Die Hegelsche Philosophie wird erst dann ganz begriffen, wenn man in ihr das Moment der selbstzerstörerischen Selbstreferenz erkennt, mit der Welt als Subjekt und dem Weltgericht als Substanz; das Absolute erweist sich als ein durch das Gericht sich konstituierendes und erhaltendes Absolutes. Dieses Absolute ist die reine Inkarnation dessen, was die Prophetie den Taumelkelch, den Kelch Seines Zorns nannte.
Nicht die Überlebenden (die Geschichte, das Ausland oder die Welt), die Toten werden uns richten.
Es ist die Schuld der Väter, die die Sünden der Mutter als reine schuldbeladene Materie objektiviert und damit unaufhebbar macht.
Die Sünden der Welt auf sich nehmen, heißt die Hoffnung aus der trüben Mischung von Herrschafts- und Eigeninteressen herauslösen.
Im Gegensatz zur verdinglichenden Gewalt des Lachens hat das Weinen eine lösende Kraft.
Wir sind in einem sehr viel tieferen und weit schlimmeren Sinne Hegelianer als wir es wissen: Das Ich ist herabgesunkenes Kulturgut, eine Emanation des Hegelschen Absoluten, und so benimmt es sich auch. Die Natur, die die Idee als das Absolute frei aus sich entläßt, ist die fremdenfeindliche Mordlust, Erbe der christlichen Opfertheologie, als deren bewußtlose Projektionsfolie der moderne Naturbegriff sich erweist. Natur ist Xenophobie.
Gegen Baader: Die Hegelsche Philosophie ist nicht das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern nur der errichtete Scheiterhaufen, der auf den zündenden Funken wartet.
Das Ne-Utrum ist die Leugnung der Differenz zwischen den oberen und den unteren Wassern. Deshalb steht am Anfang der Philosophie der Satz „Alles ist Wasser“. Hier konstituiert sich das „Alles“, ohne das es die Philosophie nicht gegeben hätte.
Die Geschichte der Philosophie und ihre Potenzierung in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung ist in dem gleichen Maße, in dem sie die Geschichte des Erkenntnisprozesses ist, auch die eines universalen Verdrängungsprozesses. Eine nicht unwesentliche Rolle in diesem Gesamtprozeß spielt die christliche Theologie.
Ist nicht Hegels Wort vom Aberglauben des Verstandes ebenso ambivalent wie das von der falschen Zärtlichkeit für die Welt?
Benjamins Wort, daß die Theologie heute klein und häßlich sei und sich nicht dürfe blicken lassen, ist inzwischen vom Fortschritt überholt. Die Theologie ist zum Opfer des Weltgerichts geworden, und diese Abtreibung und Zerstückelung der Theologie wird von der Kirche nach draußen projiziert und (als Sünde der Abtreibung) an den Frauen verfolgt.
Die Philosophie ist das Flechten von Schurzen aus Feigenblättern, das aber mit der gleichzeitig sich beschleunigenden Entblößung nicht Schritt halten kann. Die Geschichte des Feigenblatts endet in der Hegelschen (oder auch der Heideggerschen) Philosophie, der vollendeten Entblößung. Philosophie ist der vergebliche Versuch, die Blöße zu bedecken, die sie selber produziert. Sie ist Teil der Geschichte der Exkulpationsrituale. Die Welt ist eine Fortentwicklung des Feigenblatts.
Diskussion des Zeitbegriffs, der Vorstellung der homogenen Zeit, an der Hegel richtig das Moment des Sollens bemerkt, des – wie Baader es nannte – tantalischen Strebens, sich an das grundsätzlich unerreichbare Ende der Zeitreihe zu setzen. Indem ich mich der Zeit bediene, sie instrumentalisiere, unterwerfe ich mich ihr. Das verhext die gesamte Chronologie, sowohl die der Menschheits- als auch die der Naturgeschichte. In den Verstrickungen des logischen Aberglaubens des Verstandes hat sich das Subjekt verfangen. Das Heideggersche Geschick des Seins ist die späte Rache der mit dem Ursprung des Begriffs verinnerlichten Schicksalsidee.
Wenn es zum Herrendenken keine Alternative gibt, ist der Aufruhr der Rechten unvermeidbar. Und wenn es nur den auf Selbstexkulpation, nicht auf Gerechtigkeit abgerichteten Rechtsstaatspositivismus gibt, dann ist der Staat gegen rechts hilflos.
Das Zölibat ist der zwangslogisch in der Rezeption des Weltbegriffs begründete und insoweit durchaus konsequente Versuch, die Übernahme der Sünden der Welt, den Kern einer theologisch verstandenen Keuschheit und in dem Sinne das Zentrum des Christentums, durch eine neutralisierte und biologisch verdinglichte Keuschheit zu ersetzen. Seine Zwangslogik ist die der säkularisierten Projektions- und Entschuldungsmechanismen. Deshalb ist das Zölibat die schlimmste Verletzung des Keuschheitsgebots.
Auch die Sexualmoral ist Produkt der Neutralisierung. Das Ne-Utrum, das darin enthalten ist, setzt die Verdrängung des politischen Sinns der Sexualmoral voraus und stabilisiert sie.
Die Unzucht des Seins: Die Kopula heißt nicht umsonst Kopula: die Vergewaltigung der Erkenntnis durch die Urteilsform. Welt ist ein obszöner Begriff, und die vergewaltigte Schöpfung heißt Natur.
Wenn die Sonne im Westen untergeht, zieht sie einen roten Vorhang vom Osten her über den azurnen Himmel, hinter dem sich die Finsternis öffnet, in der die Sterne erscheinen.
Wasser
-
01.12.92
-
30.11.92
Der Satz des Thales „Alles ist Wasser“ ist ein prophetischer Satz. Er beschreibt das Schicksal der gesamten Philosophie.
Mit dem Satz „ens et unum convertuntur“ wurden das Neutrum und der Weltbegriff abgesichert.
Ist der Dualis die Vorstufe des Neutrum, ist das ne utrum durch Negation aus dem Dualis hervorgegangen? Und kann es sein, daß der Dualis in einer kritischen Beziehung zum Akkusativ steht, daß er das Moment des verteidigenden (gegen die identifizierende Gewalt des Akkusativ gerichtete) Denken noch in sich enthält? Hängt das lateinische Akkusativ-m (-um, -am) mit dem hebräischen Dualis-m (-jim) zusammen? Und ist die Negation, die den Dualis in das Neutrum umgewandelt hat, durch die Futurbildungen (durchs Herrendenken) in die Sprachstruktur hereingekommen: durch das Abschneiden der Utopie, durch die Sünde wider den Heiligen Geist (die Sünden der Welt als Folge der Sünde wider den Heiligen Geist)? Und dieses Negative, diese Negation drückt sich in einer Fülle von Strukturen aus: vom Weltbegriff über den Begriff des Seins bis hin zu den subjektiven Formen der Anschauung; theologisch wird es durch die Schlange und durch die Teufelsnamen, vom Ankläger über den Verwirrer bis zum Dämon, symbolisiert. (Beziehen sich darauf nicht auch die drei Versuchungen Jesu; und sind die drei Leugnungen nicht prophetische Hinweise darauf, daß die Kirche diesen Versuchungen erliegen wird?
Hängt der Ursprung des Neutrum mit all seinen Konnotationen mit der Geschichte der Entdeckung des Winkels in der Geometrie zusammen? Und steckt nicht in allen mit orthos zusammengesetzten Begriffen, von der Orthogonalität bis hin zur Orthodoxie, etwas von dieser neutralisierenden, verweltlichenden Gewalt (hängen etwa der Turmbau von Babel und der Name des Pharao mit dem Problem der architektonischen Beherrschung der Raumverhältnisse zusammen)?
Kann es sein, daß der Name des Pharao mit dem Prozeß der Neutrums-Bildung zusammenhängt, so daß es kein Zufall wäre,
– wenn die Anpassungstheologen wie Küng und Drewermann auf ägyptische Konzepte zurückfallen, und
– daß die Unsterblichkeitstheologie in Ägypten ihren Ursprung hat.
Gewinnen vor diesem Hintergrund nicht die Ägypten-Geschichten von Abraham und Sara über den Josefs-Roman bis zu Exodus-Geschichte einen anderen Sinn? Ägypten: das Sklavenhaus mit den Fleischtöpfen.
Beziehen sich drei inhaltlichen Bestimmungen des Hebräer-Namens: Kleinviehnomaden, Sklaven und Söldner, nicht auf die drei Völker: Babel (Ur in Chaldäa), Ägypten und die Philister?
Sind Idolatrie, Sternendienst und Opferdienst Hilfsmittel zur Begründung und Durchsetzung indogermanischer Sprachstrukturen, Hilfsmittel zur Durchsetzung jenes hypostasierenden und objektivierenden Denkens, das vermittelt ist über die Bildung des Futur II und des Neutrum, sowie der Kasus Genitiv und Dativ? Das Ganze im Kontext von Herrschaftsgeschichtlichen Zusammenhängen: Städtegründung, Ursprung der Institutionen des Priester- und Königtums, des Tempels (Religion und Wirtschaft), Ursprung der Schrift und des Geldes.
Was bedeutet der Wortstamm in dem Volksnamen mizrajim, und woher kommt und was bedeutet der Name der Philister?
