Die Dreidimensionalität des Raumes begründet seine redundante Struktur und damit die Identität des Objekts, des Urteils und des Begriffs.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Beelzebubisierung, sie begründen das Reich, das mit sich nicht uneins ist: die Einheit des Herrendenkens.
Die Farben sind aus den Konstruktionen der elektrodynamischen Objektivation und Instrumentalisierung des Lichts nicht rekonstruierbar. Im Seitenblick auf die Farben, im Blick von außen, verschwindet ihre Qualität (die Schmerzen des Andern sind beschreibbar, sie können „nachgefühlt“ werden, sind aber kein Inhalt meiner Empfindung).
Die Erlösung ist nicht identisch mit der Freiheit von Schuldgefühlen. Beide, die Freiheit von Schuldgefühlen wie auch die „Schuldgefühle“ selber, sind generell pathologisch. Nur dem, der die Sünden (die er vergeben kann) vergibt, werden die Sünden vergeben.
Ist nicht die Lehre von der ewigen Wiederkunft ein Versuch, die Idee der Auferstehung zu retten, auch wenn die Vergangenheit irreversibel ist?
Wie hängt der Begriff der Schwere der Schuld mit der Einstein’schen Identität von träger und schwerer Masse (und der Bogen in den Wolken mit dem Gravitationsgesetz) zusammen? Gründet nicht die Beziehung der Farbe zu den Manifestationen seiner elektrodynamischen Objektivation (seiner Instrumentalisierung) in der Beziehung zur Schwere? Und ist diese Instrumentalisierung nicht der genaueste Ausdruck der Hegel’schen List der Vernunft? Sind die subjektiven Formen der Anschauung das Instrument der List der Vernunft?
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und das Problem der Konstituierung der elektrodynamischen „Erscheinungen“ (ist nicht der Korpuskel-Welle-Dualismus die Widerlegung des naiven Realismus der Mikrophysik?).
Die spezielle Relativitätstheorie ist selber noch abstrakt: Konstant ist nicht die Lichtgeschwindigkeit, sondern die Relation, die sich darin ausdrückt. Und kann es nicht sein, daß diese Relation (der „Wert“ der Lichtgeschwindigkeit) selber noch eine abhängige Variable ist?
Ist nicht die von Heisenberg und Weizsäcker nach dem Krieg etablierte Legende ein Paradigma des kollektiven Verdrängungsprozesses in Deutschland?
Der erste Ausdruck der List der Vernunft war der unbewegte Beweger des Aristoteles, der dann bei Hegel als die Idee des Absoluten sich enthüllte. Zwischen Aristoteles und Hegel liegt der gesamte Prozeß der europäischen Aufklärung, der die Geschichte der christlichen Theologie und die der Naturwissenschaften mit einschließt.
Drücken nicht Lev 2619 und Dt 2823 die beiden Aspekte des Inertialsystems aus:
– den Himmel über euch will ich wie Eisen machen und die Erde wie Erz, und
– der Himmel über deinem Haupt wird ehern sein und die Erde unter dir von Eisen?
Vgl. hierzu Lev 26 und Dt 28 im ganzen.
Wenn die Erde zum festen Boden wird, wird der Himmel zum Schicksal, zur Feste des Himmels.
Die Philosophie ist das work in progress der Instrumentalisierung des Schicksals, der Instrumentalisierung des Himmels.
Vor eine Theorie des Namens wäre das Motto: in philosophos, vor eine Theorie des Angesichts: in theologos, und vor eine Theorie des Feuers: in tyrannos zu setzen.
Der azurne Himmel des Tages und der Sternenhimmel der Nacht: die von beiden Seiten beschriebene Buchrolle.
Das Anschauen ist der Grund (und das Instrument) der Gewalt der Objektivierung.
Am Anfang des Christentums steht ein Urschisma (die Abgrenzung gegen die Juden) und eine Urhäresie (die Gnosis).
So wie der Staatsschutz die RAF, so braucht der nur verdrängte Antisemitismus den Netanjahu.
Stehen nicht
– das Sacharja-Wort „Wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an“ (28) und
– der letzte Satz des Jakobusbriefs „Wer einen Sünder von seinem Irrweg bekehrt, der wird seine Seele vom Tode retten“ (520)
in einer merkwürdigen Beziehung? Auf wen beziehen sich die Possessivpronomen vor Augapfel und Seele?
Es gibt ein starkes Selbstmordmotiv, wonach einer mit einem Selbstmord Menschen, die ihm nahe sind, bestrafen möchte. Hierbei geht der Selbstmörder davon aus, daß der Tod nicht der Tod des Andern ist, sondern ein Tod für andere. Diese Instrumentalisierung, die eines der stärksten Selbstmordmotive ist, ist das Grundmodell und das Paradigma des Schuldverschubsystems.
Ist nicht das exemplarische Beispiel des logischen Schlusses ein Paradigma der Beziehung der Philosophie zum Schuldverschubsystem:
Alle Menschen sind sterblich;
Sokrates ist ein Mensch;
Also ist Sokrates sterblich?
Die Philosophie hat das indogermanische grammatische Perfekt ratifiziert: Sie hat die Vollendung durch den Tod ersetzt. Gegen diesen Schluß richtet sich der letzte Satz des Jakobusbriefs.
Die Bekenntnislogik steht unterm Bann der List der Vernunft. Die List der Vernunft hat das Bekenntnis aus dem Bereich der Logik des Namens in den des Begriffs übertragen. Der Preis war die Vergöttlichung des Jesus im Sinne der Idolatrie.
Das Gebot gründet im Angesicht; zum Gesetz wird es hinter dem Rücken.
Im Namen erinnere ich das Angesicht.
Goethe-Denkmal: Das Bild begründet das Gesetz.
Die Mathematik hat die Transformation des Angesichts ins Bild (des Gebots in das Gesetz) automatisiert. Das Inertialsystem totalisiert diese Transformation. Dazu braucht der Raum seine drei Dimensionen.
Wird dieser Transformationsprozeß nicht täglich in der Dämmerung, im Sonnenuntergang sinnlich erfahrbar?
„Es ward Abend und es ward Morgen, ein erster (zweiter etc.) Tag.“ Davor steht der Satz „Und Gott sah, was er gemacht hatte, und siehe, es war gut“. Wenn beide Sätze getrennt werden, was steht dazwischen? Am zweiten Tag, an dem das „… es war gut“ fehlt, steht vor dem „Es ward Abend …“: „Und Gott nannte die Feste Himmel“.
Wie hängen Nacht und Tag (das Sechstagewerk) – auch Mond und Sonne, die über die Nacht und den Tag herrschen – mit dem „der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“ zusammen?
Vermag die Kraft der Reflexion auch die Planetenbahnen, die „Wege des Irrtums“, zu durchdringen? Liegt es an ihr, dem Himmel die Freude der Bekehrung des einen Sünders zu bereiten? Planeten sind Urteilszentren; auf sie bezieht sich die Kraft der Reflexion.
Ist die Merkaba der Verführung der Größe erlegen, der gleichen Verführung, die fürs Christentum vom Staat ausgegangen ist? Im Islam hat die Staatsverführung als „Religion“ sich verselbständigt.
Sind die Merkaba, die Kabbala und Sabbatai Zwi der Schlüssel zum Verständnis der korrespondierenden Entwicklungen im Christentum?
Rede ist organisiertes Geschwätz. Die Rede zielt auf Wirkung, nicht auf Erkenntnis.
Wäre nicht die Geschichte der Auseinandersetzung mit den Häresien neu zu schreiben: ausgehend von der Erkenntnis, daß die Orthodoxie in dieser Geschichte immer genau das rezipiert hat, was sie formell verurteilt? Das aber heißt, daß es heute keine größere Gefahr, häretisch zu werden, mehr gibt als die in der Bemühung, die Gefahr der Häresie zu vermeiden.
Zu Jak 219: Heute haben die Dämonen gelernt, auch das Zittern noch zu vermeiden (es auf die Dinge zu übertragen).
von Weizsäcker
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7.4.1997
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6.4.1997
Haben die drei Dimensionen des Raumes (oder hat die dreifache Beziehung des Raumes zur Zeit, die darin sich reflektiert) etwas mit
– den Momenten der Bekenntnislogik: Feindbild, Verrätersyndrom und Frauenverachtung, und mit
– der Konstellation Zahl, Maß und Gewicht
zu tun?
Hat das Gewicht (die Schwere) etwas mit der Schwangerschaft (der instrumentalisierten Barmherzigkeit) zu tun?
No pity for the poor: Sich den Kopf der andern zerbrechen, das ist das exakte Gegenteil, die genaue Umkehrung des Sich-in-den-Andern-Hineinversetzens, es ist dessen wirksamste Verhinderung. Die Phantasie, die heute im Projekt des Sozialabbaus am Werk ist, agiert nach diesem Rezept, sie zerbricht sich den Kopf der Armen, derer, die sich nicht wehren können. Ziel dieser Phantasie ist es, sich selbst die Erfahrungen der Andern, damit aber dem Andern die eigene Erfahrung auszureden.
Das Geschwätz ist ein wirksames Instrument der Einübung dieser Phantasie.
Gründet hierin nicht eine der schlimmsten Kindheitserfahrungen, und ist der gegenwärtige Generationenkonflikt nicht der genaue Reflex dieser Erfahrungen? Im Generationenkonflikt wendet sich das double-bind-Syndrom gegen seine Urheber.
Ist Weizsäckers Theorie der Sonnenenergie das physikalische Pendant zu Fichtes Staatsphilosophie?
In dem Wort über Adam: Staub bist du, und zu Staub wirst du wieder werden, steckt das Prinzip der Verwüstung.
Erwählung: Im Namen der Auserwählung ist die Nicht-Erwählung der andern Völker, die wechselseitige Abgrenzung, damit aber die Feindschaft gegen die andern Völker, ist m.e.W. das nationalistische Prinzip enthalten. Im Namen der Erwählung fehlt dieser konkurrierende Blick auf die andern Völker. Die Auserwählung ist das Produkt der Hellenisierung der Erwählung: die Heiden sind das jüdisch-christliche Äquivalent der griechischen Barbaren. Vergessen wird, daß Israel (schon in der Gestalt Abrahams) durch die Erwählung zu Hebräern für die Andern geworden ist. Das Christentum hat versucht, den nationalistischen Bann durch das Gebot der Feindesliebe zu lösen, auch die Heiden, die Völker noch zu Objekten der Barmherzigkeit zu machen.
Ist der Nationalismus nicht eine innere Konsequenz aus der Universalität des Kausalitätsprinzips, der Verwerfung des Endziels? Das logische Instrument, über das diese Konsequenz sich durchsetzt, ist Hegels „List der Vernunft“, das Prinzip der Naturbeherrschung in Natur und Gesellschaft.
Es gibt keine „letzte Klarheit“: Die „Klarheit“ der Aufklärung ist die der „klaren Fronten“, eine Konsequenz aus dem feindbildlogischen Prinzip, das der Aufklärung zugrundeliegt, den historischen Objektivationsprozeß begründet.
Die klarheitschaffende Front ist die Grenze zwischen Außen und Innen; mit der Hypostasierung des Raumes, der Etablierung der transzendentalen Ästhetik, der Form der äußeren Anschauung, wurde sie universal. Der Preis dieser Universalisierung, des Idealismus der Transzendentalphilosophie, der Preis der kopernikanischen Wende war das Konstrukt des Zeitkontinuums, die Subsumtion der Zeit unter die Vergangenheit.
Der unendliche Raum, seine ins Unendliche sich fortpflanzende Selbsterzeugung, der wir keinen Halt mehr gebieten können, ist der Unzuchtsbecher.
Ist nicht der Zusammenhang überdeutlich, wenn Brot die Barmherzigkeit und Wein das Gericht symbolisiert: Der Kelch ist das Gefäß des Gerichts.
Das Ding ist das neutralisierte Subjekt.
Allein mit Hilfe der Feindbildlogik (mit Hilfe des Objektbegriffs, der darin gründet) war es möglich, dem mythischen Bann des Schicksals zu entrinnen; aber hat der Bann sich mit dieser Logik nicht reproduziert?
Barmherzigkeit, nicht Opfer: Die Verinnerlichung des Opfers, die die Zivilisation begründete, hat die Barmherzigkeit in der Wurzel vernichtet. -
21.3.1997
Die Sprache steht der Wirklichkeit nicht gegenüber, sondern sie ist in sie verflochten und verstrickt. Wenn die Wirklichkeit außerhalb der Sprache und gegen sie sich zu behaupten scheint, so fällt dieses „außerhalb“ noch in die Sprache: als Objekt und Korrelat des richtenden Urteils. Die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt sind die Statthalter des richtenden Urteils.
Wenn die Sprachgeschichte ein Teil der Herrschaftsgeschichte ist, dann ein subversiver.
Das Huygens’sche Relativitätsprinzip ist ein Grenzfall des Einstein’schen, gültig im Bereich von (im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit) niedrigen Geschwindigkeiten. Entspricht hier nicht die Grenze, die die beiden Relativitätsprinzipien trennt und unterscheidet, der Grenze, die zwei Dimensionen des Raumes von einander trennt und unterscheidet? Sie bezeichnet einen zweiten Akt des Objektivationsprozesses. Nicht das selbe, sondern nur das gleiche Inertialsystem verbindet die Mechanik mit der Elektrodynamik und der Mikrophysik. – Oder ist es nicht schon das dritte: ist das zweite das des Gravitationsgesetzes?
Ist der Begriff des Falls im ersten Satz des Wittgenstein’schen Tractatus logico-philosophicus ein Produkt dieser dreifachen Objektivation? Das physikalische Äquivalent des Wittgenstein’schen Satzes ist die Einstein’sche Identität von träger und schwerer Masse.
Urteile werden gefällt: Was gefällt wird, wird zu Fall gebracht.
Sind nicht alle Begriffe, mit deren Hilfe mikrophysikalischen Erscheinungen und Prozesse beschrieben werden, metaphorische Begriffe?
In dem Vergleich der Nachkommenschaft Abrahams mit den Sternen des Himmels und dem Sand am Meer steckt ein logisches Problem: das der Pluralität.
Wie hängt Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ mit der Weizsäckerschen „Explosion von Genie“ zusammen (nach Kant ist die Natur im Subjekt die Produktivkraft des Genies)?
Wer das Problem der deutschen Fraktion der Kopenhagener Schule nur unter dem Gesichtswinkel schuldig/nicht schuldig sieht, verfehlt die Sache. Beginnt die wirkliche Schuld nicht erst in der Unfähigkeit, post festum die eigene Verstrickung (die in actu unsichtbar war) zu reflektieren: in der Geschichte der Verdrängung?
Blochs Satz „Der Anfang wird am Ende sein“ rührt an einen zentralen Sachverhalt: Die Geschichte der Aufklärung hat den Anfang ins Ende transformiert, und das über einen Akt, der die Wahrnehmung dieses Vorgangs zugleich verhindert hat, weil er im Kern des Objektivierungsprozesses selber sich vollzogen hat, in der Bildung der subjektiven Form der inneren Anschauung, der Vorstellung des Zeitkontinuums (der Idee des „Überzeitlichen“). Hierin gründet der Tatbestand, auf den der Satz sich bezieht: Alle tun ihre Pflicht, aber keiner weiß, was er tut. Deshalb ist die bloße Verurteilung des Faschismus ein Instrument der Umkehrverhinderung.
Der Ursprung der Umkehrverhinderung liegt in der kopernikanischen Wende: Seit der Konstituierung der Raumvorstellung (die die Vorstellung des Zeitkontinuums begründet und stabilisiert) führt jede Umkehr in die gleiche Scheiße zurück; seitdem ist die Zukunft wie die Vergangenheit. Die kopernikanische Wende hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht: den Begriff vom Namen getrennt und den Namen vernichtet (die Zerstörung des Tempels, bei der kein Stein auf dem andern geblieben ist).
Wo war in der Zeit der Richter die Bundeslade?
Der Nachkriegs-Atheismus gründet in der Zwangslogik des Sich-tot-Stellens. Er kündigte sich an in Heideggers „Vorlaufen in den Tod“. Die Religion, von der der Fundamentalismus nicht lassen will, ist eine Religion für andere.
Gehört nicht Weizsäcker zu den Protagonisten eines Diskurses über „Religion und Naturwissenschaft“, der es in erster Linie darum geht, ähnlich wie einmal die „spekulative Physik“ Einsteins, so jetzt auch die Religion so kurz und klein zu diskutieren, daß sie praktisch nicht mehr vorkommt, daß mit der Religion die Kraft des Eingedenkens, der Erinnerung, verschwindet. Dieser Diskurs steckt so im Bann der Rechtfertigungszwänge, die sehr konkrete Ursachen haben, daß er als Beleg für die Traditionszerstörung durch den Antisemitismus genutzt werden kann. Die deutsche Fraktion der Kopenhagener Schule war eine „deutsche Physik“, die Kreide gefressen hat.
Heute breitet das Täter-Opfer-Paradigma sich aus: Die Deutschen, die Christen, die Männer, die Väter, die „Besserverdiener“, sie alle haben allen Grund, dieses Paradigma zu reflektieren. Haben nicht die Exkulpationslogiken, die diese Täter-Opfer-Paradigmen erzeugen, etwas mit dem Stand der „Aufklärung“, die seit je auf „klare Fronten“ abzielte: mit dem Stand der Geschichte der Herrschaftslogik, etwas zu tun?
Wenn Hitler im Atheismus überlebt, dann gibt es zur Reflexion der Naturwissenschaften keine Alternative mehr. Hier werden die „Wege des Irrtums“ erstmals lesbar.
Die Logik des Traums des Nebukadnezar läßt sich an der Beziehung der Astrologie zur Astronomie demonstrieren: Die Astronomie ist das Instrument des Vergessens; vergessen wurde die Astrologie, die den Traum bezeichnet, der zu deuten wäre.
Astrologie und Astronomie lassen sich durch ihre Beziehung zur traditionellen Wahrheitsdefinition bestimmen: Die Astrologie hat die „adäquatio intellectus ad rem“ eröffnet, die Astronomie die „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“.
Das Urteil im Hogefeld-Prozeß hat im Umkreis der RAF eine ähnliche Wirkung ausgelöst wie die „Schüsse an der Startbahn“ auf die Anti-Startbahn-Bewegung. In beiden Fällen gab es den aufgescheuchten Hühnerhaufen. Verweist das nicht sehr deutlich auf die Beziehung von Urteil und Mord? In jedem Urteil, auch nach der Abschaffung der Todesstrafe, steckt ein Todesurteil. Deshalb gehört der Mord als Täterdelikt zu den Grundlagen des Strafrechts, zu den Säulen des Strafrechts.
Der Rechtsstaat ist der säkularisierte Faschismus.
Was hat Paulus gemeint, als er die drei Apostel in Jerusalem, Petrus, Jakobus und Johannes, die „drei Säulen“ nannte? Und was bedeuten eigentlich die Verdoppelungen und Verschiebungen in der Urgeschichte des Christentums:
– beim Jakobus (Zebedäussohn, Sohn des Alphäus, Herrenbruder – wer ist der Autor des Jakobusbriefs?)
– Simon (S. Petrus, Kananäus -> Nathanael?)
– Johannes (der Täufer, Zebedäussohn)
– Judas (Thaddäus, Sohn/Bruder des Jakobus, Herrenbruder, J. Iskarioth – sind Thaddäus, der des Jakobus und der Herrenbruder eins, wer ist der Autor des Judasbriefs)
– Philippus (Apostel, einer der Diakone)
– was ist mit Levi/Matthäus?
Ist es möglich, aus den vier Evangelien und der Apostelgeschichte eine einheitliche Apostelliste aufzustellen?
In der Nacht sind alle Katzen grau: Hat dieses Grau etwas mit dem „Grauen um und um“ bei Jeremias zu tun? -
17.3.1997
Die Natur ist der blinde Fleck der Theologie, das Wissen ihre Versuchung, die Welt ihr Gefängnis. Ist dieser Naturbegriff der Schlüssel zu Rosenzweigs Stern der Erlösung?
Das Wissen kommt von Gesehenhaben. Ist das Licht der dritte Brennpunkt der elliptischen Planetenbewegungen?
Die kopernikanische Wendung hat die astrologische Welttheorie (das „mathematische Ganze“) der Planetenbewegungen in eine Naturtheorie (das „dynamische Ganze“) transformiert. Die theologische Planetentheorie wäre eine Theorie der Wege des Irrtums.
Die Welt ist der Inbegriff der Herrschaft, die Natur der Inbegriff ihrer Objekte. Beide sind in die Herrschaftsgeschichte verstrickt. Der aristotelische „unbewegte Beweger“ ist der, der andere für sich arbeiten läßt und nur zusieht. Das Symbol des unbewegten Bewegers der Welt ist der Buddha, dessen letzte Verkörperungen sind die Teilnehmer der „Elefantenrunde“, als Einzelverkörprung Kohl, der alle Probleme nur noch aussitzt.
Ist der Raum, die subjektive Form der Anschauung, der Erbe der noesis noeseos?
Ist das Licht der Quellgrund jener Beziehung zu den Anderen, die in der Theologie Gnade heißt (vgl. den Titel Simone Weils „Schwerkraft und Gnade“)? Die Welt, die alles ist, was der Fall ist, ist ohne Licht.
Die Geschichte vom Sündenfall ist kein Mythos, sondern der Beginn der Auflösung des mythischen Banns: die Hilfe zur Reflexion der Schicksalsidee.
Die Schicksalsidee war ein Versuch, den Sündenfall durch Übersetzung in Statische, ins Welthafte, zu exkulpieren, den Schuldzusammenhang zu neutralisieren.
Der Raum ist in sich selber beides: statisch und dynamisch zugleich. Das drückt in der Physik im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, das die starren Strukturen des Raumes verflüssigt, sich aus.
Ist das Problem des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ein Problem des Maßes? Jedes Maß wird von außen an eine Sache (auch an eine Gerade im Raum) herangetragen. Es gibt insbesondere kein inneres Längenmaß einer Strecke. Aber wie konstituiert sich die Äußerlichkeit des Maßes gegenüber dem Gemessenen anders als durch die Form der Äußerlichkeit selber?
Das Tauschprinzip ist das Relativitätsprinzip der politischen Ökonomie. Hier reproduziert sich das Problem des Maßes im Geld.
Gegen Weizsäckers Bemerkung über die „Explosion von Genie“ hat Adorno schon das befreiende Stichwort geliefert: Eingedenken der Natur im Subjekt.
Hat nicht die deutsche Fraktion der „Kopenhagener Schule“ eine ähnliche Beziehung zu Niels Bohr wie die Habermas’sche Fraktion der Frankfurter Schule zu Horkheimer und Adorno? Beides sind Beispiele des konstitutiven Mißbrauchs.
Die Philosophie ist die Taschenlampe (oder der Scheinwerfer), die Licht in einen an sich dunklen Raum bringen soll, die Theologie lebt in Erwartung des Morgensterns, des aufgehenden Lichts.
Aufklärung bezieht ihre Energien aus dem Potential der Wut.
Welche Implikationen hat das nationale Votum für die „Härte“ der DM, was verhärtet sich mit der DM?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind Balken und Splitter im Auge.
Das Selbsterhaltungsprinzip begründet eine doppelte Grenze der Barmherzigkeit. Die eine liegt im Subjekt, das für andere Ziele als die der Selbsterhaltung keine Luft mehr hat, die andere im Objekt, das das Mitleid der Anderen nicht mehr erträgt und jeden Versuch zu helfen als Angriff und als Demütigung erfährt.
Wie das Inertialsystem die Dinge zur Trägheit verurteilt, so das Geld die Menschen zur Selbsterhaltung (und die Bekenntnislogik zu einer Unsterblichkeitsvorstellung, die am Zustand der Welt nicht mehr sich interessiert).
Seit es keine unzweideutige Sprache mehr gibt, gibt es zur Personalisierung (zur Empfindlichkeit und zur Ausgrenzung anderer) keine Alternative mehr. Deshalb ist Reklame nicht unpolitisch. -
6.3.1997
Thomas Powers „Heisenbergs Krieg“ ist in Wirklichkeit Heisenbergs Legende: Es ist schon erstaunlich, wie dreist der Nationalismus Heisenbergs (und der Antisemitismus E. v. Weizsäckers) heruntergespielt wird, so als sei es normal, angesichts der Vertreibung der jüdischen Kollegen, des Kriegs und des Genozids nationalgesinnt zu sein, und als sei es verständlich, wenn Heisenberg den Anstand im faschistischen Deutschland erst in dem Augenblick als bedroht ansieht, als es um die eigene Karriere (um die Berufung auf den Lehrstuhl Sommerfelds in München) geht. Da sieht er selbst in dem Versuch, Himmler einzuschalten, noch kein Problem. Andererseits trägt Powers doch sehr dick auf, wenn er die Bemühungen in den USA, nach Hahns Entdeckung der Atomspaltung die Möglichkeiten einer militärischen Nutzung der Atomenergie auszuloten, als gierig und irrational beschreibt (und auf die Sensibilisierung der Emigranten, die Art und Ausmaß der Nazigefahren am eigenen Leibe erfahren haben, für eine mögliche deutsche Bedrohung nicht eingeht), während beispielsweise ein mindestens vergleichbarer Hinweis Weizsäckers an das Heereswaffenamt auch im unmittelbaren Anblick der Gefahr eines von Deutschland ausgehenden neuen Weltkrieges für ihn nur normal ist.
So läßt sich denn auch die in der Tat unsägliche Rolle Philip Lenards und Johannes Starks und der „deutschen Physik“ als Alibi verwenden, um die wirkliche Beziehung der „seriösen“ deutschen Physiker wie Heisenberg und Weizsäcker, um von Pascual Jordan zu schweigen, zu Einstein nicht aufklären zu müssen. Dabei wäre es an der Zeit, einmal im Ernst zu untersuchen, welche ideologische Rolle die sogenannte „Kopenhagener Schule“ (die seit je Nils Bohr nur als Alibi benutzt hat) im faschistischen Deutschland (und in der Folgezeit) wirklich gespielt hat.
Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ ist der fundamentale Einspruch gegen das Herrendenken. Den gleichen Sachverhalt hat Rosenzweig in seiner Kritik des All zu formulieren versucht. Es ist der Einspruch gegen einen Universalismus, für den die Totalität zur Verfügungsmasse geworden ist. Der Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ hält die Idee der Versöhnung bis ins Innere des Gedankens (und d.h. auch: bis in den Kern der Natur) offen. Die Idee einer Zukunft, die nicht unter die Vergangenheit subsumiert ist, ist anders nicht mehr zu halten.
Kritik der Naturwissenschaft oder
– der Seitenblick, in dem Natur als Natur überhaupt erst sich konstituiert, oder
– Kritik der zukünftigen Vergangenheit oder
– der asymmetrische Wahrheitsbegriff (Name und Begriff).
Die kantische Frage, wie es möglich ist, daß Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung gleichwohl objektiv sind, erstreckt sich heute auf Natur und Geschichte insgesamt.
Der terminus ad quem der resurrectio naturae ist die Erkenntnis des Namens. Natur steht unterm Bann der Feindbildlogik. Deshalb gehörten zum Selbstverständnis des Hellenismus als Projektionsfolie die Barbaren.
Die modernen Naturwissenschaften (deshalb ist der Begriff der naturwissenschaftlichen Erkenntnis emotional so hoch besetzt) haben die Idee der Erlösung und damit die Wurzel des Christentums selber angegriffen und säkularisiert. Bezieht sich das Wort „Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein“ auf dieses dem Begriff der naturwissenschaftlichen Erkenntnis innewohnende Problem? Steckt darin nicht die Lösung des Problems des zweiten Tags (zur Feste des Himmels fehlt der Satz „und er sah, daß es gut war“)?
Die Kritik der Naturwissenschaften ist von dem Problem der Kritik der politischen Ökonomie und dem der Kritik der Bekenntnislogik nicht zu trennen. Verweisen die „Völker, Nationen und Sprachen“ in den Apokalypsen auf diese Konstellation (vgl. auch das Wort über Assur, Ägypten und Israel in Jes 1925)?
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist: Ist das Geld nicht ein „außenpolitisches“ Institut, ein Mittel der Tributerhebung, damit aus seiner eigenen Logik heraus ein kaiserliches Institut (Dareiken)?
Kann es sein, daß die karolingische Münze, die als Beweis für die Existenz des karolingischen Reiches angesehen wird, als Schlußstein zu den Fälschungen gehört, die das mittelalterliche Imperium legitimieren sollten: daß sie „Falschgeld“ ist? War dieses Geld ein Instrument der Selbstbegründung der Reichsidee und des Kaisertums?
Aus welcher Zeit stammt das Attribut „der Große“, auf wen wurde es angewandt (von Alexander über Karl bis zum preußischen Friedrich) und was drückte in diesem Attribut sich aus?
Das Traumproblem in der Schrift scheint darauf hinzudeuten, daß der Joseph in den Evangelien vielleicht doch etwas mit dem gleichnamigen Sohn Israels etwas zu tun hat? -
7.1.1997
Nach der Johannes-Apokalypse gibt es sieben Zornesschalen, nicht mehr nur den Kelch des Zorns, dazu den Unzuchtsbecher.
Hat nicht Kopernikus den einen unreinen Geist in die Wüste geschickt, von wo er jetzt mit sieben unreinen Geistern in das leere, gereinigte und geschmückte Haus zurückkehrt?
„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“ – Mit dem Hammer philosophieren, oder: Wie die Philosophie zum Hammer wird. Woher kommt der Ausdruck: „Das ist ein Hammer“, und was bedeutet er?
Den Satz aufschlüsseln: „Ich darf nichts sagen, aber es ist schlimmer.“
Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns ist eine Anwendung der double-bind-Theorie, die Begründung des Gesetzes-Gehorsams durch Umformung des „sie wissen nicht, was sie tun“ in einen Imperativ; das Nichtwissen als Pflicht.
Der Himmel ist der Boden, in dem die Namenskraft der Sprache wurzelt und aus dem sie sich nährt.
Das steinerne Herz der Welt: das ist der Himmel als Hammer.
Die Geschichte der Aufklärung, die den Gott der Himmel, den Herrn der Heerscharen, nicht kennt, ist die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos.
Als Büchners Lenz begriff, daß der Mond eine leere Steinwüste ist, ergriff ihn die Kälte bis ans Herz.
Hat nicht Carl-Friedrich von Weizsäcker, als er die Gleichung für die Sonnenenergie aufstellte, damit a. die Atombombe gemeint und b. die Sonne verdunkelt?
Als Walter Pehle das Buch von Goldhagen einen „Rückfall in die fünfziger Jahre Jahre“ nannte, hat er diesem Buch das größte Lob ausgesprochen.
Habermas‘ Kritik der instrumentellen Vernunft (in der Theorie des kommunikativen Handelns) ist nur die Kritik des Bewußtseins davon; deshalb mußte Habermas die Bewußtseinsphilosophie „überwinden“. Übrig bleiben die logischen Strukturen des kommunikativen Handelns, ein Reich der Finsternis.
Hegels Philosophie der Freiheit ist eine Philosophie des Bewußtseins der Freiheit; deshalb ist seine Philosophie eine Bewußtseinsphilosophie. Weshalb sind beide Versionen falsch, Hegels Bewußtseinsphilosophie und Habermas‘ Kritik der Bewußtseinsphilosophie?
Sind nicht das „teleologische (zweckrationale) Handeln“, das „normengeleitete“ und das „dramaturgische Handeln“ drei Aspekte der gesellschaftlichen Anwendung des Inertialsystem, einer Konstruktion aus Eigeninteresse, Gesetzesherrschaft und Anschauungsbezogenheit (Begriff, Gesetz und Erscheinung bedürfen des Inertialsystems als Referenzsystem, in dem sie sich konstituieren und durch das sie aufeinander sich beziehen und wechselseitig sich definieren)?
Die „Frage …, was es heißt, soziale Handlungen zu verstehen“ (I, S. 152) ist nicht identisch mit der Frage, was es heißt, einen Menschen und sein Handeln zu verstehen. Die Habermas’sche Frage steht schon unter dem Objektivierungszwang, sie schließt die Intention, in den andern sich hineinzuversetzen, und damit die Frage, die die Ethik vor jedes moralische Urteil setzt: Hätte ich anders handeln können, wenn ich an der Stelle des Andern gewesen wäre, a liminie aus. Sie macht z.B. den Versuch, Auschwitz zu verstehen, gegenstandslos, und glaubt so, der unendlichen Last der Reflexion sich entziehen zu können. Im Kontext dieser Frage kommt die Ethik nicht mehr vor. Für den Zuschauer, im Bann der Logik des Anschauens, gibt es keinen Unterschied zwischen einer Norm des Handelns und dem Maßstab eines Urteils. Die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern (zwischen Handeln und Urteil), die der Sprache zugrunde liegt, wird neutralisiert.
Die subjektiven Formen der Anschauung haben in der Gestalt der stoischen Ataraxia das Licht der Welt erblickt. Die kopernikanische Wende war der Initiationsritus, in dem sie erwachsen geworden sind. -
2.11.1996
„Ich allein bin entronnen …“: Dieser Refrain der „Hiobsbotschaften“ (vgl. Ebach, Hiob, S. 20ff) gilt nicht nur fürs Erzählen (wozu auch an Primo Levi und Jean Amery zu erinnern wäre), sondern auch für die Philosophie: Ohne dieses Motiv sind die Minima Moralia und die Dialektik der Aufklärung nicht zu verstehen. Und Metz Wort, daß man nach Auschwitz nicht mehr Theologie treiben könne, als habe es Auschwitz nicht gegeben, ist ein bis heute uneingelöstes Programm.
Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Gemeinheit ist präventive Rache (und deshalb ein spezielles Polizei- und Knastdelikt). Strafe aber wird zur Rache, wenn der, über den sie verhängt wird, keine Chance hat, in ihr sich wiederzuerkennen.
Die Vorstellung, es könne, wenn alle nett zueinander wären, eine harmonische, konfliktfreie Welt geben, wurzelt in der Privatsphäre, wo sie auch schon illusionär ist. Sie wird zu einer Quelle der Gewalt, wenn sie übergangslos auf die Politik angewandt wird.
In reflektierenden Urteil hat das „ist“ keine feststellende Funktion; reflektierende Urteile sind nicht ontologisch, sie sind keine verurteilenden Urteile: Sie widerstehen dem Tod und leben von der Weigerung, seiner Gewalt sich zu unterwerfen. Nur zu Heideggers Fundamentalontologie gehört das „Vorlaufen in den Tod“.
Ist eigentlich an dem Eindruck etwas dran, daß irgendwann bei Ebach wie auch bei Metz etwas umgekippt ist? Und vorher schon und geradezu paradigmatisch bei Habermas: Führt nicht die Habermas’sche Kommunikationstheorie, zu der sein „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ eine Vorstufe war, in den Insektenstaat hinein, in dem Kritik zum folgenlosen Raisonnement wird, das an den versteinerten Verhältnissen abprallt?
Wenn Weizsäckers Begriff der Philosophie (zusammen mit den Konstruktionen der Kopenhagener Schule in der Physik, aus denen sie hervorgegangen ist) aus der Verdrängung der speziellen Relativitätstheorie sich herleiten läßt, dann der Habermas’sche aus der Verdrängung des Allgemeinen Relativitätsprinzips.
Ein Beitrag zur Reflexion der Gravitationstheorie: Der vom Objektivierungsprozeß untrennbare Prozeß der Subjektivierung (zunächst der sinnlichen Erfahrung, dann der Kritik und am Ende der Schuld) wird irreversibel, wenn die Kritik des Naturbegriffs aus der Philosophie ausgeschieden wird; jetzt gibt es kein Halten mehr: Dieser Prozeß geht (ähnlich wie die Idee des Rechststaats in den Staatsschutzprozessen) über in den freien Fall, dessen Bahn vorgezeichnet ist durch das Gravitationsfeld der Rechtfertigungszwänge, die mit der Subjektivierung der Schuldgefühle, mit dem Schwinden der Kräfte der Schuldreflexion, unüberwindlich werden.
In den Staatsschutzprozessen gegen die RAF setzen Anklage und richtender Senat dadurch, daß sie die Identifikation mit den Angeklagten grundsätzlich ausschließen und verwerfen, sich selbst dem Rechtfertigungszwang aus, dem Zwang, das Prinzip „in dubio pro reo“ nur noch auf sich selbst statt auf die Angeklagten anzuwenden. Die Logik dieser Bewegung ist die des freien, von keinen moralischen Hemmungen mehr behinderten Falls. Wenn das Urteil, das am Ende herauskommt, nur noch ein Instrument der Selbstverteidigung der Ankläger und der Richter ist, wenn es den Angeklagten nur noch physisch trifft, wie der Hammer den Nagel, nämlich auf den Kopf, dann gibt’s für den Rechtsstaat keinen Halt mehr.
Das Urteil, das hier herauskommen wird, ist noch auf eine ganz andere Weise ein Symptom der bewußten und gewollten Reflexionsunfähigkeit dieses Gerichts, das sich zum Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft hat machen lassen: Der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand, das sie juristisch nicht zu fassen ist, gewinnt seine volle Bedeutung erst im Zusammenhang mit der weiteren Bemerkung, daß es im Ernstfall diese Gemeinheit ist, die die Grenzen des Rechtsstaats definiert, indem sie sie elastisch macht. Die Aufforderung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidts, „bis an die Grenzen des Rechtsstaats zu gehen“, der man nur zugute halten kann, daß sie von einem Nichtjuristen kam, war eigentlich die Aufforderung, diese Grenzen wenn nicht zu überschreiten, so doch bis Grenze ihrer Belastbarkeit auszudehnen (diese Belastbarkeit des Rechtsstaats ist in den letzten RAF-Prozessen, insbesondere aber im Hogefeld-Prozeß, der einige besondere Anforderungen an dieses Testverfahren gestellt hat, einem Materialtest unterworfen worden: Es waren Versuche, auszutesten, wie weit man gehen kann). Dem entsprach die Prozeßführung im Hogefeld-Prozeß, die Birgit Hogefeld in ihrer Schlußerklärung durchaus zutreffend beschrieben hat. Dieser Prozeß war kein Angriff mehr auf den Rechtsstaat, in diesem Prozeß hat der Rechtsstaat Harakiri begangen.
Wird man nicht in dem gleichen Maße, in dem man dabei ist, den Sozialstaat abzubauen, die Instrumentarien der Verbrechensbekämpfung und der Vorurteilsproduktion ausweiten müssen? Und wird dieser „Rechtsstaat“ dann nicht fürchterlich sein?
Während die Reflexionsunfähigkeit auf Seiten der RAF bisher darauf hinauslief, durch blindes Reagieren auf das Unverständliche der Prozesse deren Irrationalität für die Öffentlichkeit zu rechtfertigen, hat im Falle des Hogefeld-Prozesses die Reflexionsfähigkeit der Angeklagten das Gericht gleichsam auf dem linken Bein erwischt; Anklage und Senat waren hierauf nicht vorbereitet und haben stellenweise geradezu hilflos darauf reagiert. Nur, die Öffentlichkeit hat’s unterm dem Bann des Tabus „RAF-Prozeß“, des Trägheitsgesetzes der eigenen Vorurteile, nicht bemerkt.
Wenn der Bundesanwalt, ohne daß der Senat dazu etwas sagt, in seiner letzten Erklärung der Angeklagten noch einmal das Kronzeugenangebot unterbreitet hat, dann wird man davon ausgehen müssen, daß er dieses Angebot im Einvernehmen mit dem Senat gemacht hat. Und man wird schließlich davon ausgehen müssen, daß die Weigerung der Angeklagten, auf dieses Angebot einzugehen, in die Urteilsfindung mit eingehen wird: Das Urteil, nachdem es als Instrument der Erpressung nicht brauchbar war, wird zu einem Instrument der Rache.
In den RAF-Prozessen ist der Rechtsstaat zu einem Produkt der Verstaatlichung des gesunden Volksempfindens gemacht worden. Hat nicht der Staat selber in der Geschichte seiner Auseinandersetzung mit der RAF durch eine Reihe von Spezialgesetzen die Instrumente der Reflexionsverweigerung, die der Begriff des „gesunden Volksempfindens“ einmal bezeichnete, so geschmiedet, daß sie beginnen, wirksam zu werden? – Das wäre eines der Themen, die dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ wirklich angemessen wären.
Die Gemeinheit produziert selber die Blenden, die sie davor schützen, gesehen, wahrgenommen zu werden.
Im Gegensatz zur den Vertretern der Bundesanwaltschaft, die wissen, was sie tun, ist der Vertreter der Nebenklage nur dumm; er ist nur ein apokalyptischer Wadenbeißer.
Das beweislogische Problem, das dem Satz „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ zugrundeliegt, weist zurück auf den gleichen Sachverhalt, aus dem auch die Feindbildlogik sich herleitet: Jeder Satz läßt sich sowohl inhaltlich verstehen als auch danach abhören, welcher Zweck damit erreicht werden soll. Die Feindbildlogik, die die Sprache vom Verstehen trennt (das dialogische, kommunikative Element aus ihr entfernt), sie auf ihre instrumentalisierte Form reduziert, ist gleichsam die transzendentale Ästhetik zu einer transzendentalen Logik, die auch in der Justiz synthetische Urteile apriori möglich macht, indem sie die Paranoia instrumentalisiert; das Modell und der genaueste Ausdruck dieser Instrumentalisierung, gleicham ihre naturwüchsige Variante, ist der Antisemitismus.
Die Unfähigkeit, das Selbstverständnis des Angeklagten in die Beweiserhebung mit hereinzunehmen, macht den Angeklagten zum Objekt (was in diesem Kontext heißt: zum Feind) im strengen transzendentallogischen Sinne. In den bisherigen Prozessen hat dieses Verfahren im Verhalten der Angeklagten aus der RAF, die dieser Rolle aufgrund ihres eigenen, von der gleichen Feindbildlogik determinierten Selbstverständnis allzu willig sich überließen, seine „objektive“ Begründung gefunden. Das Verhalten der Angeklagten paßte zur Verhandlungsführung wie das Verhalten von Billardkugeln zu den Gleichungen der Mechanik, die es erklären, nur daß es hier keine Billardkugeln waren, sondern Menschen, die, weil sie nicht als Menschen wahrgenommen wurden, sich wie Objekte verhielten. Es gab gleichsam eine prästabilisierte Harmonie zwischen Prozeßführung und Angeklagten, die ihren Grund in einer beiden Seiten gemeinsamen Logik hatte, einen Feindbild-Clinch, dem keine Seite sich zu entziehen vermochte, weil keiner die Gewalt der Logik, die sie aneinander fesselte, durchschaute. Hierbei stand von vornherein fest, wer gewinnen und wer das Opfer sein würde.
Was man der RAF politisch vorwerfen kann und muß, ist, daß sie zu den Kräften gehört, die die Gesetze und die Beschleunigungsmechanismen, deren Opfer sie dann selber geworden ist, mit hervorgerufen hat.
Der Hogefeld-Prozeß unterscheidet sich von allen bisherigen Prozessen eigentlich nur durch das Verhalten der Angeklagten (und durch das ihrer VerteigerInnen), die erstmals versucht, der Objektrolle sich zu entziehen, den Kopf oben zu behalten, indem sie über beides, die Geschichte und das Selbstverständnis der RAF, aber auch die Mechanik der Prozeßführung und des Prozeßverlaufs, durch Reflexion sich Rechenschaft zu geben versucht. Ihre Erklärungen sprechen eine ebenso deutliche wie mutige Sprache. BAW und Gericht haben sich davon nicht beirren lassen, sie führen ihren Krieg weiter gegen einen „Feind“, von dem sie nicht wahrhaben wollen, daß er keiner ist. Sie scheinen die Reflexionskraft der Angeklagten als eine besonders infame Angriffswaffe zu erfahren, die sie zu besonders harten Abwehrmaßnahmen zwingt (die Erklärungen der Angeklagten mußten in pure Heuchelei umdefiniert werden; ein Pfarrer, der auf Wunsch der Angeklagten um Genehmigung eines seelsorglichen Gesprächs gebeten hatte, wurde per Senatsbeschluß zu einem, „der sich selbst als Pfarrer bezeichnet“, in Wahrheit aber nicht nur Sympathisant, sondern Unterstützer der RAF ist). Und es ist zu befürchten, daß das Urteil danach ausfallen wird.
Kann es sein, daß Birgit Hogefeld dafür jetzt wird büßen müssen, daß sie versucht hat, den Bann durch Reflexion aufzulösen, unter dem beide Seiten stehen? Dieses Gericht erträgt es nicht, daß ausgerechnet die Angeklagte das zu benennen versucht, was es (das Gericht) hier tut. Wenn die „Belastungen“, denen ein Gericht, das zum Instrument der Rache sich machen läßt, ausgesetzt ist, ohnehin schon so groß sind, dann sollen sie nicht auch noch durch Schuldgefühle vermehrt und verstärkt werden. Das logische Gesetz der Rache, einmal enthemmt, ist nicht mehr aufzuhalten.
Parvus error in principio magnus est in fine: Ist nicht der Ursprung der Zivilisation mit dem Ursprung von Mechanismen erkauft, die inzwischen in der Lage sind, diese Zivilisation in den Abgrund zu befördern?
Wer den Antisemitismus durch den Begriff des Rassismus zu einer Weltanschauung macht, verharmlost ihn nicht nur, er bestätigt ihn damit zugleich. Er trägt zu seinem Überleben bei, indem er ihm die Würde einer logischen Konsistenz verleiht, die er nicht hat. Der Antisemitismus ist der reinste Ausdruck eines in Aggression und Vernichtungsdrang umschlagenden Rechtfertigungszwangs (und damit dann ein machtpolitisches Instrument zur Enthemmung und Entfesselung dieser Aggression und dieses Vernichtungstriebs). Er enthält kein „theoretisches“ Element, das ihn auf der Theorie-Ebene kritikfähig machen könnte, er ist nur durch Reflexion aufzulösen.
Elefantengedächtnis: Wer Erinnerungen, die ihm unangenehm sind, verdrängt hat, hat dafür andere Dinge, die er nie vergessen wird. -
10.09.1996
Der Objektbegriff zieht die Verurteilungslogik nach. Die subjektiven Formen der Anschauung, die die Verurteilung zum Maß der Logik machen, sind das Produkt einer Implosion der Rechtfertigungslogik, die glaubt, dem vernichtenden Urteil dadurch entrinnen zu können, daß sie sich auf die Seite der Urteilenden (der Gemeinschaft der Urteilenden in Wissenschaft und Recht, sowie angesichts des Faschismus des Urteils des Auslands) begibt, mit den urteilenden Instanzen sich identifiziert. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit drückt im Raum in der Reversibilität aller Richtungen sich aus: in der Subsumtion der Rechten unter die Linke, des Im Angesicht unter das Hinter dem Rücken und des Oben unter das Unten (die Säkularisation der Theologie). Ist nicht der Säkularisationsprozeß insgesamt die Wassertaufe (die Sammlung der Wasser an einem Ort und das Sichtbarwerden des Trockenen), die auf die Geisttaufe wartet? Goldhagen: Je weiter wir uns von Auschwitz entfernen, umso näher wird es uns rücken. Der Rassismus macht die Nationalitätsgrenzen zu Rassengrenzen. Verweist nicht die Zusammenstellung von „Völkern, Stämmen, Nationen und Sprachen“ in apokalyptischen Texten auf diese Abgrenzungen: auf ein System von Abstraktionschnitten? Auschwitz hat das Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ in die Nähe des „Abgestiegen zur Hölle“ gerückt. Dieser schreckliche Mechanismus: Anstatt zu begreifen, daß in den Folterstaaten, in Bosnien, auch in der RAF, uns unsere eigene Vergangenheit einholt, nutzen wir sie als Exkulpationsmittel: „Die sind auch nicht besser“. Ihr Deutschsein ist die empfindlichste Stelle der Deutschen: Käme es nicht darauf an, auf den dieser Empfindlichkeit zugrunde liegenden Trieb das Keuschheitsgebot anzuwenden? Carl-Friedrich von Weizsäckers Bemerkung, daß die naturwissenschaftliche Entwicklung der zwanziger Jahre (gemeint war die Geschichte der Kopenhagener Schule) einer „Explosion von Genie“ sich verdanke, hat einen anderen Sinn, als ihm bewußt war: War nicht auch der Faschismus eine Explosion der Tradition, die im Geniebegriff gründete? Siehe hierzu die kantische Definition und Bestimmung des Geniebegriffs, der auch diesen exkulpatorischen Effekt hatte: Nicht ich bin es, sondern die Natur in mir ist die schöpferische Kraft, der die großen Werke der Kunst, der Musik, der Philosophie, der Literatur, und am Ende auch der Naturwissenschaften, der Ökonomie und der Politik sich verdanken. Wenn von Hitlers „Charisma“ die Rede war, und wenn Hitler selbst als ein Werkzeug der Vorsehung sich verstand, so stand das in dieser Tradition. Die bisher einzige richtige Antwort hierauf war Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“, der Versuch, diese Sphäre (und in ihr den Bann des Geniebegriffs) durch Reflexion aufzuhellen.
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12.08.1996
Verdrängungsverstärker Naturwissenschaft: – die Rolle Weizsäckers (der „Kopenhagener Schule“); – symbolisieren die Insekten (die „Mücken“, das „Geziefer“ und die „Heuschrecken“) das Inertialsystem und seine Denominationen? War das Passah-Lamm das „Opfer, das den Ägyptern ein Greuel ist“ (das „Scheusal Ägyptens“): das Opfer, das das Volk eigentlich nach drei Tagereisen in der Wüste darbringen sollte (die letzte vorhergehende Plage, die Finsternis, dauerte drei Tage, und die vorletzte Plage, die Heuschrecken, verweist auf den Untergang der ägyptischen Streitmacht im Schilfmeer)? Hören und Sehen: „Und Gott hörte ihr Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Israeliten und gab sich ihnen kund.“ (Ex 224f) Das Sehen begründet die Kommunikation. Aber zwischen dem Hören und dem Sehen liegt das Gedenken, durch das beide aufeinander sich beziehen.
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10.7.96
In der Einleitung zur „Kritik der Urteilskraft“ verbindet Kant das „Gefühl der Lust“ mit der Vorstellung einer „Zweckmäßigkeit der Natur“ (Ausgabe Meiners Hamburg, 1954, S. 23ff). Aufgrund dieser selber apriorischen Vorstellung der „Zweckmäßigkeit der Natur“ ist Kant zufolge auch das Gefühl der Lust „durch einen Grund apriori und für jedermann gültig bestimmt“ (S. 24). Hat Kant hier nicht den systemischen Grund der Kunst (das ästhetische Äquivalent der subjektiven Formen der Anschauung), und damit das logische Prinzip, das dann Hegels Ästhetik ermöglichte, bestimmt? Ist nicht zugleich und darüber hinaus die Vorstellung einer „Zweckmäßigkeit der Natur“ eher eine historische als eine naturwissenschaftliche Kategorie, rührt sie nicht an den emphatischen Gebrauch des Naturbegriffs in den Erörterungen Kants zur „Weltgeschichte“, zur Frage eines Endzwecks der Menschheitsentwicklung, die Hegel dann in seiner Geschichtsphilosophie geglaubt hat, endgültig beantworten zu können (allerdings um den Preis der Ästhetisierung der Geschichte wie der Vernunft)? – Ist die Kunst der apokalyptische „Unzuchtsbecher“? Nach Kant ist jede Lust, auch die „sinnliche Lust“, Urteilslust; ihre Grundlage ist der Weltbegriff. Ist damit nicht die moralische Entgegensetzung von Vernunft und Sinnlichkeit ebenso irreführend wie die inhaltliche von Aufklärung und Mythos? Der Mythos wird erst dann begriffen sein, wenn das mythische Element an der Schwelle von Mythos und Aufklärung, am Dogma, begriffen ist. Die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit der Natur wird in der Natur selbst real in der Gestalt des Tieres. Das Tier ist ein durch seine immanente Teleologie (durch den „Selbsterhaltungstrieb“) selber Instrumentalisiertes, es steht unter dem Bann der Natur, aus dem nicht die Selbsterhaltung, sondern allein die Sprache herausführt. Die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit der Natur ist ein Reflex der Selbsterhaltung. Das Feuer und der Tod widerlegen die Vorstellung eines absoluten Naturzwecks. Der Unzuchtsbecher ist zugleich der Taumelbecher und der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms. Stellt nicht Hegels Definition des Wahren der Philosophie die Diagnose: Alkoholismus?
Carl Friedrich von Weizsäcker hatte den Satz, daß eigentlich nicht studieren dürfe, wer es nicht selber bezahlen könne, nicht zu mir, sondern in meiner Gegenwart und über mich zu einem andern (einem Mitglied seiner Familie) gesagt. Ist nicht diese kommunikative Konstellation (eine Konstellation der sprachlichen Ausgrenzung) ein Modell des Weizsäckerschen Erkenntnisbegriffs, ein Modell übrigens, das Habermas dann seiner Kommunikationstheorie zugrunde gelegt hat? Gibt es nicht einen Zusammenhang dieser Konstellation mit der dem Weltbegriff zugrunde liegenden Eigentumslogik? Und gründet nicht Kants „Gefühl der Lust“ in der gleichen Logik, die in dieser Konstellation ihren Grund findet? Ist diese Logik die Logik der „Verhärtung des Herzens Pharaos“? -
26.6.96
Steckt nicht im hebräischen Namen des Himmels der Ansatz zur Lösung des Rätsels der Astronomie? Wie verhalten sich haschamajim und ha’arez zu ouranos und gaja, caelum und terra? Paßt nicht zu der Wahrnehmung, daß es im Märchen (wie in der Kabbala) keinen Kaiser gibt, und zu der These, daß diese Stelle im Märchen durch den Teufel besetzt wird, Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern? Dieser Kaiser ist ein Popanz, er ist ein Produkt seiner Umgebung, und nur das Kind sieht, daß er nackt ist (vgl. die Erkenntnisbedeutung der Nacktheit). Beschreibt die Vision des Ezechiel nicht ein Modell des Himmels? Wer sind die Kerubim und wer die Ofanim? War nicht Weizsäckers Sonnentheorie eine ad hoc-Konstruktion, die ein Problem nicht lösen, sondern verwischen sollte, ein Teil seiner Legende? Sie war in Wahrheit ein Schritt auf dem Weg zur H-Bombe. Erklärt sie wirklich die energetischen Prozesse in der Sonne? Sind die Varianten der Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao (zusammen mit den Varianten der Gottesnamen, auf die Moses sich beruft, und mit den Varianten der Zauberer-Geschichten, der Geschichten von Jannes und Jambres) der Schlüssel zum Verständnis der zehn Plagen?
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15.6.96
Als Hegel die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik transformierte, hat er die Logik ästhetisiert. Die Spuren davon sind in der Hegelschen Logik nachzuweisen, insbesondere im Stellenwert und in der Funktion des Begriffs des Scheins, aber auch im Konzept der „List der Vernunft“ und nicht zuletzt in der Idee des Absoluten selber. So ist die Hegelsche Logik zur dialektischen Logik geworden.
Sind nicht die von Daniel Goldhagen herausgearbeiteten Elemente des deutschen Vernichtungs-Antisemitismus in Strukturen aufzuweisen, die den Faschismus deshalb überlebt haben, weil er nie wirklich aufgearbeitet worden ist, insbesondere in der schrecklichen Neigung der Deutschen, sich ständig in den Augen der anderen (des „Auslands“) zu sehen? Dem entsprechen die öffentlichen Reaktionen auf Anschläge auf Ausländer, an denen ein deutscher Innenminister nur schlimm fand, daß sie „im Ausland“ einen so schlimmen Eindruck machen? (Wenn es das Ausland nicht gäbe, dann dürften wir’s?) Die Taten selbst und ihre entsetzlichen Folgen wurden nicht einmal wahrgenommen. Seitdem laufen alle Meldungen über Anschläge auf Wohnungen, in denen Ausländer wohnen, solange die Täter noch nicht ermittelt wurden, mit der stereotypen Erklärung, „ausländerfeindliche Motive“ seien nicht erkennbar.
Nach 68 haben wir eine Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus gefunden, die es nicht mehr nötig hat, wirklich an die Wunde rühren. Auch das ist ein Resultat der „68er Bewegung“, die aus dem Bann der Logik ihrer Eltern nie herausgetreten ist.
Hat die Grundthese Daniel Goldhagens nicht schon in den „Minima Moralia“ gestanden: in dem Hinweis auf das Gespräch im Eisenbahnabteil, das in seiner Konsequenz auf einen Mord hinausläuft? Diese Gespräche gibt es auch heute noch, nur daß niemand mehr die Sensibilität aufweist, die die Voraussetzung wäre, um die Konsequenzen dieser Gespräche noch wahrzunehmen.
Was hat Jean Amery, Primo Levi, Paul Celan in den Selbstmord getrieben, wenn nicht die Erfahrung, daß die schrecklichen Erinnerungen am steinernen Herz der Gegenwart abgeprallt sind, die Öffentlichkeit nicht erreicht haben?
Es gibt einige Lieblingsvokabeln der deutschen Medien, an denen man das demonstrieren kann. Dazu gehört das Adjektiv „selbsternannt“, auch der Hinweis von Autoren, die mit dem Faschismus sich befassen, daß es ihnen nicht darauf ankäme, „das Entsetzen zu konservieren“. Hier trifft sich die prinzipielle Gehorsamsbereitschaft gegenüber dem Bestehenden mit dem drohenden Hinweis, daß man auf die Gefühle derer, die den Schrecken und das Entsetzen nicht mehr loswerden (die sie „konservieren“), keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht. So wurden die letzten, die sich noch erinnerten, unter Quarantäne gestellt, als wären sie Aussätzige.
Haben die Emotionen, die das Stichwort „Rinderwahnsinn“ provoziert, die nicht unbegründet sind, nicht auch etwas mit diesem verdrängten antisemitischen Bodensatz zu tun?
Die antisemitische Tradition wurde u.a. konserviert durch eine Tradition, die von den Flüchtlingswitzen nach dem Krieg bis hin zu den Türkenwitzen der 80er Jahre reicht, bevor diese Tradition dann in einer manifesten Ausländerfeindschaft explodierte. Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und einer Witz-Tradition, zu der auch die an Stammtischen wie in der Politik allgegenwärtigen sexistischen Zoten gehören, an denen die Mechanismen der Demütigung des Opfers und der Komplizenschaft der Lachenden sich demonstrieren lassen.
Dazu gehört auch eine Logik, die in völliger Umkehrung der Grundsätze der Gastfreundschaft davon ausgeht, daß Fremde als „Gäste“ in Deutschland sich anzupassen haben.
Wer an diese Dinge erinnert, wird prompt darauf hingewiesen, daß es diese Dinge doch nicht nur in Deutschland gibt, sondern auch in den USA, in Frankreich, in Polen und wer weiß, wo sonst noch. Als ob das eine Entschuldigung wäre.
Sind nicht Vorurteile generell synthetische Urteile apriori, und ist nicht eines der ersten das antisemitische Vorurteil? Das kantische „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ ist zum logischen Repräsentanten des Kollektivs, des Nationalismus und seiner Derivate geworden.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat Einstein die Lichtgeschwindigkeit und den ganzen Bereich der Erscheinungen, auf den sie sich bezieht, von der empirischen auf die systemische Ebene verschoben. Es war die besondere Leistung der „Kopenhagener Schule“, daß sie, indem sie Einstein für veraltet erklärte, diese Einsicht verdrängt hat. Das gilt vor allem für ihre deutsche Version, für die Gruppe um Heisenberg und Weizsäcker. So brauchten sie sich um die Irritationen der speziellen Relativitätstheorie nicht mehr zu kümmern, ersparten sich aber zugleich die Peinlichkeiten der „deutschen Physik“.
Wird nicht heute das Konzept der Gewaltenteilung dadurch obsolet, daß die Gewalt, um deren Teilung es geht, aus der Politik in die Ökonomie gerutscht ist? Gesetzgebung, Verwaltung und Richten: Heute vereinigt sich das in der Gewalt, die im Tauschprinzip (im Wertgesetz, in der normativen Gewalt des Marktes) sich verkörpert.
Ist nicht die Gewaltenteilung ein Säkularisat der Trinitätslehre und durch sie vorbereitet? Und hängen nicht beide auf eine unterirdische Weise mit der Dreidimensionalität des Raumes, mit den Verdrängungsprozessen, in denen dieses Konstrukt sich konstituiert, zusammen: mit der Abstraktion von den qualitativen Differenzen der räumlichen Dimensionen?
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