Hegels Wort von der „zu großen Zärtlichkeit für die Welt“ ist, wie seine Kantkritik insgesamt, antimessianisch. Sie wäre wahr gegen seinen eigenen Weltbegriff; hier aber ist gar nicht die Welt, hier sind die kantischen Dinge an sich gemeint. Die Gewalt, die in Hegels Wort sich ausdrückt (gibt es überhaupt eine „zu große Zärtlichkeit“?), ist bei Beethoven Musik geworden.
Das „Herz im Kopf“: Ist nicht das Herz als Zentrum der Humanität zugleich des Inbegriff des Fremden (und jede Xenophobie eo ipso herzlos)? Das Votum für die Fremden macht (Grund und Kern der Barmherzigkeit) aus dem steinernen ein fleischernes Herz.
Wenn einmal die Geschichte der Sexualmoral, die weniger ein Teil der christlichen als vielmehr einer der Weltgeschichte ist, begriffen wird, wird man mit Erschrecken auch den Grund der Abtreibungsdebatte erkennen.
Beruhen nicht die spezielle Relativitätstheorie Einsteins und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit darauf, daß die Form des Raumes auch noch gegen das Inertialsystem als Referenzsystem festgehalten wird, während seine Metrik (und damit seine Beziehung zur Zeit und zur Materie) in den Wirbel mit hereingezogen wird, den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit erzeugt?
Das Inertialsystem zieht der Natur die Haut vom Leibe; das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die zugehörige Elektrodynamik ist gleichsam die von der Haut getrennte Oberfläche des offenen Fleisches. So ist sie ganz nackt, ganz aufgedeckte Blöße, und hat kein Feigenblatt, sich zu bedecken.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Ist das gleiche nicht auch den Tieren, nur als bloß leidenden Objekten, widerfahren?
Sind Texte (Problem des Ursprungs der Schrift) nicht Ausdruck der Scham, Versuche, die Blöße zu bedecken? Ist das „Fell“, das Gott den Menschen gab, ihre Blöße zu bedecken, die Thora?
„Boaz steht zu Jachin wie Garizim zu Ebal – wie der Segen zum Fluch“ (Ranke-Graves: Die weiße Göttin, S. 221, Anm.)
Der Hinweis (ebd., S. 245), daß die Unreinheit nach dem levitischen Gesetz Heiligkeit, nicht Verworfenheit bedeutet, ist sehr weitreichend.
Über Schweinehirten vgl. ebd. S. 258.
S. 253: Merkur erfand das Alphabet, nachdem er den Flug der Kraniche beobachtet hatte.
Es gibt heute fließende Übergänge von Reklame zu Information und Unterhaltung: Gründe des Rechtsradikalismus.
Der Naturbegriff (der die Idee der Auferstehung ausschließt) ist der ewige Karfreitag.
Das kantische Motiv der „Menschheit in uns“ ist von den nachfolgenden Idealisten durch das Ich ersetzt, neutralisiert und so verraten worden.
Zum Problem des Ödipus-Komplexes: Der Weltbegriff gründet in der Tat im Vatermord, in der Neutralisierung der Herrschaftskritik, in deren Konsequenz diese Mordbeziehung liegt. Der Weltbegriff ist das gegenständliche Korrelat der Brüderhorde. Und die verdeckte und entstellte Erinnerung des Vatermordes überlebt im Naturbegriff. Der Weltbegriff ist der Deckel auf dem Grab des ermordeten Vaters. Und wenn nach Hegel „die Idee die Natur frei aus sich entläßt“, so erinnert das eher an die im Grunde der Zivilisation schlummernde faschistische Mordlust (die am Ende freigesetzt wird, wenn es nicht gelingt, sie durch Reflexion aufzuheben) als an die Schöpfungsidee, mit der Hegels Konstrukt immer verwechselt wurde.
Als Boris Becker vor einigen Jahren nach einem gewonnenen Spiel einmal sagte: die ganze Bedeutung dieses Spiels werde man erst in zwanzig Jahren ermessen können, lag dem das gleiche Zeitverständnis und der gleiche Gedächtnisschwund zugrunde, die heute insbesondere das Verhältnis zur Vergangenheit insgesamt bestimmen. Heideggers „Seinsvergessenheit“ bezeichnet das genaue Gegenteil dieses Gedächtnisschwunds, zu dessen Ursachen vielmehr die Ontologie gehört: Es gibt keine Erinnerung ohne Seinsvergessenheit.
Xenophobie
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16.11.92
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06.11.92
Für Sodom und gegen die Engel Jahwes: Sind es nicht die gleichen (nur jetzt zwei anstatt vorher drei) „Männer“, die von Abraham mit großer Gastfreundschaft aufgenommen wurden, den Bund mit ihm schlossen und ihm den Erben und die zahlreiche Nachkommenschaft ankündigten?
Jericho und Sodom haben mit dem Stammbaum Jesu zu tun, und zwar beide über Frauen, über Rahab und Ruth (die als Moabiterin an die Lot-Geschichte erinnert). Aus Gibea stammt der erste König Israels, Saul; sein Namens-Nachfahre, Saulus/ Paulus, war ein Benjaminiter.
Sind der neue Himmel und die neue Erde die alten nach ihrer Befreiung von der Welt?
Die Fremdenfeindschaft, die Xenophobie, ist der Preis für die Zivilisation, und jede Fremdenfeindschaft ist im Kern antisemitisch (inverse Identität von Hebräern und Barbaren).
Der systematische Quellpunkt des Stern der Erlösung hat etwas mit dem systematischen Kern der Kritik der reinen Vernunft zu tun: er entspringt dem Problem der Ableitung der Dreidimensionalität des Raumes, das bei Kant im Zusammenhang mit der Benennung der drei Strukturelemente der Zeit: Dauer, Folge und Zugleichsein, anklingt. Das transzendentallogische Kausalitätsprinzip, die Verknüpfung von Ursache und Wirkung, erinnert nicht zufällig an das theologische Verhältnis von Sünde und Schuld.
Der christlogische Naturbegriff, die Vergöttlichung des Opfers, ist das zentrale Element der Nachfolgevermeidungsstrategie, die er durch die Nutzung des Privilegs der Opfer, durch die theologische Honorierung des Selbstmitleids (Grund der christlichen Seelenvorstellung), fast unaufhebbar in das Bewußtsein der Zivilisierten eingesenkt hat. Diese Beziehung zum Opfer macht den durch den Weltbegriff abgesicherten Objektbegriff, Grund des verdinglichten Bewußtseins, fast unangreifbar.
Daß das neutestamentliche Lösen sich auf einen Knoten bezieht, der nicht nur geknüpft, sondern zusätzlich auch noch durchschlagen wurde (Alexander und der gordische Knoten), macht die Sache so ungeheuer schwierig. Das Schwert, mit dem dieser Knoten durchschlagen wurde, war das Schwert des Urteils, des Begriffs, abgeschirmt durch die zugleich entspringende Gewalt des Weltbegriffs, begründet in dem bis heute unaufgeklärten Konnex von Kosmologie und Herrschaft (Alexander war Aristoteles-Schüler); und was hier durchschlagen wird, ist die benennende Kraft der Sprache, die Gewalt des Namens: ihre Neutralisierung durch die Trennung von Begriff und Objekt. Erst der durchschlagene Knoten hat das Herrendenken von seinen vorweltlichen („asiatischen“) Verstrickungen befreit, um den Preis der Verinnerlichung des Schicksals, Erbe der griechischen Philosophie seitdem. Hegels Philosophie ist die gewaltige Rekonstruktion dieses Knotens, allerdings nicht seine Lösung. Denkmal der Durchschlagung des Knotens ist neben dem Geld die Geometrie (seit der griechischen „Entdeckung“ des Winkels), in der Moderne erweitert durch das systembegründende Inertialsystem und die Infinitesimalrechnung, und durch das Prinzip der Lohnarbeit (die Inertialisierung des Tauschkontinuums: gesellschaftlicher Grund des naturwissenschaftlichen Materiebegriffs).
Indem Kant alle Erkenntnis an die subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere an die der äußeren Anschauung, bindet, verhindert er selber die Erkenntnis der Dinge an sich, zugleich aber benennt er damit auch das Hindernis, das der Erkenntnis der Dinge an sich seitdem im Wege steht. Von diesem „Hindernis“ macht das moderne Bewußtsein einen ebenso unverschämten wie selbstmörderischen Gebrauch (Zusammenhang mit der Funktion des Weltbegriffs).
Bezieht sich das Orakel über den gordischen Knoten auf die Herrschaft über Asien? Was bedeutet dann hier der Name Asien (ist er gleichbedeutend mit dem Namen Orient)? Was immer Kaiser Wilhelm, Max Horkheimer und Erich Nolte sonst unterscheiden mag, eines war ihnen gemeinsam: die Angst vor der „asiatischen Gefahr“. Wie hängt das zusammen mit den asiatischen Gestalten des Mythos und der Offenbarung bei Rosenzweig: mit Indien, China und dem Islam? Und wie hängt das auf der anderen Seite zusammen mit der ungelösten Frage der „indogermanischen Sprachen“ (deren innergrammatische Herrschaftsstruktur Indien und Europa in eine gemeinsame Beziehung gegen die „altorientalische“ Geschichte und Kultur rückt)? -
05.11.92
Hinkelammert: Die ideologischen Waffen des Todes, S.232: Ableitung des Ursprungs der Physik aus der „Nachfolge Christi“. Steht die subjektive Form der äußeren Anschauung in der Tradition des Kreuzestodes, ist sie nicht selbst das Kreuz, an das das Subjekt geschlagen wird? Mit der „Vergewaltigung der Natur“ (Thomas a Kempis) vergewaltigt und erhöht das Subjekt sich selber. Der „christologische“ Naturbegriff hängt mit diesem „christologischen“ Selbstverständnis des Subjekts zusammen. Darin gründet der Bann, der auf der Natur und dem Subjekt zugleich liegt. Vgl. hierzu auch die Bemerkungen über das Opfer in den „Elementen des Antisemitismus“ in der „Dialektik der Aufklärung“. Die Vergesellschaftung von Herrschaft hat den Punkt erreicht, an dem der cäsarische Wahn das vergesellschaftete Subjekt ergreift. Hier gründen Xenophobie und Antisemitismus, die als Ausdruck des Wahns ihn zugleich stabilisieren und verstärken.
Das Wort „Hostie“ kommt von hostia, Opfertier. Gibt es eine Beziehung zu „hostis“, Feind?
Der Fremdenhaß in den neuen Bundesländern ist eine Form der Überanpassung; er verweist darauf, wie die „Wiedervereinigung“ erfahren worden ist.
Umkehrung des Christentums: christologischer Naturbegriff als Produkt der Dynamik von Empörung und Fall. Xenophobie Produkt einer double-bind-Situation: Verstanden wird die unterschwellige Botschaft, weil man die manifeste, die mit einem Augurenlächeln ergeht, als Heuchelei nach außen (als Feigenblatt) erfährt. Die Verführung durch Moral ist die subtilste und die gefährlichste. Deshalb findet man die Antisemiten vor allem unter den Christdemokraten, die die vom Westen, aus den alten Ländern der Bundesrepublik, erteilten Lehren begriffen haben.
Steckt in dem Konzept der raf nicht auch ein Stück Ausagieren des Ödipuskomplexes? Enthält es nicht ein Stück magisches Ritual, das durch Wiederholung der Sünde, die die Kultur begründet hat, durch Wiederholung des Vatermords, die Kultur zu entsühnen hofft? Ähnlich wiederholt das verdinglichte Bewußtsein als Isolationshaft am anderen, was es als verdinglichtes Bewußtsein in seinem Verhältnis zur Außenwelt selber erleidet.
Ist die Kreuzestheologie der gottverlassene Jubel über die Gottverlassenheit, Erlösung als Befreiung von der Moral durch Rechtfertigung? So ist sie der Kern der Selbstverfluchung, die mit der dritten Leugnung einhergeht.
Geht es nicht heute um die Koinzidenz der Armen und der Fremden, und ist es nicht gerade diese Koinzidenz, die die Irritation, den Haß und die Mordlust wachruft?
Drückt nicht in dem Wort „Wirtschaftsflüchtling“ das Bewußtsein sich aus, daß es die Armen sind, die – als Fremde verkleidet -jetzt zu uns kommen und so Asylmißbrauch treiben? Das wird als Rechtfertigung verstanden, sie totzuschlagen, und mit dem Vorschlag der CSU, den „Mißbrauch“ des Asylrechts unter Strafe zu stellen, nachträglich legalisiert.
Der Staat ist als Schöpfer und Erhalter des Geldes, das die Welt regiert, Schöpfer und Erhalter der Welt. Darin gründet die Logik der Lehre von der Schöpfung der Welt aus Nichts. Dieses Nichts ist der Quellpunkt des Atheismus in der Theologie.
Erst wenn die Kirche die Täufertheologie, die Theologie des Rufers in der Wüste, zu der die Kirche die Religion gemacht hat, in sich aufnimmt, wird sich das steinerne Herz der Welt in ein fleischernes umwandeln.
Wie heißt der Hahn auf Griechisch und Hebräisch; gibt es diese Beziehung des Hahnes zum Wasserhahn auch in den andern Sprachen?
Über den Tiefsinn der Bauernregeln: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, wirds Wetter anders oder es bleibt wies ist. Aber das ist eine Bauernregel, und in den Städten gibt es außer am Grill und an den Wasserleitungen keine Hähne mehr. Und die Rätselfrage: Was war zuerst, das Huhn oder das Ei, ist bis heute ungelöst.
Weshalb heißen die Hühner-KZs Lege-Batterien; und was haben diese mit den gleichnamigen Artillerie-Einheiten und Elektrizitäts-Speichern zu tun? – B.: Zusammenschaltung mehrerer gleichartiger technischer Geräte, Industrieeinrichtungen u.a. (Meyers großes Taschenlexikon).
Was hat es mit den Namen der Bäume auf sich: Eiche, Buche, Erle, Esche, Eibe, Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche, Ahorn, Pappel, Espe, Birke, Apfel-, Birn-, Kirsch-, Pflaumen-, Aprikosen-, Pfirsichbaum, Zeder, Zypresse, Palme, Feigenbaum, Ölbaum. Gibt es außer der Grobeinteilung Laub- und Nadelbäume noch andere Verwandtschaften: Obstbäume (Stein- und Kernobst)?
„Eine Lilie unter Disteln ist meine Freundin unter den Mädchen. Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter unter den Burschen.“ (Hld 22f) Was hat es mit den Bäumen auf sich in der Bibel: Baum des Lebens, Baum der Erkenntnis; Adam und seine Frau verstecken sich, nachdem sie von dem Baum gegessen haben, vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens. In der Jotan-Fabel stehen Bäume anstelle der Könige: Nur der Dornbusch (zu dem der Baum der Erkenntnis nach dem Fall geworden ist?) ist bereit, König zu werden. Der Feigenbaum (von den Feigenblättern über Nathanael zum unfruchtbaren Feigenbaum).
Die brennenden Kronen der Buchen im Herbst: Hat der Name der Buche etwas mit Buchstaben und Buch zu tun?
Das Wort vom Lösen bezieht sich auf einen Knoten, der nicht nur geknüpft, sondern auch durchschlagen ist, durchschlagen mit dem Schwert, das vielleicht auch an das kreisende Flammenschwert erinnert, dessen astronomische Konnotationen jedenfalls mitgehört werden sollten.
War die Fundamentalontologie der letzte Versuch, die Welt über die Philosophie zu retten: der letzte Versuch der Legitimierung des Herrendenkens? Auch die Fundamentalontologie steht in der Tradition des Feindbildes der Barbaren. Hier liegen die Gründe ihrer Beziehungen zum Nationalsozialismus, und hier ist ihr antisemitischer Grundton fundiert. -
04.11.92
Die „Schuld der Väter“ ist das Vaterland; die „Sünden der Mutter“ sind die Formen der „Hurerei“ mit fremden Göttern: im Schuldzusammenhang nationenübergreifender und weltbegründender Ökonomie: die „Sünden der Welt“ (zu Ps 109.14).
Das Subjekt der Ökonomie ist der Privateigentümer und der Staat (als Gründer des Geldes), das der Physik das vergesellschaftete Subjekt und die Astronomie (als Grund des Inertialsystems).
Wie hängen Patriarchat und „Hurerei“ zusammen mit dem Venus-Kult (Ischtar, Astarte), dem Sternendienst, der Ursprungsgestalt der Astronomie? Ist die Ischtar, Astarte (Esther) und schließlich die Himmelskönigin Maria die an den Himmel versetzte, und d.h. patriarchalisch instrumentalisierte Gaja, die Mutter Erde (Athene entspringt aus dem Kopf des Zeus)?
Was haben die „Sünden der Mutter“ mit der Materie (materia, von mater abgeleitet) zu tun? Und in welchen kosmologischen Zusammenhängen entspringt der Begriff der Materie? Sind hier die Venus-Religionen ein notwendiges Bindeglied?
Findet das „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ am sechsten Tag sein Echo in dem „als Mann und Weib schuf er sie“?
Ist der vergangene „real existierende Sozialismus“ das externalisierte Sühneopfer des Kapitalismus, durch das er sich sich zu exkulpieren sucht; das Opfer, das ihn von seiner Schuld befreit (letzte blasphemische Konsequenz aus der Marktreligion)? Hier wird ein Sündenbock dem Asasel in die Wüste gebracht und in den Abgrund gestürzt (vgl. auch Hebr 1311ff).
Ist es ein Zufall, daß unter diesen Prämissen Sodom, Jericho und Gibea wiederkehren? Dieser neue Faschismus ist ein magisches Ritual, das Menschenopfer fordert, das aber nicht zu vermeiden ist, solange die Sozialismus-Diskussion dieser Sündenbock-Strategie folgt, anstatt das Schuldverschubsysten zu thematisieren, in es wiederum sich verstrickt.
Da steht tagtäglich der Mob von Jericho, Sodom und Gibea vor den Türen der Häuser von Rahab, Lot und des alten Mannes, der als Fremder in Gibea lebte, und fordert die Boten Josues, die Engel Jahwes und den Levit aus dem entlegensten Teil des Gebirges Efraim heraus, um an ihnen ihre Mordlust zu befriedigen. Nur der Vorsitzende des Zentralverbands der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hat darauf mit einer Genauigkeit und Geistesgegenwart reagiert, zu denen kein christlicher Theologe fähig zu sein scheint.
Erschlägt der Antisemit mit dem Juden nicht den Zeugen der Tat, aufgrund deren er selber sich verdammt fühlt?
Nur wer die Schuldreflexion in die Erkenntnis mit aufnimmt, ist vorm Wiederholungszwang gefeit. Die transzendentale Logik ist die projektive Selbstreflexion des Schuldzusammenhangs, des Schuldverschubsystems (deshalb verwechseln katholische Autoren so leicht transzendental mit transzendent).
Wo liegt der Quellpunkt jener Erkenntnis, deren Preis die Materialisierung der Objekte ist?
Der ungeheuerliche Satz „Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“ hat auch einen astronomisch-kosmologischen Aspekt.
Die Kausalverbindung, die Recht und verdinglichte Moral herstellen zwischen Sünde und Schuld, ist der Knotenpunkt des Schuldzusammenhangs, der nicht mit einem Schlage zu lösen ist.
Nicht die Synagoge – das war eine Projektion -, sondern die Kirche hat seit dem Urschisma die Binde vor den Augen. Indem die Kirche das Zukünftige mit der vollendeten Tat, die Hoffnung mit einem Sein, verwechselte, hat sie die Zukunft in jenes Futur II, in die Gestalt einer zukünftigen Vergangenheit, verwandelt, die der Grund des Herrendenkens (sei dem Ursprung der indogermanischen Sprachen bis hin zum Inertialsystem) war – und bis heute die einzige reale Gestalt der Transsubstantiation. Hier liegt der Zusammenhang der Verweltlichung der Welt mit ihren christlichen Ursprüngen. Diese reale Transsubstantiation ist das Werk des Begriffs und das Erbe der Philosophie, die so die Prophetie erschlägt (Luther hat das geahnt, und deshalb mit der Transsubstantiation die Philosophie verworfen; den Bann hat er so nicht lösen können).
Zur Definition der Blasphemie: Wer den Armen verspottet, verflucht seinen Schöpfer (Spr 175). Das verweist auf die Selbstverfluchung Petri bei der dritten Leugnung: Der Kapitalismus ist diese institutionalisierte Verspottung der Armen.
Keiner kommt zum Vater, außer über den Sohn: das aber heißt: nur durch die Schuldreflexion hindurch.
Die ganze Natur steht unter einem Bann, und wir mit ihr. Die Lösung ist nur als Lösung dieses gemeinsamen Banns möglich. Ps 10430: Emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae. Nur diese renovatio faciei terrae vermag das (unter dem Titel Natur nicht einlösbare) Versprechen der Naturphilosophie zu erfüllen.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Und sie schämten sich.“ Steckt darin nicht der Zusammenhang der subjektiven Formen der Anschauung (da gingen ihnen die Augen auf) mit der Sexualmoral (sie erkannten, daß sie nackt waren) und der Notwendigkeit der Schuldreflexion (Erkenntnis der Nacktheit als Bewußtsein von Schuld: und sie schämten sich). Aber diese Schuldreflexion wird durch ihre sexualmoralische Verdinglichung, die das Christentum festgeschrieben hat, unterdrückt und verdrängt, während es gerade darauf ankäme, diese Schuldreflexion aufzunehmen: sie bezeichnet den einzigen Weg ins Freie. Hier liegt der Grund der Täufertheologie. Zusätzlicher Hinweis: Zur Geschichte der Nacktheit, der Beziehung von Schuld und Scham, gehören sowohl der Ursprung der Sexualmoral, als auch der der Privatsphäre und der des Geheimbereichs in Politik, Geschäft und Religion (auch die Macht hat ihre Privatsphäre und unterliegt somit der Sexualmoral).
Zu diesem Nacktsein gibt die Geschichte mit Noah und Ham einen Hinweis: Das Aufdecken der Blöße (auf das heute die Medien sich spezialisiert haben) ist Voraussetzung und Teil der Einübung des Knechtseins, zu dem Ham dann verurteilt wurde. Kommt nicht Nimrod aus dem Geschlecht Hams (aber Nimrod war ein großer Jäger vor dem Herrn)?
Im Begriff der Masse, in der das Individuelle gleichsam von dem Allgemeinen, Kollektiven überschwemmt wird, das zu Recht Gemeinheit heißt, und darin untergeht, reflektiert sich sowohl die Vorstellung der homogenen Zeit als auch die Beziehung zum Possessivpronomen, der Charakter des potentiellen Gebrauchwerts, des potentiellen Eigentums. Sie ist aufzulösen nur im Kontext dessen, was Adorno das mikrologische Verfahren genannt hat, und das schließt die konkrete Schuldreflexion mit ein.
Den Schlüssel zum Begriff der Masse liefert der Satz aus der Hegelschen Logik: Das Eine ist das Andere des Anderen. Franz Rosenzweig hat einmal den Begriff einer „verandernden Kraft des Seins“ geprägt, und damit die Funktion jeglicher Ontologie auf den Begriff gebracht: Die Abschirmung der Welt gegen die konkrete Schuldreflexion (oder auch die Abschirmung der Theologie gegen ihren Ursprung in der Täufertheologie, gegen das „Tut Buße“ und gegen das „Ecce agnus dei“).
Die Kirche ist zum steinernen Herzen der Welt geworden dadurch, daß sie nur noch Techniken anbietet, die die Menschen von den Schuldgefühlen befreien, in die sie notwendig sich verstricken, wenn sie in dieser Welt leben, nicht mehr die „Schuldgefühle“ aufklären sollen: das nämlich würde die kritische Reflexion des kirchlichen Autoritätsbegriffs, der Orthodoxie und des Dogmas voraussetzen. Die Techniken, die die Kirche heute anbietet, sind nur noch Techniken der Desensibilisierung, die helfen sollen, heile Privatwelten in einer bösen Welt zu errichten, zu der es keine Alternative mehr zu geben scheint. Aber das können Propaganda, Reklame und Fernsehen besser: So machen sich die Religionen selber überflüssig.
Physik und Ökonomie begründen und verstärken das Bewußtsein, daß die Sprache über ihre technische Funktion hinaus keine Realität mehr hat. Mit der benennenden Kraft verliert die Sprache auch ihre eingreifende, praktische Potenz. Nur durch die Fähigkeit zur Schuldreflexion, die durch die Übermacht der Rechtfertigungs- und Exkulpierungstechniken zu verkümmern, zu verschwinden droht, läßt der Bann sich sprengen, der sich heute in der Xenophobie, in sodomitischen Zuständen entlädt. Grund ist das, was die Antichrist-Tradition das Antlitz des Hundes nennt: Die Unfähigkeit, dem Anblick des andern standzuhalten, ohne aggressiv zu werden.
Das Angesicht und der Blick haben eher sprachliche als optische Qualität und Beschaffenheit. Wer auf Bildern von Schulklassen aus der Zeit der Jahrhundertwende den hündischen: nämlich den zugleich aggressiven und unfreien, verängstigten, mißtrauischen Blick der Kinder sieht (den gleichen Blick, dem Heideggers Fundamentalontologie philosophischen Ausdruck verliehen hat), weiß, woher die Katastrophen dieses Jahrhunderts gekommen sind. – Es gibt Bilder der Schulklassen, zu denen Hitler und Stalin gehörten: In beiden Klassen stehen die Protagonisten der größten politschen Katastrophen des Jahrhunderts in der obersten (letzten) Reihe in der Mitte, beide haben eine Position über dem Lehrer inne, beide (und nur sie als einzige auf dem ganzen Bild) mit der gleichen herausfordernden Haltung: den Kopf in den Nacken geworfen, eine Demonstration des provokativen Herabschauens auf alle anderen. Nur durch eins unterscheiden sich beide: Während Hitler der größte in seiner Reihe ist, ist Stalin der kleinste.
Aber dringen nicht heute die Herrschaftsstrukturen sehr viel früher, sehr viel tiefer und sehr viel verletzender ins Bewußtsein der Kinder ein?
Der Raum, die Zerstörung des Angesichts und der benennenden Kraft der Sprache. Der Raum macht das Ungleichnamige gleichnamig durch seine universalisierende Kraft, durch die Gewalt der Selbstausbreitung aus der Kraft seiner eigenen mathematischen Struktur, durch die Neutralisierung der Gegenwart durch das Prinzip der Gleichzeitigkeit (Leugnung der Erinnerung). -
03.11.92
Konstruktionsfehler der Welt, oder die Welt als Inbegriff der Selbstzerstörung:
– Die Ökonomie kann die Armut,
– das Recht die Gemeinheit und die Gewalttat,
– die Theologie den Atheismus,
– die Medien können die Lüge,
– die Naturwissenschaften den Tod der Sinnlichkeit (Physik) und die Zerstörung des Lebens (Chemie)
nicht nur nicht mehr ausschließen: sie produzieren sie. Die Welt ist die Institutionaliserung des Hinter dem Rücken und der Inbegriff der Leugnung des Antlitzes, die Sünde wider den Heiligen Geist. Gibt es überhaupt noch eine Alternative zur Übernahme der Sünden der Welt?
Die Welt: das ist die Trennung des Sehens vom Gesehenwerden, und damit die Zerstörung des Angesichts. Die nur noch der mathematischen Logik gehorchende Vorstellung des Raumes ist das Zentrum und das Einheitsprinzip der zerstörenden Gewalt der Welt (Ersetzung der Gegenwart durchs Gesetz der Gleichzeitigkeit). Aber hier wird dann die Frage interessant: Welche Richtung gehört zur Lichtgeschwindigkeit? Ich vermute, es ist die, die vom Objekt des Sehens ausgeht: die Provokation des Täters durch das Opfer (der „Lichtreiz“ im Auge des Sehenden, auch wenn sich daraus das Sehen überhaupt nicht mehr herleiten läßt). Oder: die Lichtgeschwindigkeit gehört zu einem System, in dem das Opfer (das Objekt) schuldig ist, und nicht der Schuldige bestraft wird, sondern die Strafe den Schuldigen provoziert.
Im Recht ist die Sünde vor der Schuld, theologisch die Schuld vor der Sünde (vgl. die paulinische Theologie, die hier immer antisemitisch mißverstanden wurde, und das „Antlitz des Hundes“: Was schaust du mich so an: Du kriegst gleich einen in die Fresse).
Der Begriff der Persönlichkeit drückt die individuelle (der der Person die allgemeine) Anerkennung durch die Welt aus, der Begriff des Antlitzes die Anerkennung durch Gott.
Der Begriff der Natur faßt die Schöpfung an ihrer schwächsten Stelle.
Wenn die Kirche zum steinernen Herzen der Welt wird, dann wird es Zeit, auf das Schreien der Steine zu hören.
Zu Benjamins Wort über die Opfer der Vergangenheit in den geschichtsphilosophischen Thesen: Erst wenn wir aufhören, die Auferstehung nur für uns zu erhoffen und verdrängen, daß sie alle Opfer der Vergangenheit betrifft; erst wenn wir diese Verdrängung aufheben, wird die Vergangenheit für uns durchsichtig und mit ihr der Schuldzusammenhang, der das Böse dem Wiederholungszwang unterwirft. Erst wenn wir das Entsetzen, die Qualen und die Schmerzen der vergangenen Opfer in unsere Gebete mit aufnehmen.
Wenn die Kirche Maria Magdalena die Büßerin nennt und bei der Befreiung von den sieben unreinen Geistern mit fasziniertem Entsetzen nur daran denkt, wie schlimm sie es wohl getrieben haben muß, so sagt das mehr über die Kirche als über Maria Magdalena.
Die Übersetzung des ho airon mit „Hinwegnehmen“ kann nur auf die Zukunft sich beziehen; für die Vergangenheit kann es nur als „Auf-sich-Nehmen“ verstanden werden, und dieses Auf-sich-Nehmen fällt unters Nachfolgegebot. Dazu gibt es keine Alternative mehr. Das ho airon im Sinne von Hinwegnehmen als eine vollendete Tat auffassen: das ist die Sünde wider den Heiligen Geist.
Ist die Trinitätslehre vielleicht auch ein Versuch, die Genealogien vom Wiederholungszwang zu befreien?
Nach den ersten Anschlägen der raf (z.B. nach dem Kaufhaus-Brand in Frankfurt) sahen die Politiker keinen Anlaß, über die Probleme des Vietnam-Krieges und das Verhältnis der Industrie-Nationen zur Dritten Welt zu diskutieren, während nach den Pogromen der letzten Monate alle Welt nur noch über das Asylantenproblem spricht. Das unterscheidet das Verhältnis der Politik zum rechten von dem zum linken Extremismus: Diesmal sitzen die Sympathisanten und die Mescaleros in der Regierung. Wenn die Taten der Rechten von der Linken kämen, wir hätten längst wieder Krisensitzungen der Regierung und Sympathisantenhetze in den Medien.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Und sie schämten sich.“ Ist nicht das Nacktsein ein anderer Ausdruck fürs Schuldigsein? Nur das begründet die Scham. Heißt das aber nicht, daß sie schon vorher schuldig waren, und die Sünde diese Schuld nur aufgedeckt, sie bewußt gemacht hat? Diese Umkehrung der Beziehung von Sünde und Schuld wird durch das felix culpa ein wenig verstellt, das hiernach in der Tat felix peccatum heißen müßte. Die das Recht und die Urteilsmoral (Sexualmoral) begründende Kausalverknüpfung von Sünde und Schuld ist ein Ingrediens der Exkulpierungsstrategien und des Schuldverschubsystems, die durch den Weltbegriff sich konstituieren und stabilisieren. Es ist nicht ohne Bedeutung, wenn im Psalm 109 zuerst die Schuld der Väter und dann die Sünden der Mütter genannt werden. Vgl. hierzu den Gesamtzusammenhang, von Morgenstern, Venus, Jesus und Luzifer.
Franz von Baader hat einmal – in den Fermenta cognitionis – die Hegelsche Philosophie „das Auto da Fe der bisherigen Philosophie“ genannt (Schriften Franz von Baaders, ausgewählt und herausgegeben von Max Pulver, Leipzig 1921, S. 84). Hat Hegel nicht in der Tat das Feuer vom Himmel geholt, aber es brennt noch nicht. Die Erfahrung dieses Brennens, für die das Bild vom brennenden Dornbusch steht (vgl. hierzu das von Gerschom Scholem zitierte Wort des Eleasar von Worms), ist der Kern der theologischen Erfahrung. Kritik der Welt als Fähigkeit zur Schuldreflexion ist der Anfang der Erfahrung dieses Brennens. Und die zur Zeit in Deutschland grassierende Xenophobie, dieses entsetzliche faschistische Potential, das hier hochkommt: man sollte es einmal vor dem Hintergrund von Sodom, Jericho und Gibea sehen.
Lot: involutus, colligatus (ins Dunkel gehüllt; zusammengelesen, aufgesammelt),
Moab (Sohn der älteren Tochter Lots): de patre (vom Vater),
Ben-Ammi/Ammon (Sohn der jüngeren Tochter Lots): Sohn meines Verwandten/populus ejus (sein Volk).
Lots Weib und Lots Töchter sind namenlos.
In der Hexenverfolgung rächen sich die Väter für die ebenso unerträglich wie undurchsichtig gewordene eigenen Schuld an den Sünden der Mutter. Lassen sich nicht in den Projektionen der Verfolger die verdrängten Probleme in der Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften erkennen? Die Schreie der Opfer müssen als Schrei der Steine endlich ins Ohr dringen. Nur so läßt sich das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen. -
31.10.92
Ähnlich wie die mathematische Naturwissenschaft zum Sternendienst und der Weltbegriff zur Idolatrie verhält sich das Opfer zur kapitalismusbegründenden Institution der Lohnarbeit, der Subsumtion der Arbeitskraft unters Tauschprinzip. Hier liegt der Grund für Benjamins Wort vom Kapitalismus als Opfer ohne Dogma. Der Begriff der Verweltlichung der Welt bezieht sich auf die fortschreitende Durchsetzung der Systemprinzipien: des Trägheits- und des Tauschprinzips, die aufs genaueste das fundamentum in re des Hegelschen Postulats bezeichnen, daß „das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken“ sei (Phänomenologie des Geistes, stw, S. 23).
Im Begriff der Welt konstituiert sich das Anderssein als Substanz, überlebt der Tod das Leben.
Es wäre wichtig, Affirmation und Kritik der Idolatrie, des Sternendienstes und des Opfers in der Konstruktion des Hegelschen Systems aufzuzeigen.
Die gegenwärtige Weltphase ist eine Phase der Beschleunigung des Vergessens.
Physik und Ökonomie (Inertialsystem und Geld, Trägheitsprinzip und Tauschprinzip): Was ist (beim Gordischen Knoten) Joch und was ist Deichsel? Was am Gordischen Knoten durchschlagen wird, ist erkennbar an seinem Produkt: die endgültige Definition der Grenze der Zivilisierten zu den Barbaren; hier entspringen der Weltbegriff und der Säkularisationsprozeß, und hier stabilisiert sich ein Bewußtsein, das dann ohne den Materiebegriff nicht mehr auskommt. Die Grenze zu den Barbaren, zum Begriff der Materie oder des Objekts, bezeichnet präzise die Schnittstelle, an der der Knoten durchschlagen wurde.
Von den drei Totalitätsbegriffen der transzendentalen Logik: Wissen, Natur und Welt, die dann in der Abfolge der Systeme des deutschen Idealismus abgearbeitet wurden, erscheinen zwei im Stern der Erlösung unter anderem Namen, nämlich das Wissen als Mensch und die Natur als Gott. Nach der Umkehr, in der sie wechselseitig aufeinander sich beziehen, werden aus den drei Totalitätsbegriffen die theologischen Begriffe Schöpfung, Offenbarung und Erlösung. Aber gleichzeitig erscheinen Wissen, Natur und Welt auch in systematischer Funktion: als Nichtwissen, aus dem die Naturen von Mensch Welt Gott hervorgehen, die dann unterm Bann des Weltbegriffs zunächst jedes in isolierter Verschlossenheit, ohne Reflexion im anderen, in Erscheinung treten.
Zu Gog und Magog: Die Gargarenser (Gogarener), die nach Ranke-Graves mit dem Volk Gog bei Ezechiel identisch sind, sind der den Amazonen zugeordnete Männerstamm: Sind das nicht die freien Männerhorden, die nach Heinsohn die Privateigentumsgesellschaft: den Staat, begründen?
Wenn Haman ein Agagiter (Amalekiter) ist und gleichzeitig der erste Antisemit und der Erfinder der Endlösung, welche Bedeutung haben dann Ahasveros, Esther und Mordechai?
Mit der Implantierung des Unschuldstriebs (hervorgegangen aus der falschen Übersetzung des Joh 129) ist das Christentum vollends böse geworden. Der Unschuldstrieb ist nämlich nur zu halten über die Dynamik von Exkulpation, Rechtfertigung und Projektion: den Fremdenhaß (Sodom vor der Zerstörung). Das Schuldverschubsystem kommt ohne Sündenböcke nicht aus.
Zur Geschichte und Kritik des Nominalismus: Es gibt keinen Begriff der Wahrheit ohne die Fähigkeit zur Schuldreflexion. Wer das leugnet, verfällt zwangsläufig der Eigendynamik des Schuldverschubsystems, die in Xenophobie und Antisemitismus endet.
Der Weltbegriff definiert und stabilisiert die dem jeweiligen Stand der Entwicklung angemessene Gestalt des Schuldverschubsystems und macht sie zugleich unsichtbar.
Zur Korrektur der Metzschen politischen Theologie: Das Votum für die Armen bezeichnet nur eine Seite der Prophetie; dazu gehört die andere: das Votum für die Fremden, das anhand der für das gegenwärtige Weltverständnis zentralen Geschichten Jerichos und Sodoms zu bestimmen wäre.
Daß die unreinen Geister in Jesus den Sohn Gottes erkennen, findet sein spätes Echo in den Grab- und Friedhofsschändungen der Rechten: Sie sind die letzten, die an die Auferstehung der Toten glauben und daran (gegen diesen Glauben) ihren Mut beweisen wollen.
Im Angesicht Gottes und nicht hinter seinem Rücken, das heißt auch: Sich unter das Wort stellen, und nicht sich darüber erheben: d.h. die Prophetie bloß zu apologetischen Zwecken, als Steinbruch fürs Dogma, benutzen.
Die Moral als Maßstab des Urteils fällt unter das Gesetz des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen, es gehört zur Geschichte des Sündenfalls, der Verweltlichung der Moral. Zu explizieren an der Sexualmoral, deren politische (prophetische) Bedeutung neutralisiert wird durch die Urteilsbeziehung im Kontext einer kasuistischen Moral. Adornos „erstes Gebot der Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht“ verweist auf den Bereich, in dem Moral allein sich begründen läßt: nämlich als Richtschnur des (eigenen) Handelns, während das Urteilen (das Richten) Gott vorbehalten ist. Politisch aber wird die Sexualmoral in seiner Beziehung zu der anderen Seite des Sündenfalls, zum „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren, und sie schämten sich“, in seiner Beziehung zu dieser Scham, die den gleichen geschichtlichen Index hat wie die Politik. Verletzt wird diese Scham durchs Obszöne, dessen Begriff eher auf Kriege, auf Knäste, auf die Existenz der Armut, auf Fremdenfeindschaft und Antisemitismus (bezeichnend, daß das sodomitische Modell der Fremdenfeindschaft in der Geschichte Sexualmoral auf den Verkehr mit Tieren bezogen worden ist: war das „Sexualobjekt“ der Leviathan?), aber auch auf staatliche Institutionen wie den Staatsanwalt und die Polizei sich beziehen läßt, als auf den unmittelbaren sexuellen Bereich.
Bezieht sich das Jesuswort: „ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“, auf das „kreisende Flammenschwert“, dessen Erkenntnis in der Geschichte der Astronomie, zuletzt im kopernikanischen System, sich vorbereitet? Und hängt das, was im zweiten Schöpfungsbericht als „kreisendes Flammenschwert“ benannt wird, mit dem, was dem Produkt des zweiten Tages im ersten Schöpfungsbericht: der Feste zwischen den Wassern, die Gott dann Himmel, schamajim, nennt, zusammen?
Von der Nachkommenschaft Abrahams heißt es, sie werde zahlreich sein wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meer. Hängen diese Sterne und dieser Sand zusammen wie der Himmel und das Meer? Sind nicht die Sterne und der Sand (der „Staub“ des Fluches über die Schlange und über Adam nach dem Sündenfall, aber auch die „Wüste“) die ersten Objekte des historischen Objektivationsprozesses (kopernikanisches System und Relativitätsprinzip, Inertialsystem und die newtonsche dynamische Begründung des kopernikanischen Systems, Ursprung des Materiebegriffs)? Und sind diese Sterne und dieser Sand nicht auch ein anderer Name für die „Enden der Welt“: die Grenzen des „Missions-“ und Taufauftrags? Aber am Ende wird das Meer nicht mehr sein, und der Himmel wird sich aufrollen wie eine Buchrolle.
In Hegels Philosophie kommt wohl der Begriff des Anderen, nicht aber der des Fremden vor.
Hängt auch das mit dem Verhältnis von Sünde und Schuld (Ps 10914) zusammen, daß die Propheten vom Mutterleibe an berufen sind, Jesus aber vom Vater gezeugt ist, er zugleich die „Sünden der Welt auf sich nimmt“ und den Willen des Vaters tut? -
30.10.92
Das „und was du auf Erden lösen wirst, …“ ist das Objekt des paulinische „Harrens der ganzen Schöpfung“ (auf die Freiheit der Kinder Gottes).
Ist das Binden und Lösen nicht vorbezeichnet in der Geschichte der „Bindung Isaaks“?
Wenn bei Hegel die Idee die Natur „frei aus sich entläßt“, dann erinnert das nicht zufällig an den sonstigen Gebrauch des Wortes Entlassen: an die Entlassung aus einem Arbeitsvertrag oder aus der Haft, wie überhaupt Verwaltung und vergesellschaftete Arbeit, Begriff und Strafvollzug nicht unabhängig von einander zu denken sind: alle stehen in einer vergleichbaren Objektbeziehung. Und was Hegel der Natur ankreidet: daß sie den Begriff nicht halten kann, ist eher ein Vorzug der Natur als ein Defekt des Begriffs. Nur: Als aus der Idee Entlassene ist die Natur für Hegel mit dem gleichen Makel behaftet, mit dem jeder Entlassene in der bürgerlichen Gesellschaft behaftet ist.
Ontologie und Ethik stehen im Verhältnis der Umkehr zueinander.
Ist die christologische Zwei-Naturen-Lehre nicht im Stern der Erlösung enthalten, und zwar in der Weise, daß sie mit dem Beginn der gleichen Bewegung (den Naturen Gottes und des Menschen im ersten Teil) zusammenfällt, aus der (durch Entfaltung und Umkehr) der Begriff der Offenbarung hervorgeht?
Das Lamm, das berufen ist, die sieben Siegel zu lösen, hat diese Fähigkeit schon bewiesen in der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern. Nur unter dem sexistischen Vorzeichen, von dem sich die theologische Tradition seit den Kirchenvätern nicht hat lösen können, wurde aus der einzigen, die die Umkehr vollzogen hat, die Büßerin, die es wohl schlimm getrieben haben muß.
Müßte nicht in der Karfreitags-Liturgie die felix culpa durch das felix peccatum ersetzt werden; denn die felix culpa bezieht sich nicht auf die Schuld der Väter, sondern auf die Sünde der Mutter (Ps 10914).
Ist bei den Sünden der Mutter nicht auch an Lots Weib (und an Jürgen Ebachs Hinweis dazu in „Ursprung und Ziel“, S. 147ff) zu denken?
„Wenn ein Deutscher die Wahrheit sagt, ist er ein Grobian“: Ist der Begriff der Wahrheit in diesem Satz zu halten? Wird er nicht definiert durch einen Begriff der Lüge, der den Verzicht auf Herrschaftskritik zur Grundlage hat? Und ist es nicht ein Wahrheitsbegriff, zu dessen Voraussetzungen die Logik der Personalisierung und zu dessen Konsequenzen Xenophobie und Antisemitismus gehören? Zu seinen Konstitutionsbedingungen gehört der Zusammenhang des Weltbegriffs (Korrelat der Personalisierung) mit der Bekenntnislogik (dessen exkulpatorische Funktion die Sündenbockmechanik mit einschließt). -
29.10.92
Sind die Orden nicht in der Tat ein Hinweis auf die Geschichte der (inneren und äußeren) Verweltlichung der Kirche, von den Eremiten, über die Gemeinschafts- und Armutsorden zum verweltlichten Gehorsamsorden der Jesuiten.
Das Paradigma Natur und Welt hat die Welt höchst folgenreich gegen Gott und Mensch gekürzt. Der Naturbegriff leugnet die Auferstehung, der Weltbegriff die Schöpfung. Und die Kritik der Welt schließt das Votum für die Armen, die der Natur das für die Fremden mit ein. Es ist der Bann beider Begriffe über unser Bewußtsein, der die Sprache heute entmächtigt, depotenziert, sie ihrer benennenden Kraft beraubt. Seitdem verliert das Argument seine Kraft, es dankt ab gegen die einzige noch unmittelbar einleuchtende Instanz: die Gewalt, die in der Einrichtung der Welt sich manifestiert. Das Hegelsche Absolute war der Widerschein dieser Gewalt.
Wie hängen das Votum für die Fremden und das für die Armen mit dem Vater und dem Sohn zusammen: Bezieht sich darauf das Hervorgehen des Geistes (des Parakleten: des Beistands)? Der Fremde rührt an den Grund des Angesichts, der Arme an den der Barmherzigkeit.
Die Welt ist der Deckel auf der unerlösten Natur. Dessen genaueste Beschreibung findet sich in Elias Canettis „Masse und Macht“.
Im Bilde der Primitiven und Wilden wird Ursprung und Ende der Menschheit zugleich vorgestellt. Nicht nur die Tieren, sondern in diesem Kontext auch die Anfänge der „gesellschaftlichen Entwicklung“, die sogenannten Primitiven und Wilden, erinnern an ein abgründiges Unheil in der Urzeit. (Kann es sein, daß die Velikovskysche Katastrophen- (Venus-) Theorie zu ergänzen oder zu korrigieren wäre durch Einbeziehung geologischer Katastrophen, zu denen auch die Trennung der Kontinente gehören müßte.)
Das Lachen Abrahams und Saras und der Schrecken Isaaks sind Momente der Selbsterfahrung des Fremdseins.
Die Klage über die „Unfähigkeit sich trösten zu lassen“ (Zeit der Orden, S. 30) ist nicht ganz unproblematisch. Angesichts der Unerlösbarkeit der Welt noch den kirchlichen Trost der Erlösungszuversicht haben zu wollen, ist irrational und blasphemisch. Da ist es fast schon komisch, wenn die Kirche feststellt, daß da niemand mehr ist, der sich von ihr trösten lassen will.
Der Abschnitt über die „Ehelosigkeit“ (in dem Band über die Orden) ist merkwürdig blaß und abstrakt, auch seine Begründung. Das Ganze wäre wahrscheinlich unter dem Titel Keuschheit genauer zu bestimmen gewesen, wenn dieser aus den traditionellen sexualmoralischen Konnotationen herausgelöst und in den politischen Zusammenhang des prophetischen Gebrauchs der Begriffe Hurerei und Unzucht gestellt worden wäre (zusammen mit Erinnerung an den Ursprung der Scham im Sündenfall: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“, und der Aufnahme des Adornoschen „ersten Gebots“ der Sexualmoral: „der Ankläger hat immer Unrecht“: der Lösung der Sexualität aus dem Bann des Baums der Erkenntnis). Der zentrale Stellenwert der Sexualmoral in der christlichen Tradition ist viel weniger christlich als vielmehr ein gesellschaftliches Erbe aus der Zeit des Ursprungs der Anpassung des Christentums an die Welt (ein Erinnerungsmal an den Ursprung des Weltbegriffs selber), und damit sicherlich ein zentraler Punkt der Erinnerungsarbeit, die heute zu leisten wäre.
Zum Gehorsam: Gehorsam kommt vom Hören und ist der eigentlich prophetische unter den evangelischen Räten; insbesondere hier, im Begriff des Gehorsams, ist das herrschaftskritische Moment, das der Prophetie und dem Hörenkönnen gemeinsam ist, endlich zu entdecken; der Gehorsam ist endlich aus dem autoritären Bann zu lösen.
Die Umkehr, ohne die es keine Nachfolge gibt, hat nicht mehr nur eine einfache Richtung, sondern sie ist in sich selber differenziert (Verhältnis des einen zu den sieben unreinen Geistern).
Der Hinweis (Jenseits bürgerlicher Religion, S. 13), daß die bürgerliche Religion „in der schwächlichen und unparteilichen Art, in der sie sich über alle leidvollen Gegensätze spannt, gar keine wirklichen Gegner mehr hat“, wäre zu ergänzen: außer sich selbst.
Das Futur II gehört zu den Gründen der Welt.
Die Differenz, die sich daraus ergibt, ob das Ja und Amen Jesu auf die Welt oder auf die göttlichen Verheißungen sich bezieht, drückt sich auch im Selbstverständnis der Theologie und in ihrem Verhältnis zur Kirche aus.
Mir ist der Jonas, der in den Bauch des Fisches gerät, dann Ninive den Untergang ansagt und schließlich darüber enttäuscht ist, daß Ninive gerettet wird, lieber als Tobias und Tobit, die den Fisch erlegen, selber gerettet werden, aber dann mit ansehen müssen, daß Ninive zerstört wird.
Wenn Drewermann mit einem deutlich empörten (und antisemitischen) Unterton die Psalmen „altorientalische Rachegesänge“ nennt, so vergißt er, daß wir, durch die Konstruktion der Welt, in der wir leben, selber die Rache nur noch kalt genießen. Die Rache ist längst in als Bindekraft in die Fundamente der Welt mit eingegangen: Sie ist die Sünde der Welt, die Jesus nach dem Wort des Täufers auf sich (nicht hinweg) genommen hat; und hierauf bezieht sich das Nachfolgegebot. Wie tief die Rache in der Konstruktion des Gewaltmonopols des Staates und des Rechts, das hierauf gründet, drinsteckt, wird deutlich, wenn man das Wirken der Generalbundesanwaltschaft oder des Bundeskriminalamts und auch der Staatsschutzgerichte näher betrachtet; hiermit hängt es rechtssystematisch zusammen, wenn Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Wenn in Deutschland der öffentliche Ankläger Staatsanwalt heißt, wenn der Staat selber sich zum Prinzip der Anklage gemacht hat, und den Staatsanwalt zu seinem Anwalt, so schirmt er sich damit nur gegen die Reflexion dieses Zusammenhangs ab und macht ihn damit umso gefährlicher: So ist er jeder Kontrolle entzogen. Als (verständliche, wenn nicht notwendige) Rache rechtfertigt sich immer noch jede Untat. In jeder Empörung steckt etwas von dieser Rechtfertigungs-, d.h. Exkulpierungsautomatik.
Vorschlag für eine Reform des Rechts in Deutschland:
– den Staatsanwalt wie in anderen zivilisierten Ländern öffentlichen Ankläger nennen (der Tradition der deutschen Staatsmetaphysik die Grundlage entziehen);
– die Anerkennung der Trunkenheit als Strafmilderungsgrund gesetzlich ausschließen (und damit eine Quelle der Gewalt verstopfen).
Der Begriff des Andern ist nicht nur systemimmanent, sondern zugleich der Systemgrund, der am Ende in der Selbstzerstörung des Systems durchschlägt (in diesen Kontext scheint der Derridasche Dekonstruktivismus zu gehören).
Die selbstgestellte Aufgabe der Fernsehsendung „Weltspiegel“ scheint es zu sein, den Schrecken, den der Zustand der Welt heute auslöst, durch Empörung zu neutralisieren, und noch das Elend als Mittel zur Einübung des Herrendenkens zu nutzen.
In der Xenophobie reflektiert sich die unverarbeitete Erfahrung des Gewaltmonopols des Staates in der vom Marktparadigma beherrschten Gesellschaft.
Was J.B. Metz gelegentlich über Einstein (der ein schlechter Schüler und ein langsam Lernender war) berichtet, gehört mit zur Einsteinschen Wende.
Die christliche Sexualmoral verwechselt die Reflexion der Blöße mit dem Aufdecken der Blöße. Die Befreiung entspringt der Reflexionsfähigkeit, die die Sexualmoral als Mittel des Urteils über andere unbrauchbar macht.
Es gibt schon zuviel Vergangenheit, von der wir glaubten, erinnerungslos Abschied nehmen zu können, und die seitdem erinnerungslos verschollen zu sein scheint, in Wahrheit jedoch nur verdrängt ist.
Die Geschichte des Christentums basiert auf der Verinnerlichung des Schicksals (und somit auf der Geschichte der Philosophie), und sie ist selber Teil der Geschichte der Verinnerlichung von Herrschaft (und damit eine wesentliche Ursache der Verweltlichung der Welt, die am Ende die Herrschaftsmetaphorik, die die christliche Religion historisch, im Dogma wie in seinen Institutionen geprägt hat, aufzehrt: die Geschichte der Entzauberung ist die Geschichte der Aufzehrung dieser Herrschaftsmetaphorik, der Aufzehrung des Bewußtseins der Herrschaft von sich selbst: der Erinnerungslosigkeit). -
24.08.92
Worauf beziehen sich die von Heinsohn (S. 49) aufgeführten Stellen über pharmakeia = Zauberei? Sie gehören zu einem Verworfenheitskatalog, zu dem auch Unzucht, Mord u.ä. gehören. Bezieht sich der Begriff der Zauberei nicht eher auf den dämonischen (instrumentalisierenden) Gebrauch des Opfers (der sich u.a. im Handel fortsetzt)? Und entstammt der Hexenwahn (wie auch die kirchliche Sexualmoral, in deren Geschichte sie hereingehört) nicht der patriarchalischen, verdinglichenden Umdeutung dieses Begriffs der Zauberei?
Im Kontext der Auslegungsgeschichte des Begriffs der Zauberei (d.h. im Kontext der Geschichte der christlichen Sexualmoral, der Hexenverfolgung und der gegenwärtigen Abtreibungskampagne) läßt sich präzise bestimmen, was das Neue Testament die Sünde wider den heiligen Geist nennt.
Dämonisch ist der Hexenwahn: diese Art der projektiven Zauberei-Unterstellung.
Unsere Theologie heute ist die Gestalt gewordene Prophetie-Empfängnis-Verhütung. Und das kirchliche Lehramt ist (als Gottesfurcht-Vermeidungs-Institut) ein einziges Präservativ, ein Theologie-Verhüterli. Wirksamstes Instrument dieser „Empfängnisverhütung“ ist der verdinglichte (dogmatisch sich objektivierende) Wahrheitsbegriff.
Mit dem Beginn der Hexenverfolgung verliert die Kirche, zusammen mit der prophetischen, ihre häresienbildende Kraft. Und die neue Orthodoxie: das sind (als Gestalten subjektloser, technisch verdinglichter Prophetie) die Naturwissenschaften, zu deren Vorgeschichte die Judenfeindschaft, der Kampf gegen die Häresien und die kirchliche Frauenfeindschaft als Ursprungsbedingungen dazugehören.
Heinsohn und Götz Aly/Susanne Heim: Merkwürdig, daß sowohl die Hexenverfolgung als auch der Holocaust (die größten gesellschaftlichen Naturkatastrophen) fast zwanglos aus bevölkerungspolitischen Konzepten (aus dem Versuch, das Armutsproblem durch technologische bevölkerungspolitische Konzepte zu lösen) sich herleiten lassen.
Christologie, die Vergöttlichung des Opfers, oder der schizogene Naturbegriff. Die double-bind-Strukturen reichen in die Trinitätslehre und den Naturbegriff zurück und enthüllen sich der Kritik als symbiotische Herrschafts- und Exkulpierungs-Instrumente.
Natur, Pan und Panik, oder die Installierung des Schreckens.
Der Raum und das Lachen: Hegels Philosophie wird vom Gelächter eingeholt (vgl. Derridas Hinweis auf Bataille). Das Gelächter als Reaktion auf Hegels Begriff der Aufhebung entspricht dem Lachen in Büchners „Lenz“ und dem Ursprung der Lehre „Gott ist tot“ in der „Fröhlichen Wissenschaft“ Nietzsches. Dieses Gelächter bringt das Hegelsche Absolute zu Fall. Aber das hat Hegel selbst gesehen; Heine hat es notiert. Und das Hegelsche Weltgericht ist nur ein anderer, emphatischer Ausdruck für die lakonische Feststellung Wittgensteins: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“
In der Ausländerfeindschaft, im Fremdenhaß (im sogenannten Asylantenproblem), explodiert die kirchliche Tradition des Kampfes gegen die Heiden und gegen die Häresien. Die zentrale Funktion des Namens der Barbaren im Prozeß der philosophischen Begriffsbildung hat in der Kirche (für das Selbstverständnis des Glaubens) der Name der Heiden übernommen, der nach Bildung der National- und Volkskirchen dann leicht mit dem der Ausländer (den Nachfahren der Häretiker und der Andersgläubigen) verschmelzen konnte.
Aus Angst vor der Wahrheit pflegen die Kirchen heute den autoritären Charakter, dieses Theologie-Verhütungs-Instrument. Zu seinen Konstituentien gehören die Xenophobie und das „No pity for the poor“.
Das Gebot der Feindesliebe ist ein Riegel vor der Paranoia (und sprengt den Natur- und Weltbegriff). Zur Übernahme der Sünde der Welt: das verdinglichende, objektivierende Erkenntnisgesetz bedient sich des Weltbegriffs als Exkulpierungsmittel. Das Gebot der Feindesliebe, die Übernahme der Sünde der Welt und das Arglosigkeitsgebot sind drei Seiten ein und derselben Sache.
Die Velikovsky-Heinsohnsche Venus-Theorie, das Naturkatastrophen-Konzept, das den altorientalischen (vorweltlichen) Sternen-und Opferdienst und seine Funktion im Prozeß der frühgeschichtlichen Staatenbildung begründen soll, ist ein entstellter Hinweis auf das in der Bibel mit den Begriffen Unzucht, Hurerei und Zauberei bezeichnete Problem. Und mir scheint, die Velikovsky-Heinsohnsche Theorie gewinnt einen Teil ihrer Plausibilität daraus, daß sie das Eingehen auf den patriarchalisch-frauenfeindlichen Anteil dieser Geschichte überflüssig macht (konsequenterweise muß Heinsohn genau diesen Aspekt dann auch aus der Geschichte der Hexenvervolgung wegerklären). Zumindest als Resonanzboden der Wirkung einer frühgeschichtlichen interstellaren Naturkatastrophe müßte dieser gesellschaftliche Aspekt der Naturkatastrophe im Kontext der Entstehung der Großreiche mit reflektiert werden. Die mit der Venustheorie verbundene Chronologie-Revision wird damit nicht nur nicht hinfällig, vielmehr wird so erst das Hintergrund-Problem sichtbar, das da mit drin steckt: Die projektive Ausgestaltung (Verzerrung) der altorientalischen Geschichte, die Verdreifachung von Staaten, Dynastien und Völkern spiegelt einen vergleichbaren Vorgang im gleichzeitigen Erkenntnisprozeß der Naturwissenschaften (im neunzehnten Jahrhundet). Auch hier wird gleichsam ein überflüssiger Reichtum an Fakten und Objekten geschaffen, vor dem wir heute ebenso staunend wie begriffs- und hilflos stehen. Mir scheint das historische Chronologie-Problem hängt mit dem erd- und naturgeschichtlichen durch die gleichen Erkenntnismechanismen, denen der Ursprung beider Probleme sich verdankt, zusammen. Könnte es nicht sein, daß der historischen Verdreifachung (die vor allem sprach-und schriftgeschichtlich aufzulösen wäre) eine Verdreifachung im naturgeschichtlichen Bereich nicht nur entspricht, sondern sogar zugrundeliegt: Auch hier wird in einen langen (quasiharmonischen) Evolutionszeitraum zurückprojiziert, was in anderen, (von außen gesehen:) katastrophenähnlichen Prozessen in einer ganz anderen chronologischen Folge durchsichtig zu machen wäre, wenn es gelingt, die Reflexion des Referenzsystems des naturwissenschaftlichen Objektbegriffs (des Inertialsystems) und seiner Beziehung zur Sprache in die Erkenntnis mit einzubringen.
Ist das Chronologie-Problem ein Umkehr-Problem, ein Problem der Selbstbesinnung des Herrendenkens? (Zusammenhang mit den sieben unreinen Geistern?)
An Heideggers Begriff des „Vorlaufens in den Tod“ ist zu ermessen, was am Ereignis des Kreuzestodes und seiner kirchlich-theologischen Rezeption aufzuarbeiten, welche Erinnerungsarbeit zu leisten wäre. Die Verwechslung des Kreuzestodes Jesu (der für seine Henker um Vergebung bittet) mit dem Tod des Sokrates (der sich mit seinen Richtern identifiziert, selber das Urteil vollstreckt) bezeichnet einen wichtigen Aspekt des Problems der Beziehung von Theologie und Philosophie (und der Opfertheologie als Brennpunkt dieses Problems).
Die ironische gemeinte Bemerkung Heinsohns, „die Rauschmittel als Ziel der Hexenverfolgung zu behaupten, käme der These gleich, daß in Deutschland die Juden ausgerottet wurden, um die Spitzenleistungen in Physik und Mathematik zu eliminieren“ (S. 65), trifft gar nicht soweit daneben, wenn man nur das Wort „Spitzenleistungen“ durch den konkreteren Hinweis ergänzt, daß hier in der Tat mit Einstein, Weil und Minkowski die Naturwissenschaften der Grenze ihrer Selbstaufklärung in einer für den Einbruch der Barbarei gefährlichen Weise nahe gekommen waren. Dem hat dann die deutsche Sektion der Kopenhagener Schule mit Mühe und insoweit auch mit Erfolg entgegengearbeitet, als es seitdem ernsthafte theoretische Fortschritte in den Naturwissenschaften nicht mehr gegeben hat (der nächste Schritt nach der zu vermutenden Vollständigkeit des theoretischen Instrumentariums kann nur noch der der Selbstaufklärung sein). -
13.08.92
Wie hängt der „Schrecken vor euch auf alle(n) Tiere der Erde“ (Gen 92f: nach der Sintflut, im Zusammenhang mit dem Noah-Bund und dem zweiten Nahrungsgebot) mit
– der Erschaffung und dem Segen (Gen 124ff) sowie
– der Namensgebung durch Adam, dem Herrschaftsauftrag und dem ersten Nahrungsgebot (Gen 219f)
zusammen? – Zusammenhang mit der christlichen Eucharistie (Ver-innerlichung des Schreckens)?
Drückt sich in dem Zusammenhang des „Schreckens auf allen Tieren“ mit der Namengebung ein sprachliches Moment aus (Terror als Grund und Teil der Kommunikation; Ausdruck des Schreckens als Grund der Benennbarkeit)?
Der Andere und der Fremde: Der Andere ist das Nicht-Ich, das Objekt, bleibt auf das individuelle Ich bezogen (Asymmetrie von Ich und Du); der Fremde ist fremd für uns, der Angehörige einer fremden Nation, Religion, Rasse, eines fremden Kollektivs („Stämme, Sprachen, Völker und Nationen“). Für das Autonomie-Konzept ist das Problem des Fremden (wie auch der Grund des Antisemitismus) bloß irrational, Folge der Identifikation mit einem Kollektiv, der Heteronomie. Nur: Auch das Autonomie-Konzept ist an eine Gemeinschaftsvorstellung gebunden, an die der Zivilisierten (nur daß hier die Kollektivität durch den Weltbegriff gesichert wird, nicht mehr ins Bewußtsein fällt), wobei die Nichtzugehörigkeit zu diesem Kollektiv als Rückständigkeit und als moralisch-zivilisatorischer Defekt erfahren wird. Unter der Hand werden die Nichtzivilisierten (die Wilden, Barbaren, Muslime, Juden u.ä.) zu den Fremden, auf die der Zivilisierte glaubt, nicht mehr mit Xenophobie reagieren zu müssen, weil er autonom, vernünftig ist; und er glaubt, in diesen Fremden nur deren Unvernunft zu verurteilen, jene Verhaltensweisen, die ihn von der Gemeinschaft der Vernünftigen ausschließen. Aber steckt in diesem Vernunftbegriff nicht schon jene Gewalt als Fundament mit drin, die die Erhaltung der Realität (der nur mit Gewalt aufrecht zu erhaltenden kollektiven Eigentums- und Machtverhältnisse) garantiert, in deren Anerkennung die Vernunft besteht? Und ist nicht der Arme gleichsam vom Grunde her schon unvernünftig, weil seine Interessen in dieser Realität nicht aufgehoben und gewahrt sind? Die herrschende Vernunft der Zivilisierten ist die Vernunft der Herrschaft (und des Gewaltapparats), die die Nichtzivilisierten (ebenso wie die Kinder und in weitem Maße auch immer noch die Frauen) materiell von der Zivilisationsgemeinschaft der Vernünftigen, Erwachsenen ausschließt (und die Forderung nach Aufhebung des Ausschlusses als Materialismus denunziert).
Fremdheit ist ein sprachlicher, Anderssein ein mathematisch-begrifflicher Sachverhalt (setzt die Subjekt-Objekt-Beziehung voraus). Die Differenz zwischen dem Fremden und dem Anderen ist der Schlüssel für die Erkenntnis der Differenz zwischen Sprache und Mathematik, Name und Begriff.
Die Fremdheit (der Ursprung der verschiedenen Sprachen) entspringt beim Turmbau zu Babel (zusammen mit der Idolatrie), die Subjekt-Objekt-Beziehung im Sündenfall.
Das Votum für die Armen und die Fremden definiert die Prophetie, macht sie zur Urform der Herrschaftskritik, während die Philosophie beide stigmatisiert, indem sie die durch den Weltbegriff begründete Verdrängung des Problems zur Geschäftsgrundlage hat.
Der Fremde (der Hebräer) war einmal der Sklave, der Söldner, der Kleinviehnomade.
Die Theologie wird heute verdrängt, weil ihr Anblick unerträglich wäre; hierzu leisten die Kirchen Amtshilfe. Ihr Problem ist nur, daß diese „Amtshilfe“ im Rahmen der „orthodoxen“ Tradition nicht mehr zu leisten, daß die Anpassung an die „ideologiefreie“ Welt (Paradigma: Naturwissenschaften) die Lehre selber angreift und vernichtet. -
27.11.91
„Auschwitz ist in hohem Maß die Folge einer gnadenlos instrumentalisierten Vernunft.“ (Götz Aly und Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung, Hamburg 1991, S. 485) Die Feststellung wäre zu er-gänzen durch den Hinweis, daß diese „gnadenlos instrumentalisierte Vernunft“ ohne das Vorurteil nicht möglich gewesen wäre: Sie war effektiv nur nach Osten, nicht gegen den Westen. D.h. zu den Voraussetzungen der Instrumentalisierung gehörte auch die Verinnerlichung dessen, was man die Zivilisationsgrenze nennen könnte. Im Westen gab es Feinde, mit denen man glaubte, sich auf gleicher Ebene messen zu können; im Osten gab es nur noch „Untermenschen“ (mit nur graduellen Abstufungen zwischen Polen, Tschechen, Russen, Zigeunern und Juden); im Verhältnis zur zivilisierten Vernunft standen sie auf der Seite der unterworfenen Natur. Die Instrumentalisierung der Vernunft war angewiesen auf das Gelingen der Instrumentalisierung der Moral, die nur noch als Stütze des Herrendenkens verstanden wurde: als Mittel der Identifikation mit der Macht (das drückte u.a. in Begriffen wie „Humanitätsduselei“ und „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ sich aus). Die Gemeinschaft der zivilisierten Welt wurde als die Gemeinschaft des Herrendenkens verstanden, und dessen reinste Ausprägung war der Faschismus. So wurde der Krieg im Osten – im Gegensatz zu dem im Westen – als „Weltanschauungskrieg“: als organisatorisch durchrationalisierter Vernichtungskrieg geführt.
Quellen des Vorurteils: Sexualmoral und Bekenntnislogik (transzendentale Logik als säkularisierte Bekenntnislogik).
Noch heute werden die pogromartigen Ausschreitungen des Fremdenhasses nicht an ihren realen Auswirkungen (z.B. an realen Morden) gemessen, sondern an ihrer Außenwirkung: an der „Schande“, die solche Vorkommnisse dem „deutschen Namen“ zufügen (Bundeskanzler Kohl). Ähnlich wurde wurde argumentiert, als im Krieg die Vorstellung einer „Endlösung der Polenfrage“ in die Diskussion gebracht wurde: „Daß man die Polenfrage nicht in dem Sinne lösen kann, daß man die Polen, wie die Juden, liquidiert, dürfte auf der Hand liegen. Ein derartige Lösung der Polenfrage würde das deutsche Volk bis in die ferne Zukunft belasten und uns überall die Sympathien nehmen, zumal auch die anderen Nachbarvölker damit rechnen müßten, bei gegebener Zeit ähnlich behandelt zu werden.“ (Vgl. Aly und Heim, S. 422)
Das „grundsätzlich“ im Juristendeutsch erinnert an Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber …“ Und von dieser Art ist der Satz Kohls: „Es gibt kein ausländerfreundlicheres Volk als die Deutschen.“ Hier beißt sich die Blindschleiche in den Schwanz (und beginnt sich selbst zu verschlucken): Was Kohl allein interessiert, ist das Urteil des Auslandes (der Welt, der Geschichte); und das will der Ausländerfeind ja gerade wegbringen. So verstärkt sich das Xenophobie-Syndrom.
Der Fortschritt des Christentums gegenüber dem Hellenismus (des christlichen Weltbegriffs gegenüber dem griechischen Kosmos: Bedingung der Möglichkeit der neuen Gestalt von Naturbeherrschung) liegt darin, daß es die räumlich Grenze gegen die Barbaren in eine zeitliche umgewandelt hat: Der Missionsauftrag wurde verstanden als Auftrag, in „aller Welt“ die „frohe Botschaft zu verkünden“ und „die Heiden zu bekehren“, d.h. alles aus dem Blickfeld zu schaffen, was an die überwundene Vergangenheit erinnerte. Das kehrte dann in der Aufklärung als der ambivalente Begriff des „Wilden“ (der undifferenzierten Einheit von Heiden und Nichtzivilisierten) wieder. So wurden mit dem Objekt (mit der Natur) die Erinnerung und ihre gegenwärtigen Repräsentanten zum Weltanschauungs-Feind. Heute mißt sich der Grad der Zivilisiertheit (und der Bekehrung) an dem der Zustimmung und der Teilhabe am naturwissenschaftlichen Aufklärungsprozeß. Die historische Verdrängungsleistung schlägt immer wieder in den Vernichtungswillen um, wenn ein gegenständlicher Repräsentant die Verdrängungsleistung in Frage stellt. -
09.10.91
– Welt und Natur als Totalitätsbegriffe (Produkte der verandernden Kraft des Seins),
– das Inertialsystem, das Geld und das Bekenntnis,
– oder die transzendentale Logik und ihr Objekt
sind (als Stabilisatoren des Ich) Grund und Folge der Vernichtung der Gegenwart (oder des Antisemitismus als Grund und Inbegriff jedes Vorurteils: der Antisemitismus ist keine Folge der Xenophobie, sondern die Xenophobie Folge des Antisemitismus; Antisemitismus ist die Furcht vor dem Antlitz Gottes, Xenophobie die vor dem eigenen Gesicht), die Schrift das einzige Medium ihrer Wiederherstellung (durch Erinnerungsarbeit). Das Inertialsystem durch die Schrift ersetzen!
Falsch ist die Vorstellung, daß die Richtungen im Raum einander äquivalent sind (Differenz von unten und oben, leuchtenden und beleuchteten Gegenständen).
Blochs „Dunkel des gelebten Augenblicks“: Das Ich (oder auch das Sein oder der Begriff) bringt die Gegenwart zum Verschwinden (es steht sich selbst im blinden Fleck). Das Absolute Hegels, in dem kein Glied nicht trunken ist, ist der Inbegriff des Verschwindens der Gegenwart (als Totalitätsbegriff: die Trunkenheit des Begriffs die präzise Beschreibung dieser Bewegung des Verschwindens).
Zur mathematischen Struktur der Bekenntnislogik: der Freund meines Feindes ist mein Feind, und der Feind meines Feindes ist mein Freund (das Ich gründet im Nein).
„… ist die Intentionalität genau diejenige Modalität des Denkens, die das Mögliche dem Sein unterordnet und somit als Mögliches aufopfert. Das Denken des Seins wird zum Sein des Denkens. Der Genitiv der Intentionalität kehrt sich um.“ (Levinas: Außer sich, München 1991, S. 50f) Erläuterung des Rosenzweigschen Hinweises auf die „verandernde Kraft des Seins“, Zusammenhang mit dem Gesetz der Umkehrung, dessen gegenständliches Korrelat das Inertialsystem und seine seine Reflexionsformen (Geld, Bekenntnis) sind.
Begriff und Ursprung der Gemeinheit: Gemeinheit ist strafrechtlich nicht zu fassen, weil sie beweislogisch nicht zu fassen ist. Gemeinheit verdankt sich der Verführungskraft der Reflexionsbegriffe: das Nicht-Beweisbare ist nicht; und das Eine ist das Andere des Anderen (also nicht das Eine). Sie unterdrückt und verdrängt Erfahrung, erfahrene Wahrheit, indem sie „nachweist“, daß das Andere der Erfahrung wahr, die reale Erfahrung dagegen (wie die Thesen und Antithesen der Kantischen Antinomien der reinen Vernunft) nicht nachweisbar und, da einem anderen vorrangigen Beweisinteresse (im Bereich des Staatsschutzes: dem des Staates) widersprechend, irreal ist. Das Gewaltmonopol des Staates ist der beste Schutz der Gemeinheit, seit die Gemeinheit im Rahmen des herrschenden Begriffs der Objektivität (in Naturwissenschaft und Kapitalismus, und in Verwaltung und Staat: letztlich in den Totalitätsbegriffen Natur und Welt) selber objektive Realität und Gewalt gewonnen hat. Gemein ist jede Instrumentalisierung; und gegen Instrumentalisierung ist keine Wahrheit (auch nicht der kritische Begriff der Instrumentalisierung selber) mehr gefeit.
Der Personbegriff trennt den Namen von seinem „Träger“, macht ihn zu einer Eigenschaft, einem Prädikat: Produkt der Anpassung ans begriffliche Denken. Die Person ist das apriorische Objekt des Rechts, gleichsam deren materia prima, sie bezeichnet das Rechtssubjekt, das sich in seiner Beziehung zum Eigentum konstituiert, in dieser Beziehung schuldfähig ist, deshalb die Zurechenbarkeit von Schuld begründet: Personen sind berechenbar. Durch den Personbegriff werden umgekehrt Prädikate zu Namen (wird, wer gemordet hat, zum Mörder), werden Namen zum Ausdruck von Schuld. Im Bannkreis des Personbegriffs wird Freiheit zur Wahlfreiheit, zum liberum arbitrium, während der der Idee des Glücks zugrunde liegende Freiheitsbegriff die Befreiung von Schuld, das Heraustreten aus dem Bannkreis der Herrschaft, die Erlösung bezeichnet: das Sich-geliebt-Wissen, das die Fähigkeit zu lieben zur Grundlage hat, das Ende des Selbstmitleids.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie