Wasser

  • 30.08.93

    Während die Reste anderer Architektur-Epochen fast restlos dem Krieg und dann dem „Wiederaufbau“ zum Opfer gefallen sind, wurden vorrangig die Fachwerk-Innenstädte (auch die, die es gar nicht gegeben hat) restauriert: Gehört nicht auch das zur Abschaffung der Vergangenheit, die die Nachkriegsgeschichte in Deutschland bestimmt?
    Was haben wir (außer der Theologie und der Kindheit) mit der Vergangenheit sonst noch abgeschafft?
    Zur Geschichte der Architektur und ihrer Beziehung zu Politik und Philosophie (ihrer Beziehung zur Weltgeschichte: zur Geschichte des Weltbegriffs) gehört die Geschichte der Ruinen.
    Musik und Prophetie: Versucht nicht die Musik die Distanz zwischen dem Wort und seiner Erfüllung zu ermessen? (Der Ton macht die Musik. – Ende und Erfüllung der Musik: Heute, wenn ihr seine Stimme hört. – Musik und die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers.)
    Haß und Schuld: Nur die Schuld verringert sich, wenn sie übernommen wird, während der Haß das einzige Material ist, das sich mit seiner Ausbeutung vermehrt. – Die Führer (und heute die Medien) sagen dem Volk, „was zu hassen sei“. Es gibt keinen spontanen Antisemitismus und keine spontane Ausländerfeindschaft.
    Das folgenlose Kabarett: Der Witz ist ein Instrument der Überlebensstrategie (als Instrument des Angriffs und der präventiven Verteidigung). Aber er ist kein Instrument der Veränderung, der Revolution. Käme es nicht darauf an, anstatt über die Verhältnisse nur zu lachen, endlich die Dämonen auszutreiben?
    Ursprung und Ziel: Trifft der Begriff der Umkehr (Rosenzweig) den Sachverhalt nicht insofern genauer, als sich in der Umkehr etwas bildet, was „vorher“ noch nicht war. Das Neue ist nicht die Wiederkehr des Verdrängten (auch nicht etwas durch Sublimierung Entstandenes), sondern der Ursprung selber (ein in der Lösung aus dem Bann der Vergangenheit erst Entspringendes).
    Rosenzweigs Todesangst und Hegels Logik: Sterblich ist das Eine, es gewinnt den Schein der Unsterblichkeit durch sein Anderssein (Heideggers „Vorlaufen in den Tod“ nennt Hegels Begriff der Aufhebung beim Namen).
    Im Französischen heißt Est Osten und Ouest Westen: Ist das Ouest aus „ou Est“ entstanden? Dann wäre der Osten das Sein, der Westen das Nichtsein, und der Anfang der Hegelschen Logik die philosophische Verarbeitung des Verhältnisses vom Im Angesicht zu Hinter dem Rücken.
    Ist der Westen aus dem Osten entstanden: seine Vergangenheit; ist er das Totenreich (oder die Grenze zum Totenreich, und das Totenreich selber unten)?
    Das Verhältnis des Menschen zur Welt (Ebach, S. 25) abstrahiert von der Beziehung des Ich zum Anderen, leugnet die Asymmetrie zwischen mir un den Anderen.
    Zur historischen Bibelkritik: Nach der Trennung der Quellen kommt erst das Wichtigste: die Komposition.
    Das Vergangene ist nicht nur vergangen: Die Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der logischen Konsequenz des affirmativen Gebrauchs des Weltbegriffs hat der Natur christologische Züge verliehen.
    Erster Grundsatz des Herrendenkens: Man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen. So werden Sachzwänge zu Verwaltungszwängen.
    Sind nicht alle akademischen Berufe dadurch bestimmbar, daß sie dem Delegationsprinzip gehorchen:
    – die Rache wurde (als Recht) an die Justiz delegiert (Gericht und Gefängnis),
    – die Krankheit an die Medizin (Klinik),
    – der Tod (als Unsterblichkeitswunsch) an die Theologie (Kirche und Friedhof),
    – das Wissen an die Wissenschaft (Bibliothek und Museum),
    – die Erfahrung an Bildung und Erziehung (Schulen).
    Der Kern dieses Delegationssystems ist politisch: er liegt im Gewaltmonopol des Staates (Polizei und Militär), sein Symbol ist das einzige außerstaatliche Delegationsverfahren: die Delegation des Tötens der Tiere an den Metzger (der Schlachthof). Ist es ein Zufall, daß zwei „Naturtalente“ der deutschen Nachkriegspolitik Söhne von Metzgern waren (Franz-Josef Strauß und Joschka Fischer – und beide ihre Vornamen veränderten)?
    Es gibt eine Sprache der Gewalt, aber sie ist eine gegen den Namen gerichtete Sprache. Wenn Recht „im Namen des Volkes“ gesprochen wird und Gesetze „im Namen des Volkes“ erlassen werden, so dementiert in beiden Fällen der Begriff des Volkes den des Namens: es ist niemand gemeint und niemand angesprochen, aber alle sind in den Schicksals- und Schuldzusammenhang des Rechts und seiner Vollstreckung verstrickt. Verweist nicht die Sintflut- und Noe-Geschichte auf diesen Zusammenhang?
    Die Sprache der Gewalt ist namenlos: Ursprung und Abbild reiner Objektbeziehungen. Hier wird der Name zu Schall und Rauch.
    Wie hängt der Begriff der Gewalt mit dem der Welt zusammen?
    Wird das Werk des zweiten Schöpfungstages, das Firmament, das die oberen von den unteren Wassern trennt, nicht gegenständlich in der Astronomie, die zu den Konstituentien des Subjekts und (in der Alten wie in der Neuen Geschichte) zur Geschichte des Ursprungs des Staats (als Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern) gehört?
    Monster und teuflisch (zwei Zeitungsüberschriften zu Privatpersonen in den letzten Tagen): Sind Verteufelung und Personalisierung nicht zwei Seiten ein und derselben Sache? Greift das nicht immer weiter um sich, und ist das nicht ein Teil der schleichenden Faschisierung der Verhältnisse, gegen die es kein Mittel gibt außer der Entmythologisierung der Begriffe im Kontext ihres objektiven erkenntniskritischen und politischen Gebrauchs (Kritik der projektiven Charakters der Begriffe)?
    Ist eigentlich der Titel „Die Thora als Person“ zulässig? Darf der Logos des Johannes-Evangeliums „personal“ verstanden werden?
    Das Feuer vom Himmel holen: geht das nicht nur das Wasser hindurch, während die Nutzung des Wassers, die seit der Rezeption der Philosophie die Theologie beherrscht, das Feuer löscht? – Und er „wollte, es brennte schon“.

  • 25.08.93

    Steckt nicht in der Vorstellung einer „von der Sintflut gereinigten Erde“ (Zenger, S. 169?) das christliche Modell einer entsühnten Welt? Ist dieses Konzept nicht doch in einem verhängnisvollen Sinne opfertheologisch, dem dann der – die Menschen zu bloßen Zuschauern objektivierende und entlastende – „Geschehens“- (und Kosmos-) Begriff entspricht.
    S. 172, Anm. 20: Das Keel-Zitat, wonach die „Vorstellung vom himmlischen Plan für einen irdischen Tempel … warscheinlich aus Mesopotamien ins AT eingedrungen“ sei, stammt aus einer geisteswissenschaftlichen Tradition, nach der sich in der Geschichte Vorstellungsmassen von einem Ort zum andern bewegen, wie feindliche Truppen in eine fremde Stadt in einen Text „eindringen“, blendet das Erfahrungsmoment in solchen Vorstellungen aus und verdrängt es.
    Philosophie als Instrument der Sprachverwirrung: Gilt die Beziehung des Tempelbaus zur Schöpfung (S. 173) nicht generell für die Geschichte der Architektur (die damit eine Beziehung zur Geschichte der Philosophie gerückt wird, die in Heideggers „Haus des Seins“ nachklingt und auf die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel zurückweist).
    Zum Turmbau von Babel vgl. das Zitat aus dem Emuna-Mythos in der Anm. 26 auf S. 174.
    In welcher Beziehung stehen eigentlich Tempel und Schrift: Steckt nicht in der Geschichte von der Auffindung der Schrift im Tempel (durch Hilkija – 1 Kön 228) mehr als ein nur zufälliger Vorgang? Drückt in dem Auffinden nicht auch etwas von der Beziehung des Autors zum Text sich aus, etwas, was es unmöglich macht, vom Willen oder von der Absicht des Autors zu sprechen? Beschreibt nicht das Auffinden auch einen wesentlichen Aspekt der Produktion des biblischen Textes?
    S 174: „Nach dem Sieg im Götterkampf über die Götter Ägyptens tritt der Schöpfergott Jahwe definitiv seine Weltherrschaft an.“ Wird hier nicht Jahwe mit Zeus, mit dem Reflex des Ursprungs des Patriarchats am mythischen Götterhimmel, verwechselt?
    Ist die Idee von einem „Heiligtum der Weltherrschaft“ bezogen auf den Tempel nicht antisemitisch?
    Das Ganze ist das Unwahre: Die Pforten der Hölle (Mt 1618), die die Kirche nicht überwältigen werden, sind die Pforten des hades, des scheol: der Unterwelt, des Totenreichs, d.h. der Natur.
    Der ungeheure Satz in Num 1333: von dem Land (Kanaan vor der Landnahme), das seine Bewohner frißt („wir sahen dort auch die Riesen“). Sh. hierzu Zenger, S. 176f.
    Haben die Säugetiere (die, anders als die Fische und die Vögel, keine Eier mehr legen) nicht das Meer und den Himmel im eigenen Innern? Und stehen die Wehen nicht in Zusammenhang mit dem Aufruhr der Meere und der Winde?
    Hat nicht Tilman Moser schon in seiner „Gottesvergiftung“ das Selbstbewußtsein eines Skins beschrieben: die Aggresson, die die Vorstellung, angeblickt zu werden, auslöst? Gehört das nicht in den Kontext einer verzweifelt abgewehrten und zugleich festgehaltenen symbiotischen Beziehung, deren Modell das Gerücht über Hitlers Blick aufs deutlichste vor Augen stellt? Hier sitzt das Gefühl, nicht geliebt zu werden, so tief, daß alles, was an die Aufforderung selber zu lieben, erinnert, Aggressionen, Mordlust auslöst: Deshalb der Haß auf die Armen und die Fremden.
    Steckt nicht in jeder Abwehr der Psychoanalyse die Abwehr der Autonomieforderung, die von ihr ausgeht?
    Wer sich ungeliebt fühlt, kennt zur Macht keine Alternative. Deshalb reizt ihn jede Erscheinung von Ohnmacht zur Wut, weil sie ihn an seine eigene erinnert. Jeder andere Ohnmächtige ist ein Konkurrent seines eigenen Liebesverlangens. (Beschreibt dieser Mechanismus nicht aufs genaueste die historische Entfaltung der Raumvorstellung?)
    Ralph Giordanos Vergleich eines Statsanwalts mit einem Ochsenfrosch trifft genau das Aufgeblasene unserer Justiz. Krankt nicht der Rechtsstaat in Deutschland auch noch in ganz anderer Weise daran, daß ihm die eigene Aufarbeitung der Vergangenheit nicht gelungen ist: Er ist zutiefst pathologisch (empfindlich) geworden, und das im Kontext einer offensichtlich irreversiblen symbiotischen Beziehung zum Staat; er ist zum Verwalter der Staatsgewalt geworden. Daß unser Recht auf dem rechten Auge blind ist, ist kein Gesinnungs-, sondern ein fast nicht mehr zu behebender Systemfehler.
    Nicht die Fähigkeit zur Schuldreflexion, sondern die zur Schamreflexion, die durch den Begriff der Kollektivscham unterbunden worden ist, ist die Grundlage der Herrschaftskritik: der Weltkritik. (Ist nicht das Schicksal der Schamzusammenhang, und nicht der Schuldzusammenhang, des Lebendigen?)
    Krankt Erich Zengers „Gottes Bogen in den Wolken“ nicht daran, daß er an der Trennung der Quellen (J, E, P, Dtr) festhält, anstatt sich auf die Konstellationen einzulassen, die mit dieser Trennung erst sichtbar wird? Beeinträchtigt nicht z.B. die Ausscheidung der Sündenfall-Geschichte, die Verdrängung des Schammotivs, des Baums der Erkenntnis, der Schlange, des Fluchs über die Schlange, Adam und Eva (mit dem Staubmotiv, den Dornen und Disteln, den Wehen) das Verständnis der Sintflut-Geschichte (vgl. z.B. die deutliche Beziehung des Spruchs Noachs über seine Söhne zum Fluch über die Schlange, Adam und Eva)? Wie verhält sich z.B. das kreisende Flammenschwert des Kerubs vor dem Eingang des Paradieses zum Bogen in den Wolken? Welche Stellen scheidet Erich Zenger aus dem Priester-Text aus (z.B. den über den Wassern brütenden Geist Gottes), aus welchen Gründen und mit welchen Folgen?
    Was fehlt:
    – eine Geschichte der Banken,
    – eine Geschichte der Architektur,
    – eine Geschichte der Sprachen,
    – eine politische Geschichte der Liturgie.
    Hat der Satz, daß es zur Prophetie die Haltung des Zuschauers nicht gibt, sondern nur die Alternative: entweder man ist selbst Porphet, oder man ist Objekt der Prophetie (und am Ende wird beides eins), nicht auch die Tendenz, die prophetische Vision, das prophetische Wort endlich wahrzumachen: daß am Ende Gotteserkenntnis die Erde bedeckt wie die Wasser den Meeresboden?
    Daß das Wort sich erfüllt, heißt das nicht auch, daß es endlich die Kraft des Namens (und das homologein sein Objekt) wiedergewinnt.
    Das in Jesus die Schrift sich erfüllt, ist ein prophetisches, kein historisches Wort. Als historisches wäre es ein blasphemisches Wort.
    Der Dekalog ist nicht harmlos: Das vierte Gebot ersetzt die Psychoanalyse, das achte Gebot die kritische Theorie.
    Mit der Philosophie müssen wir auch ihren Mangel begreifen, und hier liegt die ungeheure Bedeutung Heideggers: Er hat den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt (und damit kenntlich) gemacht.
    Wäre nicht die Trias Schöpfung, Offenbarung, Erlösung heute weiterzutreiben in die Trias Schöpfung, Prophetie, Apokalyptik? Das ändert die dynamischen Beziehungen in der Trias, stellt sie auf eine neue Basis. Im Hinblick auf den „Stern der Erlösung“ wäre das daran zu demonstrieren, daß im Falle einer christlichen Rezeption, die noch aussteht, ein affirmativer Gebrauch des Weltbegriffs nicht mehr möglich ist. Die Welt ist in jene apokalyptische Bewegung hereingerissen, die Rosenzweig um jeden Preis draußen vor halten möchte. Aber hier ist zugleich der Verdrängungspunkt der bisherigen christlichen Theologie. Im letzten Teil des Stern der Erlösung würden sich Judentum und Islam als vorapokalyptisch erweisen (und ein Christentum, das zwangshaft versucht, sich auch als vorapokalyptisch zu verstehen, hat damit zwangsläufig beide als „Erbfeinde“).
    Für das vorapokalyptische Christentum, das am affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs erkannt wird, ist die Schöpfungslehre Teil des Herrschaftszusammenhangs, die Offenbarung (als bloße Erkenntnisquelle) Teil des Verblendungszusammenhangs, und die Erlösung (als privater Exkulpationsmechanismus) das Siegel des Schuldzusammenhangs. Zu den Folgen dieses Zusammenhangs gehört es, daß das Subjekt (der Gläubige) in diesem System in einen Trägheits- und Objektstatus gebannt bleibt. Das vorapokalyptische Christentum steht unterm Bann des von ihm selbst hervorgerufenen Inertialsystems.
    Hat das Feuer, das Jesus vom Himmel bringen wollte (und er wollte, es brennte schon), etwas mit dem kreisenden Flammenschwert des Kerubs vor dem Eingang des Paradieses zu tun?

  • 24.08.93

    Zu Erich Zenger, Gottes Bogen in den Wolken: Paßt nicht der Kriegsbogen zum kreisenden Flammenschwert?
    Ein prophetischer Begriff der Erkenntnis kann die Trennung von Natur und Welt nicht akzeptieren, er schließt die Kritik der Geschichte im Sinne einer praeparatio resurrectionis mit ein. Gründet nicht die Trennung von Prophetie und Schöpfungsgeschichte in der durch die Philosophie (und den Staat) vermittelten Trennung von Welt und Natur? Diese Trennung von Welt und Natur oder die Herrschaft des Begriffs und des Rechts ist nur zu kritisieren im Kontext einer Theorie des Namens, des Angesichts und des Feuers. Nicht nur die Prophetie, auch die Schöpfungslehre hat einen Aktualitätskern, der nur durch die Kritik der Trennung von Welt und Geschichte und der zugrundeliegenden Trennung von Natur und Welt wiederzugewinnen ist (Geschichte konstituiert sich durch den Naturbegriff: durch die Leugnung der Auferstehung hindurch); und das Medium dieser Wiedergewinnung ist Erinnerungsarbeit.
    In der Geschichte der drei Leugnungen ist die Magd des Hohepriesters (bei Johannes 1815ff u. 25ff) zugleich die Türhüterin, an der Petrus nur mit Hilfe des „anderen Jüngers“, der „mit dem Hohepriester bekannt war“ vorbei in den Hof hereingekommen ist. Bei Johannes fehlt der Satz von der Selbstverfluchung des Petrus und dem bitterlichen Weinen.
    Zenger, S. 109: Die Flutgeschichte erzählt gerade nicht, „daß und wie der Schöpfergott diesen „Gewaltbazillus“, der die Erde vergiftet hat, durch die Flut aus der Erde herausspült“, sondern dieser „Gewaltbazillus“ ist ein Systemteil der Flut, und seitdem ist die Erde damit vergiftet (hier ist alles Fleisch erst zu Fleisch geworden, auch im paulinischen Sinne: erst hier ändern sich auch die Tiere).
    Daß „die Wassertiere … in 721 verständlicherweise (fehlen)“ (S. 110), hat nicht nur den empirischen Grund, daß sie halt im Wasser leben, sondern verweist auch auf die „großen Meerestiere“ des fünften Tages, die, wie Himmel und Erde und wie der Mensch, unmittelbar von Gott erschaffen sind, und nicht nur die Sinflut überleben, sondern diese Katastrophe gleichsam antizipieren (vgl. die merkwürdige Beziehung der großen Meerestiere zur Philosophie und zum Staat: als Weltsymbole?).
    S. 111: „am Neujahrstag sind die Wasser von der Erde verschwunden“. Hat das (und die Sintflut insgesamt) etwas mit dem Wechsel vom Mond- zum Sonnenjahr zu tun? – Vgl. hierzu die Anm. 27.
    S. 117: Bezieht sich der Schrecken auf den Tieren in Gen 92 außer auf den Gottesschrecken bei der Landnahme (Josue) nicht auch auf den Schrecken Isaaks, und gehört nicht auch der „Schrecken um und um“ in diese Reihe? Und steht das Ganze nicht im Zusammenhang mit der Geschichte des Opfers als Vorgeschichte des Weltbegriffs? Ist nicht die Welt das subjektlose Subjekt dieses Schreckens (das subjektlose Subjekt einer Erkenntnis, deren Subjekt-Objekt der tiefste Grund dieses Schreckens, nämlich das Anderssein ist)?
    Verführung und Weltbegriff (et ne nos inducas in tantationem, sed libera nos a malo): Subjekt des Weltbegriffs sind die Menschen, aber davon werden sie durch den Weltbegriff zugleich entlastet: das ist die Sünde der Welt.
    Verstellt nicht auch in der Sintflutgeschichte das Chronologie-Problem den Blick auf ihre reale (und aktuelle) Bedeutung?
    Verweist nicht die Vorgeschichte (mit den Göttersöhnen und den Menschentöchtern und den Riesen der Vorzeit) aufs deutlichste auf die Zeus- und Heroen-Geschichten des griechischen Mythos?
    Ist nicht die Taufe (durch ihre Beziehung zur Sintflut) ein Symbol der Erinnerungsarbeit?
    Ist nicht „die Seite“ in der Schrift immer die linke Seite (von der Erschaffung Evas bis zum Lanzenstich am Kreuz)?
    Wie hängen die beiden – nach meinem Eindruck sehr katholischen -Wendungen im Verhältnis insbesondere zum Alten Testament zusammen:
    – das „Heute wissen wir, daß …“, mit dem störende Konnotationen beiseite geschafft, verdrängt werden, aber auch wenn eine Stelle dem Stand der naturwissenschaftlichen oder der historisch-kritischen Erkenntnis nicht mehr entspricht, und
    – die projektiv dem biblischen Autor unterstellte Absicht, die Behauptung zu wissen, was der biblische Autor an einer Stelle gemeint hat (insbesondere, wenn diese „Meinung des Autors“ mit dem Wortlaut des Textes nicht übereinstimmt)? Wäre hier nicht zu prüfen, ob die Vorstellung von der biblischen Autorschaft nicht in der Tat sehr projektive Züge trägt, und bestimmt ist vom eigenen Verfahren: vom Abschreiben aus Büchern in Zettelkästen und aus Zettelkästen in neue Bücher. Verkennt diese Vorstellung nicht doch zentral den realen Prozeß der literarischen Produktion in einer Welt, in der es noch keine Sekundärliteratur (die alle Quellentheorien gerne in die Texte hineinschmuggeln möchten) gibt?
    War nicht in der alten Welt das Verhältnis zur Sprache (bis hin zum Logos-Begriff des Johannes-Evangeliums) ein wesentlich anderes als unser heutiges, durch Rechtfertigungszwänge sowie durch Mathematik und Ökonomie zerstörtes und verwirrtes Verhältnis? Und ist nicht ein zentrales Moment der „Schrift“ Sprachreflexion?
    So wie zwischen dem „Stern der Erlösung“ und uns Auschwitz steht, so steht zwischen der Schrift und uns die zweitausendjährige Geschichte des Christentums, die in Auschwitz endet. Hier gründet die erschreckende und beklemmende Aktualität der Schrift.
    Nochmal zur Stelle: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, die Jesus dann selbst, so als sei es nur eine rhetorische Frage gewesen, beantwortet: Ihr werdet den Kelch trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten oder Linken habe nicht ich zu vergeben, sondern der Vater. – Nirgend kommt die Mittler-Rolle dramatischer zum Ausdruck als hier.
    Ist nicht die Geschichte der Dogmatisierung eine Geschichte der Subjektivierung (als welche sie zur Vorgeschichte der subjektiven Formen der Anschauung, ihrer Trennung vom Licht, gehört)? Und ist sie nicht (wie die subjektiven Formen der Anschauung) über den Weltbegriff herrschaftsgeschichtlich strukturiert (Verdrängung und Verachtung der Armen und der Fremden)? Bezeichnen nicht Gott, die Armen und die Fremden die andere Seite der Geschichte der Subjektivierung?
    Ist nicht das Feuer die Vermittlung zwischen dem Inertialsystem und dem Licht, und das Plancksche Strahlungsgesetz (zusammen mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins) der innerphysikalische Ausdruck dieser Vermittlung?

  • 20.08.93

    Der Himmel ist die Einheit der Extreme, hat er etwas mit dem Blutsymbol zu tun, und mit der (prophetischen) Erfüllung des Wortes: dem Namen? Ist der Himmel nicht das in den oberen Wassern gebundene Feuer, der darin verschlossene Name? Und ist der gesellschaftliche und erkenntnistheoretische Begründungszusammenhang des Nominalismus nicht das Wasser (die Sintflut), in dem der Name erloschen ist? Ist der Nominalismus das Wasser, das den Meeresboden bedeckt, auf das die Gotteserkenntnis die Antwort ist?
    Steckt nicht im Kern des Naturbegriffs der Tod, drückt darin nicht seine konstitutive Beziehung zur Herrschaft sich aus? Und wurde nicht die Todesstrafe abgeschafft, nachdem im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft die Todesfurcht als Grund der Herrenfurcht in anderen („existentiellen“) Tatbeständen begründet werden konnte? Ist nicht seit Getsemane der Schweiß des Angesichts, der seit dem Sündenfall zur Arbeit gehört, mit Blut vermischt? Und ist nicht der im Sündenfall gründende Tod der Herr der Welt; aber ist dieser Herr nicht einer, der seine Macht aus unsern Händen empfängt, und ist nicht das die Sünde der Welt? Gründet nicht jede Herrschaft in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: in der Todesinfektion?
    Stark wie der Tod ist die Liebe. (Hl 86) Aber nur stark wie, nicht stärker als der Tod.
    Ist die kantische Erkenntnis, wonach die Vernunftideen nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, nicht ein anderer Ausdruck für das, was Levinas die Asymmetrie in der Ich-Du-Beziehung genannt hat, oder für das Benjamin-Wort „Überzeugen ist unfruchtbar“? Ist sie nicht zugleich eine Begründung der Notwendigkeit von Erinnerungsarbeit, und enthält sie nicht den genauesten Einspruch gegen die Instrumentalisierung der Marxschen Theorie aus Herrschaftsgründen? Widerlegt sie nicht die Wertphilosophie? Die kantischen Vernunftideen respektieren die Grenze zwischen mir und dem anderen, sie verhindern die Xenophobie schon dem Grunde nach.
    Die Unterscheidung zwischen der (erlaubten) regulativen und der (verbotenen) konstitutiven Bedeutung der Ideen ist eine Anwendung und Präzisierung des jesuanischen Satzes „Richtet nicht …“.
    Ist die Xenophobie nicht ein Ausfluß der inneren Logik des Herrendenkens? Gründet sie nicht in dem vom Objektivierungsprozeß unablösbaren projektiven Element?
    Sind nicht die Empfindungen, die mit der Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten erst sich konstituieren und entspringen, Produkte der Selbstobjektivierung; verweist darauf nicht der Regenbogen in der Sintflut-Geschichte?
    Gibt das johanneische Komma nicht auch mit seiner trinitarischen Ergänzung Sinn?
    Gegen die Kollektivscham: Hängen Scham, Blut und Feuer zusammen? Ist die Scham die Pforte der Hölle?
    Wie verhalten sich die Scham und der Zorn: Beide treiben die Röte ins Gesicht, aber während die Scham sich nach innen richtet, geht der Zorn nach Außen? Wie verhalten sich Scham und Wut (ist nicht die Wut ein Zorn, der in Scham verstrickt bleibt)?
    Rühe, Seiters, Bohl und Schäuble: die Metastasen des Aussitzens. Aber ist Kohl dem Kanther gewachsen?
    Sind nicht die Beziehungen von Engels zu Marx, von C.G. Jung zu Freud und die der Kopenhagener Schule zu Einstein vergleichbar? Aber sind dann nicht doch auch die Differenzen zu beachten:
    – das Verhältnis von Engels zu Marx war von großer menschlicher und theoretischer Solidarität geprägt,
    – das C.G. Jungs zu Freud hingegen war bestimmt durch das intri-gantische Renegatentum die Ranküne Jungs und
    – das der Kopenhagener Schule zu Einstein durch einen von der Verachtung des „Spinners“ durchsetzten Respekt vor der moralischen und theoretischen Integrität Einsteins.
    Der Hilfloseste von allen war offensichtlich Einstein.

  • 19.08.93

    Es läßt sich stringent aus der Logik des Weltbegriffs (der verandernden Gewalt dieser Logik) herleiten, wenn die Deutschen sich als Opfer des gleichen Schicksals begreifen, dessen Urheber sie doch zugleich sind.
    Hat die Geschichte mit Noe und seinen Söhnen, die in der Verfluchung Kanaans endet, etwas mit der Geschichte vom Sündenfall zu tun? Und zu Japhet heißt es:
    Raum schaffe Gott dem Japhet, daß er wohne in den Zelten Sems, Kanaan aber sei ihm Knecht! (Gen 927)
    Übrigens: Paulus war ein Zeltmacher!
    Ist nicht Mizrajim ein Sohn Hams, und Heth ein Sohn Japhets?
    Ist nicht das Licht ein Einspruch gegen die Vergangenheit (gegen die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit)?
    Wie wird das Himmelblau erklärt? Und wäre die Frage, warum es nachts dunkel ist, nicht zu ergänzen durch die andere: Warum das Himmelblau am Tage die Grenze des Sichtbaren anzeigt (und wo liegt diese Grenze)?
    Sind nicht das Feuer und das Angesicht die Antipoden des Lichts?
    Die Entfaltung einer philosophischen Sprachlogik ist ohne eine Theorie des Feuers nicht mehr möglich.
    Zu der Vorstellung, daß der Menschensohn auf den Wolken des Himmels wiederkehren wird: Führt nicht auch hier das naturwissenschaftliche bestimmte Bild der Wolken in die Irre? Und ist dahinter nicht die metaphorische Bedeutung der Wolken (die in der „Wolke der Zeugen“ – Hebr 121 – anklingt) verdrängt und untergegangen?
    Daß der Menschensohn bei seiner Wiederkunft in den Wolken erscheinen wird, verweist das nicht, ebenso die Wolke der Zeugen im Hebräerbrief, zurück auf den Noe-Bund (auf den Bogen in den Wolken, vgl. Erich Zenger)?
    Als Athalya Brenner auf die diffamatorische Nebenwirkung des prophetischen Gebrauchs der Worte Hure, Unzucht u.ä., auf die Nutzung der Frauen als Projektionsfolie für Verfehlungen des Volkes Israel, aufmerksam machte, hat sie zugleich auf eine logische Beziehung zur durchaus vergleichbaren Gebrauch des Namens der Juden im Neuen Testament und dann im christlichen Antijudaismus hingewiesen. Liegt hier nicht der Nachweis für den strukturellen Zusammenhang von Antisemitismus und Frauenfeindschaft (sowie Antisemitismus und Sexualmoral)? Gehört zur Entschärfung des Vorurteils nicht auch die Erkenntnis des Zusammenhangs der Form des Symbols mit seinem projektiven Inhalt? Wird nicht beidemale, mit der Unzucht bei den Propheten und mit den Juden im Johannes-Evangelium, eindeutig Herrschaftskritik gemeint, die projektive Züge erst dann annimmt, wenn die Worte aus ihrem wirklichen Kontext herausgelöst und (im augustinischen Sinne) „ad litteram“ gebraucht werden?
    Liegt hier nicht die Lösung des Problems der Beziehung von Symbol, Name, Instrumentalisierung, Begriff, Schuld, Herrschaft, Verdinglichung: nämlich im Zusammenhang einer Theorie des Feuers? Bezeichnet nicht das Feuer die Grenze zwischen Reflexion und Verdrängung: zwischen Begriff und Name? Indem ich das Verdrängte durch Reflexion verbrenne, lösche ich die Fluten der Sintflut? Hängen Wasser und Feuer nicht so im Namen des Himmels zusammen?
    Wasser und Feuer, Schwert und Kelch: Verweist nicht die Verwandlung von Wasser in Wein beim ersten Wudner in Kana auf diesen Zusammenhang (vgl. hierzu das johanneische Komma: Drei nämlich sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut, und diese drei gehen auf eins. – 1 Joh 57)?
    Der Thalessche Satz: Alles ist Wasser, ist als empirischer Satz, der die mythische Ära beendet und das philosophische Zeitalter eröffnet, zugleich ein prophetischer Satz: Hilft er nicht zum Verständnis des Wunders von Kana? Zum Satz Jesu: Ich werde von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht trinken bis zu jenem Tage, wo ich es mit euch neu trinken werde im Reiche meines Vaters (Mt 2629): Ist nicht der Taumelbecher und der Kelch des Zorns Produkt der Instrumentalisierung („der trinkt sich das Gericht“)? Beschwert sich nicht der Küchenmeister in Kana, daß andere Gastgeber den guten Wein am Anfang bringen, warum hier am Ende (sh. auch das „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen“, und den Hinweis Marias an die Diener: „Was er euch sagt, das tut“; und es waren die Reinigungskrüge, die sie dann mit Wasser füllen sollten)?
    Zu Jutta Voß: In ihrer Geschichte vom heiligen Franziskus würde ich auch die Partei des Lammes ergreifen.
    Theologie nach Auschwitz kann sich nicht darauf berufen, daß auch in Auschwitz gebetet wurde: Zwischen diesen Gebeten und uns steht Auschwitz. Und es wurde sicherlich auch geflucht. Theologie nach Auschwitz ist notwendig, weil anders die Opfer von Auschwitz nochmal verraten werden (eine andere Frage ist es, ob sie noch möglich ist). Aus dieser Formulierung ergeben sich Konsequenzen, wie diese Theologie beschaffen sein müßte.
    Die Corpus-Christi-mysticum-Lehre scheint irgendwann nach dem Kriege aus dem Bewußtsein der Kirche (und der Theologie) entschwunden zu sein, möglicherweise im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil? Kann es sein, daß sie genau zu dem Zeitpunkt „vergessen“ wurde, als man sie von der Erinnerung an Auschwitz nicht mehr trennen konnte (Auschwitz als Folge des durch die Instrumentalisierung des Kreuzestodes initiierten Wiederholungszwangs)? Steht die Theologie nicht heute unter dem Symbol: Abgestiegen zur Unterwelt (zur Hölle)?
    Die Wahrheit hat einen Zeitkern, und kann es nicht sein, daß dieser Zeitkern die Positionen des Glaubensbekenntnisses durchwandert?
    Kritik der reinen Vernunft, S. 508: Ein Hinweis auf die Unterscheidung der dynamischen von den mathematischen Grundsätzen des reinen Verstandes (auf Genesis und Bedeutung des Welt- und Naturbegriffs).

  • 15.08.93

    Eine Theologie, die die Schöpfung der Welt zusammen mit der Entsühnung der Welt enthält, lastet apriori die Politik Gott an und exkulpiert sie zugleich.
    „Die deuteronomistische Geschichtsschreibung … entstellt für unsere Begriffe den Gang der Geschehnisse, indem sie die politischen oder militärischen Fähigkeiten und Erfolge der einzelnen Herrscher verschweigt oder ungebührlich in den Hintergrund treten läßt. … Über solchen zeitbedingten Einseitigkeiten sollte man aber das Verdienst dieses Werkes nicht übersehen.“ (Klaus Koch, S. 72f) Ich glaube, deutlicher kann man das (tendentiell antisemitische) Mißverständnis der Schrift nicht beschreiben.
    Philosophie, Naturwissenschaft und Gedankenflucht: Drückt nicht der Thalessche Satz: Alles ist Wasser, schon eine erste Angstfigur als Ursprung der Gedankenflucht aus, die dann erst (über die Astronomie) an der Mathematik, am Begriff und an der Logik (schließlich am Denken des Denkens) als Philosophie einen ersten Halt gefunden hat. Mit dem Weltbegriff hat diese Gedankenflucht dann Eingang in die Theologie gefunden. Im Kern der Naturwissenschaften: im Inertialsystem, ist die Gedankenflucht, deren Geschichte die der Philosophie ist, auf ihren Ursprung gestoßen: auf den neutralisierten Inbegriff des Schreckens, der seitdem die ganze Welt überzieht (ist nicht die Vorstellung des leeren Raumes und die einer unendlichen Zeit das unmittelbare Resultat dieser Gedankenflucht?). Sind nicht alle Gedanken Produkt von Gedankenflucht, deren Ursache erst behoben sein wird, wenn „die Schrift erfüllt ist“: wenn Gotteserkenntnis die Erde bedeckt wie das Wasser den Meeresboden. Nur die Umkehr begründet die Geistesgegenwart: nur sie vermag der Gedankenflucht, die wir Denken nennen, Einhalt zu gebieten, aber diese Umkehr wäre eine siebenfache.

  • 10.08.93

    Vielleicht lohnt es sich doch, den verbleibenden Irritationen bei Erich Zenger noch einmal genauer nachzugehen (teilweise erinnern sie mich an FW Marquardt).
    Ist der reiche Mann in dem Gleichnis vom armen Lazarus, den Lazarus auf Moses und die Propheten verweist, nicht die Kirche? Und wer sind Martha und Maria (wer ist insbesondere Maria, die „den besseren Teil erwählte“)?
    Hat Thales mit dem Satz, mit dem die Philosophie beginnt: Alles ist Wasser, nicht das Feuer verdrängt?
    Urknall und Schwarzes Loch: Sind nicht die Naturwissenschaften selber das Schwarze Loch, das die ganze Schöpfung in sich hereinsaugt und keine Strahlung mehr herausläßt, und wird der Urknall nicht am Ende sein (wie alle Erscheinungen, die mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zusammenhängen, Zeitumkehr-Erscheinungen sind: Die Kausalität ist eine verdinglichte Finalität)? Steckt darin nicht der Ansatz zur Lösung des Rätsels der Beziehung von Gravitation und Licht (das Rätsel Newtons und Einsteins)? Paradigma Newton: Seine Optik war eine zwangsläufige Konsequenz aus seiner Gravitationstheorie.
    Die Seitenansicht der Dinge, die über Kopernikus und Newton sich durchgesetzt hat, hat die sinnliche Welt von innen zerstört (das Bewußtsein desensibiliert).
    Der Begriff der Umkehr basiert auf einer Raummetaphorik; dazu gehört
    – im Angesicht und hinter dem Rücken,
    – rechts und links (Gericht und Gnade), und
    – oben und unten (die Herrschaftsmetaphorik).
    Aber diese Metaphorik hat ihre Eindeutigkeit verloren, seitdem jede Richtung im Raum mit jeder anderen austauschbar geworden ist. Der Raum selbst hat die in ihm gründende Metaphorik vernichtet. Nur über die Kritik des Weltbegriffs (über die Rekonstruktion der Metaphorik, die keine bloße Metaphorik ist, gegen die sie vernichtende mathematische Raumvorstellung): durch die Kritik des durch die intentio recta definierten Erkenntnisbegriffs hindurch, der dann in die mathematische Konstruktion der Raumvorstellung sich verstrickt, läßt sich der Begriff der Wahrheit rekonstruieren. Deshalb gehören heute die Logik der Umkehr, die Logik des Namens und die Logik des Angesichts zusammen. Zusammengefaßt sind diese drei Elemente in dem Wort Johannes des Täufers über Jesus in Joh 129.
    Durch den Gehorsam haben die Christen das Hören verlernt, durch die Enthaltsamkeit die Keuschheit und durch das Selbstmitleid die Armut.
    Hängt das hebräische Wort für Schiff: anijah, mit dem Ich (ergänzt durch das theophore Element) zusammen, oder ist es die feminine Fassung des Wortes für Ich (Hebr. Grammatik, S. 80.87)?

  • 08.08.93

    Das Werk von Charlotte Klein wäre noch wirksamer, wenn es das mit Händen zu greifende projektive Moment im kirchlichen Antijudaismus mit herausgearbeitet hätte. Aber das wäre nur möglich gewesen, wenn der Antijudaismus nicht nur als subjektive Gesinnung, sondern als ein objektiv in Geschichte und Selbstverständnis der Kirche verankertes Strukturelement begriffen worden wäre: Der Antijudaismus wirft den Juden genau das vor, was man selber tut, aber, da mit dem eigenen Selbstbild nicht vereinbar, vor sich selber verbergen, verdrängen muß (die Kirche war die erste jüdische Häresie, die diesen Makel dann in der Geschichte der Häresien, die ihre eigene war, unter einem selbstverschuldeten Wiederholungszwang abarbeiten mußte); für die Verdrängungsarbeit benötigte sie die Juden, die Ketzer und die Frauen als Projektionsfolie.
    Siegel und Etikett (Name und Markenzeichen): Wenn ich auch einen Baum mit lauter Feigenblättern behänge, so wird doch kein Feigenbaum daraus.
    Die Sexualmoral ist zur Sexualmoral erst geworden, als sie um ihre politische, herrschaftskritische Dimension verkürzt wurde. Das war nur möglich durch die Rezeption des Weltbegriffs, aber dann auch zwangsläufig (Beschneidung des Erkenntnisbegriffs durch Einbau redundanter Projektionsmechanismen).
    Der Begriff macht das wiederkehrende Tun eines Subjekts zu einer dauernden Eigenschaft eines Objekts. Diese Differenz begründet den Unterschied zwischen Natur- und Weltbegriff (Natur bezeichnet das empirische, Welt das logische Apriori des Objektbegriffs). Aber diese beiden Momente: Tun und Eigenschaft, stehen gleichsam orthogonal zueinander (die Griechen haben den Winkel entdeckt); und erst vor dem Hintergrund eines vollständig orthogonalen Systems (der apriorischen Raumvorstellung) werden Natur und Logik zu in sich geschlossenen Systemen (Zusammenhang mit dem biblischen Kelchsymbol und der Trunkenheit, die auf den Grund der Trennung von Natur und Welt verweist: nur die nach allen Seiten offene Natur garantiert die Geschlossenheit der Welt, begründet den objektiven Schein ihrer Beherrschbarkeit; erst im Horizont einer unendlichen Zeit kann ich alle Vorgänge in ihr als abgeschlossen, als einmal der Vergangenheit angehörig ansehen: indem ich jeden Gedanken an eine Auferstehung ausschließe).
    Der Gewaltakt, mit dem die Vorsokratiker die Philosophie begründet haben, war der der Trennung von Natur und Welt, sprachlogisch begründet im Futur II.
    Mit der Definition der Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand wurde die Idee der Wahrheit gesprengt.
    Käme es nicht darauf an, den Staat und die raf aus dem Clinch zu lösen?
    Hat nicht die Linke recht: das, was ist, ist die Katastrophe; aber hat nicht auch die Rechte recht: dazu gibt es keine Alternative?
    Die subjektiven Formen der Anschauung, die auch systemlogisch zusammengehören, sind das Grundinstrument der Vergesellschaftung des Bewußtseins, seiner Beherrschbarkeit und seiner Selbstausblendung zugleich. Durch die intentio recta schließt sich das Denken, ohne es zu merken, selbst von der Wahrheit aus.
    Sind nicht die Wasser das Realsymbol der Einheit von Mythos und Aufklärung?
    Die Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten, die den Anfang der erkenntniskritischen Reflexion der modernen Naturwissenschaften bezeichnen, steht unter dem Bann des Gesetzes der Intentionalität und entstellt den zugrundeliegenden Sachverhalt insoweit, als sie seine wichtigsten Folgen zugleich ausblendet und unkenntlich macht. So verschwindet vor allem die Erinnerung an die alten Elemente völlig. Die Elemente, und hier vor allem das Wasser (das Flüssige) und das Feuer (das brennt und erleuchtet), lassen sich (wie insbesondere auch das Licht) nicht auf punktuelle Empfindungen reduzieren, sondern sind bestimmbar nur als innigste Vereinigung sinnlicher und sprachlicher Elemente: man darf vermuten, daß sie an das Zentrum der benennenden Kraft der Sprache rühren; mit ihnen wird Sensibilität (die etwas anderes ist als Empfindlichkeit, und ohne Sprache, ohne Mimesis, ohne objektive Phantasie nicht zu denken ist) an der Wurzel abgeschnitten. Gewinnt nicht das Desiderat einer Theorie des Feuers eine immer brennendere Aktualität? Dazu gehört:
    – Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon; aber auch
    – die Stelle aus dem Petrusbrief, wonach diese Welt in Feuer vergehen wird.
    Das Feuer, der Name und das Angesicht: die drei Zentren einer Logik der Umkehr.
    Ist nicht
    – der Raum der Ursprung des Begriffs und die Leugnung des Namens,
    – das Geld der Ursprung des Wassers und die Leugnung des Feuers und
    – das Bekenntnis der Ursprung der Sexualmoral und die Leugnung des Angesichts;
    wie stehen diese drei Zusammenhänge
    – zur Trinitätslehre und
    – zu den drei evangelischen Räten?
    Haben wir nicht das Feuer vom Himmel geholt, und brennt es nicht schon? Aber das Wasser ist geblieben, das Flüssige im Oberen, in dem sich nichts mehr dingfest machen läßt (sind Feuer und Wasser die zwei Seiten des Himmels: das Feuer sein Angesicht, das Wasser seine Rückseite, und hat in der Sintflut die Rückseite des Himmels die Erde überflutet?).
    Gilt das Wort: Laßt die Toten ihre Toten begraben, für die Physik, die Ökonomie und das Bekenntnis?
    Die Würde und das Sein: Problem der Hilfszeitworte (gründet nicht auch der Wertbegriff in einem Hilfszeitwort?). – Treten nicht im Lateinischen erstmals Hilfszeitworte auf (bei den Perfektbildungen: im Prozeß der Vergegenständlichung des Vergangenen), und welche Bedeutung hat das für die sprachlogische Struktur dieser Sprache?
    Hegels Satz, er sei von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein, wäre, um der Wahrheit willen, ein wenig zu korrigieren: nicht von Gott, sondern vom Absoluten war er verdammt.
    Ist nicht das Scheiden eine Tätigkeit des Richtens? So schied Gott das Licht von der Finsternis, und so schuf Gott eine Feste, die die oberen von den unteren Wassern schied (an die er demnach erstmals das Richten delegierte), und er nannte diese Feste Himmel. Und schließlich schied er das Wasser unter dem Himmel vom Trockenen (er ließ es sich an einem Orte sammeln, damit das Trockene sichtbar wurde).
    Der Weltbegriff macht das, was eine Sache für andere ist, zu ihrem Wesen.
    Was bedeutet das Wort
    – „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ (Mt 822)? So beantwortet Jesus die Bitte eines Jüngers, der, bevor er ihm folgen will, heimgehen und seinen Vater begraben möchte;
    – zuvor beantwortete er die Bitte eines Schriftgelehrten, der ihm nachfolgen will, mit dem Hinweis: „Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (819f);
    – bei Lukas kommt noch ein dritter, der vorher von seiner Familie Abschied nehmen möchte; ihm antwortete er: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes“ (Lk 957ff).

  • 07.08.93

    Im Selbstmitleid ergreift die Sintflut ihren Verursacher. Sind nicht die fremdenfeindlichen Überflutungsängste projektive Abarbeitungen des Selbstmitleids?
    Heute wäre ein Gottesbeweis nur noch über die Logik des Namens zu führen.
    Wir exportieren die Armut in die „Dritte Welt“ und brauchen die Rüstung, um unsere Beute zu sichern. Ein projektiv verarbeitetes Christentum hilft hier, schon die Wahrnehmung der Tatsachen auszublenden (was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß). Das Problem liegt nicht mehr in der Frage nach der richtigen Gesinnung, oder ob man auf der richtigen Seite steht, sondern in der Frage nach dem Zustand der Welt.
    Ich weiß nicht, welche Wirkungen eine Theologie hinter dem Rücken Gottes auf Gott hat, aber ich weiß, was sie bei denen anrichtet, die sie betreiben.
    Was drückt sich eigentlich in der Konsonanten-Kombination -pfl-aus: Pflicht, Pflanze, pflücken, Pflaume, Pflaster, Pflock?
    Die erkenntniskritische Reflexion der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung hat mit der Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten begonnen. Aber die Einschränkung der primären Sinnesqualitäten auf „Empfindungen“ hat das Problem verkürzt, indem sie es subjektivierte. Mit getroffen wurde der gesamte sprachliche Bereich des Namens, zuletzt erkennbar an der „vorwissenschaftlichen“ Elementenlehre. Wasser, Feuer, Luft und Erde, auch Licht und Finsternis (aus deren benennender Kraft die „Aufklärung“ ihren Namen herleitet), und die mit diesen Namen verbundenen sinnlich-sprachlichen Konnotationen sind seitdem gegenstandslos geworden. Gründete nicht die Entsinnlichung der Welt in dem theologischen Konzept der Entsühnung der Welt und der damit verknüpften Sexualmoral? Stand nicht diese Aufklärung insgesamt in der christlichen Tradition der Desensibilisierung?
    Ist nicht Sinnlichkeit, soweit sie als Sensibilität sich begreift, eine sprachliche Bestimmung (das Medium des verlorenen Namens)? Theologie im Angesicht Gottes ist eine sensibilierte Theologie (die Rekonstruktion des Bekenntnisses des Namens), Theologie hinter seinem Rücken hingegen ein Instrument der Desensibilierung und der Zerstörung des Namens.
    Müßten nicht in einer Theologie, die dann sich selbst durchsichtig wird, Marx, Freud und Einstein, sowie Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Georg Lukacs, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Max Horkheimer und Theopdor W. Adorno ihre Stelle finden?
    Findet nicht die mittelalterliche Eucharistie-Frömmigkeit ihre projektive Entsprechung in den antijüdischen Hostienfrevel- und Ritualmord-Legenden?
    Kirche, Heiden und Ketzer: Überzeugen ist unfruchtbar (Walter Benjamin), die Widerlegung stabilisiert und verinnerlicht das Widerlegte. Was bedeutet es und welche Folgen ergeben sich aus der These, wonach die Kirche mit der Reformation ihre häresienbildende Kraft verloren hat und es seitdem nur noch Sekten gibt?
    Steckt nicht in der Vorstellung, daß Basisgemeinden in der Metropole eigentlich Penner-, Knast- und Hurengemeinden sein müßten, ein trinitarisches Moment?
    – Wer heute aus einem Ur in Chaldäa emigriert, hat keine Chance mehr, ein gelobtes Land zu finden;
    – wer heute in die Fänge des Rechtsstaats gerät, hat keine Chance, vergöttlicht zu werden;
    – und wer der lebenslänglichen Unterwerfung der Ehe unters Tauschprinzip sich entzieht, verfällt ihm als Hure.
    Zusammenhang von Urschisma und Gnosis: Ist nicht das NT das erste Dokument der nach dem Urschisma (und in Reaktion darauf) sich herausbildenden Orthodoxie; aber ist es nicht zugleich auch ein Dokument, das in sich, und zwar in seinem Kernbestand, selbst die Warnungen gegen die Orthodoxisierung des Christentum enthält:
    – Joh 129 und die Abschiedsreden („wenn die Welt euch haßt …“),
    – „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
    – die Feindesliebe,
    – „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“,
    – Maria von Magdala und die sieben unreinen Geister,
    – die drei Leugnungen Petri,
    – das Wort vom Binden und Lösen,
    – die Auferstehungs- und Auferweckungsgeschichten,
    – die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen,
    – das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden,
    – Getsemane und der Kelch,
    – die drei evangelischen Räte (Marx, Freud und Einstein),
    – die Apokalypse, die Lösung der sieben Siegel (und die Reihe von Cohen bis Adorno) und die Offenbarung des Namens (der „Weltuntergang“).
    (Wäre eine Zuordnung der 10 Namen von Marx bis Einstein und Cohen bis Adorno zu den 10 Sefirot denkbar?)
    Hat nicht die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Psalmen als privates Gebetbuch zu lesen (und mißzuverstehen)? Und hat nicht durch die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft (und den Ursprung und die Geschichte des Weltbegriffs hindurch) die Offenbarungsgeschichte insgesamt sich so verändert, daß die Beziehung des Alten und Neuen Testamentes nur vor diesem Hintergrund durchsichtig wird (im Kontext des Symbols der „Dornen und Disteln“, vom Sündenfall, über die die Jotamfabel und die Institution des Königtums, über David und die messianische Geschichte: die Geschichte der Verinnerlichung der Dornen und Disteln).
    Der Rechtsstaat ist nicht nur kein Mittel gegen den Faschismus, er ist eine Verkörperung des unreinen Geistes, der ihn erzeugt.
    Alles ist Wasser (Thales): Der Mythos in all seinen Gestalten war das Medium der Reflexion des Ursprungs des Staates vor seiner Konsolidierung. Der Weltbegriff, der die Konsolidierung des Staates besiegelte, hat den Mythos überflüssig gemacht, seine Quellen trockengelegt. Aber ist nicht die Sintflut ein Realsymbol für den Untergang der mythischen Welt, für seine Überflutung mit den Wassern des Begriffs (und die Arche ein Symbol der Erinnerung)? Und gehört zu dieser Geschichte nicht auch die vom Weinanbau, von der Trunkenheit und der aufgedeckten Blöße?

  • 06.08.93

    Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist der Grund der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und die absolute Verhinderung der Umkehr. Das Tote ist das Produkt der Verweigerung der Umkehr.
    Ist nicht die Philosophie eine Seitenansicht des Mythos, in der die Formelemente erhalten bleiben, aber die Inhalte sich gleichsam in Luft auflösen. Ein zweiter Schritt des Herrendenkens; den dritten hat dann das Christentum getan (mit der dogmenbegründenden Ausbeutung der Ambivalenz des Oben/Unten-Paradigmas).
    Was bedeutet eigentlich der Satz: Musik erfüllt den Raum? Edgar Morin hat einmal darauf hingewiesen, daß im Kino Musik die Funktion erfüllt, den flachen Bildern des Films Tiefe und Plastizität zu verleihen. Ist die Musik nicht (im Rosenzweigschen Sinne) eine Weissagung der Einheit von Licht und Sprache? Und ist es nicht auch von daher begründet und sinnvoll, in der Philosophie der Neuen Musik den Teil über Schönberg auch auf Einstein zu beziehen?
    Zu den Konnotationen des Wassers: Schicksal, Sintflut, Rotes Meer, Taufe, der Geist Gottes über den Wassern und die Trennung der unteren von den oberen Wassern. Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn am Ende wiederkehren wird, Projektionen der unteren Wasser in die obere Welt (Produkt der Subsumtion der oberen Wasser unter die Vergangenheit, die Entstellung und Vertreibung des Segens)?
    Wir sind die Sintflut, die über die Welt gekommen ist.
    Zum Wunder von Kana: Waren es nicht Reinigungskrüge, und war es nicht im Kontext einer Hochzeit, und fällt hier nicht das Wort: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Seine Jünger waren mit dabei, jedoch merkwürdig stumm. Man hat das Gefühl, sie sitzen nur dabei, sperren Nase, Mund und Ohren auf, und verstehen nicht, was hier vorgeht.
    Ist nicht die Geschichte von David, dem Hetiter Urijas und seiner Frau Batseba (der Mutter des Salomo) typologisch (der messianische David, Batseba, die Frau des „indogermanisch“-hetitischen Urijas, und Salomo, der Sohn der Batseba)?
    Zur Geschichte von den drei Leugnungen: Ist nicht
    – die Magd des Hohepriesters die Theologie, und sind nicht
    – die Umstehenden die Welt?
    Und lassen sich nicht die drei Leugnungen ohne Mühe auf die Anfragen
    – der Juden (und den kirchlichen Antijudaismus und die Kirchenväter),
    – des Islam (und die Scholastik) und
    – der modernen Aufklärung (und die Unfähigkeit der Kirche, darauf noch rational und – aufgrund der Selbstreferenz, der Rückbeziehung auf die erste Leugnung – unterm selbstverschuldeten Rechtfertigungszwang ohne Selbstverfluchung zu reagieren), sich beziehen?
    Die Welt ist nicht nur, wie bei Heidegger, das Vorhandene und das Zuhandene; die Einschränkung des Weltbegriffs auf diese beiden Attribute schließt das Moment der Selbstverfluchung mit ein (das Vorlaufen in den Tod, die Entschlossenheit).
    Der Heideggersche Begriff der Frage, die heroische Leugnung der Beantwortbarkeit der „eigentlichen“ Fragen, ist die letzte Konsequenz des Nominalismus: die Leugnung des Namens, die letzte Leugnung der Erwartung, daß das Wort sich erfüllt (Heidegger: das letzte Objekt der Sintflut – vgl. das In-der-Welt-Sein, die Entschlossenheit, das Vorlaufen in den Tod, die selbstverschuldete Verstrickung in den alternativlosen Gegensatz des Vorhandenen und Zuhandenen, Folge der Verführung durch die indikativische Logik der Fundamentalontologie, oder: die Selbstneutralisierung durch Eigentlichkeit). Die Fundamentalontologie identifiziert den Infinitiv Sein (aufgewertet zum Seyn) mit dem Possessivpronomen der dritten Person sing. masculinum und neutrum (und findet sein biblisches Gegenstück im Staubfressen der Schlange).
    Der Existentialismus, und zwar schon der Kierkegaardsche, dispensiert von der Logik; daher kommt es, daß es zur Struktur des Sterns des Erlösung bis heute, abgesehen von den Ansätzen bei Stephane Moses, keine wirklich zureichenden Analysen gibt. Erst eine produktive und konstruktive Analyse des Sterns, dieses kunstvoll verschlungenen Systems, befreit die Rosenzweig-Rezeption vom Stammeln.
    Vater und Mutter ehren heißt auch, ihre Dummheiten begreifen.
    Heißt parakletisches Denken nicht, in der von den Vergangenheiten beherrschten Welt die Gegenwart wieder zu entdecken?
    Die Instrumentalisierung des Marxismus in diesem Jahrhundert und der Theologie vor 1600 Jahren zum Herrschaftswissen waren nur möglich, solange sie das herrschaftskritische Moment, das beide enthielten, projektiv nach außen wenden konnten, anstatt es reflexiv in den Erkenntnisbegriff mit hereinzunehmen (wie Benjamin, Horkheimer und Adorno es im Anschluß an Georg Lukacs getan haben). Aber ist das heute nicht erst dann möglich, wenn das projektive Moment in den Fundamenten unserer Zivilisation, in dem ihre zugrundeliegenden Erkenntnisbegriffs selber (auch in der Kerndisziplin der Aufklärung: den Naturwissenschaften), begriffen wird?
    Ist nicht der Hegelsche Begriff der Aufhebung eine subtile Entstellung des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt, und so, zusammen mit der List der Vernunft (die eine Selbstüberlistung ist: sie leugnet den Tod und ersetzt die Hoffnung auf Auferstehung durch die leere Unsterblichkeitslehre), der reallogische Grund des Absoluten? – Vgl. hierzu Zenger, S. 135f, das Kehl-Zitat. Ist nicht die Grundlage der Hegelschen Aufhebung (der Konstitution des Hegelschen Begriffs) die Ersetzung des Auf-sich-Nehmens durch das Hinwegnehmen? So hängt die Hegelsche Logik in der Tat mit der christlichen Trinitätslehre zusammen. Franz von Baaders Bemerkung über die Hegelsche Philosophie wäre zu ergänzen: Sie ist nicht nur das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern auch das der bisherigen Theologie.
    Nur im Kontext der Auferstehungslehre ist der Satz im Stern zu begründen: Der Name ist nicht Schall und Rauch.
    Ist nicht Simson, der, nachdem ihm die sieben Locken abgeschnitten waren, im Keller der Philister die Mühle drehen mußte, ein Typos der Theologie? Aber als ihm die Locken wiedergewachsen waren, hat er die Säulen eingedrückt und das Haus der Philister zum Einsturz gebracht. Waren es nicht Philister – wie vorher die Ägypter -, die die Israeliten Hebräer nannten?
    Ist die griechische Sprache der Kelch, den seine Jünger trinken mußten?
    Entspricht der systembegründenden Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip im Ursprung des Kapitalismus am Ende die aus Gründen der Systemerhaltung notwendige Rückkoppelung von Massen-Produktion und Massen-Konsum durch die Werbung (die Adorno zufolge den Tod verschweigt)? (Gibt es einen systemlogischen Zusammenhang mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, der speziellen Relativitätstheorie und seiner ungeklärten Beziehung zur Quantenphysik?)
    Im Sozialismus gab es keine Reklame, nur Propagande und die Hypertrophie der Geheimdienste.
    Dienstleistungsgewerbe: Ist nicht auch das Militär ein Dienstleistungsgewerbe, und muß heute nicht (aus Gründen der Systemerhaltung) ein immer größerer Teil der Produktion für den Dienstleistungsbereich verwandt werden (vgl. auch das Anwachsen der Kosten der Dienstleistungen im Bereich der privaten Selbsterhaltung)? Und erniedrigt sich nicht der Staat zum Dienstleistungsunternehmen für die Erhaltung des Apparats, in den sich das ganze Gewicht der vergesellschafteten Selbsterhaltung verlagert?
    Getsemane: Steckt nicht in jeder Todesangst etwas davon, daß das Entscheidende, das man hätte tun können, um die Welt aus ihrer Verstrickung zu befreien, nicht getan worden ist? Steckt nicht in der Todesangst die unaufgehellte Beziehung zur Welt?
    Zu Mantel und Rock (Mt 540, Lk 629) vgl. im Stern der Erlösung, S. 361ff: Der Mantel ist der Gebetsmantel, und zum vollständigen Sterbekleid (das der Bräutigam unterm Trauhimmel auch als Hochzeitskleid trägt) gehört außer dem Gebetsmantel auch noch der Rock (Chiton und Tunica). Steht dieser Rock in der Tradition des Rocks aus Fellen und der Rock, der keine Naht hatte (über den unterm Kreuz das Los geworfen wurde)?
    „Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen wurden.“ (Horkheimer) Sind das nicht zwei Seiten eines Blattes: wenn ich die eine durchreiße, vernichte ich auch die andere? Das Gleichnis Jesu vom Weizen und Unkraut würde dazu passen. Hat nicht dieses Blatt solange zwei Seiten, wie die Welt besteht? Aber dann müßte zur „Rückseite“ des Blattes als konstitutives Moment jene Subjektivität mit dazugehören, die den Weltbegriff konstituiert (der die Sicht „Hinter dem Rücken“ zum Ganzen macht: der das Angesicht leugnet). – Es gibt keine Theologie im Angesicht Gottes ohne Kritik des Weltbegriffs. Die Rückseite des Blattes besteht solange wie die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird (wie ein hoffnungsloser Begriff von Erfahrung seine Geltung behält). – „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe.“
    Ist nicht die Leugnung des Sohnes die Leugnung der Auferstehung? Und ist nicht die Geschichte der Beziehung der Kirche zu den Häresien ein Indiz und Gradmesser dieser Leugnung? Welche Bedeutung hat das für die beiden anderen Leugnungen (des Vaters: den Antijudaismus, und des Geistes: den Sexismus)? Verweist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist darauf, daß der Beginn der Umkehr hier, bei der dritten Leugnung, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird“, liegt? Aber wird die Umkehr nicht gekrönt durch die Rücknahme der Leugnung des Vaters?
    Das trinitarische Dogma: Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen (an der Todesgrenze).
    Ist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist in der Geschichte des Christentums zu leicht genommen worden; und gehört hierzu nicht auch das Prophetenwort, daß am Ende die Erkenntnis Gottes die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
    Haben die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen (Maria Magdalena) etwas mit der Aufhebung der Reinheitsgebote zu tun? Ist nicht der Weltbegriff dämonisch (Inbegriff der sieben unreinen Geister)?
    Symbolisiert die Dornenkrone nicht beides: das Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt und den Haß der Welt (zielt die Aufschlüsselung der Dornen und Disteln durch den Eleasar von Worms nicht schon auf den Weltbegriff)?
    Die Welt als Gemeinheitsgenerator und Exkulpierungsmaschine.
    Zum Kelch und zur Trunkenheit: Jemandem reinen Wein einschenken.
    Physik und Schuld: Nur in der Physik addieren sich die Lasten, während in theologischem Zusammenhang ich mich von den Lasten befreie, die ich auf mich nehme.
    – Elementenlehre hebräisch: ät haschamajim we’ät ha’arez und ruach.
    – Theologische Elementenlehre: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße; und der Geist brütend über den Wassern.
    Destruktion beider durchs Inertialsystem: Grauen um und um.
    Zur Theorie des Namens gehört:
    – eine Theorie des Lachens und des Weinens;
    – das Lachen und der Schrecken;
    – die Logik des Angesichts (das Antlitz des Hundes);
    – Prophetie (Erfüllung des Worts) und Apokalypse (Aufdeckung des Namens).
    Wird außer Abram, Sarai und Jaakob in der Schrift noch jemand neu benannt?

  • 04.08.93

    Jedes Urteil enthält ein projektives Element und ist in Schuld verstrickt, aber in eine Schuld, in die die Welt selber verstrickt ist: Diese Schuld ist der logische Grund des Weltbegriffs.
    Futur und Futur II sind Reflexionsformen von Imperfekt und Perfekt, davon nur durch die Prämisse einer unter die Vergangenheit subsumierten Zukunft unterschieden (Produkt einer innerzeitlichen Verschiebung: Ursprung des Naturbegriffs und seines sprachlichen Pendants, des Neutrums). Das Plusquamperfekt ist eine sprachlogische Konsequenz dieses grammatischen Eingriffs. Die hebräische Sprache kennt keinen Indikativ, diese verhängnisvolle Mischung von Präsens und Imperativ, das sprachliche Äquivalent dessen, was neudeutsch Sachzwang heißt.
    Der ungeheure sprachlogische Prozeß, in dem sich Futur und Futur II, Plusquamperfekt und Indikativ gebildet haben, auch das Neutrum (und der Welt- und Naturbegriff), hängt zusammen mit der Ausbildung der mathematischen Raumvorstellung. Dessen Einheitsprinzip ist die Orthogonalität. Aber die Orthogonalität ist zunächst nur ein Strukturelement der Fläche, die selber wiederum dadurch definiert ist, daß sie auf eine und nur eine zu ihr orthogonale Richtung im Raum bezogen ist. Der Raum ist zwangsläufig dreidimensional. Der Preis für die Ausbildung der mathematischen Raumvorstellung ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: der oben bezeichnete sprachlogische Prozeß (oder die apriori positiv beantwortete Frage: if the future will be like the past).
    Die exkulpatorische Funktion der Ontologie wird erkennbar an dem unter Ontologen so beliebten Begriff des Geschehens, in das sie den Weltprozeß verzaubert. Dem entspricht das Fernsehen, das Politik und Zeitereignisse als Zeitgeschehen dem Konsum präsentiert, aber mit dem systemimmanenten Hinweis: Du bist Zuschauer und hast keine Chance, einzugreifen und die Dinge zu ändern. Mit der Betroffenheit, mit der alle auf die Darbietung des Schlimmsten reagieren (und aus dem die Fernseh-Theologie ihren erbaulichen Honig saugt), wird das moralische Subjekt, das hier ohnehin nicht mehr vorkommt, endgültig ausgelöscht. – Ist die Betroffenheit nicht eine Reflexionskategorie der Kollektivscham?
    Mit der Subsumtion unter die Vergangenheit schneiden wir den Dingen (auch dem Kreuzestod Jesu) die Zukunft ab. Was meint das Wort Name im Bekenntnis des Namens?
    Ist nicht die Beziehung des Begriffs zum Objekt (im Urteil die Beziehung des Prädikats zum Subjekt und in der Realität die des Schicksals zu seinem Substrat) eine genitivische: eine Eigentums- und Herrschaftsbeziehung (und zwar als wechselseitige oder als Reflexionsbeziehung: Grund der Unterscheidung von genitivus subjektivus und objektivus)? Der Eigentümer ist nicht nur Herr über seinen Besitz, sondern er selber wird durch seinen Besitz beherrscht („besessen“). Hier liegt der Ansatz zur Lösung des Problems des Weltbegriffs.
    Zum Antlitz des Hundes: Sind nicht alle Blickbeziehungen Herrschaftsbeziehungen, und ist das nicht der Grund, weshalb Hunde aufs Angeblicktwerden aggressiv reagieren? Der freie Blick ist etwas davon deutlich (nämlich durch die Fähigkeit zur Schuldreflexion) Unterschiedenes; er schließt die Umkehr mit ein, die Fähigkeit zur Reflexion der Intentionalität. Frei ist nur, wer den Rechtfertigungszwängen und der in den modernen Erkenntnisbegriff mit eingebauten Projektionsautomatik entronnen ist: Notwendigkeit einer Logik des Angesichts (das Gesehenwerden durchs Objekt und das Hören aufs Objekt in das Sprechen übers Objekt mit hereinnehmen)!
    Die Probleme des dritten Buchs im zweiten Teil des Sterns der Erlösung (die Probleme des Rosenzweigschen Erlösungsbegriffs) hängen zusammen mit den Problemen im zweiten Buch des ersten Teils des Stern (mit den Problemen des Weltbegriffs). Hier wird deutlich, was die jüdische Tradition in der Rosenzweigschen Fassung vom Christentum unterscheidet; aber diese Differenz war zwangsläufig, weil sie im Christentum selber bis heute nicht begriffen ist.
    Nicht der Erste Weltkrieg, sondern Getsemane ist das Korrelat des Anfangs des Sterns.
    Stern, S. 37: „Die Natur ist stets die eigene Natur der Götter.“ Darin steckt schon der christologische Naturbegriff.
    S. 153: Der Begriff einer Schöpfung aus Nichts „enthält die Leugnung des Chaos“; er ist ein Instrument der Leugnung und Verdrängung der Vergangenheit, der Diskriminierung der Erinnerung und der Verhinderung von Herrschaftskritik: Vor dem Ursprung des Weltbegriffs war nichts. Wenn doch etwas war, was nicht mehr zu leugnen ist, muß es dem Weltbegriff angeglichen und subsumiert werden (wie im Inertialsystem die Zukunft unter die Vergangenheit).
    Ebd.: Mit der Urteilsform ist die „Vorstellung“ eines Unvorstellbaren: einer unendlichen Vergangenheit, mitgesetzt.
    Zur Sünde der Welt: „Die Seele ist ihrer Last ledig im Augenblick, wo sie sie ganz auf die Schultern zu nehmen gewagt hat“ (S. 201).
    Ontologie und Umkehr: Das Sein, als allgemeines Possessivverhältnis, ist die Umkehr der Gnade, der Barmherzigkeit; daher seine „verandernde Kraft“ (Instrumentalisierung durch Vergegenständlichung rückt alles, was es ergreift, in ein vergesellschaftetes Possessivverhältnis: Deshalb gibt es ohne Staat keine Welt).
    Das Haus hat nicht nur mit Zweckmäßigkeitsgründen zu tun (Schutz vor den Unbilden der Witterung), sondern ebenso mit der Geschichte der Scham (Schutz der Intimsphäre): Hängen das Sklavenhaus Ägypten und der Name Pharao damit zusammen?
    Was bedeutet es eigentlich, wenn das Paradigma Innen/Außen nicht mehr zu halten ist: das Innere zu Nichts geworden ist?
    Die intersubjektive Welt ist zum gemeinsamen Gefängnis aller geworden: Alle sitzen in Isolationshaft.
    Der Korpuskel-Welle-Dualismus resultiert aus der objektiv unvermeidbaren Alternative, die der Lichtgeschwindigkeit zugrundeliegende „Bewegung“ entweder nur auf eine Richtung des Raumes zu beziehen, oder auf die Zeit, und damit auf die Totalität des Raumes.
    Das Inertialsystem abstrahiert vom Gesehen-Werden, von der Scham, die sich dann gegenständlich als Materie in den niederschlägt (sic, B.H.) (projektive Erkenntnis und Schuld). Scham ist Selbstbewußtsein des Andersseins, logische Konsequenz des Satzes: Das Eine ist das Andere des Anderen.
    Wann wird es gelingen, die Vergangenheit so einzudämmen, daß sie nicht mehr die Zukunft überschwemmt?
    Ist nicht im ersten Satz der Genesis (im „elohistischen“ Schöpfungsbericht, Gen 11) auch die Reihenfolge des Geschaffenen (Himmel und Erde) von Bedeutung? Erst am Anfang des zweiten („jahwistischen“) Schöpfungsberichts (24b), der die Paradiesesgeschichte und die Geschichte vom Sündenfall erzählt, wird die Folge umgekehrt („Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, …“). Wird der erste Schöpfungsbericht im Imperfekt, der zweite im Perfekt erzählt? Ist die Reihenfolge des Geschaffenen nicht in der Logik der Sprache begründet (in der perfektivischen Gestalt gewinnt die Erde den Vorrang vor dem imperfekten Himmel)? Deshalb endet der zweite Bericht mit dem Sündenfall und der jahwistischen Urgeschichte (bis zur Sintflut und zum Turmbau von Babel), der erste hingegen mit dem „sehr gut“. Enthält nicht die Geschichte von der Bindung Isaaks (mit dem Engel Elohims am Anfang und dem Engel JHWHs am Ende) den Lösungansatz?
    Zum ersten Satz der Genesis: den Himmel nutzt Gott als Namen für das Firmament, die Erde zur Herbringung der Kreaturen.
    Zum paradiesischen Nahrungsgebot: Nur dem Menschen ist die Frucht verheißen, den Tieren nur das Grün, die Blätter (vgl. das Feigenblatt und die Scham).
    (Gibt es im Hebräischen ein Partizip?)
    Ist nicht majim, das Wasser, ein Plural (wie schamajim, der Himmel), und ist nicht auch der deutsche Begriff Wasser ein Plural von Was (wie Völker von Volk)? Merkwürdig, daß der Ursprung der Philsophie mit der Neutralisierung des Wassers (Thales: Alles ist Wasser, Heraklit: panta rhei, und: niemand steigt zweimal in den gleichen Fluß) beginnt: der unendlich schwere, am Ende vergebliche Versuch das Flüssige dingfest zu machen (in einer wahrscheinlich entscheidenden Phase mit Hilfe der Theologie: Bedeutung der Trinitätslehre!)?
    Ist Theologie heute nicht doch nur noch in einer bekenntnishaften Form möglich, aber einer, die es wirklich ist: auf die Neutralisierung des Bekenntnisses, die Konfessionalisierung der Theologie, endgültig verzichtet? Dieses Bekenntnis wäre eines im Angesicht Gottes, nicht im Angesicht der Welt (dem Scheffel überm Licht). Durch Objektivierung und Theoretisierung wird der Inhalt der Theologie generell verfehlt.
    Das zum Bekenntnis neutralisierte Symbolon ist das vergrabene Talent.
    (Die Welt ist das Verwesungsprodukt des toten Gottes.)
    Steckt nicht in der projektiven Vorstellung vom „jüdischen Rachegott“ (bei Drewermann, Alt, Christa Mulack u.a.) auch die Angst vor einem Gericht, in dem die Opfer der Vergangenheit, die nur still sind, wenn sie endgültig tot sind, die Richter sein werden? Müßten nicht Kirche und Theologie, Gegenwart und Vergangenheit, aber auch Politik und Gesellschaft, völlig anders sich darstellen, wenn es auch nur einen gäbe, der wirklich an die Auferstehung glaubte? Hat das Christentum nicht die Theologie (Trinitätslehre und Christologie) auch dazu mißbraucht, sich die Vergangenheit (ihre jüdischen Wurzeln, aber dann auch ihre fatale eigene Rolle in der Geschichte) vom Leibe zu halten? Mit der Gehorsamsforderung wurden die Ohren verstopft, damit niemand das Blut, das zum Himmel schreit, mehr hören konnte. Ist nicht der „christliche Liebesgott“, der in der Vorstellung gründet, daß Gott seinen eigenen Sohn hingeschlachtet habe, „um uns zu retten“, Produkt und Deckbild einer nun wirklich sadistischen Phantasie? Während wir glauben, den „Rachegott“ nicht mehr zu brauchen, haben wir in Wahrheit genau diesen Aspekt längst neutralisiert und instrumentalisiert, indem wir ihn, wenn wir ihn nicht zu Zeiten auch einmal selbst in die Hand genommen haben, an den Staat, an die Institutionen des Rechts: der staatlichen Strafverfolgung und des Strafvollzugs, delegiert haben. Das „Volk“, in dessen Namen Gesetze erlassen, Recht gesprochen und Urteile gefällt werden, ist der anonymisierte Erbe dessen, den das antijudaistische Vorurteil einen „Rachegott“ nennt. Wer sich auch nur ein wenig mit den Zuständen in unseren Knästen (die jeder zu verantworten hat, der dem Volk angehört, in dessen Namen hier die „Strafen vollzogen“ werden) vertraut gemacht hat, weiß, daß zu den realen Gründen des Strafrechts auch, wenn nicht zentral, die Vergesellschaftung der Rachebedürfnisse gehört, während der „alttestamentliche Rachegott“ (das „Mein ist die Rache“ des Gottes, dessen wichtigste Eigenschaft die Barmherzigkeit ist) in seinem realen Kontext auf die Auflösung der Rachebedürfnisse der Opfer abzielt. Übrigens: Im Neuen Testament (im Hebräerbrief, 1030) steht der Satz: „Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“, während im Alten Testament (im Buch Jona, 411) Gott gegen Jona den Verzicht auf die Zerstörung Ninives so begründet: „Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120 000 Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können, und soviel Vieh.“
    Das gedankenlos Bösartige an der antijudaistischen Unterscheidung des „alttestamentlichen Rachegottes“ vom „neutestamentlichen Liebesgott“, das zum Syndrom der verfolgenden Unschuld gehört, wird deutlich, wenn man auch nur einen Augenblick daran denkt, wer – in einem geschichtlichen Kontext, zu dem Auschwitz gehört – hier an wen welches Ansinnen stellt: Der Täter schlägt dem Opfer das einzige Mittel, die Erinnerung an die Leiden zu verarbeiten, aus der Hand. Hier darf nicht mehr aufgearbeitet, hier soll nur noch verdrängt werden.
    Der Beter rächt sich nicht selbst (Zenger, S. 71): Ist das nicht das zentrale Anliegen eines jeden Gebets, das Moment, durch das es mit dem Gottsuchen sich verbindet, und der Wahrheitsgrund des Satzes von Reinhold Schneider? Wäre dieser Satz nicht heute eine der Grundlagen der Rechtskritik: als Kritik eines Instruments der instrumentalisierten Rache?
    Wird mit dem Gerede vom „jüdischen Rachegott“ nicht
    – der zugrundeliegende Text entstellt, seine Wahrnehmung verzerrt, und zugleich
    – ein theologischer Erkenntnisgrund durch Verdrängung neutralisiert?
    Verräterisch die Rede vom Gottesbild im Hinblick auf eine Religion, zu deren zentralen Elementen das Bilderverbot gehört: Zu den objektiven Intentionen des Bilderverbots gehört es, sich die reale Erfahrung nicht durch Bilder verstellen zu lassen. Hierzu gehört auch die biblische Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken. Der Antijudaismus ist ist ein System von Vorstellungen über die Juden hinter ihrem Rücken, er ist (nach einer auch hierauf zutreffenden Formulierung Adornos über den Antisemitismus) das Gerücht über die Juden, das jede reale Erfahrung mit Juden und mit der jüdischen Tradition scheut, wie der Teufel das Weihwasser.
    Hebr 1030f: Wenn wir vorsätzlich sündigen, gibt es für diese Sünden keine Opfer mehr. – Ist nicht das Opfer die Vergebung?
    In einer Welt, die bis in ihre innersten Strukturen hinein, und ohne daß eine Alternative dazu überhaupt noch sichtbar wäre, durchs Selbsterhaltungsprinzip geprägt und bestimmt ist, braucht man, wie es scheint, einen „Gott der Liebe“; aber gilt nicht hierfür Adornos Satz: Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner mehr zu lieben fähig ist? Die Sperre vor der Fähigkeit zu lieben liegt in der Struktur dieser Welt.
    Die antikirchlichen Positionen in Kirche und Theologie sind nicht einfach nur falsch und zu verurteilen, sondern haben ihren eigenen Erkenntniswert in einem System, in dem Erkenntnis insgesamt seine projektiven Anteile nicht mehr abwischen kann.
    Den Begriff zum Sprechen bringen: das setzt eine Theorie des Lachens und des Schreckens voraus.
    Die subjektiven Formen der Anschauung und das Inertialsystem (der „luftleere Raum“) zerstören den Himmel durch die Zerstörung der „Elemente“ hindurch: die Erde, die Luft (das Pneuma), das Wasser und das Feuer (haschamajim).
    Physik als Kloß im Hals der Theologie: im „luftleeren Raum“ gibt es keine Luft zum Atmen.
    In welcher Beziehung stehen die Juden, Ketzer und Hexen der christlichen Geschichte zu den Barbaren der Griechen (trinitarische Entfaltung des projektiven Erkenntnisbegriffs der Philosophie)?
    Kants Philosophie war Erkenntniskritik, der stringente Nachweis, daß der Erkenntnisbegriff der Philosophie sich auf die Dinge, nicht wie sie an sich selber sind, sondern wie sie uns erscheinen, sich bezieht.
    Bekenntnisse des Jeremias: 1118-21, 121-6, 1510-21, 1714-18, 1818-23, 207-18: prophetischer Ursprung der Reflexion?
    Jeremias, der Prophet des welthistorischen Bruchs?
    – Dreimal verbietet Gott dem Jeremias, für das Volk zu beten; aber Jeremias gebietet dem Volk, für das Wohl der Stadt, in der sie nach der Deportation leben, zu beten.
    – Selbst wenn Mose und Samuel … (Jer 14-15?)
    – „Wer sich den Chaldäern ergibt, wird sein Leben als Beute gewinnen.“ (Jer 282, vgl. dazu den „Ursprung des Weltbegriffs“ und das Jesus-Wort: Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren.)
    – Dreimal „Grauen um und um“.
    – Ist der „Feind aus dem Norden“ (Babylon) ein Vorbegriff der Welt?
    – tewel (hebr. für Welt und Natur) nur zweimal im AT, beide Stellen bei Jeremias (?). Sonst „Himmel und Erde“; haolam ist der Bereich der göttlichen Herrschaft, nicht die Welt.
    – Zu Jer 1010-16: außer an dieser Stelle nur noch zwei andere „Schöpfungsberichte“, Ps 104 (der älteste) und Hiob 38ff.
    Erfüllung des Worts: „Der Prophet aber, der Heil weissagt – an der Erfüllung des prophetischen Worts erkennt man den Propheten, den der Herr wirklich gesandt hat.“ (Jer 289, vgl. Dt 1821-22, Ez 3333) Ist der Name die Erfüllung, das Eintreffen des Worts?
    Das Wunder gehört zur Prophetie: daß „das Wort sich erfüllt“, zum Namen wird (das Wunder erlischt im Namen).
    Das Absolute ist ein Korrelat der Welt: deshalb ist kein Gied in ihm nicht trunken.
    Zur Bestimmung der Theologie:
    – Aktualität (Prophetie),
    – eingreifende Erkenntnis,
    – apokalyptisch (aber nicht die Endzeit berechnend: dazu zwingt nur die Logik des Weltbegriffs).
    Kommen die Völker Kanaans in der Völkertafel, in den Genealogien der Genesis vor?
    Zur Vorgeschichte der drei Leugnungen Petri gehört ihre Weissagung:
    – Mt 2630 und Mk 1432: Ihr werdet in dieser Nacht (!) an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen.
    – Lk 2231ff: … der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf …, daß der Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich bekehrt hast, stärke dein Brüder.
    – Joh 1336ff: Wohin ich jetzt gehe, dorthin kannst du mir nicht folgen …
    Binden und Lösen: Ist nicht durchs Binden das Lösen neutralisiert, unkenntlich gemacht worden: und der Glaube zur Hybris?
    Das Dogma hat die Frage: Wie ist die Thora „heute“ (und d.h. prophetisch) zu verstehen, neutralisiert.
    Das Urschisma: auch eine Frage der Grammatik? Sind physis und kosmos (natura und mundus) grammatisch bedingte Begriffe? (Vgl. Rosenzweig: der „Mittler“ nur für die Heiden, nicht für die Juden).
    Der Weltbegriff fundiert den Egoismus (das Prinzip der Selbsterhaltung), den Sexismus und die Desensibilisierung, die Erfahrungsunfähigkeit.
    Die Welt ist Welt für andere: Schamgenerator. Durch die Identifikation der Kirche mit der Welt (mit dem Aggressor) ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden.
    Hegel: die Neutralisierung der Philosophie zum Absoluten.
    Jeder Machtgewinn wird mit Sprachverlust erkauft.
    Zur Raummetaphorik: Die Neutralisierung von Oben und Unten ist ein Teil der Vergesellschaftung von Herrschaft.
    Ursprung des Geldes im Kontext der Schuldknechtschaft: Hat nicht das Bußsakrament das Lösen in kleine Münze umgemünzt (und ist nicht der verdinglichte Glaube ein Stück verinnerlichter Schuldknechtschaft)?
    Das Christentum hat der frühen Christenheit die Last der Umkehr abgenommen, heute blockiert es sie.
    Jona ben Amittai und Jesus kommen aus der gleichen Gegend (Nazareth und Umgebung).

  • 11.07.93

    Zum Binden und Lösen: Hat das Schwert, mit dem Alexander den gordischen Knoten durchschlagen (aber nicht gelöst) hat, etwas mit dem Schwert des Cherubs vorm Eingang des Pardieses zu tun? Und ist das Lamm, das würdig ist, die sieben Siegel zu lösen, nicht das Lamm, das die Sünden der Welt auf sich nimmt?
    Der Weltbegriff hat das Angesicht Gottes zerstört (deshalb hat es in der christlichen Theologie keine bestimmbare Stelle mehr gefunden).
    Hat die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kana etwas mit der Geschichte der Sintflut und mit Noe zu tun?
    Ist die Hegelsche Philosophie (als Entfaltung des Weltbegriffs: der dem Ich korrespondierende Totalität) die Sintflut, und bezieht sich nicht darauf das Wort der Apokalypse, daß das Meer am Ende nicht mehr sein wird?
    Was allzu leicht übersehen wird: Es gibt nicht nur die Saulus/ Paulus-Geschichte, sondern auch die der „Herrenbrüder“ Jakobus und Judas (die beiden Verfasser der Apostelbriefe?), von denen mit Sicherheit der Jakobus erst nach der Auferstehung zum Jüngerkreis gestoßen ist; wobei Paulus darauf hinweist, daß der Auferstandene auch dem Jakobus erschienen sei.
    Und: Wenn Jakobus und Judas die Brüder Jesu sind, ist dann nicht die „andere Maria“ die erste (und in welcher Beziehung zu beiden stehen dann Maria Magdalena und Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus)?
    Haben Jungfräulichkeit und Unbefleckte Empfängnis etwas mit der Austreibung der sieben unreinen Geister zu tun?

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