Gegen Velikovsky und seine Nachfolger: Nach Auschwitz sollte es eigentlich möglich sein, auch gesellschaftliche Naturkatastrophen sich vorzustellen. Das Problem und Schwierigkeit scheint nur darin zu liegen, daß unser Bewußtsein mit einer Gewalt von Rechtfertigungszwängen beherrscht und durchdrungen ist, die durch den naiven Gebrauch des Weltbegriffs in den historischen Prozeß verflochten sind, daß es dadurch in einer Weise gehemmt und behindert ist, die es außerordentlich schwer macht, diese Hemmnisse real zu durchschauen. Da ist der Velikovskysche kosmische Konkretismus leichter zu akzeptieren.
Steckt in dem Benjaminschen Wort, daß heute alle entscheidenden Schläge mit der linken Hand geföhrt werden, ein verstecktes Zitat aus dem Buch der Richter?
Nochmal Jericho, Sodom und Gibea: Alle drei Städte wurden zerstört, aber auf verschiedene Weise:
– Jericho durch die Posaunen-Prozession um die Mauern der Stadt,
– Sodom durch Feuer und Schwefel und
– Gibea durch die restlichen elf Stämme Israels (mit der Stadt wurden zugleich die Frauen und Kinder der Benjaminiter vernichtet).
Ähnelt das Ergebnis der Zerstörung Gibeas nicht dem Ursprung Roms: die Bildung einer frauenlosen Männerhorde, die erst durch Frauenraub ihr Fortbestehn sichern können; außerdem ist Benjamin ein reißender Wolf, und Romulus und Remus wurden durch eine Wölfin ernährt.
Müssen wir nicht in der Begründung des Wortes „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, in diesem Nichtwissen endlich uns selbst wiedererkennen, anstatt dieses Bewußtsein unter den Rechtfertigungszwängen, die dieses Nichtwissen selber begründen, zu verdrängen. Christ kann nur sein, wer das Erschrecken über dieses Nichtwissen erfahren hat. Und ist auf das Wort im letzten Satz des Buches Jona noch Verlaß; sollten wir nicht endlich lernen, rechts und links wieder zu unterscheiden? Wenn man dem Buch Tobias glauben darf, wird Ninive am Ende doch zerstört. Aber zuvor wird Tobias, der die Toten begrub, von der Blindheit geheilt.
Woher kommt der Name Anatolien (die Weisen haben den Stern in Anatolien gesehen)? -
09.11.92
Die Theologie steht heute vor der Aufgabe, aus einem Schutt- und Trümmerhaufen das zerstörte Haus zu rekonstruieren. Dabei wird man das Augenmerk vor allem auf zwei Dingen richten müssen:
– auf das System der zerstörenden Kräfte: ihre Angriffspunkte, ihre Richtung, ihre Gewalt und
– auf die Bruchstellen der Trümmer: welche ineinander passen.
Aber dieses Haus, das aus den Trümmern zu rekonstruieren wäre, hat es als ganzes in der Geschichte nicht gegeben. Erst mit ihrer Zertrümmerung sind die Trümmer zu Trümmern des Hauses geworden, das aus ihnen jetzt zu (re-)konstruieren ist. Man kann es auch in diesem Bilde sehen: Hier entsteht das Chaos, aus dem die Welt erschaffen wird.
Frage: Wäre die Gnosis ohne das Urschisma (ohne die antisemitische Wendung, die sie da genommen hat, oder: wenn sie den Staat als Demiurgen begriffen hätte) wahr gewesen?
Kritik und Reflexion sind zwei getrennte und doch zusammengehörende Verfahrensweisen, sie dürfen auf keinen Fall verwechselt und auch nicht falsch verknüpft werden. Kritik ist Herrschaftskritik, Reflexion löst den Bann, die Verblendung; und das eine geht nicht ohne das andere. Theologie im Angesicht Gottes geht nur durch den Abstieg zur Hölle hindurch (Befreiung des Feuers durch Reflexion der Wasser). Schuld-, Herrschafts- und Verblendungszusammenhang: Erkenntnis ist heute nur noch durch Schuldreflexion und Herrschaftskritik hindurch möglich. Aber genau das hat das verdinglichte Dogma im Verein mit der Sexualmoral verhindert.
Die Konstitution des Naturbegriffs als eines Totalitätsbegriffs war erst unter christlichen Prämissen möglich, die des Weltbegriffs unter den Prämissen der Idolatrie. So sind beide Begriffe Epochenbegriffe.
Das Konstruktionsprinzip des Sterns der Erlösung wird verfehlt, wenn man sich in das Eingangsproblem nur einfühlt (die Rosenzweigsche „Todesangst“ auf seine private, anstatt auf die allgemeine: politische und philosophische Weltkriegserfahrung bezieht). -
07.11.92
Gegen die Frankfurter Schule: Das Privileg des Opfers ist nicht übertragbar. Übertragbar ist (insbesondere in der Philosophie) nur die Schuld der Väter. Die Tradition auf dem eigenen Rücken weiterbefördern heißt auch: alles tun, daß man die eigene Schuld nicht auf die Nachfahren abwälzt: daß man ausbricht aus dem Kontinuum der Schuld der Väter.
Väter wollen den Erben, Mütter den Messias, den Erlöser. Väter wollen, daß die Hoffnung nicht untergeht, Mütter, daß sie sich erfüllt. Alles andere ist Ausdruck der objektiven Verzweiflung, deren Verkörperung die Welt ist.
Aus der Schuld der Väter heraustreten heißt, aus dem Schuldzusammenhang des Erbens heraustreten. Nicht der letzte Erbe, sondern der Erstgeborene (der erst als letzter kommt) ist Prototyp des Messias.
Jakob hat zwar das Erstgeburtsrecht und mit ihm den Segen seines Vaters Isaak bekommen, aber nicht das Erbe (das Linsengericht war nur der Preis für das Erstgeburtsrecht).
Das Erbe perpetuiert mit der Eigentumsordnung die Welt. Diese Eigentumsordnung (und in ihr das Erbe) ist das Modell der Natur, die die Menschen „überlebt“ (des sinnlosen Kreisens der Planeten).
Der Sohn ist der Erbe: daher die Namen des Gottes- und Menschensohnes? Vgl. auch das Gleichnis vom Besitzer des Weinbergs (Mt 1138, Mk 127, Luk 2014, auch 1213), sowie
– Röm 413 (der Welt Erbe),
– Gal 47 (wenn aber Sohn, so auch Erbe),
– Hebr 12 (der Sohn als Erbe aller Dinge) und 117 (durch ihn verurteilte er die Welt und wurde Erbe der Gerechtigkeit).
Vaterland und Muttersprache unterscheiden sich wie Erbschaft und Erlösung.
Der Spruch „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ ist in der Tat ein Nazispruch.
Hängt das Wort Erben etymologisch mit der Personalpronomen der dritten Person sing. masc. zusammen: dem Er? Wird man nicht durchs Erbe zu einem Er, zu einem Stammhalter (Aufhebung des dialogischen Prinzips)?
Gibt es auch etymologische Beziehungen, die die These begründen könnten, daß das lateinische esse sich im deutschen Essen fortsetzt, das griechische einai, on, im deutschen ein (engl. a bzw. one, lat. unum)? Verweist der Zusammenhang von esse und Essen auf die ontologische Bedeutung der Eucharistie? Gibt es eine Beziehung zwischen dem englischen to be und dem deutschen Präfix be- (vgl. auch become = werden)? Das würde bedeuten, daß im Präfix be-, insbesondere im Wort Bekenntnis, die Reflexion auf das Sein als Angelpunkt der Urteilsform enthalten ist (das Schuldbekenntnis als Antizipation des Urteils; im Bekenntnis macht sich das bekennende Subjekt zum Objekt des Urteilsspruchs: im Glaubensbekenntnis in der Erwartung des Freispruchs, der Rechtfertigung).
Verweist die Differenz zwischen dem englischen to be und dem deutschen Sein nicht auf die fundamentalontologische Differenz von Vorhandenem und Zuhandenem (Grund der Differenz von Natur und Welt)? Müßte man nicht zwischen einem (deutschen) Weltbegriff, einem (französischen) Wissensbegriff und einem (englischen) Naturbegriff der Ontologie unterscheiden? Diese Unterscheidung hängt zusammen mit der zwischen dem besitzergreifenden Prädikat und dem besessenen Objekt. Die Natur ist die von der Welt besessene Schöpfung.
Ist das Bekenntnis (in dem sich das Subjekt zum Objekt seines verdinglichten Glaubens macht) eine Gestalt der Besessenheit, und ist es nicht das Signum des einen unreinen Geistes, der in die Wüste geht? Die Ontologie ist der unreine Geist in der Wüste, im Begriff, mit den sieben unreinen Geistern zurückzukehren.
Steckt im Präfix er- (Erkennen, Erleben) auch das Personalpronomen der dritten Person sing. masc.? Aber bedeutet das nicht auch, daß die patriarchalische Struktur der Sprache bis in ihren Grund zurückreicht? Das Präfix er- hat auch die Bedeutung des „durch und durch“, Ausdruck der Affizierung des Subjekts (im Urteil) durch das Verb vom Grunde her bis ins Innerste hinein. (Hängen esse und Essen mit der dritten Person sing. neutr. zusammen? Gibt es nicht überhaupt eine merkwürdige innere Beziehung des Masculinum und Neutrum, ähnlich der Beziehung der zwei Seiten eines Blattes?)
Der Begriff ist Ausdruck der Besessenheit des Objekts durchs Prädikat. Die Theologie wird erst dann wahr, wenn sie auf die verdinglichende Gewalt der Objektbeziehung verzichtet: in der Auflösung jener Gestalt des Wissens, zu der auch der Begriff des Objekts gehört, d.h. wenn sie reines Wort wird. So tief reicht der Satz aus der Apokalypse, daß das Vergangene (als Inbegriff aller Gegenstände des Wissens) nicht mehr sein wird. Die Theologie wird erst wahr mit der Auferstehung der Toten. Im Objektbegriff (in dem von der Welt besessenen Naturbegriff) verkörpern sich die „Sünden der Welt“, und der Objektbegriff und das System, in dem er gründet, sind der Deckel auf den Gräbern. Natur selber ist der Inbegriff der Besessenheit.
Im Kontext des Weltbegriffs ist die Lehre von der Auferstehung der Toten nicht zu halten; beide verhalten sich wie Feuer und Wasser: Es ist Zeit, daß der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt.
Der Weltbegriff ist vorbedeutet im Bilde der Sintflut; deshalb beginnt die Philosophie mit dem Satz: Alles ist Wasser. Und deshalb war es der Wunsch der unreinen Geister, in die Schweineherde zu fahren, die dann sich ins Meer stürzte.
Der Jordan ist der Fluß, der vom Meer zum Meer fließt: vom Galiläischen Meer zum Toten Meer. Am Jordan hat Johannes getauft (und mit der Aufforderung zur Buße: zur Umkehr, vor dem Schicksal Sodoms gewarnt); das Wirken Jesu fand im Bereich des Galiläischen Meeres und auf ihm statt. Kommt auch das Tote Meer im NT vor (oder nur im AT im Zusammenhang mit der Geschichte von Sodom)?
Das Tote Meer ist das Salzmeer: vos estis sal terrae. Wozu braucht die Erde das Salz? Und was bedeutet der Hinweis „Wenn aber das Salz schal wird“?
Mt 1624: Das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes im Nachfolgegebot wird durch das gleiche Verb bezeichnet wie das Auf-sich-nehmen der Sünden der Welt in Joh 129. Und Mt 1626: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele“; die ganze Welt ist to kosmos holon, die Sünden der Welt sind täs hamartias tou kosmou.
Das Auf-sich-Nehmen der Sünden der Welt begründet beides: das Sündenvergeben und die Austreibung der Dämonen (der unreinen Geister). -
26.10.92
Metz, S. 138f, vgl. auch S. 77ff: Hier ist leicht zu bestimmen, wo der Fehler liegt, wo M. nicht zu Ende gedacht hat.
S. 140: Wie verhält sich Gemeinde zu Kirche? Beziehung des Begriffs Gemeinde zu Allgemeinheit, Meinung, Gemeinheit: zum Possessivpronomen 1. Pers. Sing.
Heidegger benennt das Gefängnis, in das das Dasein geworfen ist, den Ort der Isolationshaft, aufs präziseste: das In-der-Welt-Sein.
Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs und des Weltbegriffs) ist der Keim der Geschichte der Entfaltung, und am Ende auch wieder der Verinnerlichung von Herrschaft. Beide sind im Weltbegriff auf einander bezogen und nur durch ihre gemeinsame Beziehung zum Weltbegriff hindurch zu begreifen. Das Herrendenken hat seinen Ursprung in den Anfängen der Philosophie.
Zu Brot und Wein vgl. Spr 417: Sie (die Frevler) essen das Brot des Unrechts und trinken den Wein der Gewalttat.
Was solche Lieder bewirken wie „Der Glaube ist nun fest verbürgt, … das Leben hat den Tod erwürgt“, ist kaum abzuschätzen; ähnlich „… hilf uns hier kämpfen, die Feinde dämpfen, Sankt Michael“.
Woher kommt der Name der Griechen? Nachdem die „Hebräer“ sich als Israeliten erweisen, die „Griechen“ im NT überall Hellenen sind, wäre es vielleicht doch sinnvoll, mit den Namen etwas weniger leichtfertig umzugehen. Kann es sein, daß hier ein (mittelbar ebenfalls leicht antisemitisch getönter) Sprachgebrauch der deutschen Klassik, die sich auf die „Griechen“, nicht auf die Hellenen bezogen hat, nachwirkt?
Kristallisert sich die wechselseitige Vertauschung von Rechts und Links mit Vorn und Hinten in den differierenden erkenntnisleitenden Blöcken der Naturwissenschaften und der politischen Ökonomie aus (aber beides unter dem Gesetz der trüben Vermischung von Religion und Herrschaft in der oberen Welt)?
Der abgespaltene Bereich des Sakralen (des Numinosen) konstituiert in der trüben Vermischung von Religion und Herrschaft in der oberen Welt. Die Verweltlichung der Welt, Reflex der Verinnerlichung von Herrschaft, hat dieser Vermischung die Grundlage entzogen, sie erzwingt die (fast unmögliche) reine Darstellung der Religion, die damit aufhört, bloß Religion zu sein: Theologie im Angesicht Gottes, nicht hinter seinem Rücken. Insoweit ist die Entzauberung der Welt, ihre Verweltlichung oder die Vollendung des Falls, die Grundlage einer Erneuerung der Theologie. Die Mischung von Religion und Herrschaft ist nicht mehr zu halten (im Namen des Himmels das Wasser vom Feuer zu trennen). In der Geschichte der Verinnerlichung von Herrschaft hat die Herrschaft ihre religiösen Symbole verloren; das hat die Kirche, die fast keine anderen mehr kennt, als Zerfall der Religion angesehen, während sie in Wahrheit eine Voraussetzung ihrer Läuterung war; verlorengegangen ist nur die falsche Verständlichkeit der Religion in der Gestalt der Herrschaftsmetaphorik. (Schleiermacher und vor allem Rudolf Otto wären unter diesem Gesichtspunkt einmal genauer zu lesen.)
In der Heideggerschen Interpretation der aletheia trifft der blinde Fleck des bürgerlichen Bewußtseins im Sein auf seinen eigenen Ursprung, auf sein gegenständliches Korrelat (die falsche Trennung und Verbindung).
Die Philosophie lebt vom Schein der Äquivalenz des Einen und des Allgemeinen, Produkt und Widerschein der Subjektivität. Auszugehen wäre von den Unterscheidungen im Allgemeinen selber (wie bei Rosenzweig: von den Unterscheidungen im Naturbegriff, die daher rühren, daß nicht mit sich identisch bleibt, wenn er auf Gott, Welt, Mensch bezogen wird).
Wenn Jesus das Ja und Amen zur Welt wäre, dann gäbe es keine Auferstehung der Toten.
Weltkritik als Herrschaftskritik, oder gegen den Mißbrauch des Schreckens: der Schrecken ist ein Moment und ein Produkt der Verblendung durch Herrschaft, hervorgerufen durch durch die Schuldwahrnehmung im Stande der Unfähigkeit zur Schuldreflexion. Die verdrängte Gottesfurcht kehrt als Schrecken von außen zurück.
Das Wehe bei Jesus ist keine Drohung in dem Sinne, in dem die verdrängte Gottesfurcht es erfährt.
Ein erschütterndes Wort: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich wiederkomme, was geht’s dich an.“
Der Antisemitismus spielt sich nicht auf der Seite des Bekenntnisinhalts, sondern auf der der Bekenntnisform, seiner Logik, ab. Anders formuliert: Im Kontext eines Weltbegriffs, der die Religion zum Bekenntnis entmächtigt, wird diese Religion, und werden nach ihm alle konfessionellen Inhaltsderivate, zwangsläufig antisemitisch.
Die vom Weltbegriff nicht abzulösende Vorstellung einer homogenen Zeit und ihre Anwendung auf den theologischen Bereich (insbesondere in der Schöpfungslehre und in der Christologie) ist die Ursünde der Theologie. Was an sich jeden Gedanken an eine Vergangenheit von sich ausschließt, kann für uns sehr wohl als vergangen erscheinen, und zwar aufgrund jener das endliche Bewußtsein konstituierenden Brechungsschicht, die am zweiten Schöpfungstag, als Feste zwischen den Wassern, geschaffen ist und von Gott Himmel (schamajim) genannt wurde. Die Wirkung dieser Brechungsschicht ist nur aufzuheben durch Trennung der Wasser vom Feuer, durch Auflösung der Wasser, aus denen bei Thales die Philosophie entsprungen ist.
Thermodynamik, Elektrodynamik und Mikrophysik sind Aspekte jener differenzierten Beziehung von Raum, Zeit und Materie, die ins Inertialsytem durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hereingekommen ist.
Nietzsches Wort von dem Gedächtnis, das nachgibt, ist noch zu harmlos. Aufgrund der Ausstattung unseres psychischen Haushalts, die wir in der Geschichte unserer Sozialisation übernommen haben, gibt es Bereiche, an die das Gedächtnis, bevor es überhaupt nachgeben könnte, schon gar nicht mehr heranreicht. Das „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ läßt sich nicht auf den Bereich des (von uns selbst) Verdrängten einschränken; es gibt Bereiche des gesellschaftlich Verdrängten (und die Geschichte der Auseinandersetzung der Orthodoxie mit den Häresien ist eine Geschichte des forschreitenden gesellschaftlichen Verdrängungsprozesses), an denen wir bloß passiv partizipieren, die uns gleichsam „hinter unserem Rücken“ bestimmen. Diese Bereiche erschließen sich erst im Kontext der „Übernahme der Sünde der Welt“ (ich bin als Christ auch für meinen Charakter, ja, auch für mein Gesicht verantwortlich).
Zum Fundamentalismus: Auch hier reicht nicht die Verurteilung, sondern es gilt (wie zuvor schon in der ganzen Geschichte der Häresien, deren letzter Erbe er ist), das Problem, für das er steht, zu lösen, um ihm nicht selber zu verfallen (Verhältnis von Religion und Herrschaft; Ursprung und Kritik des Sakralen).
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Urschisma und dem Ursprung der Gnosis (Antijudaismus und Rezeption des Weltbegriffs)? -
24.10.92
Zu der Meldung, daß die Entscheidung des Bundespräsidenten über das Gnadengesuch für Bernd Rössner um 18 Monate verschoben/vertagt wurde, daß Bernd Rössner aber am 17.11. aus der JVA Kassel mit der Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen, entlassen wird, einige Fragen:
– Wie ist die Auflage hinsichtlich der Therapie zu verstehen: Wird R. in eine vorbestimmte Anstalt eingewiesen, hat er ggf. dieser Einweisung selber zugestimmt (wenn ja, unter welchen Bedingungen), oder kann er frei bestimmen, welche Therapie er selber für richtig und wirksam hält, hat er die Möglichkeit, sich selbst einen Therapeuten seines Vertrauens zu wählen?
– Im Falle der Einweisung in eine Anstalt (ohne eigene Entscheidungs- oder freie Zustimmungsmöglichkeit): Setzt das nicht die Feststellung der Unmündigkeit, damit aber der Haftunfähigkeit voraus? Ist diese Haftunfähigkeit eine Folge der Haft, oder hat sie schon vorher bestanden, wenn ja: seit wann? Wer ist ggf. dafür verantwortlich, daß R. trotz Haftunfähigkeit in Haft gehalten worden ist?
– Die Tatsache, daß ein Gnadengesuch für R. beim Bundespräsidenten vorlag und mit festen Terminvorstellungen dort in Bearbeitung war, war seit langem bekannt. Dieses Verfahren wurde durch eine „überraschende“ Entscheidung des OLG Düsseldorf in einer Weise unterlaufen und in Frage gestellt, die in der Öffentlichkeit als eine Brüskierung des Bundespräsidenten verstanden wurde und so verstanden werden muß, wenn, wie es die Meldungen nahelegen, die Entscheidung des OLG ohne vorherige Abstimmung mit dem Herrn Bundespräsidenten getroffen wurde. Es mag sein, daß keine rechtliche Pflicht zu einer solchen Abstimmung besteht; es bleibt aber die Frage, ob diese Form des öffentlichen Umgangs mit dem höchsten Amt im Staate, der Eingriff in ein beim Bundespräsidenten laufendes Verfahren, nicht die Loyalitätspflichten berührt, denen nach meinem Verständnis auch ein Senat eines OLG unterworfen ist. Mehr noch: dieses Verhalten des OLG wirft ein Licht auf sein Staatsverständnis, das man nicht ohne Erschrecken zur Kenntnis nehmen kann. Ist es nicht der Fall eines in dem Rechtsverständnis unserer Staatsschutzinstitute begründeten Verfassungskonflikts, der unter dem Stichwort Recht und Gesetz nicht zu lösen ist, vielmehr deren dunkle Gründe offenlegt: das auch in der Verfassung ungelöste Problem der Souveränitat, dessen Begriff nicht zufällig sowohl den Grund der Staatsautorität wie auch die Freiheit der Vernunft von den Zwängen, in die sie durch Unfähigkeit zur Schuldreflektion sich verstrickt, bezeichnet. Ist dieser Konflikt nicht in dem gleichen positivistischen Rechtsverständnis begründet, ohne welches die Aufgabenstellung von Staatsschutzsenaten sich nicht definieren läßt, das aber von einem autoritären (und d.h. nicht souveränen) Staatsverständnis nicht zu lösen ist: Ist nicht ein Rechtsverständnis, das den Staat nur als positivistische Instanz der Rechtssetzung begreift, gezwungen, diesen Staat als nicht souveränes Institut anzusehen? Als ein Institut, das per definitionem jeder Schuldreflektion sich entzieht, deshalb nicht souverän sein kann? Deshalb müssen Staatsschutzsenate jedes Ansinnen an den Staat, sich durch Schuldreflektion als souverän (oder schlicht als vernünftig) zu erweisen, als Angriff auf den Staat, der mit allen Mitteln zu ahnden ist, ansehen und verfolgen, gleichgültig, ob dieses Ansinnen von der raf oder vom Bundespräsidenten ausgeht. Ich meine, die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, ob und in welcher Weise die von diesen Vorgang mit betroffenen Verfassungsorgane hierauf reagieren. Ich befürchte nur, daß dieser Staat sich weiterhin als einer der „unbegrenzten Zumutbarkeiten“ erweisen wird, wobei gegen Sonnemann vielleicht doch zu fragen bleibt, ob diese Zumutbarkeiten wirklich unbegrenzt sind, und ob sie nicht doch an eine Grenze stoßen, an der die letzten Bastionen der politischen Moral, ohne daß es noch einer bemerkt, fallen werden, an der die Welt wirklich zu allem wird, was der Fall ist.
Weitere Bemerkungen:
– 129a als Exerzierfeld zur Erprobung des Grundsatzes: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand;
– funktioniert nur gegen Links, nicht gegen Rechts (obwohl hier die Realerinnerung an die größte terroristische Vereinigung, die es je in Deutschland gegeben hat, unabweisbar ist);
– wie schnell war der Gesetzgeber (auf wessen Anregung?) bereit, den 129a zu erweitern, um Anschläge gegen Strommasten mit aufzunehmen; Anschläge gegen Menschen (dazu noch „Ausländer“) sind offensichtlich weniger gravierend;
– ist der Angriff auf die moralischen Grundlagen des Gemeinwesens kein Angriff auf den Staat?
– das Zeitalter des Antichrist wird das Gesicht eines Hundes tragen, aber muß das unbedingt im Staatsschutzbereich vorgezeigt werden?
– Recht, Verknüpfung von Sünde und Schuld (Schuld und Sühne); Genesis des Faschismus, der Gemeinheit, rechtlich nicht zu fassen, weil subjektlos (Sünde der Welt); Zusammenhang mit der Genesis des Begriffs (äußerliche Erinnerung an die vergangene Tat, die den Täter im zum Namen gewordenen Begriff – „Dieb“, „Mörder“ – als Schicksal ereilt: Schuld als schicksals- und wesensbegründendes Identitätsprinzip), der Welt;
– zum „Verständnis“ für diese Jugendlichen (überhaupt für die „Psychologie“ des Faschismus) gehört es, daß hier womöglich die einzige Stelle ist, an der der Staat aus Vernunftgründen gezwungen ist, mit jenem Zorn, deren nur die souverän gewordene Autorität fähig ist, zu reagieren.
Erinnerungsarbeit begründet die eingreifende, zukunftseröffnende Kraft der Erkenntnis, hängt zusammen mit der inneren Struktur der Zeit (gegen die Metzsche Diskriminierung der Anamnese). Teil des Verhältnisses von Theorie und Praxis: Über die Kritik der mit dem Weltbegriff mitgesetzten Verblendung wird die Theorie zu einem Teil der Praxis. Der Weltbegriff, der endgültig mit der Philosophie und dem Römischen Imperium sich durchgesetzt hat (und spätestens seit der Konstantinischen Wende Theologie und Kirche beherrscht), hat seine Vorgeschichte (die durch Erinnerungsarbeit in die Kritik des Weltbegriffs mit aufgenommen wird); dazu gehören auf der einen Seite das, was die Schrift Idolatrie, Sternen- und Opferdienst nennt, andererseits aber auch Ursprung und Geschichte der politischen und ökonomischen Institutionen (insbesondere der Ursprung und die Geschichte der Stadt, des Königtums, des Handels und des Geldes) und die damit verknüpfte Sprachgeschichte. Gewinnt vor diesem Hintergrund vielleicht doch der Ursprung der indogermanischen Sprachen neues und ganz anderes Interesse (grammatische Ausdifferenzierung, insbesondere Ursprung des Futur II: Ursprung des objektivierenden, verdinglichenden Denkens, sprachliche Voraussetzung des Weltbegriffs)?
Die Vorstellung von der Kirche als einer gesellschaftskritischen Institution bleibt bei einem äußerlichen Verhältnis von Kirche und Gesellschaft stehen. Das hängt zusammen mit
– der Funktion des Weltbegriffs,
– der ungeklärten (ebenfalls bloß äußerlich vorgestellten) Beziehung von Theorie und Praxis und
– dem Verzicht auf die Idee einer eingreifenden Erkenntnis.
Die Kirche wird zur gesellschaftskritischen Institution, wenn sie sich selbst als das steinerne Herz der Welt begreift und darüber erschrickt. Dazu ist sie aus dem gleichen Grunde geworden, den Metz heranzieht, wenn er auf die christlichen Ursprünge der Verweltlichung der Welt verweist. Das aber verweist darauf, daß und in welcher Form das Christentum in der Tat in den Säkularisationsprozeß verstrickt ist, daß dessen fehlendes Selbstbewußtsein in der kirchlichen Selbstverblendung begründet ist, und daß der Schlüssel zur Lösung in der Hand der Kirche liegt.
Die Welt als Geschichte (Metz) wäre nicht nur auf die politisch-ökonomische Geschichte zu beziehen, sondern ebenso auf die der naturwissenschaftlichen Aufklärung (auch im Verhältnis zur Natur auf die innere Struktur des Weltbegriffs selber).
Ist nicht der paulinische Gesetzesbegriff selber erst zu begreifen, wenn er aus dem Grunde der juristischen Verknüpfung von Sünde und Schuld begriffen wird. Denn das ist der Grund des Gesetzes im Recht wie in den Naturwissenschaften (in denen die Verknüpfung von Sünde und Schuld im Kausalprinzip wiederkehrt).
Zur Verdeutlichung dessen, was mit der Übernahme der Sünden der Welt gemeint ist, ist auf einen Witz zu verweisen, der von Mitscherlich stammt, und den Horkheimer und Adorno in den Soziologischen Exkursen zitieren:
In einer Massenveranstaltung wettert der Redner über die Massen: „Die Masse ist an allem schuld.“ Tosender Beifall.
Die Masse: das sind immer die anderen, aber nicht wir; wir sind es nur insoweit, als wir es auch für die anderen sind. Hierbei wirkt der fatale Mechanismus mit: Gerade dadurch, daß man sich über die Masse erhebt, wird man selbst Teil der Masse. Hierauf bezieht sich die Idee der Übernahme der Sünden der Welt, mit der dann wiederum allein die Kraft der Sündenvergebung sich begründen läßt.
In der Geschichte des Massenbegriffs ist der Zusammenhang von Empörung und Fall zur Gemeinheitsautomatik zusammengeschlossen. Nach dem gleichen Schema reagiert jegliche Empörung (jede exkulpatorische Nutzung des moralischen Urteils, mit dem ich mich von der Tat distanziere: Zusammenhang mit dem Begriff der „Tatsache“; die Geschichte der Philosophie ist in diese Geschichte des Massenbegriffs verstrickt).
Anima naturaliter christiana: Der Satz läßt sich variieren: Natura mortaliter christiana. Das, was wir Natur nennen, ist abgestorbenes Christentum, Folge und Ausdruck der Sünde wider den Geist. Die Sünden der Welt: Deren Inbegriff ist die Natur, und zwar als Todsünde. Hierauf bezieht sich das Wort vom Kelch in Gethsemane.
Die Kausalverknüpfung von Sünde und Schuld, zusammen mit dem Konzept, daß Jesus die Sünde der Welt hinweggenommen hat, ist die Kehrseite der sprachlichen Verknüpfung des Indikativs mit dem Imperativ, aus dem die Ontologie den Schein ihrer Tiefe gewinnt (durch Begriffe wie Geschehen, Ereignis, Eigentlichkeit, Vollzug, vor allem durch den Existenzbegriff selber: Fundamentalontologie als Kommando der subjektlosen Welt).
Wer die Vergangenheit nicht antasten will, wer nicht daran rühren will (wer 2000 Jahre Christentum für einen Wahrheitsbeweis, anstatt für das Gegenteil, hält), wer sich davon glaubt fernhalten zu können, verbaut sich die Zukunft (eben darauf bezieht sich das dem vierte Gebot beigefügte Versprechen).
Wenn man sich daran erinnert, daß Adorno durch sein Wirken in einem kleinen Geschichtsaugenblick uns wieder Luft zum Atmen gegeben hat, dann braucht man diesen Satz nur ins Griechische zu übersetzen, um eine kleine Ahnung davon zu bekommen, was die Idee des Heiligen Geistes real bedeuten könnte.
Der prophetische Satz, daß der Geist die Erde bedecken wird wie die Wasser den Meeresboden, hat sein spätes Echo in der Apokalypse, wo es heißt: Und das Meer wird nicht mehr sein. Hierher aber gehört auch die Geschichte vom Kleinglauben des Petrus, der bei dem Versuch, wie Jesus auf dem Wasser zu wandeln, versinkt mit dem Ruf: Herr hilf mir, ich ertrinke. Ist nicht das Dogma dieser Kleinglaube? Und sind diese Wasser nicht seit Thales die Philosophie?
Wenn Aristoteles etwas mit dem einen unreinen Geist zu tun hat, dann die Hegelsche Philosophie mit den sieben unreinen Geistern. -
05.10.92
Besuch der Frankfurter Buchmesse gestern:
– Beim Pfeiffer Verlag wegen Rosemary Radford Ruether: Brudermord und Nächstenliebe, und beim Christian Kaiser Verlag wegen Charlotte Klein: Theologie und Antijudaismus, vorgesprochen; in beiden Fällen die gleiche Antwort: keine Nachfrage, Neuauflage aus Rentabilitätsgründen nicht zu vertreten. Aber beide Titel sind restlos verkauft: woher wissen die Verlage, daß die Nachfrage erschöpft war? Mein Hinweis auf die in Festreden immer wieder beschworene verlegerische Verantwortung (die insbesondere bei Titeln gelten sollte, die die Verstrickung der Theologie in die Vorgeschichte von Auschwitz theologisch thematisieren) löste nur Abwehrreaktionen aus; die Frage, ob nicht vielleicht Zensur oder Pressionen von Betroffenen mit hereinspielen, wurde mit Empörung zurückgewiesen.
– Bei der EVA, Hamburg, Karten mit dem Satz von Ulrich Sonnemann:
„Zukunft ist von außen wiederkehrende Erinnerung; daher hat die Gedächtnislosigkeit keine“.
Damit wird das Futur II (und mit ihm die blind sich reproduzierende Ökonomie und die ganze Naturwissenschaft) als Inbegriff der Zukunftslosigkeit bestimmt: Hat das nicht nicht doch etwas mit der Idee der Auferstehung der Toten zu tun, mit der zukunftsbegründenden und die Toten erweckenden Kraft der Erinnerung? Wenn die Theologen (die Christen) wirklich je an die Lehre von der Auferstehung der Toten geglaubt hätten, dann sähe die Theologie (das Christentum) anders aus.
Das ho airon in Joh 129 schließt ebenso wie das tollere in der Vulgata eine Übersetzung mit auf sich nehmen statt hinwegnehmen nicht aus; es erzwingt keineswegs ein Verständnis, das eine opfertheologische, durch das stellvertretende Sühneleiden und den Kreuzestod hergestellte Schuldlosigkeit der Welt (oder der Natur) begründen würde. Das Hinwegnehmen war das Tor, durch das die Philosophie (als Medium der Verinnerlichung des Mythos) Einlaß in die Theologie gefunden hat. Jesus hat die Sünde der Welt (tän hamartian tou kosmou) auf sich genommen, nicht die Schuld der Welt hinweggenommen.
Wie hängen das Symbolum und die Trinitätslehre, und – man muß schon sagen: das Verschwinden JHWH’s, mit der Funktion des Weltbegriffs in der christlichen Tradition zusammen?
Mit der Hypostasierung der Welt wird die Schuld unaufhebbar; und genau das wird genutzt als Exkulpationsmotiv. Das ist der Grund der Sexualmoral (die Projektion der unaufhebbaren Schuld in die Erinnerung der Natur im Subjekt).
Der Naturbegriff erzwingt die Vergöttlichung Jesu, und er widerlegt sie zugleich: die Christologie ist ein Erinnerungsmal des undurchschauten Naturbegriffs.
Zur Sintflut: Haben hier, mit der Öffnung des Raumes ins Unendliche, die Bedingungen sich so verändert, daß die Wasser oberhalb sich nicht mehr halten konnten, sich zwangsläufig zu Wolken und Regen kondensierten (verdinglichten), mit der Folge, daß es danach dann den Regenbogen gab (die Farben stellen noch heute die Erinnerung vor Augen, daß die Dimensionen des Raumes, nicht vollständig umkehrbar sind; in der Physik wiederentdeckt mit der Entdeckung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit). Auf welche physikalischen und astronomischen Veränderungen verweist diese Sintflutgeschichte (gesellschaftlich verweist sie u.a. auf den Ursprung der Zivilisation: von Herrschaft, Hierarchie und Gewalt, das Fleischessen, den Weinanbau und die Trunkenheit; vorausgegangen ist eine Rettung der Tiere, die für die Tiere auch der Anfang einer Katastrophe war)? Gibt es einen Zusammenhang mit der Velikovsky-Heinsohnschen Venustheorie?
Johannes Scottus (Fünftes Buch, S. 310) bringt die Vorstellung ins Spiel, daß der Sonnenstrahl aus dem Meeren und Flüssen sowie aus allen Wasseransammlungen und irdischen Pfützen Stoff an sich zieht und damit Nahrung in seine Natur aufnimmt.
Sind die Nahrungsgebote (vom Paradies bis zur Eucharistie) vielleicht verzweifelte Versuche der Gottheit, zu retten, was nicht zu retten ist?
Ps 4915: Rießler übersetzt „Sie gleichen Schafen, die für die Unterwelt der Tod schon weidet“, die Einheitübersetzung: „Der Tod führt sie auf seine Weide wie Schafe, sie stürzen hinab zur Unterwelt“. (Vgl. Schaf und Lamm: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe; auch Mt 936 und die in der Anmerkung dazu genannten Stellen.)
Angesichts des unendlichen Raumes gibt es zur concupiscentia keine Alternative.
Was haben die Wasser (zweiter Schöpfungstag, Sintflut, Thales) mit den Urteilen zu tun? Ps 367: Deine Urteile sind tief wie das Meer. Vgl. Jes 5720: Die Bösen aber gleichen einem aufgewühlten Meer. Wird mit der Trennung der Wasser oberhalb von den Wassern unterhalb das Gute vom Bösen getrennt (beide bleiben namenlos, bis sie durch den Baum der Erkenntnis sich enthüllen, und zugleich die Scham begründen). Ist das Schicksal als der Schuldzusammenhang des Lebendigen (Benjamin) nicht der Inbegriff des urteilenden, richtenden Denkens und Erkennens (des Begriffs, durch den die Schuld ins Objekt projiziert wird)? Die platonische Idee des Guten gehört zu den Konstituentien des Weltbegriffs; und das scholastische Verum wird durch die Zusammenstellung mit dem Unum und dem Bonum depotenziert.
Es stimmt, daß sich die Erbschuld über die concupiscentia fortpflanzt; aber das primum concupiscibile ist die Unsterblichkeit.
Der banale Vers, den Adorno in den Minima Moralia ironisch zitiert: Der Leib liegt auf dem Kanapee, die Seele schwingt sich in die Höh, ist so absurd vielleicht doch nicht, wie er zunächst klingt. Könnte er nicht als Bild der Erinnerungsarbeit gehört werden: Ich lege mich selber aufs Kanapee und setze mich hinter mich, lasse die Assoziationen kommen und prüfe sie dann selber auf ihren Erinnerungs- und Wahrheitsgehalt. Diese Anwendung der tiefenpsychologischen Anamnesetechnik verschiebt die Elemente der Freudschen Theorie, sie stellt insbesondere eine Beziehung her zwischen dem subjektiven („psychologischen“) Verdrängungsapparat und der Objektivität des Weltbegriffs, der so als der Ursprung jeglicher Verdrängung sich enthüllt, die historisch-gesellschaftlichen Konnotationen des subjektiven Verdrängungsapparats erkennbar macht.
Die Zerstörung des Namens durch den Begriff: Dabei ist daran zu denken, daß der Begriff aus dem Prädikat stammt, durch Hypostasierung daraus gewonnen wird, dann aber – mit der Verdinglichung und Instrumentalisierung des Objekts – an die Stelle des Namens tritt.
Man muß die beiden Sätze zusammenhören:
– Einmal ist keinmal, und:
– Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.
Sie rühren an den Ursprung und Kern der Philosophie, denn das, was in der Philosophie und seitdem Wissen heißt (und für dessen Allgemeinheit der Satz „Einmal ist keinmal“ gilt), dem braucht man nicht zu glauben.
Liegt dem Futur II nicht ein Wiederholungszwang zugrunde; und d.h.: gründet nicht das Futur II in einer welthistorisch wirksamen Verdrängung?
Das Weltgericht ist der Begriff, mit dem Hegel das Schicksal in seiner Philosophie benennt.
Die Erstgeburt Adams ist Kain, nicht Abel. Aber diese Bezeichnung der Erstgeburt als Mörder (und nicht Opfer) begründet nicht, daß dann die Erstgeburt zu opfern ist.
Die Philosophie ist Produkt der gesellschaftlichen Reflektion des Selbstbewußtseins von Privateigentümern; darin gründet der Begriff des Allgemeinen und die Philosophie als politischen Philosophie. Und der Übergang vom Mythos zur Philosophie spiegelt den den Übergang vom Objekt zum Subjekt von Herrschaft (und nicht die Versöhnung).
Zur Institution des Privateigentums und der darin gründenden Emanzipationsgeschichte: Zu den Begriffen der Meinung, der Gemeinheit und des Allgemeinen wird man den Ursprung des Rechts (das im Interesse der Absicherung des Privateigentums die Beziehungen zwischen Privateigentümern regelt) mit hinzu nehmen müssen. Hier fällt die Selbstreflektion der Philosophie mit der Selbstbegründung des Staates zusammen.
Das Futur II ist ein Erzeugnis der Schrift, zumindest hat es mit der Schrift einen gemeinsamen Ursprung.
Die Philosophie hat das Feste verflüssigt und das Flüssige verdinglicht.
Radikalisierung durch Neutralisierung: Die Leidensunfähigkeit, die Johannes Scottus den Seligen attestiert, könnte damit zusammenhängen, daß er es nicht erträgt, daß zur Seligkeit nach Augustinus der Anblick des Leidens der Verdammten in der Hölle dazu gehören soll. Aber es gibt kein Glück ohne Befreiung und Entfaltung der Leidensfähigkeit. Und genau das ist mit der Tabuisierung der Lust und mit der Diskriminierung der Sexualität abgeblockt, verhindert worden.
Johannes Scottus, 5. Buch, S. 312: Folie, vor der die Welt als gerechtfertigt sich darbietet und das Böse in die Sexualität verschoben wird. Hier schlägt der mythische Gehalt dieser Theologie voll durch (Zusammenhang mit dem sexualmoralischen Grund des Objektbegriffs). -
02.10.92
Weltbegriff als Wasserscheide zur Zivilisation (Ödipuskomplex; Ursprung des Geldes und der Schrift; Götzendienst und Monotheismus; Astronomie und Opfer; Philosophie und Staat; Mathematik und Sprache).
Nathanael wird von Jesus unter einem Feigenbaum als echter Israelit erkannt. Später verflucht Jesus einen Feigenbaum, der keine Früchte trägt, und er verdorrt. Hat das etwas zu tun mit dem Feigenbaum, mit dessen Blättern Adam und Eva nach dem Sündenfall ihre Scham bedecken (vgl. hierzu die Bemerkungen Johannes Scottus‘ zu den Feigenblättern im 4. Buch, Kap 21 – S. 231: die die von den Werken abgelösten bloßen Worte des göttlichen Gebots bezeichnen, mit denen die Frevler ihre Scham: ihr schlechtes Gewissen, vor sich und vor anderen verbergen)? Verweist die Verfluchung (und dann das Verdorren) des Feigenbaums auf das Schicksal der Theologie, des Dogmas, in der Geschichte des Christentums (auf den geheuchelten Gebrauch des Wortes Gottes: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen).
Johannes Scottus ist einer der wenigen Theologen, die wissen, daß die „Strafe Gottes“ (am Ende auch die Hölle) etwas ist, was nicht Gott den Menschen, sondern die Täter sich selber antun. Und es gehört zu den verworfensten Zügen der christlichen Kirchen, daß sie diesen Mechanismus den Tätern abgenommen und gleichsam in eigene Regie übernommen haben (Grund und Zentrum: Sexualmoral; Objektivationen: Bußsakrament und Höllenvorstellung, Bekenntnis und Rechtfertigung). Genau darin (im instrumentalisierenden Gebrauch der Religion) manifestiert sich das Binden: hat sich die Kirche zum steinernen Herzen der Welt gemacht (mit dem Lösen wird das steinerne durch ein fleischernes Herz ersetzt: das verweist auf den Zusammenhang des Lösens mit dem Weinen).
Steht bei Johannes Scottus der Begriff „Wesenheit“ (essentia) an der Stelle, an der später der Weltbegriff steht (5. Buch, S. 180)? Sind Wesenheit und Welt gleichsam die Vorder- und Rückseite des Begriffs; wird in der Wesenheit die benennende Kraft des Begriffs, die dann im Nomalismus (im Weltbegriff) untergeht, noch erinnert; und gründet darin die Beziehung der Philosophie zur Theologie (in der Hegelschen Logik ist das Wesen vermittelt durch den Schein)?
Ist das Antlitz des Menschen das Abbild Gottes und der Spiegel der Schöpfung? Oder hat der Schöpfungsbericht etwas mit der Bildung des menschlichen Angesichts zu tun (und die Verantwortung für die Schöpfung etwas mit der Verantwortung für das eigene Gesicht)?
Johannes Scottus‘ Bemerkung, daß die Güte die Bosheit, ihr Gegenteil, in sich selber aufzehrt, auf das Christentum, das Bekenntnis, das Dogma anwenden: die Realisierung des Angesichts zehrt die blasphemische Rückseite des Dogmas, die erst in seiner Instrumentalisierung sich bildet, das Unbekehrte an ihm, auf.
Anwendung auf die Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht, und: ama et fac quod vis.
Schon im biblischen metanoeite (im „Umdenken“) wird die Umkehr als erkenntnistheoretische Kategorie begriffen. Sie ist der sowohl ethische als auch gnoseologische Kern der Weltkritik. Dazu gehören: die „Übernahme der Sünde der Welt“, das „Richtet nicht“, die Feindesliebe, das „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“. Aber in dem gleichen Zusammenhang, in dem die Erbsünde in die Sexuallust verlagert wurde, wurde dieses metanoeite als „Buße“ dem Herrendenken untergeordnet und in das Konzept des stellvertretenden Leidens (der Opfertheologie) mit einbezogen und so zur Unkenntlichkeit entstellt.
Ist die Sexualität Repräsentant des Objekts (der Materie) in der eigenen physis? Dann ist die Sexualmoral von der Geschichte der Naturbeherrschung nicht zu trennen.
Das Rätsel lösen, das in dem Satz „Wir haben seinen Stern gesehen“ steckt.
Der Raum macht das Ungleichnamige gleichnamig: das Im Angesicht und Hinter dem Rücken, das gnadenlose Recht (den „Rechtsstaat“) mit der Gerechtigkeit und das Herrendenken mit der Theologie; das Vorn und Hinten, Rechts und Links, Oben und Unten.
Die Beziehung von Natur- und Weltbegriff ist Ausdruck und Stabilisator der Antinomien der reinen Vernunft. Beide sind – als Totalitätsbegriffe – in einem sehr wörtlichen Sinne Kurzschlußbegriffe (Problem der Beziehung von Dynamischem und Mathematischem in der kantischen Philosophie).
Wenn von Weizsäcker sagt, der Raum sei Geist, so hat er recht; Nur – so wäre zu ergänzen – unreiner Geist (Grund und Inbegriff der sieben unreinen Geister).
Hängt der Kreuzestod Jesu damit zusammen, daß nach der Schrift sterben muß, wer das Angesicht Gottes sieht? -
30.09.92
Horkheimers Bemerkung über das Christentum, es sei die menschenfreundlichste Religion, aber zugleich die Religion, in deren Namen die abscheulichsten Untaten begangen wurden, benennt zwei Seiten eines Sachverhalts. Das Bild von den zwei Seiten eines Blattes, die nicht von einander zu trennen sind, trifft diesen Sachverhalt genau. Aber könnte es nicht sein, daß die „Rückseite“ des Blattes sich überhaupt erst bildet zusammen mit der Instrumentalisierung der „Vorderseite“ (Zusammenhang von Leugnung des Angesichts und Konstituierung des Hinter dem Rücken). Zum Vergleich: Die Vorstellung des unendlichen Raumes verdankt sich dem unerfüllbaren und deshalb unendlichen Trieb (genauer seiner Unerfüllbarkeit), die ganze Welt von hinten (von außen) zu sehen; ähnlich wie sich die Vorstellung der unendlichen Zeit dem eben so unerfüllbaren Trieb, die Zukunft als vergangen zu sehen, verdankt: dies aber ist der Grund des Weltgerichts (der richtenden Gewalt der urteilenden Erkenntnis), aus dem der Weltbegriff sich herleitet, der seinen instrumentalen Gebrauch im Erkenntnisprozeß begründet.
Die kantischen subjektiven Formen der Anschauung, sind nicht einfach gegeben, sondern verdanken sich einem Reflexionsprozeß, in dem die ganze Geschichte der Philosophie drinsteckt; insbesondere der Prozeß der Vergegenständlichung der Zeit, die Konstituierung der Vorstellung eines homogenen Zeitkontinuums, war nur möglich durch die Vergegenständlichung der Raumvorstellung hindurch, und sie war nur möglich mit Hilfe von Mitteln, die der Raumvorstellung entnommen wurden, insbesondere mit Hilfe des Elements der Orthogonalität.
Die Frage, warum der Raum drei Dimensionen hat, ist ebenso unzulässig wie die andere, warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts. Zulässig ist vielmehr nur die Frage, was drückt sich darin aus. Allerdings wird man auch die an sich unzulässige Frage ein wenig weiterverfolgen müssen, weil sie auf den Reflexionszusammenhang führt, in dem sich die Vorstellung der homogenen Zeit bildet; die drei Dimensionen des Raumes spiegeln sich in den drei Momenten des Zeitbegriffs (Kontinuität, Folge und Zugleichsein). Aber hier handelt es sich um ein Reflexionsverhältnis, die Momente konstituieren sich wechselseitig; im Zentrum steht die grammatische Bildung des Futur II, ohne das es den philosophischen und theologischen Weltbegriff nicht geben würde. Dieser Weltbegriff hat sich im allgemeinen Bewußtsein niedergeschlagen (und vergesellschaftet).
Der Ursprung des philosophischen Naturbegriffs verweist (schon bei Thales) auf den des Wassers.
Der Schöpfungsbericht enthält die Lösung eines Problems, das wir als Problem überhaupt erst entdecken müssen.
Steckt in der Geschichte von dem einen unreinen Geist in der Wüste, der dann mit den sieben unreinen Geistern zurückkehrt, ein Hinweis auf das Verhältnis von Petrus und Maria Magdalena?
Enthält die Geschichte vom Aufdecken der Blöße des trunkenen Noah durch Ham einen Hinweis auf die Geschichte des Ursprungs des Geldes?
Im Fall wird das Individuelle übergangs- und reflektionslos zu einem Allgemeinen. Hierin konvergieren der erste Satz aus dem logisch-philosophischen Traktat Wittgensteins und die Rosenzweigsche Konstruktion des Weltbegriffs (B = A, zusammen mit der Kritik der idealistischen Umkehrung A = B, die den Weltbegriff der Reflexion entzieht). -
27.09.92
Hängt es mit dem Weltbegriff zusammen, wenn mit der Sünde der Tod in die Welt gekommen ist? (Oder: Stimmt der Satz: Alle Menschen sind sterblich, nur im Kontext des Weltbegriffs? Und würde der andere Satz, daß Gott die Welt erschaffen hat, dann mit einschließen, daß er den Tod erschaffen hat?)
Ist die Vorstellung der zeugenden Kraft im Naturbegriff ein patriarchalisches Erbteil? Hängt die kantische Unterscheidung des dynamischen vom mathematischen Totalitätsbegriff (die Differenz der Begriffe Natur und Welt) nicht auch damit zusammen, daß in der Physik selber, im Inertialsystem, diese wechselseitige Vermittlung der dynamischen und mathematischen Momente auf die Orthogonalitätsbedingungen zurückweist? Und ist insbesondere das dynamischen Moment Produkt der Umkehrung des Zeitbegriffs (der Eliminierung der Hoffnung)?
Die Orthogonalität ist sowohl die Bedingung der Reversibilität der Richtungen im Raum als auch der Irreversibilität der Zeit. D.h. die sprachlich-grammatische Bildung des Futurs hängt mit der Entdeckung der Orthogonalität zusammen. Insofern gehören der Satz des Pythagoras und die Entdeckung des Winkels in der Geometrie zur Vorgeschichte des Ursprungs der Philosophie. Und Heideggers Begriff vom Haus des Seins rührt an den Zusammenhang des Seinsbegriffs mit dem der Orthogonalität.
Ist die Orthogonalität der Inbegriff der Nächte, die die Tage im Schöpfungswerk von einander scheidet?
Ist das Verhältnis von Tag und Nacht nicht das Modell der Umkehr? Und gehört dazu das biblische Bild vom Morgenstern (und die Parallellgeschichte mit der Astarte, der Ischtar, der Venus)? Ist die Schöpfungsgeschichte (das Sechstagewerk) die Geschichte der Bildung des Antlitzes des Menschen (des Ebenbildes Gottes)?
Lag das proton pseudos der christlichen Sexualmoral nicht in der Biologisiserung der Lust? Und ist die Sexuallust nicht ein Reflex jener Entfremdungslust, deren Ursprung und Zentrum im Ursprung und Zentrum des Denkens, des Geistes, zu suchen ist? Auch die Urteilslust, die als Projektionsfolie den Begriff der Materie (und den der Schuld) fordert, ist mit der Sexuallust gleichursprünglich. Dann wären insbesondere das kopernikanische System und die transzendentale Logik Kants Abkömmlinge dieser Sexuallust.
Mit dem Übergang von der Schul- zur Weltphilosophie tilgt Kant die letzten Spuren des scholastischen Realismus (im Sinne des Universalienstreits); er tilgt die letzten Spuren der benennenden Kraft im Begriff.
Ist heute nicht die Zeit gekommen, in der der eine unreine Geist mit den sieben anderen aus der Wüste zurückkehrt?
Die Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur ist insoweit ein Vorgang innerhalb der Geschichte der Philosophie (des Begriffs), als die Abtrennung und Konstituierung der Natur Produkt der Philosophie ist.
Johannes Scottus Eriugena: Bedeutung der Beziehung von Raum und Zeit (S.361) und seine Erläuterung der Scheidung des Wassers vom Trockenen (Zusammenhang der Erde mit den Arten und Gattungen, des Wassers mit den materiellen Individuationsbedingungen – des Selbsterhaltungsprinzips): Zusammenhang von adam und adama: Adams mit der Erde, Bedeutung der „Erschaffung“ der großen Seeungeheuer.
Wird das Feuer am Ende den Tod: den Verschluß aller Gräber und das Siegel auf der Vergangenheit verzehren?
Ist nicht auch der Manichäismus (wie jede Häresie) eine Konsequenz aus dem theologischen Welterschaffungskonzept: Er insistiert darauf, daß Jesus die Sünde der Welt zwar auf sich, aber nicht hinweggenommen hat, und zieht daraus den Schluß, daß sie der Welt anerschaffen sein muß; deshalb ist alles Fleischliche böse und Befreiung nur von der Weltenthaltung (auch von der Erhaltung von aller Sexualität) zu erwarten.
Das Weltschöpfungskonzept entzieht Gott den Thron und den Schemel seiner Füße.
Soweit die Trinitätslehre sich selbst als Erkenntnis des seligen Lebens Gottes in sich selber begreift, lehrt sie einen autistischen Gott.
SPD: ein Gemisch aus Filz und Überzeugungstätern, die immer dann zum Zuge gekommen sind, wenn es galt, die Drecksarbeit zu leisten (von Noske bis Brandt, insbesondere inclusive NATO-Doppelbeschluß, Radikalenerlaß, jetzt Grundrechtsänderung zur Änderung des Asylrechts). Wie hängen Überzeugungen mit Verblendungen zusammen, und kann es sein, daß die Politiker der SPD (jetzt Lafontaine und Engholm) besonders anfällig dafür sind? -
16.09.92
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird dem kantischen Objektbegriff, der an die subjektiven Formen der Anschauung gebunden ist, die Grundlage entzogen.
Verhalten sich die Sterne zum Licht wie die Schrift zur Sprache? Zwischen den Sternen (des dritten Tags) und dem Licht (des ersten Tags) steht das Firmament des Himmels (das am zweiten Tag die Wasser oberhalb von den Wassern unterhalb scheidet).
Verweist nicht das Zitat von Oppenheim und die Bemerkung Goodys dazu (vgl. Jack Goody: Die Logik der Schrift und die Organisation von Gesellschaft, Ffm. 1990, S. 82) auf den durchweg literarischen (d.h. künstlichen) Charakter der sumerischen Sprache: den künstlich geschaffenen (oder aus Ökonomie- und Verwaltungsgründen erzeugten) Sprachgrund der Idolatrie, des Sternen-und Opferdienstes? (vgl. auch S. 103)
Zum Thales: Dem verdrängten Weinen (Männer weinen nicht) erscheint das Wasser als der gegenständliche Urgrund von allem. Trägt nicht die Philosophie seitdem Psychose-ähnliche Züge? Und wenn Adorno darauf hinweist, daß die Welt sich immer mehr der Paranoia angleicht, die sie doch zugleich falsch abbildet, so ist das auch ein Urteil über die Philosophie. Grund ist die Unentrinnbarkeit der mathematischen Raumvorstellung (und der damit verbundenen Bindung des Denkens an die intentio recta). Das verdrängte Weinen ist nur ein anderer Ausdruck für die verdrängte Schuld (den verdrängten Mythos), aus der das philosophische Denken nur mühsam sich erhebt, indem es dessen vergegenständlichende Macht (die Gewalt der Schicksalsidee) sich zu eigen macht. Die Tränen erinnern mimetisch an das Wasser, das tiefste Symbol der Schuld (des Mythos), das in diesem Bedeutungszusammenhang auch im biblischen Schöpfungsbericht seine genaue Stelle gefunden hat.
Welche Bedeutung haben dann die „großen Seeungeheuer“, die Fische und das „Tier aus dem Wasser“? Und zum Buche Tobit: Haben die sieben in der Brautnacht der Sara gestorbenen Männer etwas mit den sieben Nächten der Schöpfungsgeschichte (und mit den sieben unreinen Geistern der Maria Magdalena) zu tun. Aus dem gleichen Fisch, aus dem das Mittel zur Vertreibung des Dämons Asmodai stammt, wird auch das Mittel zur Heilung des Tobias (der gegen den Willen des Königs die Toten beerdigt) von seiner Blindheit gewonnen.
Ähnlich wie bei der Erweckung des Lazarus das Gleichnis vom armen Lazarus als Erklärungshilfe hinzugezogen werden muß, muß bei Maria Magdalena und ihrer Befreiung von den sieben unreinen Geistern das andere Gleichnis mit den sieben unreinen Geistern mit hinzugezogen werden. (Ist Maria Magdalena die Magd des Hohepriesters in der Geschichte von den drei Leugnungen – nach Hinzuziehung des Hebräerbriefes?)
Nichts Vergangenes ist wirklich vergangen: So lebt die Blutrache auch nach Abschaffung der Todesstrafe im Recht noch fort.
Die Sünde der Welt ist die Sünde des Mords: Das Opfer ist die Natur. So hängen Welt- und Naturbegriff zusammen.
Paulus war entrückt in den dritten Himmel: Heißt das, daß er (und seine Theologie) seine Inspiration von den „Herrschaften“ und „Mächten“ hat? Paulus war beteiligt an der Tötung des Erzmärtyrers Stephanus („Krone“). Wie lautete das durchs Martyrium besiegelte Bekenntnis des Stephanus: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg. 756)? -
09.09.92
Ist das Neutrum der Staub, aus dem und zu dem das Maskuline im Prozeß der Herrschaftsgeschichte wird?
Sind Nominativ und Akkusativ nur im Männlichen unterschieden, im Femininum und im Neutrum hingegen gleich? Im Femininum lassen sich zusätzlich auch Genitiv und Dativ nicht unterscheiden.
Gilt es eigentlich für alle modernen Sprachen, daß sie von den klassischen sich durch die Einführung des (geschlechtsbezogenen) Artikels (im Deutschen zusätzlich verstärkt durch die Großschreibung der Nomina), durch die stärkere Hervorhebung der Personalpronomina und durch den verstärkten Gebrauch der Hilfszeitverben unterscheiden? Der tiefste Fall wäre dann wohl die Verwandlung aller Verben in Nomina und Gebrauch des Generalhilfsverbs „tun“ (oder doch noch eine Stufe tiefer: „ich bin am arbeiten“ ü.ä.). Ist nicht doch der Adenauersche Satz doch sehr ernst gemeint gewesen: „Je einfacher reden ist eine gute Gabe Gottes.“ In diesen Zusammenhang gehört der fundamentalontologische Gebrauch der Begriffe Ereignis und Geschehen, die die gleiche Subjektlosigkeit, die schicksalhafte Subsumtion des Subjekts unter die Realität, bezeichnen.
Der Artikel ist Ausdruck des Zerfalls der benennenden Kraft der Sprache, der Hereinnahme des tode ti in die Sprache, daß den Begriff von „diesem“ (deiktisch verstandenen, bei Kant dann durch seine Beziehung zu den subjektiven Formen der Anschauung bestimmten) Objekt trennt, das Objekt gegen den Begriff (gegen seinen Namen) isoliert. Für Aristoteles (wie später für Hegel) ist das tode ti der Einsatzpunkt der Philosophie (das Wasser des Thale).
Wie hängen die Begriffe Eudaimonia (gutes, günstiges Schicksal), Glück (fortuna), Zufall und der augustinische Gnadenbegriff mit einander zusammen?
Hat nicht Johann Georg Hamann schon eine Metakritik der reinen Vernunft geschrieben?
Merkwürdige Doppelbedeutung des Verbums „heißen“: benennen und befehlen. Mit dem tode ti ist die benennende Gewalt als Grund des Gewaltmonopols (das Sokrates mit dem Trinken des Schierlingsbechers ausdrücklich anerkennt) an den Staat übergegangen.
Wenn Befehlen mit Fehlen zusammenhängt, warum wird es dann stark (das Fehlen hingegen schwach) konjugiert, und worin liegt der Unterschied zwischen starken und schwachen Verben?
Hängt der Sternendienst mit der Geldwirtschaft zusammen (als Ausdruck der Änderungen des Bewußtseins durch die Geldwirtschaft, seiner veränderten Stellung zur Objektivität)? Und ist die Ischtar/Astarte der Inbegriff der veränderten Konsumerfahrung, des Genusses? Dann würde die „Venuskatastrophe“ auf andere Weise, als Heinsohn et al. annehmen, zur Schuldknechtschafts-Katatrophe passen.
Ist der Pharao die Personifikation des Sklavenhauses, und der Josefs-Roman seine Ursprungsgeschichte?
Angesichts der Pogrome in der Bundesrepublik droht das sogenannten Asyslantenproblem den Rang der alten Judenfrage anzunehmen.
Der ungeheure Exkulpationsbedarf, der seit dem Ende der Nazizeit auf Deutschland lastet, und dessen prädestinierter Repräsentant Kohl zu scheint, ist bis heute weder in seinen Ursachen, noch in seinen Folgen wirklich begriffen. Das Hochgefühl der Unschuld, das Kohl, Seiters und Schäuble beflügelt, wenn sie von „diesem ausländerfreundlichen Land“ sprechen, gehört mit zu den Ursachen der in den derzeitigen Pogromen sich manifestierenden verfolgenden Unschuld. Gleichzeitig halten sie den Topf des sogenannten „Asylantenproblems“ am Kochen, mit falschen Begriffen und Zahlen, mit dem Verwischen und Verschweigen der Ursachen. Die reale Situation und die realen Erfahrungen derer, auf die dieses unverantwortliche Gerede sich bezieht, soll nicht laut werden, wird verdrängt. Der Zerfall der Moral und die demoralisierende Gewalt, die dieser Bundeskanzler repräsentiert, wäre endlich zu benennen.
Kohl hat immer schon die Technik der denunziatorischen Nutzung des Schuldverschubsystems beherrscht und genutzt. Man konnte darauf gehen, wenn er sich über andere empörte, dann war er selber gerade dabei, eben das zu tun, worüber er sich empörte. Sein politischer Erfolg beruhte nicht zuletzt auf dieser Technik. So hatte er immer das Instrumentarium parat, mit dem er sich abschirmen konnte gegen den Einblick in seine realen Absichten, sein Handeln und seine Vorhaben. Im Falle der deutschen Einheit ist ihm zusätzlich dieses Instrument als Geschenk in den Schoß gefallen: Alle Fehler kann er abwälzen auf den maroden Sozialismus und das, was er uns hinterlassen hat.
Kann es sein, daß die SPD, daß insbesondere die Ministerpräsidenten, oder überhaupt die Landesregierungen, unter einem erpresserischen Druck stehen, der ihnen keine andere Wahl läßt, als mit den Wölfen zu heulen?
Die Unwirksamkeit des Kabaretts liegt darin begründet, daß auch das Kabarett seine apriorischen Objekte und die zu diesem Objekt gehörende transzendentale Logik hat. Das, was heute passiert, liegt jenseits der durch diese Logik definierten Sphäre. Das läßt sich demonstrieren an einer Figur wie Kohl, dessen Statur mit den Witzen, die über ihn gemacht werden, nur noch gefestigt wird. Die Kohlwitze waren selbstreferentielle Produkte verzweifelter Ohnmacht, deren Bewußtsein in den Pointen explodierte und damit unschädlich gemacht wurde. Seitdem befördert das Kabarett die demoralisierenden Zustände, indem es sie anprangert.
Deutlicher kann man die Absenz der eigenen Gewissens, das nur vom Schrecken und vom Schmerz der Opfer bewegt wäre, nicht demonstrieren: Diese Reaktion (der Hinweis auf die Wirkung der Ereignisse in Rostock und anderswo im Ausland) ist nur Ausdruck der Angst vorm Erwischtwerden, nicht die (allein moralische) Angst vor der Tat. Heute sitzen die Mescaleros in der Regierung.
Die Technik der Nutzung der Gesetze des Schuldverschubsystems setzt ein Denken voraus, das den Gesetzen des Hinter dem Rücken gehorcht. Dafür ist politisches Denken, wie es scheint, besonders anfällig. In der altorientalischen Welt fand dieses Denken seine Abstützung und Absicherung in der Idolatrie, gegen die die jüdische Prophetie sich richtete. Heute funktioniert es aufgrund der Logik des Weltbegriffs.
Die politische Ausbeutung des Vorurteils – heute des sogenannten Asylantenproblems – gehorcht der gleichen Logik wie die angeblich friedliche Nutzung der Atomenergie. Auch hier weiß man nicht, ob sie nicht eigentlich der Gewinnung spaltbaren Materials, das man für die Bombe benötigt, dient.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie