zu leisten vermochten.
    – Die Grundlage der Sowjetmacht: das Konzept eines Sozialismus in einem Lande, seiner nationalistisch eingeschränkten Realisierung, zerfiel zwangsläufig mit dem Zerfall der nationalen Souveränität in der politischen Explosion des Faschismus; sie zerfiel zwangsläufig an der blinden Gewalt der Ökonomie (der anorganischen Gestalt politischer Macht).
    Was bedeutet das im Hinblick auf die Prozesse der inneren Verrottung der Staaten (Neoliberalismus, Sieg der Verwaltung über die Politik und Angleichung des Rechts an die Verwaltung: positivistisches Rechtsverständnis).
    Ein Vertreter der BAW im Hogefeld-Prozeß, der die Kategorien „möglich“ und „nicht auszuschließen“ (die affirmative Möglichkeit und die doppelte Negation in dem Ausdruck „nicht auszuschließen“) nicht unterscheiden kann, hält gleichwohl eine Beweisantrag der Verteidigung für nicht zulässig, weil er auf den Nachweis einer „negativen Sachbehauptung“ abzielt: Mit dieser Logik werden die Behauptungen der Anklage einfach unwiderlegbar, und auf dieser Basis wäre in der Nazizeit auch ein Antrag abzulehnen gewesen, der den Nachweis hätte erbringen sollen, daß Juden „keine Angehörige einer minderwertigen Rasse“ sind.
    Als sich auf sich selbst beziehende Subsumtionslogik ist der Raum die Form der Äußerlichkeit und das Instrument der Konstituierung des Objekts, seiner Apriorisierung (vgl. die Bedeutung und Funktion der Orthogonalität).

  • 15.2.96

    Das Gewaltmonopol des Staates ersetzt den Begründungszwang staatlichen Handelns.
    Die Vergesellschaftung des Proletariats, die Übertragung des Warencharakters auf alle ökonomisch Tätigen mit der daraus abgeleiteten Hierarchisierung der Waren (Luxusgüter und Wegwerfprodukte), enthält eine Bestimmung, die mit zu reflektieren ist: Die Proletarisierung derer, die oben sind, ist begleitet von einer explosiven Ausbreitung von Gemeinheit. Zugleich drückt in der Erscheinung ganzer Gruppen von Jugendlichen heute ein instinktiver Ekel vor denen sich aus, die dazu gehören, insbesondere vor denen, die oben sind; dazu gehört ein Bild, in dem die Selbsterfahrung des Punk sich ausdrückt, das Bild des angemalten Abfalls, zu dem als Symboltier nicht zufällig die Ratten gehören, die in der Realität die Müllhalden bevölkern.
    Im Buch Josue erscheint die Lade beim Durchgang durch den Jordan, bei der Eroberung Jerichos und bei der Versammlung zwischen den Bergen Garizim und Ebal, bei der Verlesung des Segens und des Fluches aus dem Gesetzesbuch. Im Buch der Richter wird die Lade nur in der Geschichte des Kampfes gegen die Benjaminiten erwähnt, bei der Befragung des Herrn in Bethel – „dort befand sich nämlich zu jener Zeit die Bundeslade Gottes“ (Ri 2027).
    Hegels Logik ist eine Entfaltung der transzendentalen Logik auf der Grundlage der Übertragung der Antinomien aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik. Ist nicht dadurch die transzendentale Ästhetik der Reflexion entzogen und zu einem Absoluten (zum blinden Fleck der Philosophie) geworden?
    Verdankt sich nicht der Schein, seine Stellung in der Logik des Begriffs, jener Veränderung der Logik, die sich aus der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ergibt (aus der Objektivierung der Zeit, der gleichen Veränderung, der sich auch die Apriorisierung des Objektbegriffs verdankt)?
    Im Namen erlischt der Schein, in der Kraft des Namens wird die Bodenlosigkeit des Begriffs aufgedeckt.
    Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff, es ist mit diesem seinem Rechtsgrund dem Schuldzusammenhang verhaftet.
    RAF-Prozesse unterscheiden sich von anderen Verfahren der Rechtsprechung vor allem durch die Verwandlungen des Angeklagten in den Feind und durch die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers. Diese Transformation ergibt sich zwanglos aus der kantischen Unterscheidung des reflektierenden vom bestimmenden Urteil (die in seinem Werk in der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft <der transzendentalen Logik> sich ausdrückt). Ist nicht der gesellschaftliche Grund dieser Differenz in der Unterscheidung von Verwaltung und Rechtsprechung vorgegeben? Verweisen nicht die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers und die Verwandlung des Angeklagten in den Feind (die Ausblendung seiner Subjektqualität und seine Reduzierung auf die Funktion des reinen Objekts) tatsächlich auf eine Tendenz der Angleichung der Rechtsprechung ans Verwaltungshandeln (entspricht nicht die tendentielle Ausschließung der Öffentlichkeit, die die Medien in vorauseilendem Gehorsam, gleichsam durch Identifikation mit dem Aggressor, inzwischen schon verinnerlicht haben, dem logischen Trieb zur Rückbildung des offenen Gerichtssaals in eine abgeschlossene Amtsstube)? Aber sind die Staatsschutzverfahren damit nicht der zwangsläufig unendliche, weil nie wirklich gelingende Versuch, aus dem reflektierenden ein bestimmendes Urteil zu machen (der Versuch der Konstruktion synthetischer Urteile apriori), aus dem prozessualen Recht ein Subsumtionsrecht, ein Verwaltungsrecht, zu machen? Staatsschutzprozesse sind keine Schauprozesse, deren Zeit ist abgelaufen.
    Schließt das Subsumtionsrecht nicht die Umkehr der Beweislast mit ein?
    Die Gesetzesbindung der Verwaltung begründet ein Recht ohne Öffentlichkeit (ein monologisches Verfahren der Urteilsfindung): Die verwaltete Welt ist das Korrelat der Wittgensteinschen Definition; diese Welt ist alles, was der Fall ist.
    Führen nicht die Staatsschutzprozesse den realen Beweis, daß kommunikatives Handeln monologisch ist? Und ist nicht die Ausscheidung der Reflexion aus dem Urteil (im Konstrukt des propositionalen Satzes, dem grammatischen Grundelement der Linguistik) die zwangsläufige Folge eines Objektivitätsbegriffs, der neben der Information nur noch die Meinung, das unverbindliche Raisonnement, kennt (vgl. Habermas‘ Begriff der Öffentlichkeit)? Die Objektivität (die Welt) ist – nach dem Modell einer Natur, die auch ohne die Menschen da ist – zu einem festzementierten Konstrukt, zu einem Betonklotz, geworden, gegen den der Gedanke, die Sprache, die Argumentation nichts mehr ausrichtet.
    Hat dieser Betonblock etwas mit dem Namen des (Simon) Petrus zu tun (mit dem Namen des Felsen, auf den die Kirche gebaut werden sollte)? Ist dieser Betonblock das steinerne Herz der Welt (das am Ende in ein fleischernes Herz umgewandelt werden wird)? Kann es sein, daß der transzendental-ästhetische Grund dieses Blocks, die subjektive Form der äußeren Anschauung, seine Ausscheidung aus dem Bereich der Reflexion (die Verwerfung der kantischen Antinomie der reinen Vernunft, der einzigen Stelle, an der ein Versuch der Definition der Totalitätsbegriffe Welt und Natur vorkommt), mit den sieben Siegeln der Apokalypse (und mit den sieben unreinen Geistern, von denen Maria Magdalena befreit wurde) zu tun hat? Ist der „Fels“ das gegenständliche Korrelat der ungelösten Siegel? – Wer ist die „Schwiegermutter des Simon Petrus“?
    Läßt sich nicht die Hegelsche Logik, die auch eine Staatslogik ist, unter diesem Aspekt begreifen: als Versuch, das bestimmende mit dem reflektierenden Urteil zu verschmelzen, das reflektierende Urteil ins bestimmende Urteil mit hereinzunehmen? Vorausgesetzt ist eine Zeitvorstellung, die das (unendliche) Ende antizipiert: Deshalb gehört zu Hegels Philosophie das Weltgericht (die Gegenwart des antizipierten Endes, dessen Verkörperung der Staat ist).
    Rührt die Subsumtion des reflektierenden unter das bestimmende Urteil (auf die das Adorno-Wort „Das Ganze ist das Unwahre“ sich bezieht) nicht an den Grund des Symbols des apokalyptischen Tieres?
    Hat sich Habermas mit der Theorie des kommunikativen Handelns nicht freiwillig (in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor) in die Isolationshaft begeben, vor der zu fliehen versuchte, als er von der kritischen Theorie sich verabschiedet hat?
    Sind nicht Bad Kleinen und die Durchführung der Asyl-Regelung ein Beleg dafür, daß mit der „Wiedervereinigung“ etwas qualitativ Neues eingetreten ist: Die Grenze, auf die definitionsgemäß der BGS sich bezieht, ist von außen nach innen verlagert worden. Bad Kleinen ist Mogadischu, der Frankfurter Flughafen die alte „Zonengrenze“. Der BGS, dieses hybride Konstrukt aus Militär und Polizei, ist das polizeiliche Äquivalent der Staatsschutzsenate und der Geheimdienste.
    Hängt der Satz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ mit dem Testament-Begriff (in den Paulus-Briefen, vor allem aber im Hebräer-Brief) zusammen, und bezieht er sich nicht auf die theologische Wendung, die der Testament-Begriff belegt (ist nicht der Testament-Begriff das Begräbnis der Toten durch die Toten, die Selbstzerstörung der Offenbarung durch Anpassung an die Logik des Weltbegriffs, die Wurzel der Logik des Inertialsystems; durch seine Beziehung zum Begriff des Erbes erinnert der Name des Testaments nicht grundlos an den Begriff der Erbsünde, den der Weltbegriff instrumentalisiert; die Welt ist die Welt der Väter, ihr Testament)?
    Der Hebräer-Brief läßt sich zwanglos als Konsequenz aus dem Urschisma begreifen: als Darstellung und Produkt der Introversion des Opfers, dessen Realität mit den Juden verworfen wurde. Der Hebräer-Brief ist ein Beispiel dafür, daß jede Verurteilung den Urteilenden in den Bann seines eigenen Urteils hereinzieht.
    Ist nicht der Versuch, die Probleme, die Frauen mit einer Sprache haben, in der sie „nicht vorkommen“, durch Sprachregelungen zu lösen, erkauft mit der Sprachlogik eingebauter, automatisierter Verurteilungsmechanismen?

  • 2.2.96

    „Präpositionen wie anläßlich, betreffs, bezüglich, mangels, mittels[t], seitens, vermittels[t], zwecks gelten als Papierdeutsch.“ (Duden, Grammatik, S. 364) – Gibt es auch Papieritalienisch, Papierfranzösisch, Papierenglisch? In welchem Zusammenhang werden diese Präpositionen gebraucht (Herrschafts-, Verwaltungs-, Mediensprache)? Gibt es noch andere Sprachelemente und sprachlogische Konstruktionen, die in diesen Bereich gehören? Ist die papierdeutsche Grammatik das Produkt einer transzendentallogischen Rekonstruktion der Sprache, ist das Papierdeutsch Subjekt-Objekt der Sprache der Hegelschen Logik, die die Logik der Schrift ebensosehr reflektiert wie sie sie als Maß ihrer eigenen Rationalität anerkennt (sprachlogisches Paradigma: „Was für eines“)?
    Ideal der Verwaltung: Alle tun ihre Pflicht, und keiner weiß, was er tut. Globke war nicht zufällig der erste Staatssekretär an der Spitze der bundesdeutschen Administration.
    Die Sprachlogik des Papierdeutsch ist die Sprachlogik der deutschen Verwaltung. An der Durchführung des Asylkompromisses wäre zu demonstrieren, daß der Faschismus in der Verwaltung als Modernisierungsschub sich begreifen läßt. Das Papierdeutsch ist wie die deutsche Verwaltung insgesamt (mit einem „Kanzler“, einem Verwaltungsamt, an der Spitze einer „Regierung“) ein Reichserbe: Es gibt keinen Kaiser mehr, aber die der Verantwortung enthobene Verwaltung, die ihre Pflicht tut, ist geblieben. Im führerlosen Staat wird das Ausland zum Repräsentanten der politischen Vernunft.
    Das Papierdeutsch ist das Ergebnis eines unüberbietbar radikalen Versuchs, eine reine Subsumtionssprache herzustellen, eine Sprache, die alles Handeln ins Passiv übersetzt. Das Papierdeutsch ist Ausdruck der Gewalt der Verwaltung, die die Politik am Ende demoralisiert und handlungsunfähig macht. Die Medien sind zu einem Organ der Hofberichterstattung geworden, nur daß an die Stelle des Hofs das reine Nichts getreten ist.
    Vergleiche auch die Rechtssprache, die diesem Zustand immer deutlicher sich anpaßt („in Augenschein nehmen“: ein Realitätsbezug, der sich selbst dementiert).
    Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns, deren Urspünge in den USA wahrscheinlich sehr viel anders klingen, ist durch seine Übertragung ins Deutsche ins Papierdeutsche übertragen worden.
    Sind nicht die philosophischen Kategorien seit ihrem Ursprung (bei Aristoteles) Papierkategorien: Kategorien einer Sprache, die unter den Voraussetzungen der Logik der Schrift sich gebildet hat, zur Verkörperung und zum Gerüst dieser Logik geworden ist?
    War nicht der Übergang vom prosopon zur persona ein Übergang vom Sehen (des Gesichts) zum Hören (der Stimme, die durch die Maske hindurchtönt), aber eines Hörens, das über die Logik der Schrift selber wieder zu einem durchs Sehen vermittelten Hören geworden ist? Ist der Begriff der Person nicht durch seine Ursprungsgeschichte fast unanalysierbar geworden (vgl. die mittelalterliche Definition der Person: persona est rationalis naturae individua substantia)?
    Das Problem der Scholastik gründet darin, daß sie die Kategorien der aristotelischen Philosophie in einen sprachlogischen Kontext übertragen hat, in dem sie ihren Sinn und ihre Erkenntniskraft eingebüßt hat: sie ist durch Instrumentalisierung ins Dogmatische verschoben worden ist. Der griechische Ursprung der Trinitätslehre war ein politischer; er steht in sprachlogischem Zusammenhang mit der Logik des Römischen Reiches (Konstantin gehört in die Ursprungsgeschichte des Dogmas); durch die Übertragung der Trinitätslehre ins Lateinische ist die Opfertheologie in den Kern des trinitarischen Dogmas gerückt, das Dogma selbst konfessionalisiert worden. Die „Wirkung“ des Dogmas ist aus dem Bereich der Erkenntnis in den der Moral verschoben worden: Sein Hauptzweck war die „Entsühnung der Welt“, die zur Grundlage der Entzauberung der Herrschaft und ihrer Vergesellschaftung geworden ist.
    Das Computerdeutsch (das Informatikdeutsch) ist eine Steigerung des Papierdeutsch.
    Wenn die Ökonomie die anorganische Natur des Staates ist, dann ist die Privatisierung der staatlichen Aufgaben, ihre Übertragung an die Ökonomie, das Werk der Verwüstung.
    Das Scheitern Jesu war das Scheitern des Worts an der Schrift.
    Ist der Hahn der Morgenstern unter den Tieren?

  • 31.1.96

    Verhält sich nicht die Verwaltung zur Ökonomie wie das Inertialsystem und die in ihm ausdifferenzierten Begriffe und Gesetze zu den naturwissenschaftlichen Erscheinungen? Und konstituiert sich die naturwissenschaftliche Erscheinungswelt nicht erst durch die Rationalisierung der Schwerkraft (durchs Gravitationsgesetz) – so wie das Tauschprinzip durchs Institut der Lohnarbeit, durch die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip?
    Mit dem Begriff des Verfassungspatriotismus hat Habermas die Erkenntniskritik (den Kern der Gesellschaftskritik) aus der Philosophie ausgeschieden.
    Zur Frage, ob (neben Zacharias und Joseph) im NT Väter als handelnde Personen vorkommen:
    – Ist der Synagogenvorsteher, dessen Tochter Jesus zum Leben erweckt (Mt 918), der einzige (er heißt Jairus <Mk 522>; hat er etwas mit der Sippe Jairs zu tun, die in Zelten wohnt)?
    – Die Zebedäus-Söhne verlassen, als sie Jesus folgen, „das Schiff und den Vater“ (Mt 422).
    – Als einer, der, bevor er ihm nachfolgt, erst seinen Vater begraben will, antwortet Jesus: „Laß die Toten ihre Toten begraben“ (Mt 821).
    – Bei der Heilung des epileptischen Sohnes ist es der Vater, der Jesus um Hilfe bittet („Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben“, Mt 921).
    – Simon von Kyrene war der Vater des Alexander und des Rufus (Mt 1521).
    – Der Vater in der Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 1512).
    – Bei Johannes wird aus der Geschichte vom Hauptmann und seinem Knecht die Geschichte des königlichen Beamten und seines Sohnes (Joh 446).
    Der Vater der Zebedäus-Söhne erscheint nur am Anfang; ihn lassen sie „mit dem Schiff“ zurück. Die Mutter der Zebedäus-Söhne erscheint erst am Ende: Sie bittet Jesus, er möge ihre Söhne in seinem Reich zu seiner Rechten und Linken sitzen lassen; und sie gehört zu den Frauen unterm Kreuz (im Mt-Evangelium).
    Staatsschutzsenat: Aufgabe des Rechts wäre es, die Gerechtigkeit im Staat, nicht aber den Staat mit den Mitteln des Rechts zu schützen. Hier liegt einer der Gründe, die die Institution des Staatsanwalts so tief unsittlich machen. Notwendig wäre, den Staatsanwalt endlich durch einen öffentlichen Ankläger (der sein Tun als Person und nicht qua Amt zu verantworten hat) zu ersetzen. Es ist kein Zufall, daß, nachdem in Stammheim die Verteidigung zu einem Hilfsorgan der „Rechtspflege“ (was immer das sein mag) gemacht worden ist, im Hogefeld-Prozeß (und offensichtlich auch im Prozeß gegen Monika Haas) der Eindruck immer stärker wird, daß hier in wachsendem Maß das Gericht sich selbst zu einem Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft macht? Steckt darin nicht ein Stück institutioneller Logik in einem Lande, in dem der öffentliche Ankläger Staatsanwalt heißt und ein Staatsschutzsenat eben den Staat zu schützen hat, dessen Anwalt der Staatsanwalt ist? Im Hogefeld-Prozeß läßt sich die Macht- und Rollenverteilung der Beteiligten inzwischen an ihrem Verhalten ablesen.

  • 25.1.96

    Die subjektiven Formen der Anschauung, der Raum, das Geld und die Bekenntnislogik, sind als Instrumente der Vergegenständlichung und Instrumentalisierung zugleich Instrumente der Verurteilung. Deshalb gehört zur Bekenntnislogik sowohl das Feindbild als auch die Opfertheologie. Der logische Grund dieser Konstellation läßt sich erkennen an der Trennung der Idee der Glückseligkeit von der der Solidarität, an die erstmals Kants Idee der Menschheit in uns, die die Philosophie von ihrer Stummheit befreit, wieder erinnert.
    Zu Erde und Land gibt es noch die dritte Kategorie: den Acker.
    – Den Acker muß Adam, der von ihm genommen ist, bearbeiten; der Acker trägt die Dornen und Disteln. Es gibt den Blutacker.
    – Das Land ist das Land, das Gott Israel verheißen hat, in dem Milch und Honig fließt; allgemein die Länder, in denen die Völker wohnen (das Land Kanaan, das Land der Philister, das Land Mizrajim); es gibt die Götter des Landes (aber den Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat). Das Land ist das Land der Väter; seit wann gibt es das Vaterland?
    – Die Erde war im Anfang wüst und leer, und Finsternis über dem Abgrund und der Geist über den Wassern. Das Trockene, das sichtbar wurde, als das Wasser an einem Ort sich versammelte, nannte Gott Erde (und die Feste, die die Wasser unterhalb von den Wassern oberhalb scheidet, nannte er Himmel). Die Erde ist der Schemel Seiner Füße, der Himmel Sein Thron; Gott hat die Erde gegründet, den Himmel aufgespannt. Zur Erde heißt es: macht sie euch untertan (wird zwischen Besitz, Eigentum und Herrschaft unterschieden?).
    Wie steht das Haus zum Land, zum Acker, zur Erde?
    Das Paradies war ein Garten, in den Gott den Menschen setzte und in dem er „Bäume aus der Erde wachsen ließ, lieblich anzusehen“. Ist nicht auch der Weinberg ein Weingarten, der Ölberg ein Ölgarten (Getsemane ist aramäisch und heißt Ölkelter, die Weinkelter ist ein apokalyptisches Symbol)?
    Der Habermassche Medienbegriff (den er auf das Geld und die Macht, auf die Ökonomie und die staatliche Verwaltung bezieht) greift zu kurz: Korrelate des Geldes sind der Raum und die Bekenntnislogik, alle drei sind Instrumentalisierungen der Herrschaftslogik (oder auch Differenzierungen der kantischen „subjektiven Formen der Anschauung“). Alle drei sind Logiken der Vergegenständlichung, sie sind im Objektivationsprozeß, dessen Geschichte sie beherrschen und begleiten, nicht selber sichtbar; sie konstituieren und entfalten sich im Rücken des Objektivationsprozesses, sie liegen sich selbst im blinden Fleck, sind nur in ihrer gegenständlichen Anwendung erkennbar. Daß die kantische Erkenntniskritik zugleich zum Kern der Gesellschaftskritik geworden ist, hängt mit den Beziehungen dieser drei „Medien“ zusammen.

  • 15.1.96

    Habermas‘ Begriff des kommunikativen Handelns steht unter einem Objektivitätsdruck, der das Handeln gleichsam apriori in institutionelles Handeln verwandelt. Nicht zufällig entspricht die Aufteilung in objektive, soziale und subjektive Welt der Beziehung von Ökonomie, Verwaltung und Kultur. Ist nicht der Begriff des kommunikativen Handelns eine Weiterbildung des Begriffs der Öffentlichkeit, deren Strukturwandel einmal Thema der Habermasschen Habilitationsarbeit war (und bei dem auch schon ein verdinglichter Realitätsblock als Korrelat der Information vom Raisonnement, dem Bereich der subjektiven Meinung, deutlich unterschieden wurde)?
    Durch den Begriff der objektiven Welt (und seine Unterscheidung von der sozialen und der subjektiven Welt) ist die Logik des „kommunikativen Handelns“ schon vorentschieden. Bezeichnend, daß
    – eine Theorie des Geschwätzes (die auch eine Gestalt des kommunikativen Handelns ist) ebenso fehlt wie eine Diskussion des Vorurteils (z.B. der Studie über den autoritären Charakter),
    – das Problem der Objektivität (der Sprachlogik des Indikativs) unreflektiert bleibt (daß die Objektivität im Kontext des zweckrationalen Handelns sich auskristallisiert, wird bemerkt, aber die Konsequenzen bleiben unreflektiert),
    – das Problem des „falschen Bewußtseins“ ebensowenig angesprochen wird wie das der Rationalisierung (deren Begriff durch Übertragung auf den Bereich der Rationalität, so als wäre diese ein Produkt von Rationalisierung, verwischt wird).
    Welche Bedeutung hat eigentlich die Horkheimersche Bemerkung, wonach der Antisemit unbelehrbar ist, für die Konsistenz einer Theorie des kommunikativen Handelns?
    Herrschaftsfreier Diskurs: Diskurs der Herrschenden, nachdem die Beherrschten endgültig stumm geworden sind.
    Der Objektivitätsdruck ist Ausdruck des Rechtfertigungszwangs, unter dem die Theorie des kommunikativen Handelns steht, so wie der historische Objektivationsprozeß als Teil des Prozesses der gesellschaftlichen Schuldverarbeitung (als Teil der Herrschaftsgeschichte) zu bestimmen wäre.
    Eine Theorie des kommunikativen Handelns, die etwas taugt, müßte in der Lage sein, den Faschismus oder den Fundamentalismus (den Holocaust oder den jugoslawischen Bürgerkrieg) zu erklären. Faschismus und Fundamentalismus sind nicht nur „Beispiele“ kommunikativen Handelns, sondern Knotenpunkte, an denen die Logik des kommunikativen Handelns sich demonstrieren ließe.
    Grundlage der Konstruktion des kommunikativen Handelns ist ein kastrierter Begriff der Erkenntnis (deren Repräsentant ist das propositionale Urteil, das auf die Sache nur noch äußerlich sich bezieht).
    Dem Judentum und dem Christentum hat Habermas den Trieb zur Weltbeherrschung attestiert, während der Islam unerwähnt bleibt. Im Gegensatz zum Islam ist beim Judentum die Unterstellung eines Weltbeherrschungstriebs in jedem Falle unbegründet, sie erinnert nicht zufällig an die antisemitische Tradition.
    Die Mordlust (die in einer logischen Beziehung zum Weltbeherrschungstrieb steht) ist ein Produkt der Bekenntnislogik, die im Christentum ausgebildet wurde: Sie ist ein Produkt der Externalisierung der Bekenntnislogik, insbesondere der Opfertheologie, die den Kern der Bekenntnislogik bildet. Skinheads sind die letzten Confessores.
    Der Markt und das Tauschprinzip definieren die der organischen Natur aller selbsterhaltenden Institutionen zugrunde liegende anorganische Natur. Bezeichnet in der Entwicklung dieser organischen Naturen die Magie die pflanzliche, der Mythos die animalische Stufe?
    Die Frage, ob die Geschichte sich begreifen läßt, die Wolfgang Pohrt im Zusammenhang seiner Kapitalismuskritik stellt, ist nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten. Es ist beides darin: Post festum läßt sich die Geschichte begreifen, ist der ungeheure Zwang nachvollziehbar, unter dem der historische Prozeß abläuft. Es gibt keinen affirmativen Begriff der Geschichte, die vielmehr nur als das gnadenlose Weltgericht sich begreifen läßt. Das hebt die gleichzeitige Unbegreiflichkeit der Geschichte nicht auf, die vielmehr das Wesentliche an ihr bezeichnet: Diese Unbegreiflichkeit ist a) der Schutz vor der Verurteilung des Vergangenen, sie entzieht b) jeder Vorstellung, die mit der Gegenwart ihren Frieden schließen möchte, den Boden, Sie hebt das Einverständnis mit der Gegenwart auf und sensibiliert die Erkenntnis. Jede Empörung weist auf diese Sensibilisierung zurück, verrät sie aber zugleich an die Logik des Urteils. Jede Empörung ist ein Instrument der Abwehr, damit aber ein Beweis für die Existenz des Abgewehrten, dessen Inhalt nur dann sich erschließt, wenn man dem Trieb, sich zu empören, nicht nachgibt.
    Standesehre: Der Trieb, sich zu empören, ist insbesondere bei Bekenntnisgruppen verbreitet (wobei auch Standesorganisationen dazu neigen, wie Bekenntnisgruppen zu reagieren).
    Die subjektiven Formen der Anschauung gründen in der Tradition der Bekenntnislogik: In ihnen vollendet sich die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers.
    Die Schicksalsidee ist das logische Korrelat des Rechtfertigungszwangs, der Begriff seine erste Verkörperung und das Objekt das telos des Schuldverschubsystems (der Dingbegriff gründet in der Eucharistieverehrung des Mittelalters: im Anblick des die Bekenntnisgemeinschaft begründenden Symbols des entsühnenden Opfers).

  • 5.1.96

    Wie verhält sich die Kommunikationstheorie zur Bekenntnislogik, zur Logik des Weltbegriffs, wieweit ist sie zum Opfer eines selbstbezüglichen, das Subjekt unter dem Diktat der Intersubjektivität von sich selbst ausschließenden Säkularisationskonzepts geworden?
    Habermas macht den absoluten Schnitt zwischen Natur und Kultur, so macht er die Natur zum absoluten Gegensatz des Geistes: macht er sie unerkennbar, er streicht die kantischen Noumena einfach durch. So wird ihm auch die Kultur zu einem Stück anorganischer Natur.
    Wenn die Ökonomie die anorganische Natur der Staatenwelt ist, ist Deutschland dann nicht der Friedhof der Welt?
    Gibt es nicht neben (und als Voraussetzung) der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ eine „Kolonialisierung der Vergangenheit“, die nur durch Erinnerungsarbeit aus dieser Verstrickung zu lösen ist?
    Ist nicht der Universalismus das Bonbon, das Habermas seiner akademischen Umwelt in den Mund steckt, mit dem er seine Gemeinschaft beteuert und versichert: Ich bin doch einer von euch; ihr seht, ich nehme euch ernst, nun akzeptiert mich doch endlich.
    Seit 68 reicht der durch den Faschismus erzeugte Rechtfertigungszwang so tief, daß selbst das Handeln sich darin verstrickt. Seitdem gibt es ein Handeln, das zwar nichts ändert, dafür aber als Alibi gebraucht werden kann; man kann sich selbst und andern sagen: Wir tun was. Hieraus läßt sich die raf ableiten.
    Staatsanwalt: Der Satz „Der Teufel steckt im Detail“ ist zu ergänzen: Der Satan (der Ankläger) ist eine Verkörperung des Systems.
    Seit der kopernikanischen Wende ist das falsche Zeugnis ein systemimmanentes Moment.
    Das Prinzip der Delegation von Verantwortung, das nach dem Krieg als Herrschaftsinstrument Karriere gemacht hat, war eigentlich ein Exkulpations-, ein Schuldverschiebungsinstrument. Nicht die Verantwortung, sondern ihre Last wurde delegiert. Genau das ist das Prinzip des Verwaltungshandelns, und dieses Verwaltungshandeln ist das Modell dessen, was Habermas kommunikatives Handeln nennt. Ist nicht die Kommunikationstheorie (die ein Ableger der Linguistik ist) Indiz und Gradmesser des Eindringens der Logik des Verwaltungshandelns in die Praxis und ins Selbstverständnis des Rechts und der Wissenschaften?
    Ausländerhaß ist eine Form von Selbsthaß in einer Welt, in der „wir alle“ Ausländer sind, die Deutschen (infolge des verlorenen, durch keinen Friedensschluß mehr zum Abschluß gebrachten Krieges) aber in besonderem Maße. Carl Schmitts Begriff und Verständnis der Souveränität (und jeder Nationalismus seitdem) war ein letztes verzweifeltes Aufbegehren dagegen. Das Problem der Souveränität ist kein Gesinnungsproblem, sondern ein geschichtslogisches Problem.

  • 30.12.95

    Der Schrecken ist das Feuer, das die eiserne Schale des Begriffs schmilzt.
    Die Verurteilung ist das sprachliche Korrelat des Lachens (deshalb hat Jesus nicht gelacht).
    Rückt nicht die Beziehung das Namens des Wassers zum Fragepronomen „Was“ die „großen Meeresungeheuer“, den Chaosdrachen, die Schlange, in eine Beziehung zum Neutrum (hat die Klugheit der Schlange etwas mit der Wasserseite des Himmels zu tun)?
    Hat der Dominus Deus Sabaoth, der Herr der Himmelsheere, etwas mit den Sternen des Himmels, die die Nachkommenschaft Abrahams repräsentieren, zu tun?
    Deutsche Verwaltungen kennen in der Regel keine zivilen Umgangsformen. Ausdruck der Verwaltungsmentalität ist u.a. der Begriff der „Bevölkerung“, der seinem Sprachsinn nach unterstellt, daß leere Gegenden von irgendwem „bevölkert“ worden sind (wahrscheinlich von einer Verwaltung). Ist nicht der Begriff der Bevölkerung ein gleichsam physikalischer Ausdruck: Auch hier werden die Dinge von außen in einen an sich leeren Raum gebracht.
    Die Gesetzesbindung des Verwaltungshandelns verleiht diesem Handeln die Qualität eines Naturprozesses, dessen Kenntnis Voraussetzung der Beherrschung (und Verwertung) der zweiten, gesellschaftlichen Natur ist. Der Vergleich der Verwaltungen, ihrer hierarchischen Strukturen und ihres gesetzmäßigen Handelns, mit den planetarischen Strukturen und Prozessen, der den alten Engelspekulationen zugrundeliegt, hat hier sein fundamentum in re. Die kopernikanische Wende hat die Verwaltung aus ihrer theologischen Verankerung gelöst, sie hat ihr eine kosmologische Begründung gegeben (für das Verständnis der neuen Astronomie ist es nicht unerheblich, sich daran zu erinnern, daß Kopernikus wie auch Newton in der Münz-/Finanzverwaltung tätig waren).

  • 15.12.95

    Der Definitionsmacht des Staates, die eine männliche Logik ist, sich entziehen, das heißt vor allem: die Logik dieser Definitionsmacht, die Logik des Herrendenkens, reflektieren, um ihr nicht selber zu verfallen. Nicht trotzig das Urteil der Bundesanwaltschaft sich zu eigen machen und nur das Vorzeichen umkehren (und das Unmögliche zu versuchen: den Mord, der nicht zu rechtfertigen ist, zu rechtfertigen): So betreibt man gleichsam präventiv und zugleich in vorauseilendem Gehorsam das Geschäft des Feindes. So macht man die Kronzeugen überflüssig, wird man zum Kronzeugen gegen die eigenen Genossen, fügt sich dem synthetischen Urteil apriori, dessen williges Opfer man so wird. In einem der ersten Versuche über die Folgen der KZ-Haft ist der Freudsche Begriff der „Identifikation mit dem Aggressor“ verwendet worden. Er bezeichnete das merkwürdige Phänomen, daß Häftlinge der Verführung, die Logik und die Urteile ihrer Peiniger sich zu eigen zu machen, nur schwer sich entziehen konnten; diese „Identifikation“ war ein Teil ihrer Überlebensstrategie (sind nicht die Rituale der Staatsschutzprozesse, und sind nicht insbesondere die Haftbedingungen nur als Teil des Versuchs, diesen Mechanismus zu instrumentalisieren, zu verstehen?).
    Die wechselseitige Durchdringung von Justiz und Verwaltung, die der Exkulpationslogik (der Ersetzung der gerechten durch die rechtfertigende Verantwortung) manifestiert sich insbesondere in den Staatsschutzverfahren, in denen es um die Rechtfertigung der rechtfertigenden Instanz (des Staates) geht, an der Beziehung der Fertigung synthetischer Urteile apriori (Überleitung der Rechtsprechung in ein Subsumtionsverfahren) zur Vorherrschaft des Feinddenkens (der Feind ist das gesellschaftliche Äquivalent des Objekts, des Gegenstands der Subsumtion).
    In den Texten der InfoAG gibt es Argumente, die den Eindruck erwecken, daß sie der Logik der Bundesanwaltschaft – nur gleichsam seitenverkehrt – aufs genaueste entsprechen. Für einen Augenblick erweckten sie den Verdacht, daß sie von einem Provokateur stammen könnten. Gehört nicht diese Argumentation zum Objektbild der Bundesanwaltschaft, das sie braucht, um die Verfahren in dieser Form durchzuziehen?
    Anstatt in offene Fallen hineinzurennen, wäre es sicher wichtiger, die Konstruktion dieser Fallen zu studieren. Nur so ließe sich ihre Wirksamkeit dekonstruieren.
    Wenn Anklagevertreter und Gericht die Angeklagte und ihre Verteidiger als Feinde und die Prozeßbesucher als Sympathisanten ansieht, so ist das deren Problem, nicht unser Problem. Es ist nur ein Hinweis auf mangelnde Differenzierungsfähigkeit. Wer sich davon nicht düpieren läßt, wird in der Lage sein zu bemerken, in welche Fallen sie hineinrennen.
    Sind die merkwürdigen Reaktionen auf die „Kirchenleute“ eigentlich so weit entfernt von der Logik des Senatsbeschlusses, mit dem er das beantragte seelsorgliche Gespräch ablehnte?
    Daß man Dinge verstehen kann, ohne sie gutzuheißen (und daß „alles verstehen“ nicht „alles verzeihen“ heißt), ist der wichtigste Grundsatz jeder Aufarbeitung der Vergangenheit. Aber haben die 68er nicht genau diesen Grundsatz verworfen? Es war einfacher, alles zu verurteilen, und in diese Verurteilung die ganze Generation derer, die den Faschismus miterlebt hatten, mit einzubeziehen. Daß der Faschismus vergangen war, daß er für die nachgeborene Generation nur noch gegenständlich war, hat ihr Urteil so gnadenlos gemacht. Es war so einfach: Über Schuld oder Unschuld entschied allein das Datum der Geburt, und dieser Generation kam es weniger darauf an, daß das nicht wieder passierte, als vielmehr darauf, daß, wenn es wieder passierte, sie jedenfalls zu denen gehörte, die daran nicht schuld waren. Nicht um Gerechtigkeit, sondern um Unschuld war es zu tun: Das aber führte mitten in die Logik der Rechtfertigungszwänge hinein, die die feindlichen Parteien seitdem gemeinsam hatten. Heute wird der Kampf gegen den Rassismus fast allein unter den Bedingungen einer Logik geführt, die zu den Wurzeln des Rassismus gehört: unter den Bedingungen der Bekenntnislogik, die den Rassismus zu einer Gesinnung, einer Weltanschauung macht, aber seine Funktion im Vernunfthaushalt, nämlich die Entlastung vom Anspruch und von der Last der Mündigkeit, den Zusammenhang der Exkulpationsstrategien, in denen er sich konstituiert, nicht begreift. Zu den Grundmotiven der inneren Begründung des Rassismus gehört insbesondere die Entlastung vom Tötungsverbot (die zugleich seine Nähe zum Sexismus begründet). Der Rassismus ist ein logischer Teil der Staatsmetaphysik, in der er in einer bestimmten Phase der Herrschaftsgeschichte sich konstituiert; er entspringt in der gemeinsamen Geschichte mit dem Ursprung des Gewaltmonopols des Staates und zusammen mit der Unfähigkeit zur Reflexion dieser Ursprungsgeschichte. Das rassistische Syndrom ist im Ernst nur aufzulösen im Kontext der Fähigkeit zur herrschaftskritischen Reflexion.
    Hängt nicht die Abschaffung der Todesstrafe nach dem Krieg, die eine unmittelbare Reaktion auf den exzessiven Gebrauch, den die Nazis davon gemacht hatten, war, auf eine höchst vertrackte Weise auch damit zusammen, daß nach dem Krieg die Neubegründung des Staates nicht gelungen ist (und nicht gelingen konnte). Der Staat gründet in der Todesdrohung (in dem „Recht“ zu töten), und wenn der Mord im Strafrecht das einzige Täterdelikt ist (alle anderen Straftatbestände sind Tatdelikte), so verweist das darauf, daß der Staat im Mörder einen erkennt, der ihm das Recht zu töten durch die Tat streitig macht: Der Mord ist ein Angriff auf die Souveränität des Staates. Umgekehrt aber, wenn der Staat sich selbst des Rechts zu töten begibt (indem er die Todesstrafe abschafft), kann er dies nur unter zwei einander ausschließenden Bedingungen: entweder er schafft – mit der Begründung einer befreiten Gesellschaft – sich selbst ab (so mag Marx sich das Absterben des Staates vorgestellt haben), oder aber er verzichtet auf die Ausübung dieses Rechts (und damit auf eine der Rechtsquellen seiner Macht), weil es von den Gewalten usurpiert wurde, aus denen es einmal hervorgegangen ist und auf die damit auch die Macht wieder übergegangen ist: Ökonomie und Militär. Heute gibt es andere Formen der Todesdrohung, und diese stehen aller Welt vor Augen: in den Elendsgebieten, in den Auswirkungen der Schuldenkrisen, in der Bedrohung durch eine Armut, zu der es weithin keine Alternativen, und aus der es – nachdem die Marktgesetze universal geworden sind – keine Auswege mehr gibt, und die nur mit direkter Gewalt unter Kontrolle zu halten ist: durch Militärdiktaturen, Folterregime vor Ort und durch ein militärisches Vernichtungspotential, mit dem der Reichtum der Industrienationen gegen die Armut, die er produziert, sich abzuschirmen versucht.
    Jede Verurteilung zieht den Urteilenden in den Bann der Logik der Taten hinein, auf die das Urteil sich bezieht. Hilflos, und in der letzten Konsequenz selbstmörderisch, ist jeder Antifaschismus, der den Schrecken nur durch Verurteilung zu bannen versucht, anstatt ihn zu reflektieren. Nicht daß der Staat „sein wahres Gesicht zeigt“, hilft aus der Gefahr, sondern nur eine Erkenntnis, die ihm den Spiegel der Erinnerung vorhält, in dem er sich selbst erkennt. Im Faschismus hat der Staat sein wahres Gesicht gezeigt, und wer die Wiederholung heraufbeschwören möchte, weiß nicht wovon er redet.
    Scheitert nicht die Kritik Carl Schmitts bis heute daran, daß sie ein logisches Problem mit einem ideologischen verwechselt, daß sie eine verzweifelte Einsicht in die Fundamente des Staates, der Welt und der Zivilisation zu einer bloßen Gesinnung verharmlost und neutralisiert.
    Die Notstandsgesetzgebung hat versucht, den Schmittschen „Ausnahmezustand“ beherrschbar zu machen; sie hat damit an eine Tradition angeknüpft, die einmal Hitler den Weg frei gemacht hat.
    Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Tötung des GSG-9-Beamten in Bad Kleinen nicht durch Wolfgang Grams erfolgte, daß die Schüsse von Wolfgang Grams, die möglicherweise niemanden getroffen haben, in Notwehr erfolgten, und daß umgekehrt Wolfgang Grams selber von durchgedrehten Beamten, die damit den einzigen Zeugen beseitigen wollten, hingerichtet worden ist. Kann es sein, daß dagegen ein „rechtskräftiges“ (damit aber nicht notwendig wahres) Urteil gesetzt werden soll, das der Erforschung der Wahrheit eine juristische Hürde in den Weg stellen soll, auch um den Preis, daß eine nachweislich Unschuldige stellvertretend verurteilt und bestraft werden soll. Kann die Bundesrepublik vor diesem Hintergrund sich einen Prozeß wie den gegen Birgit Hogefeld überhaupt leisten?

  • 9.12.95

    Politische Naturgesetze und das Gewaltmonopol des Staates: Auch eine Mauer aus Paragraphen ist undurchdringlich. Die bundesdeutsche Asylgesetzgebung unterscheidet sich von der von der DDR errichteten Mauer nur durch die Richtung der Abschreckung: Die eine sollte keinen heraus-, die andere niemanden hereinlassen. In beiden Fällen erweist sich die gesetzlich installierte Gewalt als das politische Korrelat des physikalischen Trägheitswiderstandes.
    Ebenso wie es am Ende des Zweiten Weltkrieges keinen Friedensschluß mehr gegeben hat, gibt es seitdem keine erklärten Kriege mehr. Konflikte „brechen aus“ wie ein Vulkan. Kriege sind zu Naturereignissen geworden. Ist das nicht der entscheidende Hinweis, daß die politische Ökonomie insgesamt in Natur regrediert, daß sie ebenso unbeherrschbar geworden ist wie diese? Der Neoliberalismus, der für die uneingeschränkte Wirksamkeit der Marktmechanismen und -kräfte (für die Naturalisierung der Gesellschaft) sich einsetzt, ist die Ideologie dieses Zustandes, das Alibi für den Verzicht auf eine von bloßer Verwaltung sich unterscheidende Politik. Regieren ohne die Idee einer moralisch verantwortbaren Souveränität kann nur noch heißen: Aussitzen. Wenn die Grenzen der moralischen Legitimität des Handelns aufgehoben sind, begründen Macht, Gewalt und Erfolg sich gegenseitig, gibt es zu dem, was ohnehin sich durchsetzt, keine Alternative mehr.
    Keiner Generation hat sich die Gewißheit, daß die Vergangenheit sich nicht ändern läßt, so tief eingeprägt wie der Generation nach Auschwitz. Aus dem gleichen Grunde ist diese Generation ausweglos auf Rechtfertigungszwänge fixiert. Alles Handeln wird, wenn der Blick auf eine Änderung der Dinge, auf die Fähigkeit und die Kraft, in den Gang der Dinge einzugreifen, versperrt ist, allein noch unter dem Gesichtspunkt der Schuld, und d.h. im Bann des Rechtfertigungszwangs wahrgenommen.
    Ist nicht das Bilderverbot eigentlich das Verbot, von der Schwerkraft (vom Schuldzusammenhang) zu abstrahieren? Fällt nicht die kopernikanische Wende (und mit ihr die modernen Naturwissenschaften und der deutsche Idealismus) unters Bilderverbot? Und ist nicht die Ästhetik insgesamt, die in der modernen Welt zusammen mit der Geldwirtschaft, den Anfängen der Naturwissenschaft und dem Ursprung des konfessionellen Christentums entspringen, ein Produkt der Abstraktion von der Schwere (vgl. die Frage Rosenzweigs, ob Künstler selig werden können)?
    Zusammen mit einem Recht ohne Feindbild und ohne Kronzeugenregelung wünsche ich mir Solidarität ohne Komplizenschaft.
    Wer über Fehler nicht mehr nachdenken will, blockiert die eigene Lernfähigkeit. Man sollte die Kritik der raf nicht allein der Bundesanwaltschaft überlassen (und nicht jeden Kritiker für einen Sympathisanten der Bundesanwaltschaft halten).
    Darüber, ob die raf die Politik in der BRD nach rechts gerückt hat, wird man diskutieren können (und müssen). Ohne Zweifel war das nur möglich, weil das Potential dafür schon (oder immer noch) vorhanden war. Aber hätte nicht die raf diese Situation mit reflektieren müssen: Kann man wirklich die ganze linke Diskussion vor 68, von der nach 68 nicht viel übrig geblieben ist, durchstreichen und vergessen? Zwischen Lenin und der raf gibt es immerhin Namen wie Rosa Luxemburg, Georg Lukacs, Karl Korsch, Rudolf Hilferding, auch Ernst Bloch, Walter Benjamin, Horkheimer und Adorno: Wer diese Tradition glaubt links liegen lassen zu können, darf sich nicht wundern, wenn er nicht nur der Rechten Tür und Tor öffnet, sondern sich selbst am Ende rechts wiederfindet.
    Lehrstück der Dialektik: Hat nicht die raf dem Staat, der auf dem Sprung nach rechts war, Hilfestellung geleistet, ihm dazu das Rüstzeug, das er brauchte, geliefert?
    Gegen Habermas: Die Dialektik der Aufklärung ist nicht das „schwärzeste Buch“, sondern eine der genauesten Analysen einer der finstersten Perioden der europäischen Geschichte. Anstatt diese Analyse bloß abzuwehren, käme es viel mehr darauf an, sie auf den gegenwärtigen Stand zu bringen. Die Historisierung dieses Buches war eines der wirksamsten Mittel seiner Neutralisierung. Seine, weiß Gott, weiterbestehende Aktualität wäre zu retten.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie