Wenn ich weiß, wie etwas geht, beherrsche ich die Sache. Das Wie eröffnet die Herrschaftsfrage. So paßt die Frage Leopold von Rankes, wie es denn eigentlich gewesen sei, zu seiner These, daß alle Geschichte unmittelbar zu Gott ist: Sie macht den Historiker zum lieben Gott, zum ohnmächtigen Herrn der Geschichte.
Sind Seraphim und Cherubim die Verkörperungen von Wasser und Feuer? Daniel hatte das Gesicht vom Widder und vom Ziegenbock in der Burg Susa, die in der Landschaft Elam liegt, am Flusse Ulai (Ezechiel hatte seine Merkaba-Vision am Flusse Kebar). Hat der Strom im Paradies, der sich „von da aus“ in vier Arme teilt, etwas mit den vier Himmelsrichtungen und der Sündenfall etwas mit der Norm auf der Ebene, die durch die vier Richtungen sich konstituiert, zu tun?
Die kirchliche Unsterblichkeitslehre, die Vorstellung, ich könnte selig werden, auch wenn die Welt im Argen liegt, begründet eine autoritäre, ins Private gebannte Weltsicht: Die Welt und die Andern gehen dich nichts an, aber du sei brav! Eine Weltsicht, in deren Kontext es „Erlösung“ nur durch die Reproduktion des autoritären Charakters gibt.
Bezieht sich das apokalyptische Motiv des Erdbebens auf die ruhende Gegenständlichkeit, die Rosenzweig als das Bild der Vergangenheit erkannte? Und ist diese ruhende Gegenständlichkeit des Vergangenen (in die die Historisierung, die objektivierende Erforschung des Nationalsozialismus auch Auschwitz zu transformieren versucht) nicht sprachlogisch vermittelt, gründet sie nicht im indoeuropäischen Perfekt, in der Sprachform der „vollendeten Vergangenheit“? Und ist nicht die Trennung von Natur und Welt (zusammen mit der merkwürdigen Beziehung der Ursprungsgeschichte des Staates zur Objektivierung des Planetensystems) eine logische Hilfskonstruktion zur Stabilisierung dieser vollendeten Vergangenheit? Die Verdrängung und „Vollendung“ der Vergangenheit und die Erzeugung des Scheins der Reversibilität von Oben und Unten hängen zusammen. Hat die Verdrängung der Vergangenheit etwas mit dem Ursprung der Allmachtsphantasien der Verwaltung zu tun?
Die Vertreibung aus dem Paradies ist das Symbol des Ursprungs der Aufklärung, die Benennung der Tiere durch Adam das Symbol des Ursprungs der Sprache und der Gotteserkenntnis (der Sprache, in der der Name Gottes sich bildet und mitteilt). Gibt es einen Zusammenhang des messianischen Titels des Menschensohns mit dem Namen des Tieres und der Zahl seines Namens, die die Zahl eines Menschen ist? Ist der Menschensohn der Sohn dieses Menschen? Und ist dieser Mensch einer der Väter, an die die Forderung ergeht, zu ihren Kindern sich zu bekehren, und von denen es heißt: Laßt die Toten ihre Toten begraben? Hat nicht die Pseudonymität, der pseudepigraphische Charakter der Apokalypsen, etwas mit der Idee der Auferstehung der Toten zu tun?
Die Frage der Philosophie war die nach dem Was, die der Naturwissenschaften (und der Historiker) die nach dem Wie. Während die Naturwissenschaftler ihren realen Beitrag zu Naturbeherrschung leisten, sind die Historiker nur die Erben derer, die je geherrscht haben. Der Historiker ist der Feind des Propheten, er beraubt die Prophetie ihres Objekts, für ihn wird die Prophetie gegenstandslos. Hat nicht die kopernikanische Wende dem Historismus vorgearbeitet, hat sie nicht den Himmel gegenstandslos gemacht, indem sie mit dem Was auch das Wer aus dem Himmel ausgetrieben hat? Seit Kopernikus ist die Welt zu allem geworden, was der Fall ist, der Himmel zur reinen Verkörperung des Falls. Das Universum hat die Unterscheidung von Himmel und Erde gelöscht, Wasser und Feuer aus dem Himmel ausgetrieben: Stimmt es, daß der deutsche Name des Himmels mit dem des Hammers zusammenhängt (und das englische heaven mit heavy)?
Zum Wie: Das Hebräische kennt keinen Komparativ, keine Steigerungsformen (die die Adjektive zu einem sprachlogischen Instrument des Vergleichs machen). So gründet der Sündenfall in der Erkenntnis des Guten und Bösen (den gemeinsam mit dem Ja und Nein entsprungenen Uradjektiven). Ist das Wie der Turm, der bis zum Himmel reicht? Und ist Michael die apokalyptische Antwort auf die Intention des Sündenfalls (die im Turmbau ihr Echo findet), das Werden-wie-Gott (ist Michael nicht der deutlichste Hinweis auf den sprachlogischen Hintergrund der Apokalypse)?
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Ist die Nacktheit, das erste Objekt der Anschauung, nachdem sie vom „Angesicht“ sich löst, nachdem sie sich abwendet, die erste Antwort auf das Wie und damit der Ursprung dieser Frage? Gibt es deshalb „nackte Tatsachen“?
Vewaltung
-
5.2.1997
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie