Die Grenzen zwischen Information, Unterhaltung und Reklame sind durchs Fernsehen fließend geworden.
Auch die Ontologie ist eine Ethik, allerdings im Banne des Selbsterhaltungsprinzips und der zum Schicksal hypostasierten Sachzwänge. Für den Zuschauer ist das Schicksal zur Unterhaltung geworden.
Sind nicht die Pflanzen aufs Licht und die Tiere auf den Sternenhimmel bezogen? So hängen der erste und der dritte, der vierte und der sechste Schöpfungstag zusammen. Aber wie verhält es sich dann mit dem zweiten und dem fünften Schöpfungstag, der Erschaffung der Feste des Himmels (und der Scheidung der oberen von den unteren Wassern) und der Erschaffung der großen Seetiere, der Fische und der Vögel des Himmels (U-Boot und Hai, Stuka und Adler)?
Heiligung des Gottesnamens: Kritik ist das Feuer, durch das der Begriff hindurch muß, um zum Namen geläutert zu werden. Kritik ist das sprachliche Äquivalent des Feuers.
Zu Hegels Dialektik von Herr und Knecht vgl.
– Ulrich Sonnemanns Hölderlin-Rezeption in seinem Essay über das „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ und
– die biblische Konstellation von aufgedeckter Blöße und Knechtschaft in der Gestalt des Ham.
Die Hegelsche Dialektik von Herr und Knecht bezieht sich auf den Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft, nicht auf die Auflösung ihres Banns.
Zum Brechen des Brotes (an dem die Jünger Ihn in Emmaus erkannten) vgl.
– die symbolische Beziehung des Brotes zur Barmherzigkeit,
– die „wunderbaren Brotvermehrungen“ und
– das Eucharistiesymbol, das heute, in der vollends verdinglichten Welt, zu Protest geht.
Ist nicht die spezielle Relativitätstheorie (das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) ein Beitrag zur Lösung des Rätsels der Physik, die allgemeine Relativitätstheorie hingegen ein Hinweis auf die Unmöglichkeit der Lösung: der realsymbolische Ausdruck der Unmöglichkeit der Lösung ist das Objekt dieser Theorie selber: die Schwere.
Gehören zu dieser „Unmöglichkeit“ nicht die Worte: „Weiche von mir Satan, deine Gedanken sind Menschen-, nicht Gottesgedanken“ (Mt 1622); „bei den Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich“ (1926)? Ist das Objekt der Theologie heute nicht generell das Unmögliche eher als das, was Georg Lukacs einmal mit der Kategorie des objektiv Möglichen zu fassen versuchte: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr; aber ist nicht genau das das Unmögliche, auf das sich das Schriftwort bezieht?
Wie hängt der Schatten, über den niemand springen kann, mit der Schwere zusammen, die niemand aufheben kann? Vgl. Jes 457: „der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, der ich Heil wirke und Unheil schaffe, ich bin’s, der Herr, der dies alles wirkt“.
Posaunen des jüngsten Gerichts: Edgar Morins Hinweis, daß die Musik im Film die bewegten Bildern aus ihrer flächenhaften Abstraktheit befreit, ihnen Leben, Tiefe und Gewicht verleiht, findet seine Ergänzung in einer Bemerkung Spenglers, wonach in der modernen („faustischen“) Kultur Musik die Stelle einnimmt, die in der antiken („apollinischen“) Welt die Statue einnahm. Wie der antike Tempel für die Statue, das Götterbild, gebaut wurde, so die moderne Kirche für die Musik, die sie erfüllen sollte. Hat nicht die Musik die Aufgabe übernommen, als Schutz vor dem horror vacui den leeren Raum (die Labor- und Experimentierwelt des newtonschen Kosmos) mit der Erinnerung an das aus ihm ausgeschlossene Leben zu erfüllen? – Welches Bedürfnis drückt in der allgegenwärtigen Musik heute sich aus, und vor allem: wie drückt dieses Bedürfnis in dieser Musik selber sich aus? Handelt es sich nicht erstmals um eine Musik, die nicht nur mehr den räumlichen, sondern auch den zeitlichen horror vacui vertreiben soll? (Seit wann gibt es den „Zeitvertreib“, das Wort und die Sache?) Welche Löcher müssen heute durch das allgegenwärtige Angebot an Unterhaltung gestopft werden?
Menetekel: Nimmt die Kunst wirklich dem Leben die Schwere? Gilt das „gezählt, gewogen und zu leicht befunden“ nicht für die der Ästhetik in jeder ihrer Manifestationen zugrunde liegenden Abstraktion von der Schwere (die die genetische Beziehung der Kunst zum Mythos begründet)?
Wasser
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8.5.1995
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29.4.1995
Thales hat recht: Alles ist ist Wasser; aber wurden diese Wasser nicht durch die Feste (die Gott dann Himmel nannte) in die oberen und unteren Wasser geschieden? Die Wasser oben und die Wasser unten: Sind das Prophetie und Philosophie, oder (unterm Bann der Philosophie) deren Spiegelung in den Begriffen Welt und Natur (die infolge dieser Spiegelung: nämlich aufgrund der damit verbundenen Seitenvertauschung, Rechts und Links nicht mehr zu unterscheiden fähig sind)?
Hitler war nicht der Antichrist, aber die Generalprobe (Karl Thieme): Mit der Verweltlichung der Welt ist in der Theologie eine Scheidung eingeleitet worden, die bis heute nicht begriffen worden ist, nämlich die Scheidung der theologischen Gehalte von der Herrschaftsmetaphorik, mit der sie durch die Tradition verschmolzen sind. Im Faschismus hat die religiöse Herrschaftsmetaphorik (die heute in den großen Buch-Religionen selber im Fundamentalismus sich zu reetablieren sucht) von ihrem theologischen Grunde sich gelöst und sich verselbständigt. Ist es nicht selber wiederum erschreckend, daß die Kirchen bis heute nicht fähig waren, im Faschismus das Spiegelbild ihrer eigenen Herrschaftsverstrickung zu erkennen (weil sie dem Schrecken davor nicht glaubten standhalten zu können)?
War nicht Adam Urheber und Zeuge jenes Teils der Schöpfung, der unter dem Namen des Sündenfalls überliefert worden ist?
Nirgends drücken die Rechtfertigungszwänge drastischer sich aus, als in dem Satz: Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Dieser Satz gehört in den gleichen Zusammenhang wie der Wunsch der Kinder, nicht so zu werden wie ihre Eltern (oder auch wie das Argument: wenn mich meine Kinder einmal fragen: warum hast du nichts getan, dann will ich darauf antworten können). Das „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“ gehört zu einer Logik, der zufolge nicht die Tat, sondern das Erwischtwerden (durch die Außenstehenden: das „Ausland“, oder durch die Nachgeborenen: die Kinder oder die „Geschichte“) das Schlimmste ist.
Die List der Vernunft, das mögliche Urteil über das Handeln (die Rücksicht auf die Wahrnehmung der Anderen) zur Richtschnur des Handelns zu machen und durch die Antizipation dieses Urteils sich unangreifbar zu machen, steht unter dem Gesetz der Logik der Scham. (Hat diese Scham nicht etwas mit dem Schatten zu tun, den z.B. in den Naturwissenschaften das Inertialsystem auf die Dinge wirft?)
Zu den logischen Partikeln gehören auch das Und, das Oder, das Entweder/oder, das Aber, das Sowohl-als-auch, aber auch die Relativpronomen (als Derivate des bestimmten Artikels). Eines der verhängnisvollsten logischen Partikel ist das Ja, aber („Ich habe ja nichts gegen die Ausländer, aber …“).
Hat das Unkraut in den Evangelien die gleiche Bedeutung wie die Dornen und Disteln in der Geschichte vom Sündenfall (und in den Anspielungen darauf in der ganzen hebräischen Bibel)? Stammen nicht die Unkrautvernichtungsmittel von dem gleichen Hersteller, der auch das Gas für Auschwitz geliefert hat?
Ist nicht der private Atombunker, den C.F. von Weizsäcker sich vor Jahren gebaut hat, fast schon der Beweis dafür, daß das Wort von der zivilen Nutzung der Atomkraft eine Rechtfertigungslegende der deutschen Atomphysiker nach dem Kriege war (der dann gelungene Versuch, von ihrer Beteiligung an der Entwicklung der Bombe in Deutschland abzulenken: vgl. die unterschiedlichen Versionen des Heisenberg-Besuchs bei Nils Bohr während des Krieges und die Folgen dieses Besuchs)? Aber hat dieser moralische Rechtfertigungslegende dann nicht auch ganz wesentlich zur Legitimation der „zivilen Nutzung“ der Atomkraft (deren Probleme doch eigentlich von Anfang an offen zutage lagen) beigetragen? Sind nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtfertigungszwangs die AKW’s mit Stammheim, Bad Kleinen (Hogefeld-Prozeß), Startbahn 18 West (und Startbahn-Prozeß) und schließlich mit der Entwicklung im Vatikan unter Johannes Paul II und Ratzinger vergleichbar?
War nicht schon die Weizsäckersche Formel der Sonnenenergie ein technischer Beitrag zur Entwicklung der Bombe?
Die Entwicklung der AKW’s (der „zivilen Nutzung“ der Kernenergie), die Ereignisse in Stammheim, an der Startbahn, in Bad Kleinen u.ä. sind Belege dafür, daß am Ende die Version als historische Wahrheit sich durchsetzt, die im Interesse der Herrschenden liegt. Und ist die „historische Wahrheit“, wenn man von ihrem Rechtfertigungszweck absieht, nicht fast schon gleichgültig: Werden diese Dinge nicht in jeder Version zu Belegen für die Wirksamkeit der geradezu irren und selbstzerstörerischen Logik des Rechtfertigungszwangs auf beiden Seiten und zu Instrumenten der Verhinderung einer Erinnerungsarbeit, die den freien Blick auf die Dinge überhaupt erst ermöglicht? -
23.4.1995
Der Begriff der Eigentlichkeit leugnet die Gottesfurcht. Sie macht das Subjekt zum sündenvergebenden Gott (indem es die Gottesfurcht als Wut nach außen kehrt – hier gründet der Begriff des Scheins in Hegels Logik); Grund der Eigentlichkeit ist der Schein der Unschuld im Kern des Schuldzusammenhangs (das Sakrament der Macht).
Haben nicht das Licht und die Gravitation ein gemeinsames Ausbreitungsgesetz (das quadratische Abstandsgesetz, mit einem beiden gemeinsamen kosmologischen Paradox)? Beiden ist die Vorstellung gemeinsam, daß sie (wie die Materie) von außen in den an sich leeren Raum hineinkommen: Dabei ist es die Raumvorstellung (die subjektive Form der äußeren Anschauung), deren ausschließende Gewalt alle Erscheinungen zu verdinglichten, gegen den Raum äußerlichen Erscheinungen macht, sie ihrer sprachlichen Substantialität beraubt.
Ist nicht das innere Gefühl („aus dem Bauch“) mit dem äußeren (der Tastempfindung) auf ähnliche Weise verknüpft wie der Begriff der schweren mit dem der trägen Masse?
Der Begriff der trägen Masse ist auflösbar nur in herrschaftsgeschichtlichem Kontext, im Zusammenhang von Herrschaftskritik.
Die Masse ist die Asche des verbrannten Himmels.
Das Verbot, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen (Gen 216f) gehört nicht mit zum Nahrungsgebot des sechsten Schöpfungstages (130f). In welcher Beziehung steht das paradiesische Nahrungsgebot (das dem des sechsten Schöpfungstags nur ein Verbot hinzufügt) zum noachidischen?
Hiobsbotschaft: Haben Behemoth und Leviathan etwas mit Natur und Welt zu tun (und Satan, der Ankläger im Hofstaat Gottes, der Widersacher, etwas mit dem Wissen)?
Die Kollektivscham hat die Verblendung in den Köpfen zementiert; sie war das Prinzip und der Grund der neuen Unübersichtlichkeit.
Off 69ff: Die Steinigung des Stephanus gehört nicht nur aufgrund der Rolle des Paulus hierbei zu den Gründungsakten des Christentums; sie ist ein Teil des Felsens, auf den die Kirche gebaut ist (unter dem Altar, auf dem das Opfer dargebracht wird, sind die Gräber der Märtyrer).
Am Ende seines Fastens in der Wüste wurde Jesus vom Teufel versucht (und hat der Versuchung widerstanden); während seines öffentlichen Auftretens hat er Dämonen ausgetrieben; aber nur zu Petrus hat er gesagt: Weiche von mir, Satan.
Der Weltbegriff ist die Wasserscheide der Zivilisation, das aber auch in dem ganz wörtlichen Sinne, der im ersten Satz der Philosophie sich ausdrückt: Alles ist Wasser.
Ding und Ich: Fallen nicht die moderne Geschichte der Personalpronomina und die Ursprungsgeschichte der Auxiliarien, der Hilfsverben, in die Geschichte der Konstituierung des Dingsbegriffs, der Trennung von Ding und Sache (die ihre Vorgeschichte im germanischen Recht und in der germanischen Sprache hat)?
Die Idee einer Theologie im Angesicht Gottes schließt die Kritik der Religion mit ein. Sie konvergiert mit Rosenzweigs „Deus fortior me“.
Erinnerungsarbeit: Es kommt nicht darauf an, was man „tatsächlich“ bei bestimmten Ereignissen der Vergangenheit empfunden hat, sondern wie man es post festum begreift. Es gibt keine unreflektierte Beziehung der Empfindung zur Wahrheit.
Dialektik von Herr und Knecht: Die Vorstellung von der Fortpflanzung des Lichts im Raum ist ein Produkt der Vergegenständlichung des Sehens des Andern (des Knechts); sie gehört zu einem Konstrukt, für das das Sehen zu einem materiellen Prozeß zwischen Objekten (zwischen Arbeiter und Materie) geworden ist. Die Lichtgeschwindigkeit (und der Bereich der Physik, zu dem er gehört) ist der Repräsentant des verdinglichten Andern (des Proletariats) im Inertialsystem. Erst durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sind die Voraussetzungen gegeben, die Konstitutionsbedingungen dieses Vergegenständlichungsprozesses (das Inertialsystem und die Grenze des Verfahrens der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: Teil der Beziehung von Herrn und Beherrschtem, des Schuldzusammenhangs) zu begreifen.
Die Verdrängung des Vergangenen und das durch die Gewalt der Rechtfertigungszwänge erzwungene fortschreitende Vergessen macht das Neue selber (den Fortschritt) zu einer Variante und zu einem Instrument des Vergessens. -
5.3.1995
Keine Wand ohne Rückseite, oder: Bemerkung zur Bekenntnislogik (zu Jer 3134 und Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“): Hat nicht jeder nur seinen eigenen Zugang zum Gesetz (zur Gotteserkenntnis)? Wer glaubt, einen allgemeinen Zugang gefunden zu haben und ihn allen anderen vorschreiben will, steht nicht nur selbst vor einer verschlossenen Tür, sondern versperrt sie auch für andere.
Von der Pflicht zur Gotteserkenntnis kann sich niemand freisprechen. Aber wer nach Gotteserkenntnis strebt, hat es auch mit der Wand zu tun, die die andern vorm Gesetz aufrichten, mit der sie allen den Zugang versperren. Unterscheidet sich nicht die philosophische von der mystischen Schöpfungslehre dadurch, daß, während diese mit dem vierten Tag endet, jene mit dem fünften beginnt? Die Welt, die Gott aus dem Nichts erschaffen hat, ist das große Seeungeheuer, das Tier aus dem Wasser (das Korrelat des hegelschen Absoluten). Und die Kirche in der Welt: das ist der Bauch des großen Fisches, der Jonas verschlungen hat. Die Gottesfurcht, die der Anfang der Weisheit ist, ist das Ende der Dummheit, die aus der Herrenfurcht stammt.
Der Rechtfertigungszwang, unter dem heute alle stehen, ist der Schatten von Auschwitz. Die Frage „Warum Auschwitz?“ setzt den historisierenden Blick voraus. Wichtiger wäre, den Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, und der in diesem historisierenden Blick sich reproduziert, zu durchdringen. Der Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, ist die Reflexion des Schattens, den das Subjekt in der Idee des Absoluten auf Gott wirft. Gehört nicht die Geschichte der Fälschungen zu den Ursprüngen (zur Selbstbegründung) und das kontrafaktische Urteil zum Ende (zur Selbstwiderlegung) des historisierenden Blicks, der objektivierenden Geschichtsschreibung (der Verdrängung des Bewußtseins, daß die Toten unsere Richter sein werden)? Steht das kontrafaktische Urteil in der Logik der Geschichtsschreibung an der Stelle, an der das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit – oder das der Identität von träger und schwerer Masse? – in der Logik der Naturwissenschaften steht? Sind die Geschichtsfälschungen säkularisierte Formen der Mystik (vgl. die Apokryphen, den Pseudodionysius und den Sohar)?
Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; dadurch unterscheidet sie sich vom Begriff des Überzeitlichen, der unterm Primat der Vergangenheit steht. Die Idee des Ewigen hält die Vergangenheit offen, der Begriff des Überzeitlichen verschließt die Zukunft. Der Unterschied läßt sich sinnfällig machen am Verhältnis zur Prophetie: Im Licht des Ewigen ist die Prophetie nicht vergangen, sondern immer gegenwärtig: das Wort, das Gott durch die Propheten spricht und das auf seine Erfüllung (daß wir es hören und tun) wartet, während der Begriff des Überzeitlichen (der auf andere Inhalte, auf einen anderen Wahrheitsbegriff sich bezieht) an die Vorstellung anknüpft, daß die Prophetie in der Menschwerdung des Gottessohns sich erfüllt hat und daß sie für uns vergangen ist (als Unheilsprophetie nur noch auf die Juden sich bezieht, so als bestünde die Erlösung darin, daß Jesus uns gegen den Fluch des Gesetzes gleichsam abschirmt).
So konnte der Eindruck entstehen, daß die Prophetie als vergangene ohne Rest der historischen Forschung freigegeben sei, bis hin zum bibelwissenschaftlichen Mißbrauch des Gottesnamens, der zu einem unter vielen toten Götternamen geworden ist, die mit den Völkern, an die sie erinnern, der Vergangenheit angehören. So ist auch Israel am Ende zu einem toten Volk geworden, das noch nicht gemerkt hat, daß es sich selbst überlebt hat (und Hitler hat nur versucht, dieses „Urteil der Geschichte“ an den Juden vollstrecken). In diesen Zusammenhang gehört es, wenn in christlichen Texten der Name Israel von der Kirche usurpiert wird, während die Israeliten (wie für den Pharao und die Philister) für christliche Autoren wieder zu Hebräern geworden ist. Äquivalenzen: – Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht:
– Stoß: vorn und hinten (Zerstörung des Angesichts),
– Gravitation: oben und unten (Aufhebung der Unterscheidung von Herrschaft und Religion, Zerstörung der Sprache, ihrer dialogischen Struktur durch die Schrift, Zerstörung des Namens),
– Lichtgeschwindigkeit: rechts und links (Trennung des richtenden Prinzips von der Barmherzigkeit, Ursprung des Feuers).
– Inertialsystem als Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: Zerstörung des Lichts, des Namens, der Barmherzigkeit, insgesamt der sinnlichen Welt; Konstruktion des Totenreichs (Schattenreich, Scheol).
– Naturwissenschaft als Instrument der Legitimation des Bestehenden (Naturwissenschaft und Kapitalismuskritik).
– Das Gravitationsgesetz und die Vergesellschaftung von Herrschaft,
– die Elektrodynamik und der Zivilisationsbruch (Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Der Name des Himmels:
– schamajim, Wasser und Feuer (Was und Wer), – die Feste (die Einheit des Was und Wer) und die Trennung der Wasser (oberhalb und unterhalb),
– Tierkreis und Planetensystem,
– Spiegelung des Himmels im Inertialsystem: die Todesgrenze im Namen des Himmels,
– Himmel als Buch, das Buch des Lebens (die nicht vergangene Vergangenheit), Jüngstes Gericht, „Weltuntergang“ als Entmächtigung des Begriffs und Befreiung der Namen (der verdrängten vergangenen Zukunft).
– Der neue Himmel und die neue Erde, die Auferstehung der Toten. Die Welt als System von Instrumentalisierungen (Selbsterhaltung im Kern des Weltbegriffs): Welt und Tier. Differenzierung im Begriff der Instrumentalisierung: Das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande. -
4.3.1995
Wenn Marx den Ursprung des Geldes aus dem Tauschverhältnis herleitet, stellt er seine Analyse dann nicht doch auf die im kantischen Sinne „weltliche“ Seite des Verhältnisses ab, und verdrängt er nicht die naturale Seite, die in der Schuldknechtschaft gründet?
„Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“: Enthält der Ausdruck, ein Kind sehe „wissend“ aus, nicht auch die Wahrnehmung, daß es sein Vertrauen in die Eltern verloren hat? Und hat diese Wahrnehmung nicht weitreichende Implikationen und Konsequenzen; gründet nicht die gesamte Wissenschaft (und der Totalitätsbegriff des Wissens selbst) in der Abstraktion von diesem „Vertrauen“? Aber ist nicht umgekehrt diese Abstraktion vom Vertrauen, die eine Kindheit (durchs Wissen) zu zerstören vermag, auch wiederum notwendig und unvermeidbar: Alle Initiationsriten beziehen sich hierauf, wie auch das Erwachsenwerden ohne diese Abstraktion nicht gelingt; und ist nicht die Schule die formalisierte Einübung in diese Abstraktionsfähigkeit? Hinzuzufügen wäre nur, daß es eigentlich nur der Reflexionsfähigkeit bedarf, um den Eingriff dieser Abstraktion zu humanisieren. Das „Ja und Amen“, das J.B.Metz auf die „Welt“ bezieht (deren Begriff in der Abstraktion vom kindlichen Vertrauen gründet), bezieht sich an Ort und Stelle (im Korintherbrief) auf die göttlichen Verheißungen, heißt das aber nicht: auf ein durch die Abstraktion vermitteltes, wiederhergestelltes Vertrauen? Aber dieses „Ja und Amen“ ist ein aktives, gleichsam autonom gewordenes Ja und Amen; es erfüllt sich im Tun des Gebotes „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“. Die Welt nämlich ist unbarmherzig.
Das Rind kennt seinen Eigner, der Esel die Krippe seines Meisters. (Jes 13, Buber-Übersetzung)
Zum Begriff der Versöhnung: Das Opfer kann sie gewähren, der Täter aber nicht einfordern. War es nicht der Konstruktionsfehler im Sakrament der Beichte, daß es das Opfer seiner Kompetenz zu vergeben beraubt und diese Kompetenz der kirchlichen Sakraments- und Gnaden-Verwaltung zugeeignet hat? Die Kirche hat mit Rind und Esel gemeinsam gepflügt. So wurde die Sünde zu einem Problem zwischen der isolierten Seele und Gott (mit der Kirche als vermittelnder Instanz); das Opfer und die Welt werden ausgeblendet, sie bleiben unversöhnt draußen. Das hat den Weg zur Bekenntnistheologie und zur Rechtfertigungslehre freigemacht.
In theologos: Auschwitz muß in jeder Hinsicht davor geschützt werden, als stellvertretendes Opferleiden mißbraucht zu werden. Aber galt das nicht auch schon seit je für den Kreuzestod Jesu, dessen opfertheologischer Mißbrauch jetzt, nach Auschwitz, vollends blasphemisch geworden ist? Heute wird Getsemane wichtiger als der Kreuzestod: mit dem Schlaf der drei „Säulen“, dem „Wachet und betet“ und dem Kelch.
Bezeichnet der Begriff der Schöpfung eigentlich den selben Sachverhalt wie das hebräische bara? Und ist das Konzept einer creatio mundi ex nihilo nicht eine Kompromißbildung?
Wenn die Wissenschaften ihrem eigenen Entwicklungsgesetz sich überlassen, verlieren sie sich im leeren Unendlichen (vgl. neben Astronomie und Mikrophysik die Biologie und die historische Grammatik).
Sind nicht Einsteins spezielle und allgemeine Relativitätstheorie Hinweise darauf, daß je nach Kontext das Inertialsystem in sich selbst noch zu differenzieren ist. Verhalten sich nicht Gravitationstheorie und Elektrodynamik wie Esel und Rind, Last und Joch?
Die Materie bezeichnet das Schuldmoment an den Dingen, durch das sie dem Naturgesetz unterworfen sind.
Greuel am heiligen Ort: Heute wollen alle bloß frei sein von Schuldgefühlen, das aber heißt: frei sein von der Gottesfurcht, und dazu mißbrauchen sie die so blasphemisch gewordene Religion. Diese Religion ist nur noch ein Exkulpationsautomat, mit hochexplosiven gesellschaftlichen Folgen.
Am Ende des ersten Stücks im „Geist der Utopie“ heißt es: „Diesen (sc. den utopisch prinzipiellen Begriff, H.H.) zu finden, das Rechte zu finden, um dessenwillen es sich ziemt zu leben, organisiert zu sein, Zeit zu haben, dazu gehen wir, hauen wir die metaphysisch konstitutiven Wege, rufen was nicht ist, bauen ins Blaue hinein, bauen uns ins Blaue hinein und suchen dort das Wahre, Wirkliche, wo das Tatsächliche verschwindet – incipit vita nova.“ Zu den handschriftlich unterstrichenen Worten „bauen ins Blaue hinein“ findet sich in dem mir vorliegenden Exemplar aus dem Nachlaß von Heinrich Scholz die ebenfalls handschriftliche Randbemerkung: „scheint so“ (der nur wenige Seiten später dann eine ins Antisemitische eskalierende Bemerkung folgt: „Selbstgespräche eines Irren, besser Meschuggenen. Vielleicht muß man Hebräer sein, um derlei Zeug zu verstehen“).
Die Tempelreinigung: Sind die Geldwechsler und die Taubenhändler nicht die Banken und die Kirchen? Markus ergänzt die Geschichte noch durch den Satz „und ließ es nicht zu, daß jemand ein Gefäß durch den Tempel trug“, während Johannes, die Stelle an den Anfang des öffentlichen Auftretens Jesu rückt (nach der Hochzeit in Kana), zu den Taubenhändlern noch die Verkäufer von Ochsen und Schafen nennt.
Die kantische Erkenntniskritik ist der Beginn der Selbstreflexion der richtenden Gewalt, die den historischen Erkenntnisprozeß durchherrscht (hierzu Reinhold Schneider: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häupten aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen“).
Bietet der Satz von Rind und Esel nicht auf eine Hilfe zur Lösung des Problems der Fälschungen im Mittelalter? Das moralische Urteil (zu dessen Grundlagen die Historisierung des Vergangenen gehört) verstellt der Erkenntnis nur den Weg, während es darauf ankäme, die Zwangslogik, die den Vorgang beherrscht, endlich zu durchschauen: Auch diese Zwangslogik (die Logik des Rechtfertigungszwangs) gehört nämlich zu den nicht vergangenen Vergangenheiten, zu den Fundamenten der Gegenwart, in denen die Vergangenheit überlebt. Ist nicht die Logik der Fälschungsgeschichte zu einem Strukturelement der Aufklärung selber geworden, in die Strukturen der projektiven Erkenntnis und der modernen gesellschaftlichen Institutionen mit eingegangen (unterscheiden sie sich nicht gerade hierdurch von der Form der antiken Institutionen)? Und steckt nicht in der moralischen Empörung über diese „Fälschungen“ selber ein projektives, vom Rechtfertigungszwang erzeugtes Moment, das seine Erkenntnis verhindert? Gehören nicht die Fälschungen zusammen mit der Sage und der Legende zur Vorgeschichte der historischen Aufklärung wie die Astrologie zur Vorgeschichte der Astronomie gehört und die Alchimie zur Vorgeschichte der Chemie? Wie verhalten sich die Fälschungen zum vorausgehenden symbolischen Erkenntnisbegriff der Theologie? Gibt es einen inhaltlich bestimmbaren abgegrenzten Bereich (institutionelle Legitimation von Eigentumsrechten und Herrschaftsansprüchen), auf den die Fälschungspraxis sich bezieht (ihr Ort waren wohl die Schreibwerkstätten in den Klöstern und kirchlich-politischen Kanzleien)? Gehören nicht die Inquisition (die projektive Paranoia, die die Juden-, Ketzer- und Hexenverfolgung begleitet) und die Geschichte der Eucharistie-Verehrung (opfertheologischer Ursprung des Dingbegriffs als Teil der Ursprungsgeschichte des Inertialsystems; vgl. hierzu die Jericho-Geschichte, das Verbot, die zerstörte Stadt wieder aufzubauen und der mit dem Aufbau verbundene Fluch über die Erstgeburt und den jüngsten Sohn des Wiedererbauers) zu den Folgen der Fälschungsgeschichte und die Ausformung des katholischen Mythos, das Fegefeuer, die Ohrenbeichte, das Zölibat zu ihren Voraussetzungen (Zusammenhang mit der Geschichte der Legitimation der Gewalt, die ihre „naturwüchsige“ Qualität verliert, und der Verinnerlichung der Scham, beides Momente der institutionellen Selbstlegitimation, die im Inertialsystem in den Naturbereich sich ausdehnt)?
Hängen nicht die Fälschungen des Mittelalters mit einer frühen Phase der nominalistischen Aufklärung (den Anfängen einer aufgeklärten, historisierenden Bibel-Kritik, zu deren Vorläufern die Historisierung der Bibel seit Flavius Josephus gehört) zusammen? Die in die Ursprungsgeschichte des Antisemitismus und zur Vorgeschichte Hitlers gehörenden projektiven Rekonstruktionen der altorientalischen Geschichte sind späten Folgen der Historisierung der Bibel.
Das Barock hat die Bibel endgültig ins Erbauliche transformiert. Die Allegorie war das Instrument dieser Transformation (und nach Walter Benjamin der Totenkopf die Urallegorie). Gibt es einen Zusammenhang der Allegorie mit dem Nominalismus und der Eucharistie-Verehrung? Und war nicht die Transformation ins Erbauliche die Grundlage (der Hintergrund) für die historische Bibelkritik? (Hier wird das Daniel-Motiv – den Traum, den Daniel erklären soll, muß er zuvor erst finden – durch die Erfindungen des Traums, durch Fälschung, auf den Kopf gestellt.)
Wie hängt Kafkas Schauspieldirektor („er wechselt die Windeln des künftigen Hauptdarstellers“) mit dem Problem des Hahns zusammen?
Ist die Trennung von Wer und Was (von Feuer und Wasser) in der Konstruktion des Inertialsystems mit enthalten? Nicht zufällig führt die newtonsche Begründung des kopernikanischen Systems zum Deismus. Mit der Subsumtion des Falls unters Inertialsystem, mit seiner Neutralisierung im Gravitationsgesetz (mit der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen), ist die qualitative Unterscheidung von Oben und Unten auch neutralisiert: eigentlich das Inertialsystem als ein objektives System überhaupt erst begründet (oder aus seiner Vorstufe, dem Neutrum, erzeugt) worden. Gehört das Wasser zur Beziehung von Rechts und Links und das Feuer zu der von Oben und Unten (wie das Angesicht zu der von Vorn und Hinten)? Das aber heißt: Steckt im Wasser die verdrängte Kraft des Namens, wird die Urteilsform (der „Grund“ der Welt), werden Objekt und Begriff aus dem Wasser „geschöpft“, und ist das Nichts der Schöpfungslehre das Wasser (das Nichts des Begriffs)?
Hängt das hebräische esch/Feuer mit dem isch/Mann zusammen (wie das majim/Wasser mit dem ma/was)? Gibt es ähnliche etymologische Beziehungen bei dem griechischen und lateinischen Namen des Feuers (… und ignis)?
Hängen der griechische Pan (der Gott des mittäglichen Schreckens) mit dem lateinischen panis (Brot) zusammen? Hat der Pan etwas mit dem Schrecken Isaaks zu tun? Steckt im Pan der Schrecken des neutralisierten Angesichts (die Erfahrung des Angesichts in einer vom Neutrum beherrschten Sprache: das Angesicht des Hundes)?
Zwischen dem Brot und dem Korn steht die Mühle: Simson muß als Gefangener der Philister die Mühle drehen. In der Apokalypse ist die Rede von einer Stadt, in der der Gesang, das Geräusch der Mühle und die Stimme von Bräutigams und Braut nicht mehr gehört werden. -
23.2.1995
Die Kosmologie war seit je eine Legitimationswissenschaft; sie hat (als theoretisches Korrelat des Rechts) der Politik und dem Geschäft den Rücken freigehalten.
Last und Joch: Die Justiz produziert die Schuld, für die sie dann – wie das Inertialsystem für die träge Masse – das Maß liefert. Es gibt kein Schuldurteil ohne projektives Moment; jedes Schuldurteil reproduziert das Schuldverschubsystem und ist eine Quelle der Paranoia. Wie das funktioniert, läßt sich am Prozeß gegen Birgit Hogefeld ablesen: Die paranoiden Eingangskontrollen erhärten die Schuld der Angeklagten mehr, als jede Beweisführung es vermöchte. So entsteht der Eindruck, als sei die Beweiserhebung nur eine lästige Pflichtübung, von der man absehen könnte, wenn nicht die Verteidigung den Gang des Verfahrens, dessen Ergebnis ohnehin schon feststeht, durch unnötige Fragen und Anträge behindern und verzögern würde. Dem entspricht das gereizte Klima in der Verhandlung ebenso wie das Verhalten der polizeilichen Hilfsorgane, denen der Hinweis auf „diese“ Angeklagte zur Begründung und Rechtfertigung der schikanösen und entwürdigenden Kontrollen, die sie mit deutlicher Demonstration von Berufsstolz durchführen, genügt. Nirgends wird deutlicher, daß dieser Prozeß auch der Erhaltung und Stabilisierung eines Vorurteils dient. „Rechtsstaatlichkeit“ ist, wie es scheint, nur eine Formalie, die beachtet werden muß, um keinen Revisionsgrund zu liefern.
Noch dem Sohar ist es „das Ich …, das die Flut bringt“ (Ausgabe Diederichs, S. 119). Vor allem bei der Sintflut spricht Gott in der ersten Person Singular („ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vom Erdboden vertilgen“, „so will ich sie denn vom Erdboden vertilgen“ und „ich lasse jetzt die Sintflut über die Erde kommen“ – Gen 67,13,17), voher jedoch schon bei der Erschaffung Evas („ich will ihm eine Hilfe schaffen“ – 218), nach dem Sündenfall, beim Fluch gegen die Schlange („ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, …“ – 315) und gegen Eva („ich will dir viel Beschwerden machen bei der Schwangerschaft“ – 316); bei der Erschaffung des Menschen (Adam) spricht er (im Selbstgespräch) in der ersten Person Plural („laßt uns den Menschen machen“ – 126). Die weiteren Stellen, an denen Gott in der ersten Person Singular spricht, betreffen dann den Bund (mit Noe, mit Abraham), die Selbstoffenbarung im brennenden Dornbusch, die zehn Gebote, und welche anderen außerdem? Schließt z.B. in der Prophetie die Unterscheidung zwischen erster und dritter Peron, zwischen „ich, JHWH“ und „Spruch des Herrn“ (bei Ezechiel: „Ich, ich“ und „Spruch des Herrn, des Herrn“) eine inhaltliche Differenz mit ein, und welche Bedeutung hat das Ich Gottes in den Psalmen? Was hat es hiernach mit der Sintflut auf sich, was war im Sohar gemeint?
Der Sohar übersetzt Dt 3323: „Voll vom Segen JHWHs, West und Süden werden ihn erben.“ Der Satz steht im Segen des Moses über Naphthali, in dem dieses „West und Süd“ in der Regel mit „Meer und Süd (Meer und Mittag)“ übersetzt wird. Die Beziehung zwischen Meer und West mag in der Geographie Palästinas begründet sein, wo das Meer im Westen lag. Aber läßt sich die Möglichkeit apriori ausschließen, daß die symbolische Beziehung des Westens zum „Hinter dem Rücken“ (im Gegensatz zum Angesicht) und in diesem Kontext auch zum Meer, zum Wasser, mit hereinspielt? Zum Meer gehören die großen Meerestiere (Rahab, Leviatan, der große Fisch), und nicht zuletzt das „Tier aus dem Meer“ der Apokalypse (die Verkörperung der Leugnung des Angesichts). Die Hure Babylon, „die an den an den vielen Wassern sitzt“, gehört hierher, auch der Satz, daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird. Die Philosophie beginnt mit dem Satz „Alles ist Wasser“, und sie endet mit dem Inertialsystem, durch das die Dinge in eine Perspektive gerückt werden, in der sie „von allen Seiten hinter dem Rücken“ gesehen, in eine Logik eingetaucht werden, in der sie nur noch sind, was sie für andere sind (genau das drückt der kantische Begriff der Erscheinung aus). Das, was sie „an sich“ sein mögen, wird im wörtlichen Sinne „liquidiert“: verflüssigt. Naturwissenschaftlich gehört das Wasser zur Festkörperphysik (und das Glas zu den flüssigen Körpern): Ist das Wasser nicht das Realsymbol des Relativitätsprinzips, der Identität des Starren mit der vollständigen Beweglichkeit in sich selber? Wie im Inertialsystem und im Geld lassen sich auch im Wasser Ruhe und Bewegung nicht unterscheiden. Aber bezeichnen nicht das Inertialsystem und das Geld den Übergang vom Wasser zum Feuer (der Sohar ergänzt: vom Was zum Wer), der im biblischen Namen des Himmels sich anzeigt?
Weitere Konnotationen:
– Das Ich und die Sintflut (das Wasser und die Manifestation des göttlichen Ich), oder Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und Kanaan.
– Die Feste und die Scheidung der oberen von den unteren Wassern.
– Jesus, das Meer und das Wasser; die Berufung von Fischern zu Aposteln; die Kirche und das Schiff.
– Die Hochzeit zu Kana und die Verwandlung von Wasser in Wein.
– Das Zeichen des Jona.
Erst mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird das Inertialsystem gegenständlich, konkret, materiell.
Die Orthogonalität (der „Seitenblick“ auf die Zeit, ihre Verräumlichung) ist der Grund des Relativitätsprinzips: der Einheit von starrer Form und absoluter Beweglichkeit, der Nicht-Unterscheidbarkeit von Ruhe und Bewegung, die gleichwohl als Natur und Welt (als dynamisches und mathematisches Ganzes: als Bewegtes und Ruhendes zugleich) unterschieden und getrennt werden. Gründet in dieser Konstellation nicht auch das Konstrukt der Orthodoxie, mit einer merkwürdigen genetischen Wechselbeziehung zur Objektivationsgeschichte insgesamt.
Befreiung der Kritik aus der projektiven Logik des Schuldverschubsystems: Erst wer die „Schuld der Welt auf sich nimmt“, hat es nicht mehr nötig, sie zur eigenen Entlastung nach draußen zu projizieren. Kritik, die diesen Namen verdient, zielt, anstatt auf die Fixierung des Kritisierten, seine Dingfestmachung, auf seine Auflösung: auf die Änderung der Welt. -
19.2.1995
Der Kreuzestod war das erste Werk des Fundamentalismus, und dieser steht immer noch in seinem Schatten.
Von den evangelischen Räten sind insbesondere der Gehorsam und die Keuschheit fundamentalismusgefährdet. Beide gehören zu den Konstituentien des Inertialsystems: Die Materie ist gehorsam und keusch zugleich, allerdings auch tot.
Wenn man von Kindern sagt, sie sehen wissend aus, heißt das nicht, daß man ihnen die Neugier ausgetrieben hat? Sie sind gefangen in den Aprioris, die man ihnen eingebläut hat.
Das Extrem der transzendentalen Logik ist das Vorurteil.
Ist das Unkraut das neutestamentliche Äquivalent der Dornen und Disteln?
Zur Kritik der Kommunikationstheorie genügt es, auf den Zustand der Wissenschaften zu verweisen, die untereinander längst inkommunikabel geworden sind. Wenn die Kommunikationstheorie von der Prämisse ausgeht, daß die Sprache von den Dingen getrennt ist (und nur „über“ die Dinge etwas mitteilt) und daß die Dinge selbst gegeneinander äußerlich sich verhalten, so zerstört diese wechselseitige Äußerlichkeit von Sprache und Objektwelt die Sprache von innen; sie zeichnet der Sprache die Bahn des Versinkens ins Finstere vor. Die Historisiserung der Vergangenheit und die Objektivierung der Natur sind erkauft mit der Verdrängung vergangenen Unrechts und vergangenen Leidens (das fortlebt).
Die habermassche Kommunikationstheorie ist eine Rechtfertigungslehre, keine Erkenntnishilfe.
Es gibt nicht die eine Welt, über die man kommunizieren kann. Das Christentum hat die Sprengung dieser Einheit, die in biblischem Kontext in der Trennung von Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen sich anzeigt, durch den Begriff des Bekenntnisses heilen wollen; es hat aber nur neuen Sprengstoff in die Einheit hineingebracht.
Die zivilisierte Welt hat seit je ihr Gegenbild, von dem sie lebt (subjektiv im Namen der Barbaren und Wilden, objektiv in den Gegensätzen von Babylon und Ägypten, Griechen und Perser, Rom und Karthago bis hin zu Amerika und Rußland, die in einer merkwürdigen Reflexions-Beziehung zum Anfang, zu Babylon und Ägypten stehen).
Umkehr, Name und Angesicht: Die Umkehr sprengt den Naturbegriff, der Name den Weltbegriff und das Angesicht die logische Konstruktion des Wissens.
Der Zusammenhang des Namens des Wassers mit dem Was (vgl. das Buch Bahir zu Ex 1527, S. 119) verweist darauf, daß die Naturqualitäten insgesamt sprachlicher Natur sind. Ist nicht jeder Trieb eine Gestalt der Frage, und gibt es nicht deshalb den guten und den bösen Trieb?
Haben die drei evangelischen Räte etwas mit der Feste zu tun, die die oberen von den unteren Wassern trennt?
Die Hegelsche Dialektik ist die ins Vergebliche instrumentalisierte Umkehr. Hängt dieses „Vergebliche“ mit dem (Sünden-)Vergeben zusammen?
Rechts und Links hängt mit Innen und Außen zusammen: Wie leicht an einem Handschuh sich demonstrieren läßt, ist das Innere der Rechten das Äußere der Linken. Gesicht und Rücken bleiben Gesicht und Rücken, nur daß, wenn Gesicht und Rücken der Rechten nach außen sich kehren, die der Linken (wie die Außenwände neuer Kirchen) nach innen gekehrt sind. Ist nicht dieses „Umstülpen“ eine Bewegung der Scham, der Pathologisierung, der Verletzlichkeit und des Empfindlichwerdens?
Anmerkung zu Jona: In unserer Welt sind nicht mehr nur Rechts und Links, sondern auch Vorn und Hinten und Oben und Unten ununterscheidbar geworden.
Israel ist die Konkretisierung dessen, was Kant die Menschheit nannte.
Eine der schlimmsten (und offensichtlich so gewollten) Folgen des Startbahn-Prozesses war es, daß er die Startbahn-Bewegung in Rechtfertigungszwänge hineingebracht hat, aus denen sie nicht mehr sich befreien konnte.
Das evangelische Gebot der Keuschheit wäre auf die Konstellation Nacktheit („nackte Tatsachen“), Öffentlichkeit („Aufdecken der Blöße“), Verinnerlichung der Scham (Ursprung des Inertialsystems) sowie die Beziehung von Gewalt und Kommunikation (Zerstörung der Sprache durchs Inertialsystem) zu beziehen. Auch die Keuschheit ist ein Sprachproblem.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“; „nackt bin ich aus meiner Mutter Schoß gekommen, und nackt werde ich wieder dahingehen“; „ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet“: Die Nacktheit ist ein Objekt-Attribut; sie bezeichnet das Resultat der Entblößung der Dinge vom verteidigenden (parakletischen) Denken. Deren Instrumente sind
– die subjektiven Formen der Anschauung (Entblößung des Objekts),
– das Geld (Warenfetischismus und Reklame) und
– die Bekenntnislogik (die deshalb frauenfeindlich ist)?
Nackt sind die Dinge als namenlose Objekte des Begriffs, als Erkenntnisobjekt des namenlosen Subjekts Welt. -
18.2.1995
Ist das Lamm, das stumm zur Schlachtbank geführt wird, eine Potenzierung des Gottesknechts?
Verweist der Satz von Rind und Esel nicht darauf, daß das Verhältnis Oben/Unten mit der Beziehung Rechts/Links nicht verwechselt werden darf?
Es gibt zwei Arten von Schalen: die Schale der Nuß, die eindeutig zwischen vom Kern unterschieden werden kann, und die Schalen der Zwiebel, bei denen jede Schale für die nächstfolgende Schale Kern und jeder Kern für den darunter liegenden Kern Schale ist. Hängt es hiermit zusammen, daß wir beim Schälen der Zwiebel weinen müssen?
Die Wasser sollen an einem Ort (oder, wie die Kabbala gelegentlich übersetzt: am Ort der Eins) sich sammeln: Ist das nicht ein Symbol der Einung des Gottesnamens?
Wenn der Himmel am Ende wie ein Buch sich aufrollt: Hat das etwas mit dem Buch des Lebens zu tun; ist im Himmel die Vergangenheit als Erinnerung, die am Ende aufgedeckt wird, gegenwärtig? Ist der Himmel eine Gestalt der Erinnerung, deren Ursprungsgestalt die des Baums des Lebens sind? Und hat diese Erinnerung mit der Befreiung vom Bann der Logik der Schrift zu tun? (Der Baum der Erkenntnis ist das Symbol der Logik der Schrift.)
Zum Buch der Schöpfung wäre daran zu erinnern, daß Gott nicht nur Himmel und Erde, das Werk der ersten vier Tage, erschaffen hat, sondern am fünften und sechsten Tag auch die großen Seetiere und den Menschen (oder am fünften Tag den Leviatan und am sechsten den Behemoth).
Jonas wird aus dem Bauch des großen Fisches gerettet, und nach ihm (und gegen sein Wort) erbarmt sich Gott der großen Stadt Ninive und der 120 000, die rechts und links nicht unterscheiden können, und des vielen Viehs (d.h. des Behemoth).
Mein ist dein und dein ist dein: Diese Form des Armutsgebots verweist auf seinen Ursprung, auf den Zusammenhang mit dem Jesaias-Wort vom Rind und Esel. Danach dürfen Joch und Last nicht verwechselt werden. Aber diese Verwechslung ist die Grundlage der Geldwirtschaft und des Kapitalismus; sie ist ebenso die Grundlage der transzendentalen Logik (der subjektiven Formen der Anschauung) und der Bekenntnislogik (der blasphemisierten Religion). -
17.2.1995
Am zweiten Tag schuf Gott nur die „Feste“, die erst am vierten Tag die „Feste des Himmels“ heißt. Die Feste war das Instrument der Scheidung der oberen von den unteren Wassern, die Feste des Himmels die Folie, an die die Leuchten des Himmels geheftet wurden.
Sind nicht die Wasser die Wasser der Vergangenheit, das Feuer und die Leuchten des Himmels Verkörperungen der vergangenen Zukunft?
Nach der Kabbala hat auch die Hand ein Gesicht und einen Rücken. Wie verhalten sich dazu die Hufe, Pfoten und Klauen der Tiere, und in welchem Verhältnis stehen diese zu den Zeichen des Tieres an der Stirn und an der rechten Hand?
Ist nicht der Zusammenhang, in dem der Begriff der Wollust in der Kabbala erscheint, ein Hinweis auf ihre Verstrickung in den Weltbegriff, auf die Unfähigkeit, den Weltbegriff zu reflektieren, zu durchdringen und zu begreifen? Die Reflexion des Weltbegriffs ist erst in der Spannung von realgeschichtlichem und symbolischem Zusammenhang möglich (und notwendig).
Die Welt oder das subjektlose Subjekt des Weltgerichts.
Muß nicht die Kirche heute an die Aufforderung „Wachet und betet“ erinnert werden? Und wird nicht die Nacht des gegenwärtigen Weltzustands nur noch durch die Apokalypse erhellt? (Ist von der Feste des Himmels heute nur noch die Feste geblieben; und ist das Werk dieser Feste wieder einmal die Scheidung der oberen von den unteren Wassern?)
Das Vergangene ist nicht nur vergangen: Dieser Satz gilt insbesondere für die Prophetie, aber auch im Hinblick auf realsymbolisch-historische Ereignisse wie Sintflut und Turmbau zu Babel.
Wird nicht der Begriff der Wörtlichkeit heute anstatt durch die Sprache durchs Inertialsystem definiert (und so „fundamentalisiert“)? Das „Nichts“, aus dem die Welt erschaffen wurde. ist ein konkretes Nichts: das Inertialsystem (oder allgemein: das Überzeitliche). Die dem Inertialsystem (und der Historisierung der Geschichte) zugrunde liegende Vorstellung des Zeitkontinuums neutralisiert die Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft und löscht die Zukunft. Grund dieser Neutralisierung ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
Sind nicht die apagogischen Beweise, die in die Antinomien der reinen Vernunft hineinführen, Widerlegungen des Moments der Subjektivität in den subjektiven Formen der Anschauung?
Die Diskussion um den Standort Deutschland beweist insbesondere, daß es national-ökonomisch lösbare Wirtschafts-Probleme nicht mehr gibt.
Hängt jubilare mit dem hebräischen Jobel zusammen?
Daß das „Buch der Schöpfung“ (aus dem Sohar) nur bis zum vierten Schöpfungstag reicht, hängt mit der Verstrickung jeder Mystik in den Weltbegriff zusammen und mit der Unfähigkkeit, dessen politisch-ökonomischen Grund zu reflektieren. Die Binde auf den Augen der Synagoge in den Darstellungen in mittelalterlichen Kirchen ist Ausdruck sowohl dieses Sachverhalts als auch der projektiven Struktur der christlichen Symbolik. Das Rätsel des fünften und sechsten Tages gehört zu den bis heute unerfüllten Aufgaben des Christentums (die deutschen Chassidim waren einmal nahe an der Lösung dieses Rätsels: sh. das Dornen und Disteln-Symbol und die Rezeption des Armutsgebots). Der Confessor und die Virgo sind Verkörperungen dieses Rätsels.
Der Weltbegriff neutralisiert die Generationsbeziehungen (und macht das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, unerfüllbar). Er macht den Generationenkonflikt unlösbar. Der Weltbegriff ist totemistisch; er wird gesprengt durch Namen den Menschensohn, der auf den Wolken des Himmels kommen wird.
Zu Ezechiel: Wie hängt die Merkaba-Vision mit dem Titel Menschensohn zusammen?
Das Inertialsystem ist ein Produkt aus Hochmut und Niedertracht; es ist der Hochmut, der nicht vor dem Fall kommt, sondern mit dem Fall eins geworden ist.
An der Struktur des Inertialsystems läßt sich das Verhältnis von Gesetz, Begriff und Erscheinung demonstrieren, das nicht nur die Natur, sondern auch die Gesellschaft beherrscht. Nur so konnte die naturwissenschaftliche Aufklärung zu einem Instrument der Legitimierung des Bestehenden werden.
Ökonomie und Physik sind die Instrumente der Verweltlichung der Welt. Die Bekenntnislogik ist der Grund der Abspaltung der Religion von der verweltlichten Welt und damit das Instrument der Verweltlichung der Religion. -
12.2.1995
Die ganze Skala der Empfindlichkeit, von der pathologischen Verletzbarkeit bis hin zur Majestätsbeleidigung, steht unter dem Satz: „De mortuis nihil nisi bene“ (unter dem Gesetz des ersten Todes).
Die magischen Attribute der monarchischen Institutionen hängen mit ihrer Beziehung zum Totenreich zusammen.
Dritte Leugnung: Über die Adornosche Bemerkung, wonach heute schon jeder Katholik so schlau ist wie früher bloß ein Kardinal, ist die Entwicklung inzwischen noch hinausgegangen. Der real existierende Katholizismus ist atheistischer als die Welt, der er sich angepaßt hat.
Der Verzauberung der Welt, auf die sich der Säkularisationsprozeß bezieht, ist das Werk des Christentums, Produkt seiner Unfähigkeit, den Bann des Mythos aufzulösen, der erst im Christentum wirklich böse geworden ist. Die Unfähigkeit, Joh 129 zu begreifen, hat den Grund für die Dämonisierung der Welt geschaffen (für ihre Remagisierung), die dann ihre projektiven Opfer in den Juden, Ketzern und Hexen gefunden hat, allesamt Realsymbole des katholischen Mythos: der Teufels- und Höllenvorstellung. In diesen Zusammenhang gehören auch die mittelalterlichen „Geschichtsfälschungen“, die ebensfalls als Produkte logisch überdeterminierter Spontanprojektionen sich begreifen lassen (Herrschaftsgeschichte ist Bewußtseinsgeschichte).
Die Entzauberung der Welt hat die Hölle zur Natur neutralisiert. Der moderne Naturbegriff ist selber ebensosehr Produkt wie Medium und Instrument projektiver „Erkenntnis“. Grund und Korrelat des Naturbegriffs ist die Verinnerlichung der Scham (die seine Stellung in der Geschichte des Sündenfalls markiert), ist das symbiotische Element, das bei Rousseau in der Wiederkehr des Inzestmotivs sich anzeigt.
In der Theologiegeschichte wäre das Syndrom der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit an der Geschichte der Umformung des Symbolum ins Bekenntnis nachzuweisen und zu demonstrieren. Die Bekenntnislogik war das Todesurteil der Theologie, Instrument der Verdrängung und Verwerfung einer Theologie im Angesicht Gottes.
Das „Hinweggenommen“ in Joh 129 ist wahr als Verheißung und als Gebot, nicht als indikativische Feststellung (als „nackte Tatsache“). War es nicht die opfertheologische Idee der „Entsühnung der Welt“, die Ihm mit der Last auch noch das Joch aufgebürdet (die Ochs und Esel gemeinsam vor den Pflug gespannt) hat?
Die Sprachlogik ist die Vergangenheit, die nicht vergeht: In ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört sie zu den Konstituentien der Welt, die Auschwitz hervorgebracht hat.
Sind (im Kontext der Auslegung des Symbols durch Eleazar von Worms) nicht noch die Dornen von den Disteln zu unterscheiden? Sind die einen nicht Prdukt der neutralisierten Umkehr der andern (und ist ihre Einheit nicht die „subjektive Form der äußeren Anschauung“)? Die Jotham-Fabel, der brennende Dornbusch und die Dornenkrone haben es nur mit den Dornen zu tun.
Haben die Dornen und Disteln etwas mit dem Feuer und dem Wasser zu tun? Ist das Wasser das unter die Vergangenheit subsumierte Feuer?
Das Inertialsystem ist die Wand der fensterlosen Monade.
Die Identitätslogik abstrahiert von der Dreidimensionalität des Raumes. Hegels Dialektik ist der Versuch, die Identitätslogik mit der Dreidimensionalität des Raumes zu versöhnen. -
5.2.1995
Der Unterschied zwischen prego und quaero verweist darauf, daß es schon im Lateinischen einen Unterschied zwischen der verbalen Frage und der Erforschung eines Sachverhalts gab: das quaero schloß die Anwendung technischer Mittel bei der Wahrheitsermittlung mit ein (u.a. die Folter, vgl. Benveniste, S. 413ff). Kann es sein, daß die gleiche Unterscheidung auch auf Gebet und Opfer sich anwenden läßt, daß das Opfer eine Folter Gottes ist?
Ist nicht das Amt des Quästors das Indiz für den gemeinsamen Ursprung von Geldwirtschaft, Steuern, Straf- und Zivilrecht?
Hat das quaero (wie auch das aqua, auch hydor, majim: das Wasser) etymologisch etwas mit dem Relativpronomen zu tun (gibt es im Hebräischen Relativsätze, und werden diese im Griechischen nicht in weitem Umfange noch durch Partizipialkonstruktionen gebildet)? Hängen nicht die „Nebensätze“ (insbesondere deren Hauptformen: die Konditional- und die Relativsätze) mit dem Ursprung und der Geschichte des Neutrum zusammen, sind sie nicht Teil des Bedingungszusammenhangs, in dem das Subjekt zum Objekt und der Name zum Begriff neutralisiert worden ist? Steckt nicht die ganze Natur in den Nebensätzen (und werden mit der Hypostasierung der Natur die Beziehungen der Neben- zu den Hauptsätzen neutralisiert: wer Neben- zu Hauptsätzen macht, treibt Physik)? Die kantische Kategorienlehre beschreibt das Schicksal der Grammatik unterm Bann des Inertialsystems.
Hat das Tier aus dem Wasser (das Objekt des quaero) sein Vorbild im Leviatan, und verweist nicht auch die Hure Rahab, die zum Stammbaum Davids und Jesu gehört, auf diesen Bereich? Beschreibt nicht Franz Rosenzweig, wenn er von den Wenns und den Vielleicht spricht, diesen Bereich des quaero, des Wassers; und ist nicht das Problem der kontrafaktischen Urteile eine logische Folge der Geschichtsforschung? Heideggers Begriff der Frage: das Versinken in dieser Sintflut, und die Fundamentalontologie: eine Wasserleiche.
Ist nicht das Inertialsystem der Inbegriff des Notwendigen: die Redundanz des Möglichen.
Das Vergangene ist nicht nur vergangen; in der Sprache, der Gestalt der objektiven Erinnerung, ist es gegenwärtig; mit der Objektivation des Vergangenen wird diese Erinnerung verdrängt (Ursprung des Problems der kontrafaktischen Urteile, auch des Problems der „Fälschungen“ in der Geschichte). So gehört die Objektivation des Vergangenen (der Geschichte und der Natur) zu den Konstituentien der Welt.
Hat die Kirche nicht ihren Beitrag mit zur Entstehung einer Welt geleistet, in der die Barmherzigkeit zur Hysterie geworden ist (Sünde wider den Heiligen Geist)?
Die Mathematik, die Geldwirtschaft und die Bekenntnislogik sind die logischen Instrumente der kollektiven Einsamkeit.
Das nihil absolutum ist keine Kategorie des Seins, sondern eine des Handelns: der totalisierte Vernichtungstrieb.
Karl Thieme hat einmal die Geschichte vom Schiffbruch des Paulus vor Malta auf die Kirche bezogen: Am Ende wird die Kirche zwar untergehen, aber alle, die in ihr sind, werden gerettet. Ist das nicht auf den Punkt: Entkonfessionalisierung der Kirchen zu beziehen? Untergehen wird die Bekenntnislogik (gleichzeitig mit der Verwandlung des steinernen in ein fleischernes Herz). War nicht der Faschismus der Sturm vor Malta?
Durch ihre Entzauberung ist die Welt in den Bann des Herrendenkens geraten.
Hängt die Individualisierung der Schuld bei Ezechiel mit dem Titel Menschensohn zusammen und mit dem Hintergrund, auf den das „dixi et salvavi animam meam“ sich bezieht?
Der katholische Mythos ist ein Mythos der Weltflucht: Der Himmel bezeichnet einen Ort außerhalb der Welt. Damit hängt es zusammen, daß in der Kirche die Vorstellung einer Veränderung der Welt nur noch apokalyptisch, als Weltuntergang, gedacht wird. Aber dieses Außerhalb der Welt ist mit Kopernikus im wahrsten Sinne utopisch geworden; es gibt keinen „Ort“ des Himmels mehr. Hat die Tatsache, daß der Himmel „im Raum“ nicht gedacht werden kann, nicht eher eine logische als wiederum eine „räumliche“ Bedeutung? Der Himmel kann nicht als Inhalt des Kelches gedacht werden. Durch die kopernikanische Wende ist der katholische Mythos aus dem Raum in die Sprache transponiert worden; nur hat bis heute niemand die Konsequenzen daraus gezogen (Kelchsymbol).
Zorn und Grimm: Ist nicht der Zorn das Korrelat der subjektiven Form der äußeren und der Grimm das der Form der inneren Anschauung? Und ist die Unzucht die Verbindung beider: der Begriff der Materie?
Ist nicht die Linguistik heute zu einer Entsorgungswissenschaft geworden? -
14.12.1994
Beschreibt nicht H.G.Kippenberg im Abschnitt über die Gnosis, insbesondere in seinen Ausführungen zum Thema Heuchelei und Verstellung (Erlösungsreligionen, S. 417 ff), aufs präziseste die Entstehungsbedingungen des Dogmas (mit der Gnosis als Urhäresie)? Das Dogma hat die Heuchelei und Verstellung gleichsam in sein Inneres, als sein Formgesetz, mit aufgenommen. Durch dieses Formgesetz (durch die Bekenntnislogik) ist das Dogma zur Ursprungsgestalt der modernen Aufklärung geworden; es vollendet sich im Inertialsystem (in der der Reflexion entzogenen Form des Raumes) und in der Urteilsform (dem Formgesetz der transzendentalen Logik). Natur wird zur geheuchelten und verstellten Fassade der Schöpfung. Im Personbegriff (der aus dem ästhetischen der Maske sich herleitet) ist diese Heuchelei fürs Selbstverständnis der Menschen konstitutiv geworden (Zusammenhang mit dem Ursprung der Privatsphäre).
S. 424: Der ungeheuerliche Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Gnosis und Autismus.
In einer Welt, in der es nicht mehr auf das ankommt, was einer tut, sondern nur noch darauf, ob man sich erwischen läßt, ist die Verstellungsautomatik in die Konstruktion des Lebens mit eingebaut worden. Natur gibt es, seit es den Schein der Unschuld (die absolute Leugnung der Gerechtigkeit: jeder Schein ist Schein der Unschuld) gibt; seitdem ist der Rechtfertigungszwang (der Geburtsort der Bekenntnislogik) unaufhebbar geworden. Liegt hier nicht der Grund aller Ästhetik (wie auch der Grund der Stellung des Scheins in Hegels Logik)? Das bedeutet aber auch, daß die kantische transzendentale Ästhetik in der Tat den Grund aller Ästhetik benennt.
Eine Welt, in der die Gerechtigkeit sich verstellen muß, kann nur das Werk eines Dämons (eines Demiurgen) sein. Das war das Problem der Gnosis, ein Problem, das die Orthodoxie mit der Opfertheologie und Bekenntnislogik und mit der Verurteilung der Gnosis zu lösen versucht hat. Mit der Verurteilung der Gnosis aber hat die Kirche dieses Problem nur verdrängt. Der Preis für die dogmatische Lösung war die Verinnerlichung der Verstellung (die den Taumelbecher zum Unzuchtsbecher gemacht hat).
Wie der Kreuzestod war auch das Martyrium das Urteil über die Täter (über das Herrendenken), aber nicht die Rechtfertigung des Opfers (die dieses Urteil wieder ins Herrendenken reintegriert). Jedes Opfer ist ein Urteil über die Täter, aber niemals eine Rechtfertigung des Opfers (Opferfalle).
Zu Joh 129: Das „Seht (das Lamm Gottes)“ ist eine Ergänzung des sch’ma Jisrael. Eine Ergänzung, die unmittelbar und direkt die welthistorische Differenz zwischen Judentum und Christentum benennt. Wenn das Judentum eine akustische Religion ist, ist das Christentum eine optische. Aber genau das ist der Bann, unter dem das Christentum bis heute steht. Hier liegt der Grund, weshalb Joh 129 nicht unverfälscht rezipiert werden konnte. Dieses „Seht“ hat genau in den Bann der Welt hineingeführt, auf den Joh 129 sich bezieht, wenn es diesen Bann als „Sünde der Welt“ bestimmt. Läßt sich nicht die Logik der Schrift aus der Subsumtion des Hörens unter das Sehen herleiten? (Bei Hegel vergeht dem Denken das Hören und Sehen.) Und ist nicht das „Seht das Lamm Gottes“ die Antwort auf das „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“?
Wäre nicht, was die Gedankenlosigkeit Monotheismus nennt, nach Hören und Sehen (nach Prophetie und Philosophie) zu unterscheiden? Die Schrift erfüllt sich im Anschauen, in der tatenlosen Kontemplation, das Wort im Hören und Tun.
Die verdinglichende Gewalt des Sehens steht unterm Bann der subjektiven Formen der Anschauung. Die Unterscheidung von Hören und Sehen konvergiert mit der von Ethik und Ontologie. Und Hegels Kritik des Sollens benennt die Ohnmacht der Ethik unterm Bann der Ontologie. Während die Philosophie das Hören dem Sehen unterwirft, machen die Prophetie und in ihrer Folge die Apokalyptik das Sehen zu einem Organ des Hörens. Der Satz „Seht das Lamm Gottes“ zitiert die Prophetie (seine Bedeutung wird im Kontext der Eucharistie-Verehrung verstellt).
Haben die Fische und die großen Seetiere etwas mit dem Wasser des Thales zu tun (und wurde am fünften Schöpfungstag der Staat erschaffen; vgl. auch die Fische in den Büchern Jonas und Tobias, sowie die Fischer-Apostel)?
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