Müßte der Titel des Buches von Heribert Prantl nicht anders lauten, anstatt „Deutschland, leicht entflammbar“: „Deutschland brennt“ (oder, um den Anschluß an Ulrich Sonnemanns vor 32 Jahren erschienenes Buch herzustellen: „Jenseits der Grenze der Zumutbarkeit“, mit der anzuschließenden einfachen Frage: Wie lebt sichs da)?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung (ist nicht das Sehen) das Korrelat und zugleich ein Produkt der Bekenntnislogik? Und gründet nicht der wissenschaftliche Begriff der Kritik darin, daß zuvor das Bekenntnis aus einer Theorie herauspräpariert werden muß, wodurch sie zu einem Gegenstand der Kritik überhaupt erst gemacht wird? Hängt nicht die Bekenntnislogik über die gemeinsame Beziehung zur Gemeinheit mit der Beweislogik zusammen (und sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Formen, die sich selbst beweisen, Formen mit einer eigenen, selbsttätigen Beweisautomatik – vgl. Off 1713.17)? Die Bekenntnislogik ist die Logik des Schuldverschubsystems. Die ihr zugrundeliegende Schuldumkehr ist der Grund der Trennung von Natur und Welt.
Die kantische Unterscheidung im Erkenntnisbegriff, den er in femininer und in neutraler Form verwendet (die Erkenntnis, das Erkenntnis), bezeichnet genau den Ursprungspunkt des Gemeinheitsmoments in der Erkenntnis, den Punkt, an dem Genesis und Geltung sich trennen. Die Generalisierung des Femininum war eigentlich eine Neutralisierung, die die Erkenntnis an ihrer Wurzel vergiftet hat. Seitdem ist die Erkenntnis unfruchtbar und kinderlos (die Verkörperung der Unfruchtbarkeit und Kinderlosigkeit ist das Dogma). Was hat Kant mit Sara (der Mutter Isaaks), Hanna (der Mutter Samuels) und Elisabeth (der Mutter des Täufers) zu tun?
Die feministische Theologie ist ein notwendiger und längst fälliger Ausbruchsversuch aus der Bekenntnislogik. Hierzu gehört auch ein Titel wie der des „Schwarzmond-Tabu“ von Jutta Voss, ein drastischer Beleg für die Notwendigkeit des Ausbruchs (vgl. auch Birgit Hogefeld, „Ich verstehe: DAS muß frau verstecken“, in Info 8 zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld, Anfang Dezember 95). Sind nicht die entscheidenden Texte der feministischen Theologie jene, die sich gegen die Vergewaltigung durch die Bekenntnislogik wehren? Es ist wahr, im Christentum kommen seit Paulus die Töchter und die Schwestern nicht mehr vor. Die letzte Erinnerungsspur ist die völlig mißverstandene Maria Magdalena, das verdrängte und diskriminierte Gedächtnis der Befreiung von den sieben unreinen Geistern. Die Bekenntnislogik ist in der Tat eine männliche Logik: die Logik, die Sara, Hanna und Elisabeth unfruchtbar macht. Die Bekenntnislogik ist das Medium der Erzeugung und Reproduktion der Gemeinheit in der Theologie. Sie hat den Zugang zur Erkenntnis des Gottesnamens verlegt. Ist nicht der Gebrauch des Vaternamens unverständlich, obsolet geworden, nachdem niemand mehr das Erbe der Barmherzigkeit antreten will? Wartet nicht immer noch die ganze Schöpfung auf das Offenbarwerden der Freiheit der Kinder Gottes?
Voss
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12.12.95
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19.08.93
Es läßt sich stringent aus der Logik des Weltbegriffs (der verandernden Gewalt dieser Logik) herleiten, wenn die Deutschen sich als Opfer des gleichen Schicksals begreifen, dessen Urheber sie doch zugleich sind.
Hat die Geschichte mit Noe und seinen Söhnen, die in der Verfluchung Kanaans endet, etwas mit der Geschichte vom Sündenfall zu tun? Und zu Japhet heißt es:
Raum schaffe Gott dem Japhet, daß er wohne in den Zelten Sems, Kanaan aber sei ihm Knecht! (Gen 927)
Übrigens: Paulus war ein Zeltmacher!
Ist nicht Mizrajim ein Sohn Hams, und Heth ein Sohn Japhets?
Ist nicht das Licht ein Einspruch gegen die Vergangenheit (gegen die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit)?
Wie wird das Himmelblau erklärt? Und wäre die Frage, warum es nachts dunkel ist, nicht zu ergänzen durch die andere: Warum das Himmelblau am Tage die Grenze des Sichtbaren anzeigt (und wo liegt diese Grenze)?
Sind nicht das Feuer und das Angesicht die Antipoden des Lichts?
Die Entfaltung einer philosophischen Sprachlogik ist ohne eine Theorie des Feuers nicht mehr möglich.
Zu der Vorstellung, daß der Menschensohn auf den Wolken des Himmels wiederkehren wird: Führt nicht auch hier das naturwissenschaftliche bestimmte Bild der Wolken in die Irre? Und ist dahinter nicht die metaphorische Bedeutung der Wolken (die in der „Wolke der Zeugen“ – Hebr 121 – anklingt) verdrängt und untergegangen?
Daß der Menschensohn bei seiner Wiederkunft in den Wolken erscheinen wird, verweist das nicht, ebenso die Wolke der Zeugen im Hebräerbrief, zurück auf den Noe-Bund (auf den Bogen in den Wolken, vgl. Erich Zenger)?
Als Athalya Brenner auf die diffamatorische Nebenwirkung des prophetischen Gebrauchs der Worte Hure, Unzucht u.ä., auf die Nutzung der Frauen als Projektionsfolie für Verfehlungen des Volkes Israel, aufmerksam machte, hat sie zugleich auf eine logische Beziehung zur durchaus vergleichbaren Gebrauch des Namens der Juden im Neuen Testament und dann im christlichen Antijudaismus hingewiesen. Liegt hier nicht der Nachweis für den strukturellen Zusammenhang von Antisemitismus und Frauenfeindschaft (sowie Antisemitismus und Sexualmoral)? Gehört zur Entschärfung des Vorurteils nicht auch die Erkenntnis des Zusammenhangs der Form des Symbols mit seinem projektiven Inhalt? Wird nicht beidemale, mit der Unzucht bei den Propheten und mit den Juden im Johannes-Evangelium, eindeutig Herrschaftskritik gemeint, die projektive Züge erst dann annimmt, wenn die Worte aus ihrem wirklichen Kontext herausgelöst und (im augustinischen Sinne) „ad litteram“ gebraucht werden?
Liegt hier nicht die Lösung des Problems der Beziehung von Symbol, Name, Instrumentalisierung, Begriff, Schuld, Herrschaft, Verdinglichung: nämlich im Zusammenhang einer Theorie des Feuers? Bezeichnet nicht das Feuer die Grenze zwischen Reflexion und Verdrängung: zwischen Begriff und Name? Indem ich das Verdrängte durch Reflexion verbrenne, lösche ich die Fluten der Sintflut? Hängen Wasser und Feuer nicht so im Namen des Himmels zusammen?
Wasser und Feuer, Schwert und Kelch: Verweist nicht die Verwandlung von Wasser in Wein beim ersten Wudner in Kana auf diesen Zusammenhang (vgl. hierzu das johanneische Komma: Drei nämlich sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut, und diese drei gehen auf eins. – 1 Joh 57)?
Der Thalessche Satz: Alles ist Wasser, ist als empirischer Satz, der die mythische Ära beendet und das philosophische Zeitalter eröffnet, zugleich ein prophetischer Satz: Hilft er nicht zum Verständnis des Wunders von Kana? Zum Satz Jesu: Ich werde von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht trinken bis zu jenem Tage, wo ich es mit euch neu trinken werde im Reiche meines Vaters (Mt 2629): Ist nicht der Taumelbecher und der Kelch des Zorns Produkt der Instrumentalisierung („der trinkt sich das Gericht“)? Beschwert sich nicht der Küchenmeister in Kana, daß andere Gastgeber den guten Wein am Anfang bringen, warum hier am Ende (sh. auch das „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen“, und den Hinweis Marias an die Diener: „Was er euch sagt, das tut“; und es waren die Reinigungskrüge, die sie dann mit Wasser füllen sollten)?
Zu Jutta Voß: In ihrer Geschichte vom heiligen Franziskus würde ich auch die Partei des Lammes ergreifen.
Theologie nach Auschwitz kann sich nicht darauf berufen, daß auch in Auschwitz gebetet wurde: Zwischen diesen Gebeten und uns steht Auschwitz. Und es wurde sicherlich auch geflucht. Theologie nach Auschwitz ist notwendig, weil anders die Opfer von Auschwitz nochmal verraten werden (eine andere Frage ist es, ob sie noch möglich ist). Aus dieser Formulierung ergeben sich Konsequenzen, wie diese Theologie beschaffen sein müßte.
Die Corpus-Christi-mysticum-Lehre scheint irgendwann nach dem Kriege aus dem Bewußtsein der Kirche (und der Theologie) entschwunden zu sein, möglicherweise im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil? Kann es sein, daß sie genau zu dem Zeitpunkt „vergessen“ wurde, als man sie von der Erinnerung an Auschwitz nicht mehr trennen konnte (Auschwitz als Folge des durch die Instrumentalisierung des Kreuzestodes initiierten Wiederholungszwangs)? Steht die Theologie nicht heute unter dem Symbol: Abgestiegen zur Unterwelt (zur Hölle)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern, und kann es nicht sein, daß dieser Zeitkern die Positionen des Glaubensbekenntnisses durchwandert?
Kritik der reinen Vernunft, S. 508: Ein Hinweis auf die Unterscheidung der dynamischen von den mathematischen Grundsätzen des reinen Verstandes (auf Genesis und Bedeutung des Welt- und Naturbegriffs). -
16.07.93
Warum reagieren die Jungianer (Drewermann und Jutta Voß) so aggressiv auf den Hl. Franziskus?
Zu Hunden und Schweinen: Mt 76 (Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, …) und 2 Petr 222 (Auf sie trifft das wahre Sprichwort zu: Der Hund kehrt zu dem zurück, was er erbrochen hat, und: Die gewaschene Sau wälzt sich wieder im Dreck).
Wurde nicht der Rechtsstaat zum Tabu, als die Regierung aufhörte zu regieren und sich aufs Verwalten beschränkte (vgl. das Aussitzen und die „Wiedervereinigung“)? Aber gibt es dazu angesichts der realen Machtverhältnisse (der politischen Zwänge von außen und der wirtschaftlichen im Innern), deren „Willen“ diese Regierung zu auszuführen hat, überhaupt noch eine Alternative? -
15.07.93
Das Wort Gott war laut Kluge ursprünglich ein Neutrum: also ein Begriff, nicht ein Name.
Jutta Voß: Der Feminismus auf der Suche nach einer Religion, die die Welt nicht antastet, aber doch von der Last befreien soll. Liegt das nicht in der Konsequenz der christlichen Opfertheologie, der „Entsühnung der Welt“, des Bekenntnisprinzips?
Vorsicht: Nicht das feministische Experiment ist der Greuel am heiligen Ort, sondern die Unfähigkeit der Orthodoxie, in diesem Experiment die Logik des eigenen Prinzips zu erkennen. Die Verführung, den Balken als Vergrößerungsglas zu gebrauchen: die projektive Verarbeitung der eigenen Schuld.
Das „Lehrzuchtverfahren“ der zuständigen Kirche möchte aus der Wildsau wieder eine domestizierte Zuchtsau machen?
Die Verführung durch die Bekenntnislogik liegt darin, daß in ihrem Kontext die Gespensterkämpfe der Religionen und Weltanschauungen mit dem verwechselt werden, was in ihnen sich ausdrückt. So braucht man sich um die Gründe der realen Kämpfe in der Geschichte nicht mehr zu kümmern. Dagegen wäre nichts notwendiger, als die realen gesellschaftlichen Naturkatastrophen, die in den Gespensterkämpfen sich widerspiegeln, endlich wahrzunehmen. Das gehört zu den Voraussetzungen dafür, überhaupt erst sehen zu lernen, was heute sich zuträgt.
Die Kanaanäer waren die Händler. Ist nicht der Wildschweinmythos, den Jutta Voss beschreibt, eine bereits durch die Geldwirtschaft vermittelte Gestalt des Matriarchats: Trägt er nicht die wachsenden Früchte des Patriarchats bereits in sich? Anstatt die zweite Natur zu mythisieren, käme es darauf an, die Spiegelungen der ersten in der zweiten zu analysieren.
Eine Religion, die mit keinem Wort Gesellschaftliches reflektiert, für die Armen und die Fremden inexistent sind, wird natürlich auch großzügig von materiellen Bedingungen der religiösen Vorstellungswelt abstrahieren: Nur so entsteht der Schein, der die Bekenntnislogik begründet, Religionen ließen sich, wie die Gesetze, Begriffe und Erscheinungen in der Physik, unbeschadet ihres Gehalts im historischen Zeitkontinuum verschieben: Das wäre der Sieg der Natur über die Religion, gegen den die Idee der Auferstehung und das Wort sich richtet: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden.
Jutta Voss‘ Begriff der „heiligen Materie“ drückt aufs genaueste den Zusammenhang der Bekenntnislogik mit dem Inertialsystem aus. Diese „Religion“ ist ein Produkt der Kultur- und Freizeitindustrie; verräterisch eine Bemerkung, die darauf schließen läßt, daß sie Freiheit und Emanzipation, nur als finanzielle Unabhängigkeit versteht (selbst wenn es keine Alternative mehr dazu geben sollte, wäre es nicht zu verantworten, die Reflexion dieses Sachverhalts zu verdrängen).
Das Entsetzliche an solchen Büchern ist, daß man die Aprioris des Bewußtseins des letzten Jahrzehnts in die gesamte Vergangenheit zurückprojiziert: So hat es das Christentum einmal mit der eigenen jüdischen Vergangenheit gemacht. Nicht zufällig erinnert dieser Umgang mit dem Mythos an den Umgang der christlichen Theologie mit dem von ihr sogenannten Alten Testament (eine Bezeichnung, die Jutta Voss zusammen mit den ihr in der Geschichte des Chistentums zugewachsenen antijüdischen Konnotationen unreflektiert übernimmt: aber vermutlich wird das nicht Gegenstand des „Lehrzuchtverfahrens“ sein). Die Vergangenheit als Objekt der Diffamierung, Ausbeutung und Verwertung für eigenen Zwecke und die Zerstörung der Erinnerung: das ist auch ein Produkt der christlichen Tradition (und die Geschäftsgrundlage der Bekenntnistheologie).
Der jüdische Tempel unterschied sich von allen anderen zeitgenössischen Tempeln dadurch, daß er nicht das Haus des Gottes, sondern das Haus seines Namens war.
Nach Jes 661 hat Gott den Himmel als Thron und die Erde als Schemel seiner Füße: Hat die Zerstörung des Himmels durch die Rezeption des Weltbegriffs, vollendet in der kopernikanischen Wende, Gott um seinen Thron gebracht?
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