Die Dreidimensionalität des Raumes begründet seine redundante Struktur und damit die Identität des Objekts, des Urteils und des Begriffs.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Beelzebubisierung, sie begründen das Reich, das mit sich nicht uneins ist: die Einheit des Herrendenkens.
Die Farben sind aus den Konstruktionen der elektrodynamischen Objektivation und Instrumentalisierung des Lichts nicht rekonstruierbar. Im Seitenblick auf die Farben, im Blick von außen, verschwindet ihre Qualität (die Schmerzen des Andern sind beschreibbar, sie können „nachgefühlt“ werden, sind aber kein Inhalt meiner Empfindung).
Die Erlösung ist nicht identisch mit der Freiheit von Schuldgefühlen. Beide, die Freiheit von Schuldgefühlen wie auch die „Schuldgefühle“ selber, sind generell pathologisch. Nur dem, der die Sünden (die er vergeben kann) vergibt, werden die Sünden vergeben.
Ist nicht die Lehre von der ewigen Wiederkunft ein Versuch, die Idee der Auferstehung zu retten, auch wenn die Vergangenheit irreversibel ist?
Wie hängt der Begriff der Schwere der Schuld mit der Einstein’schen Identität von träger und schwerer Masse (und der Bogen in den Wolken mit dem Gravitationsgesetz) zusammen? Gründet nicht die Beziehung der Farbe zu den Manifestationen seiner elektrodynamischen Objektivation (seiner Instrumentalisierung) in der Beziehung zur Schwere? Und ist diese Instrumentalisierung nicht der genaueste Ausdruck der Hegel’schen List der Vernunft? Sind die subjektiven Formen der Anschauung das Instrument der List der Vernunft?
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und das Problem der Konstituierung der elektrodynamischen „Erscheinungen“ (ist nicht der Korpuskel-Welle-Dualismus die Widerlegung des naiven Realismus der Mikrophysik?).
Die spezielle Relativitätstheorie ist selber noch abstrakt: Konstant ist nicht die Lichtgeschwindigkeit, sondern die Relation, die sich darin ausdrückt. Und kann es nicht sein, daß diese Relation (der „Wert“ der Lichtgeschwindigkeit) selber noch eine abhängige Variable ist?
Ist nicht die von Heisenberg und Weizsäcker nach dem Krieg etablierte Legende ein Paradigma des kollektiven Verdrängungsprozesses in Deutschland?
Der erste Ausdruck der List der Vernunft war der unbewegte Beweger des Aristoteles, der dann bei Hegel als die Idee des Absoluten sich enthüllte. Zwischen Aristoteles und Hegel liegt der gesamte Prozeß der europäischen Aufklärung, der die Geschichte der christlichen Theologie und die der Naturwissenschaften mit einschließt.
Drücken nicht Lev 2619 und Dt 2823 die beiden Aspekte des Inertialsystems aus:
– den Himmel über euch will ich wie Eisen machen und die Erde wie Erz, und
– der Himmel über deinem Haupt wird ehern sein und die Erde unter dir von Eisen?
Vgl. hierzu Lev 26 und Dt 28 im ganzen.
Wenn die Erde zum festen Boden wird, wird der Himmel zum Schicksal, zur Feste des Himmels.
Die Philosophie ist das work in progress der Instrumentalisierung des Schicksals, der Instrumentalisierung des Himmels.
Vor eine Theorie des Namens wäre das Motto: in philosophos, vor eine Theorie des Angesichts: in theologos, und vor eine Theorie des Feuers: in tyrannos zu setzen.
Der azurne Himmel des Tages und der Sternenhimmel der Nacht: die von beiden Seiten beschriebene Buchrolle.
Das Anschauen ist der Grund (und das Instrument) der Gewalt der Objektivierung.
Am Anfang des Christentums steht ein Urschisma (die Abgrenzung gegen die Juden) und eine Urhäresie (die Gnosis).
So wie der Staatsschutz die RAF, so braucht der nur verdrängte Antisemitismus den Netanjahu.
Stehen nicht
– das Sacharja-Wort „Wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an“ (28) und
– der letzte Satz des Jakobusbriefs „Wer einen Sünder von seinem Irrweg bekehrt, der wird seine Seele vom Tode retten“ (520)
in einer merkwürdigen Beziehung? Auf wen beziehen sich die Possessivpronomen vor Augapfel und Seele?
Es gibt ein starkes Selbstmordmotiv, wonach einer mit einem Selbstmord Menschen, die ihm nahe sind, bestrafen möchte. Hierbei geht der Selbstmörder davon aus, daß der Tod nicht der Tod des Andern ist, sondern ein Tod für andere. Diese Instrumentalisierung, die eines der stärksten Selbstmordmotive ist, ist das Grundmodell und das Paradigma des Schuldverschubsystems.
Ist nicht das exemplarische Beispiel des logischen Schlusses ein Paradigma der Beziehung der Philosophie zum Schuldverschubsystem:
Alle Menschen sind sterblich;
Sokrates ist ein Mensch;
Also ist Sokrates sterblich?
Die Philosophie hat das indogermanische grammatische Perfekt ratifiziert: Sie hat die Vollendung durch den Tod ersetzt. Gegen diesen Schluß richtet sich der letzte Satz des Jakobusbriefs.
Die Bekenntnislogik steht unterm Bann der List der Vernunft. Die List der Vernunft hat das Bekenntnis aus dem Bereich der Logik des Namens in den des Begriffs übertragen. Der Preis war die Vergöttlichung des Jesus im Sinne der Idolatrie.
Das Gebot gründet im Angesicht; zum Gesetz wird es hinter dem Rücken.
Im Namen erinnere ich das Angesicht.
Goethe-Denkmal: Das Bild begründet das Gesetz.
Die Mathematik hat die Transformation des Angesichts ins Bild (des Gebots in das Gesetz) automatisiert. Das Inertialsystem totalisiert diese Transformation. Dazu braucht der Raum seine drei Dimensionen.
Wird dieser Transformationsprozeß nicht täglich in der Dämmerung, im Sonnenuntergang sinnlich erfahrbar?
„Es ward Abend und es ward Morgen, ein erster (zweiter etc.) Tag.“ Davor steht der Satz „Und Gott sah, was er gemacht hatte, und siehe, es war gut“. Wenn beide Sätze getrennt werden, was steht dazwischen? Am zweiten Tag, an dem das „… es war gut“ fehlt, steht vor dem „Es ward Abend …“: „Und Gott nannte die Feste Himmel“.
Wie hängen Nacht und Tag (das Sechstagewerk) – auch Mond und Sonne, die über die Nacht und den Tag herrschen – mit dem „der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“ zusammen?
Vermag die Kraft der Reflexion auch die Planetenbahnen, die „Wege des Irrtums“, zu durchdringen? Liegt es an ihr, dem Himmel die Freude der Bekehrung des einen Sünders zu bereiten? Planeten sind Urteilszentren; auf sie bezieht sich die Kraft der Reflexion.
Ist die Merkaba der Verführung der Größe erlegen, der gleichen Verführung, die fürs Christentum vom Staat ausgegangen ist? Im Islam hat die Staatsverführung als „Religion“ sich verselbständigt.
Sind die Merkaba, die Kabbala und Sabbatai Zwi der Schlüssel zum Verständnis der korrespondierenden Entwicklungen im Christentum?
Rede ist organisiertes Geschwätz. Die Rede zielt auf Wirkung, nicht auf Erkenntnis.
Wäre nicht die Geschichte der Auseinandersetzung mit den Häresien neu zu schreiben: ausgehend von der Erkenntnis, daß die Orthodoxie in dieser Geschichte immer genau das rezipiert hat, was sie formell verurteilt? Das aber heißt, daß es heute keine größere Gefahr, häretisch zu werden, mehr gibt als die in der Bemühung, die Gefahr der Häresie zu vermeiden.
Zu Jak 219: Heute haben die Dämonen gelernt, auch das Zittern noch zu vermeiden (es auf die Dinge zu übertragen).
Zwi
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7.4.1997
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27.10.1996
Die Grenzen der Asymmetrie sind die Grenzen der Barmherzigkeit: Für die Barmherzigkeit bin ich niemals Objekt, ist der Andere (für mich) niemals Subjekt. Barmherzigkeit schließt Selbstmitleid prinzipiell aus.
Die Welt lernt nur verstehen, wer in andere sich hineinversetzen kann: Barmherzigkeit als erkenntnisleitendes Prinzip. Unterscheidet sich das Christentum nicht dadurch von der Prophetie, daß es – außer den Armen und den Fremden – auch die Herrschenden in die Intention der Barmherzigkeit mit einschließt, allerdings im Sinne des Jakobus-Worts: des Triumphs der Barmherzigkeit über das Gericht?
In der Schrift ist der Name des Geistes der Name der Barmherzigkeit als erkenntnisleitendes Prinzip. Zu diesem Namen gehören die drei Sätze: von der Ersetzung des steinernen durch ein fleischernes Herz, von einer Zeit, in der keiner den andern mehr belehren wird, weil alle Gott erkennen, und vom Geist, der die Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken.
Die Idee der Barmherzigkeit gründet in der Idee des Ewigen und trennt sie vom Überzeitlichen. Gegen die Verwechslung des Ewigen mit dem Überzeitlichen richtet sich Levinas‘ Begriff der Asymmetrie, auch der Satz vom Rind und vom Esel.
Zur Herauslösung von Joh 129 aus der Opferthologie und zu seiner Einbeziehung ins Nachfolgegebot gibt es keine Alternative mehr.
Hat nicht auch die Jesaias-Stelle über den Leviatan und die Schlange etwas mit dem Neutrum zu tun? – Ist das Neutrum der Turm, der bis an den Himmel reicht, die sprachlogische Gewalt, die den Namen des Himmels (schamajim) sprengt und die Sprachen verwirrt? Gibt es nicht eine sehr merkwürdige Beziehung des deutschen Namens des Himmels zu dem des Hammers (Nietzsche hat „mit dem Hammer philosophiert“). In welcher Beziehung steht die Geschichte vom Turmbau zu Babel zur Sintflut, und hat der Bogen in den Wolken (an der Stelle, an der einmal der Menschensohn erscheinen wird) etwas mit dem Feuer im hebräischen Namen des Himmels zu tun?
Hängt der erkenntnistheoretische Begriff des Gegebenen mit dem Dativ zusammen, verweist nicht der Ursprung beider auf die Geschichte des Staates (ist die Verwechslung von Genitiv und Dativ in der Sprachlogik der Medien nicht ein Indiz für zunehmende Privatisierung staatlicher Aufgaben, für die fortschreitende verwüstende Gewalt der Marktkräfte)? Haben Genitiv und Dativ etwas mit der Unterscheidung von Land und Meer im Sinne des § 257 der Hegelschen Grundlinien der Philosophie des Rechts zu tun?
Was sind das für Sträucher, unter denen Adam sich versteckte, unter den Hagar sich legte, auch Elias legte sich unter einen Strauch sowie Jona; haben die etwas dem Gleichnis vom Senfkorn zu tun (sowie mit der Jotam-Fabel und dem Baum im Buch Daniel)?
Nach dem Register zur Hegel-Ausgabe von Suhrkamp kommt der Begriff der Anklage in der Hegelschen Philosophie nicht vor. – Vgl. aber die Anmerkung zu § 225 der Rechtsphilosophie, in der Hegel auf die „Charakterisierung einer Handlung nach ihrer bestimmten verbrecherischen Qualität (ob z.B. ein Mord oder Tötung) … im englischen Rechtsverfahren“ verweist, in dem sie „der Einsicht und Willkür des Anklägers überlassen“ sei, während er sonst etwas unserer Strafprozeßordnung Vergleichbares nicht zu kennen und insbesondere die Konstellation Ankläger, Angeklagter, Verteidiger und Richter, nicht für erwähnenswert zu halten scheint (wie zu vermuten ist, aus Gründen, die mit der Konstellation, die seinem Begriff der Dialektik zugrundeliegt, zusammenhängen: nicht nur, daß diese Konstellation mit der prozessualen nicht kompatibel ist, ein Vergleich würde das Moment der Gewalt in Hegels Konstrukt kenntlich machen).
Ist nicht der Titel Staatsanwalt das Produkt eines logischen Kurzschlusses, ein Stück verhängnisvoll automatisierter Staats- und Rechtslogik (ein systemwidriger Hegelianismus im logisch aus anderen Gründen determinierten Strafrecht)? Der Titel Staatsanwalt instrumentalisiert (und neutralisiert) beide: den öffentlichen Ankläger und den Staat.
Zu Off 13: „Wie für das Prinzip des Familienlebens die Erde, fester Grund und Boden, Bedingung ist, so ist für die Industrie das nach außen sie belebende Element, das Meer.“ (Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 247; Hervorhebungen geändert, H.H.) Vgl. hierzu Carl Schmitt: Land und Meer, Stuttgart 19933, in der er in einer Nachbemerkung von 1981 auf diese Hegel-Stelle hinweist.
Das Lamm, das stumm zur Schlachtbank geführt wird: Liegt die Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt nicht darin, daß er der Schmach und der Schande, die die Welt aus ihren eigenen Voraussetzungen erzeugt und deren Objekt er wurde, sich nicht widersetzt, sie widerstandslos auf sich nimmt und eben damit reflexionsfähig macht, ihrer endgültigen Instrumentalisierung die Grundlage entzog? So begründete er den Akt der Befreiung.
Wer das Opfer instrumentalisiert, landet bei der Heldenverehrung, im Bann des Mythos. So gehört die deutsche Einrichtung der „Kriegsgräberfürsorge“ zur Logik einer Staatsmetaphysik, die immer noch versucht, dem Krieg einen höheren Sinn zu verleihen, indem sie unterstellt, daß diese Opfer nicht umsonst waren, und so die Toten nochmal schändet und verhöhnt.
Seit wann gibt es Krieger- und Heldendenkmäler? Stammt diese Tradition nicht aus der Geschichte der „Befreiungskriege“, die nur so hießen und keine waren: Befreit wurde nur der Nationalismus als Ideologie, in deren Folge dann der christliche Antijudaismus endgültig zum Rassen-Antisemitismus geworden ist, seine eliminatorische Qualität gewonnen hat.
Heute gibt es für die Philosophie nur noch die eine Möglichkeit: die der Selbstreflexion, des Übergangs in Prophetie.
Der Staat wird zum Insektenstaat in dem Augenblick, in dem er glaubt, seine Aufgabe darin zu erkennen, zum Ungeziefer-Vernichtungs-Staat werden zu müssen. Oder: Es gibt kein besseres Mittel, den Staat zum Insektenstaat und Gemeinschaften zu Heuschreckenschwärmen zu machen, als wenn man ihnen die Aufgabe der Ungeziefer-Bekämpfung gibt. Das Böse konstituiert sich in der Pflicht, das Böse zu vernichten.
Definiert nicht der Satz aus dem Jakobusbrief, daß, wer einen Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, seine eigene Seele rettet, die Idee der Unsterblichkeit der Seele neu (und erstmals in einem vernünftig nachvollziehbaren Sinn)?
Wie hängt das Ahnden mit dem Ahnen zusammen? Nach dem Eingangssatz von Schellings Weltalter wird die Zukunft „geahndet“ (nicht geahnt). Hängt das Ahnden sprachlich mit Begriffen wie Gemeinde, Behörde zusammen (durch das gleiche abschließende, perfektische -de), damit aber in der Sache mit dem Logik und Bedeutung des Naturbegriffs (als es Inbegriffs aller Objekte von Urteile)? Ist die Konstituierung des Objekts (und damit des Naturbegriffs) nicht in der Tat Produkt einer Konstruktion, in der „die Zukunft geahndet“ wird, und das in einem dem strafrechtlichen Gebrauch des Wortes Ahnden durchaus angemessenen Sinne? Ist nicht der Objektbegriff, und mit ihm der Naturbegriff, der ihn absichert, Produkt einer Konstruktion, in der die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, zur Vergangenheit verurteilt wird? Im Objekt- und damit im Naturbegriff wird in der Tat „die Zukunft geahndet“. Die Logik des Objektbegriffs ist die Logik des Anklägers (des „Staatsanwalts“). – Wie hängen die RAF-Prozesse mit Schelling zusammen?
Der „blinde Fleck der Logik“ gründet in ihrem apriorischen Objektbezug, und es gibt keinen Begriff, der diesen blinden Fleck genauer bezeichnet als der der Natur.
Haben nicht der Ursprung und die Logik der historischen Bibel-Kritik etwas mit der Ursprungsgeschichte des modernen Nationalismus zu tun, zu deren Vorgeschichte auch Spinozas „Pantheismus“ gehört? Jeder Nationalismus ist ein Pantheismus, und der spinozasche dessen allgemeine logische Form.
Als die Amsterdamer Synagoge den Bann über Spinoza verhängte, hatte sie zwar formal Recht, zugleich aber hatte sie die wirkliche Intention des Denkens Spinozas gröblich verkannt, die nicht mehr durch einen Bann zu verurteilen, sondern allein durch Reflexion aufzulösen gewesen wäre. Gibt es nicht eine sehr merkwürdige Korrespondenz zwischen dieser Spinoza-Geschichte und der Geschichte Sabbatai Zwis?
Ist nicht Lessings Ring-Fabel insofern unvollständig, als es sich nicht um drei getrennte Ringe handelt, sondern um die ineinander kreisenden Räder der ezechielischen Vision?
Die Beziehung der Elektrodynamik zum Licht hat etwas mit der Beziehung des Dogmas zum Zentrum der christlichen Tradition, das erst im Kontext einer Theologie im Angesicht Gottes sich enthüllt, zu tun.
Bezeichnet nicht der Name der Barbaren den Rohstoff, aus dem die ersten Waren genommen worden sind: Sind nicht die Barbaren potentielle Sklaven, der menschliche Rohstoff der ersten Handelsware? Und gehört nicht der Name der Name der Barbaren zur Ursprungsgeschichte des heutigen Weltzustandes, in dem die „dritte Welt“ immer noch in erster Linie Rohstofflieferant ist?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung ein Instrument, das mit der Ursprungsgeschichte der Warenform und mit der des Dingbegriffs zusammenhängt, in dieser Ursprungsgeschichte mit seiner eigenen, die es doch zugleich verdrängt, konfrontiert wird? Sie sind damit ein Instrument der Verdrängung der eigenen Ursprungsgeschichte. So aber sind die Naturwissenschaften zu automatisierten Instrumenten der Selbstlegitimation des Bestehenden und der kollektiven Selbstverblendung zugleich geworden.
Der Faschismus unterscheidet sich vom Nationalsozialismus insbesondere dadurch, daß der Antisemitismus in ihm nie die Funktion und Bedeutung gehabt hat, die er im Nationalsozialismus hatte. Kann es sein, daß die Verwechslung beider Begriffe auf Seiten der Linken etwas damit zu tun hatte, daß der Marxismus als Herrschaftsinstrument (als Ideologie, wie er dann selbst sich nannte) den Gebrauch des Antisemitismus nicht mehr grundsätzlich auszuschließen vermochte? Wer den Nationalsozialismus als Faschismus bekämpft, blendet damit genau den Grund aus, aus dem er antisemitisch war: das Feindbilddenken als identitäts- und gemeinschaftsstiftende Kraft. Die Unterscheidung von Nationalsozialismus und Faschismus rechtfertigt nicht den Faschismus, aber sie vermeidet die Verharmlosung des Nationalsozialismus, die in der Gleichsetzung beider liegt.
Ist nicht diese Verwechslung des Nationalsozialismus mit dem Faschismus ein Indiz dafür, daß die 68er Linke von der Gefahr eines undialektischen Materialismus, des Konkretismus, des Feindbilddenkens, der Unfähigkeit zu Reflexion (der Verdrängung des Problems des „falschen Bewußtseins“), nie sich hat freimachen können? Genau dieses Apriori, diese Vorentscheidung, die sie nicht mehr zu reflektieren vermochte, hat diese Linke dazu verleitet, im Recht nur ein Machtinstrument (und in der Macht ein neutrales Instrument) zu sehen, mit der Folge, daß sie das Gemeinsame der nationalsozialistischen Konzentrationsläger mit dem Archipel Gulag oder des Volksgerichtshofs mit den stalinistischen Prozessen nicht mehr wahrzunehmen vermochte; sie hat sie unfähig gemacht zur Rechtskritik (zur Kritik des Staates von innen).
Es sollte heute nicht mehr zulässig sein, die gemeinschaftsstiftende Kraft einer Idee mit ihrer befreienden Kraft zu verwechseln. Identitäts- und gemeinschaftsstiftende Kraft gewinnt eine Idee nur, wenn sie die Wahrheit verrät, sie gegen ein stabiles Feindbild eintauscht und auf die Kraft der Reflexion verzichtet. Zentrum der Reflexion ist die des Objektbegriffs, von dem es in der Dialektik der Aufklärung heißt, daß die Distanz zum Objekt vermittelt sei durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt. Der Objektbegriff ist von den Herrschaftsstrukturen in der Gesellschaft nicht zu trennen. Herrschaftskritik, die diese Reflexion nicht leistet, sie ausspart, reproduziert die gleichen Herrschaftsstrukturen, die sie zu kritisieren glaubt, wird selber zum Instrument von Herrschaft.
Der Objektbegriff ist ein Denkmal und ein Repräsentant der Überwindung und Versklavung des Feindes und zugleich des Ursprungs der Geschichte der Zivilisation. Diese Wunde im Kern der Zivilisation gilt es reflexionsfähig zu halten, anstatt sie über Feindbilder immer wieder zu verdrängen.
Das Ganze reicht zurück in die subjektiven Formen der Anschauung, deren Funktion und Bedeutung anhand der unterschiedlichen Folgen des Anschauens für den Anschauenden und den Angeschauten sich demonstrieren läßt. Zu diesen Folgen gehört es, daß sie, indem sie das Angeschaute zum Objekt machen, seine Wahrnehmung, die sie doch begründen sollen, gerade verhindern, sich als Wahrnehmungsverhinderungsapparat etablieren. Sie liefern die Farbe und den Pinsel, mit denen die Fenster in dem Zug, der in den Abgrund rast, bemalt werden.
In der RAF bestrafen die Staatsschutzsenate ihr eigenes Prinzip.
In einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der RAF wird man nicht davon abstrahieren können, daß die RAF der Reaktion den Vorwand geliefert hat, mit dessen Hilfe sie sich rekonstruieren und reetablieren konnte. -
23.08.1996
Das Urteil, indem es „über“ das Objekt ergeht, konstituiert das Objekt (so wie das Urteil des Gerichts durch die Macht zu strafen Realität gewinnt).
Der Wunsch, es möge mit dem Schicksal ein Ende haben, schließt das Ende der Schicksalsgemeinschaft mit ein: der Name des Volks verliert seine raison d’etre.
Die ägyptischen Plagen treffen auch Tiere; gilt das auch für die Plagen der Apokalypse?
Sind nicht die Evangelien der strikte Gegensatz der als „Rede von Gott“ sich verstehenden Theologie (der monologischen Verkündigung)? Schließt das Evangelium nicht in allen seinen Teilen ein dialogisches Element mit ein?
Unser Lehrer in der Grundschule hat uns – nach einem Besuch Hitlers und seiner Teilnahme an einem Vorbeimarsch vor Hitler -am folgenden Morgen erzählt, jeder, der an diesem Vorbeimarsch teilgenommen hat, habe das Gefühl gehabt, daß Hitler ihn persönlich angeschaut habe. Als Kind habe ich diese Geschichte nicht begriffen, sie ist mir als Rätsel in Erinnerung geblieben. Ist diese merkwürdige Erfahrung nicht in der transzendentallogischen Struktur des Vorgangs vorgebildet, durch diese Struktur determiniert? Jeder fühlte sich als Objekt der Anschauung; und Hitler war das Subjekt dieser Anschauung.
Ließe sich der Faschismus nicht insgesamt so definieren, nämlich als Versuch, die subjektive Form der Anschauung, die Abstraktion, die darin sich verkörpert, zur Norm der Politik zu machen? Dieser Versuch war apriori antisemitisch; die „Endlösung“ sollte die Abstraktion, die in den Formen der Anschauung sich verkörpert, in die Realität überführen. Die Juden waren das stellvertretende Opfer für das, was die Nazis sich selbst antun mußten.
Hat nicht dieses Novum, daß Politik die subjektiven Formen der Anschauung zur Norm macht, den Faschismus überlebt, nur daß es zu dieser subjektiven Form der Anschauung kein Subjekt mehr gibt, die Welt zum Objekt der Sachzwänge geworden ist, die sie beherrschen? Erfüllt dieser Zustand nicht präzise die Definition der Finsternis?
Dieser Vorgang wäre anhand der Geschichte der Rezeption Einsteins, der Rezeption der speziellen Relativitätstheorie, an der er sich demonstrieren läßt, zu begreifen.
Zu den inneren Folgen der speziellen Relativitätstheorie gehört es, daß sie – ähnlich wie zuvor die kantische Antinomienlehre -die Vorstellung des Raumes in einer Weise verrätselt hat, die das Problem einer Lösung näher bringt.
Unterscheidet sich nicht Sabbatai Zwi von Jesus durch die unterschiedliche Gestalt, in der sie den Tikkun vollzogen haben: Sabbatai Zwi ist zum Islam übergetreten, Jesus hat den Tod am Kreuz erlitten (und ist „zur Hölle abgestiegen“)?
Hat der „Abstieg zur Hölle“ etwas mit der Einsicht zu tun, daß die Verurteilung den Schrecken nicht löst? In den Schrecken hinabsteigen, heißt das nicht auch, den Bann des Inertialsystems lösen, das ein Reich der Erscheinungen begründet, zu dessen Konstituentien die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, der Gebrauch der Todesgewalt als Erkenntnismittel, gehört?
Habermas‘ Kapitulation vor dem für ihn nicht mehr reflexionsfähigen Naturbegriff war der Anfang einer Kommunikationstheorie, die die Herrschaftskritik durch das Konstrukt des „herrschaftsfreien Dialogs“, den es nicht gibt, ersetzte.
Rechtfertigt nicht der „herrschaftsfreie Diskurs“ auch die RAF-Prozesse, die nur noch auf Herrschaftssicherung abzielen und alles, was zur Erkenntnis der Ursprünge der RAF beitragen könnte, jeden Versuch, auch im Falle der RAF in die Angeklagten sich hineinzuversetzen, apriori abblocken? Gibt es einen „herrschaftsfreien Diskurs“ ohne den Zwang, ihn zugleich durch Feindbild- und Frontdenken abzusichern?
Die bloße Verurteilung des Faschismus ist post festum leicht und billig zu haben; aber rückt sie nicht zugleich alle Formen der Herrschaftskritik, die in diesem Kontext sich verwirren, ins Irrationale? Auch die RAF, die Herrschaftskritik glaubte durch terroristische Gewalt ersetzen zu können, war eine Gestalt dieser nun wirklich entsetzlichen Verwirrung.
Hat nicht der Historikerstreit nur scheinbar die Fronten geklärt, oder hat er sie nicht auf eine Weise geklärt, die sie vielmehr endgültig verwirrt haben? Hat er nicht alle, die versuchen, in den Faschismus sich hineinzuversetzen, zu Häretikern erklärt, die das Dogma der Verurteilung nicht teilen?
Wer heute das Gefühl hat, die möglichen Gesprächspartner sind tot und nur als Autoren von Büchern noch präsent, macht der nicht die Erfahrung, was es mit dem „Abstieg zur Hölle“ auf sich hat?
Ist nicht das Fernsehen ein Hinweis darauf, welche universalen Formen der Gewalt zitiert werden müssen, um das Gedächtnis der Toten zu verdrängen?
Waren es nicht die Theologen, die, als sie Hegels „Weltgericht“ als eine Bestätigung der theologischen Idee des Jüngsten Gerichts ansahen, rechts und links nicht mehr unterscheiden konnten? Das Jüngste Gericht, wenn es das einmal geben wird, wird das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht sein. Und steckt nicht genau hierin die Lösung der Frage der Unterscheidung von Rechts und Links?
Kann es sein, daß, wer Gräber schmückt und Blumen auf ein Grab pflanzt, sicherstellen will, daß der Ruf der Auferweckung bei den Toten nicht mehr ankommen wird? Geht er nicht davon aus, daß dieser Ruf, durch die Blume gesprochen, die Toten nicht mehr erreicht?
Sind die Evangelien (was sie offensichtlich sogar für Theodor Haecker waren) eigentlich wirklich antisemitisch? Ist es nicht vielmehr so, daß man die scheinbar „antisemitischen Stellen“ erst dann wirklich begreift, wenn man den historischen Kontext (und die Ereignisse, die Flavius Josephus beschreibt) hinzunimmt? Und haben wir dann nicht viel mehr Grund, in diesem historischen Kontext die Gegenwart und in diesen „Juden“ uns selbst wiederzuerkennen: die christlichen Politiker in den Sadduzäern, die Kirchen und die Theologen in den Pharisäern, die gesamte Linke, bis hin zur RAF, in den Zeloten? Ist nicht vielmehr die Frage des Historismus: „wie es denn wirklich gewesen ist“, die das „Was“ von den eigenen Rechtfertigungszwängen sich vorgeben läßt, damit aber die Erinnerung an die Gegenwart ausblendet, antisemitisch?
Werden die Evangelien nicht in der Tat durchsichtiger, verständlicher, wenn man auf den Hintergrund, in dessen Anblick sie geschrieben worden sind, bezieht: auf den Jüdischen Krieg und die Zerstörung Jerusalems? Verweisen nicht schon die apokalyptischen Reden und die Getsemane-Geschichte hierauf, und wird das nicht direkt benannt, als Jesus bei Lukas auf dem Weg zur Kreuzigung die Frauen aus Jerusalem anspricht: „Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, weint vielmehr über euch und eure Kinder“ (2328)? -
26.7.96
Das Ende des Messianismus manifestiert sich im Werk des Paulus, nicht bei den Evangelisten (TuK 70).
Ist die paulinische „Rechtfertigung durch Glauben“ nicht der Ausdruck einer tiefen Verzweiflung darüber, daß das Wort und das Handeln (die Thora, das Gesetz und das Tun) nicht mehr zusammenzubringen sind?
Waren die Evangelien nicht u.a. deshalb notwendig, weil nach Paulus das Christentum – aufgrund der Abstraktion von der Lehre Jesu – zu einer magischen Religion (zu einer Opfer- oder Mysterienreligion) zu werden drohte?
Ist nicht das Wort von dem einen Sünder, über dessen Bekehrung im Himmel mehr Freude herrscht als über 99 Gerechte, ein antipaulinisches Wort: Ist nicht dieser eine Sünder der, der über das Gesetz und die Thora, über das Bewußtsein der Sünde, zur Gottesfurcht gelangt ist, die Paulus, der einigemale auf sein „ruhiges Gewissen“ verweist, auch den Christen ersparen möchte?
Das Fleisch, oder die Gewalt der Sünde über mich, ist nur durch Reflexion und Umkehr, nicht durch Verurteilung und durch Verdrängung, nicht durch Tabuisierung, zu brechen.
Kommt der Name der Barmherzigkeit bei Paulus überhaupt vor, und verdeckt nicht die Rechtfertigungslehre genau diese Lücke? Gibt es eine Stelle, die der im Jakobusbrief, daß die Barmherzigkeit über das Gericht triumphiert, entspricht?
Hat Paulus nicht das Christentum zu einer Schutzhütte vor den Unbilden des Römischen Reiches gemacht? Hier ist der Messianismus gestorben und begraben worden, ist das Christentum zu einer magischen Religion geworden.
Während die Synoptiker nur die leeren Stellen der paulinischen Theologie auffüllen, ist das Johannes-Evangelium antipaulinisch: der Kampf gegen die Komplizenschaft der Herrschenden (deren V-Mann Paulus war, als er noch Saulus hieß) mit den Römern. In der Konsequenz dieser johanneischen Intention liegt die Apokalypse (kann es sein, daß das „Tier vom Lande“, das „zwei Hörner (hat) wie ein Lamm“, aber „spricht wie ein Drache“, vielleicht doch an Paulus erinnert?). Dieser Johannes schreibt immerhin unter dem Namen des „Donnersohns“, des gleichen Jüngers, den „der Herr liebhat“.
Wenn man im Römerbrief die „Beschneidung“ als Bekenntnis liest, kommt man der Wahrheit näher.
Der Antisemitismus und vor ihm der kirchliche „Antijudaismus“ gründen in Vorurteilsstrukturen, die durchsichtig werden, wenn man auf das projektive Element in ihnen aufmerksam wird, auf die Mechanismen der Selbstentlastung durch Schuldverschiebung. Beide, der Antisemitismus und der Antijudaismus, sagen nichts über die Juden, aber sehr viel über die Antisemiten und die antjüdischen Christen. Der „eliminatorische Antisemitismus“, auf den Daniel Goldhagen verweist, dessen Buch bereits soviel Hühnerhof-Aufregung verursacht hat, bevor es in Deutschland überhaupt erschienen ist, gründet in genau diesem Mechanismus. Und, bei allen Mängeln, die das Buch haben mag, beweist nicht diese Reaktion, daß es einen Nerv getroffen hat?
Zu den großen Partien bei Paulus gehört der Satz, daß die ganze Schöpfung auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet; dazu gehören die Elementarmächte; dazu gehört nicht zuletzt sein Begriff des Glaubens, wenn man ihn als Asyl des Messianismus begreift. Unerträglich hingegen ist der apologetische Grundton fast aller paulinischen Briefe (sein „Theologisieren“).
Ist nicht der Hierarchie-Begriff eine zwangsläufige Folge der Subsumtionslogik (in der der Begriff, der die Dinge unter sich begreift, selber in einer Subsumtionsbeziehung zu „höheren“ Begriffen sich wiederfindet)? Läßt er nicht aus der neuplatonischen Emanationslehre sich herleiten, in der Elemente der Licht- und der Herrschaftsmetaphysik trübe sich mischen, und die selber zu den kosmologischen Konsequenzen der Rezeption der Sündenfall-Theologie zu gehören scheint? Hierarchische Strukturen sind Konstrukte der Selbstreproduktion der Subsumtionslogik des Begriffs, die in der Moderne in den subjektiven Formen der Anschauung auf ihren Grund in der Subjektivität zurückgeführt werden; aufzulösen sind sie allein durch die logische Kraft des Namens.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das logische Äquivalent der Finsternis über dem Abgrund: Unter ihrem Zwang erkenne ich nur noch, was ich in die Dinge hineinlege, nicht mehr, was sie an sich selbst sein mögen. Es hilft nichts, den kantischen Agnostizismus zu kritisieren; hier wird sehr präzise und konkret die vorletzte der ägyptischen Plagen, die allgemeine Finsternis, aufgedeckt.
Am ersten Schöpfungstag hat Gott nicht die Finsternis durch das Licht vertrieben, sondern eine Hilfe geschaffen, einen realsymbolischen Hinweis darauf, daß die Finsternis nicht alles ist.
Quoad nos ist die Finsternis das Erste. Aber sind die Christen nicht „das Licht der Welt“ (und zwar nicht durch Restauration irgendwelcher Vergangenheiten, sondern durch Errettung der vergangenen Hoffnung)?
Verwechseln wir nicht die Heiligen mit den Helden? (Auf diese Verwechslung bin ich bei meiner Erstkommunion gestoßen worden, durch ein Buch, das ich geschenkt erhielt, und das mir durch die Enttäuschung, die es mir beim Lesen bereitete, die Augen geöffnet hat: „Helden und Heilige“. Ich hatte vorher Märtyrer-Geschichten gelesen, aus denen ich gelernt hatte, daß Christsein nicht am Triumph und Sieg der Helden, an ihrem Nachruhm, sondern allein an der Bereitschaft der Heiligen, Leiden und Niederlagen auf sich zu nehmen, auch wenn außer Gott keiner es sieht und anerkennt, sich messen läßt. Das hat mich vorbereitet auf den Vers von Reinhold Schneider.)
Wer die Gewissenserforschung nur tief genug treibt, wird an einen Punkt kommen, an dem er zum Propheten wird.
Kann es sein, daß ich an den „Kern der Sache“ nicht herankomme, weil ich ihn nur vor Augen, nicht im Ohr habe?
Vor dem Gesetz: Hat nicht Kafkas Erzählung einen Mangel; sind es anstatt des einen nicht mindestens sieben Tore, die uns den Weg zum Gesetz verstellen?
Was heute zur Verzweiflung treibt, ist genau das, was die Verzweiflung vertreiben soll: daß das Leben vor der Glotze endet.
Ist nicht die chronologische Verwirrung und die Verwirrung der Namen (von Personen und Völkern), die beide zusammenhängen, eine zwangsläufige Folge des Positivismus im neunzehnten Jahrhundert, nach dem Zerfall der idealistischen Systeme? Sie wurde vorbereitet im kopernikanischen System, das, nach seiner dynamischen Begründung durch Newton, durchs Gravitationsgesetz, den Zusammenhang von Sprache und Erinnerung durch Verdinglichung der Erinnerung zum astronomischen Gesetz zerrissen, den Sprachgrund in den Sachen neutralisiert, das Ungleichnamige gleichnamig gemacht hat.
Trägt nicht die Formulierung (Ton Veerkamp): „Kommt der Messias nicht (bald), hat Paulus ein Problem, ein unlösbares Problem“ (TuK 70, S. 24), die Züge einer Projektion? Nicht Paulus, sondern die gesamte christliche Theologie hat in der Geschichte der Moderne „ein Problem, ein unlösbares Problem“ bekommen. Und heißt dieser Paulus nicht eigentlich Luther?
War es nicht Paulus, der den Sündenfall zum Absoluten gemacht (und das Christentum zweitausend Jahre vor die Wand gejagt) hat (und hat das nicht die paulinische Tradition begründet)? Als Paulus die Erlösung zur reinen Gnade machte, hat der den Satz vom Binden und Lösen geleugnet, eine Tradition begründet, in der die Kirche als hierarchische Verwaltungsorganisation und die Theologie als Theologie hinter dem Rücken Gottes nur noch binden, nicht mehr lösen konnten.
War nicht Bubers Übersetzung von Gnade mit „Huld“ eine sehr schlimme christliche Übersetzung, die endgültige Verdrängung dessen, woran die scholastische Lehre von der „heiligmachenden Gnade“ letztmals erinnerte, Ausdruck der Regression der Gnadenlehre durch Einbindung in einen autoritären Kontext? Eine Gnade, die bloß rechtfertigt, nicht gerecht („heilig“) macht, ist ein Palliativ.
Kommt es nicht im Ernst darauf an, den Begriff der Heiligkeit aus der Tabuzone der Eigentums- und Herrschaftssicherung, aus den Verstrickungen seines nationalen Mißbrauchs, zu befreien?
Die Idee der Auferstehung lebt von dem ungeheuerlichen Gedanken, daß es ein Leben gibt, das vom Tod (von den Strukturen und Institutionen, die ihn verkörpern) im Kern nicht berührt wird. Nur Gott sieht ins Herz der Menschen, während der Tod sein gegenständliches Korrelat im Staat hat. Der Staat ist in der Tat der Statthalter des Gerichts in der Welt; aber „die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ (Jak 213). Ist das nicht der zentrale Einspruch des Jakobus gegen die paulinische Theologie (und gehört dieser Einspruch nicht auch zur Kontroverse um die Beschneidung)?
Vielleicht hätte es, wenn es Paulus nicht gegeben hätte, das Christentum nicht gegeben. Und vielleicht war nur über diesen „Irrweg“ (Jak 520) eine Tradition zu retten, die anders untergegangen wäre?
Der Glaube ist die Gestalt, in der die Wahrheit den Weltlauf überlebt. Dieser Glaube aber hat unter dem Bann der Rechtfertigungslogik sich als Keim einer Logik entwickelt, die zur Logik des Vorurteils geworden ist (bezieht sich hierauf das Symbol des Tieres vom Lande, das zwei Hörner hat wie ein Lamm, aber spricht wie ein Drache?).
Bezeichnen nicht alle antisemitischen Stereotype, vom Hostienfrevel über die Brunnenvergiftung zum Ritualmord (der Wiederholung des Gottesmords) Tatbestände, die den Antisemiten kennzeichnen:
– der Hostienfrevel die Verdinglichung, die Logik des Fundamentalismus,
– die Brunnenvergiftung die Bekenntnislogik als Wurzel des Nationalismus und
– der Ritualmord (der Gottesmord) die Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie?
Rührt Auschwitz nicht an die Idee der Auferstehung, stellt Auschwitz nicht Ostern in Frage?
Muß nicht, wer heute noch glaubt, Christ sein zu können, entweder sehr viel verdrängen, oder aber die Kirchengeschichte und die Theologie gegen den Strich bürsten, auf jeden Fall endgültig Verzicht leisten auf jede Form der Apologetik? War es nicht immer schon leichter, aber auch verhängnisvoller, Ereignisse wie Kreuz und Auferstehung auf die eigene Seele zu beziehen anstatt auf den Zustand der Welt?
Ist nicht Helmut Gollwitzer, als er glaubte, gegen Gerschom Scholems Bemerkungen über den christlichen „Messianismus“ sich verteidigen zu müssen, in eine offene Falle hineingelaufen? Und sind nicht auch die Reflexionen von F.W. Marquardt, denen ich den Hinweis verdanke, daß es Helmut Gollwitzer war, an den der Brief Gerschom Scholems gerichtet war, noch sehr hilflos; können wir uns, kann irgend ein Christ sich freisprechen von dem, was Scholem zu Recht so scharf anspricht? – Müßten nicht in jede Reflexion über den Messianismus dieser Text von Scholem, aber auch seine übrigen Untersuchungen zum Thema (insbesondere über die Geschichte des Sabbatai Zwi, die auch eine Untersuchung über Paulus und das Christentum ist), mit einbezogen werden? Gehorcht nicht auch noch das Verschweigen dieser (im Kern mit Auschwitz zusammenhängenden) Untersuchungen den Rechtfertigungszwängen, die Auschwitz hinterlassen hat, und aus denen Gollwitzer wie auch Marquardt nicht herausgekommen sind (und hat nicht Auschwitz vom Grunde her das Problem der Rechtfertigung in dem Sinne selber neu gestellt, daß der Holocaust dieses Problem theologisch gegenstandslos gemacht hat)?
Wie kommt es, daß bis heute kein Theologe das Blasphemische, das z.B. an den Kriegsgräberstätten (die die Toten nochmals schänden) sich wahrnehmen läßt, beim Namen genannt hat? Sind nicht diese „Gedenkstätten“, die die Toten instrumentalisieren und mißbrauchen, Gedenkstätten eines Nationalismus, den die Toten, die er produziert hat, überhaupt nicht interessieren, außer als Mittel zur Reproduktion der Logik, der der Nationalismus sich vedankt. Nur die Lüge, sie seien „für die Nation“ (für Führer, Volk und Vaterland, so hieß es damals) gestorben, während sie in Wahrheit für ihnen fremde Zwecke verheizt worden und elend verreckt sind, soll erhalten bleiben: fürs nächste Mal? Aber sind diese Gedenkstätten nicht eigentlich Gedenkstätten einer Opfertheologie, deren säkularisiertes Ritual sie zelebrieren? Die Symbolik, die diesem Ritual zugrundeliegt, ist eine Blutsymbolik: danach heiligt das Blut, das hier verströmt ist, den Zweck, für den es vergossen ist: die Nation, das „heilige Vaterland“, das zwar keiner mehr so zu nennen wagt, das aber der Sache nach weiter besteht.
Vor diesem Hintergrund kann ich mit der anderen Blutsymbolik, daß wir durch das Blut des am Kreuz geopferten Gottessohns von Sünden rein gewaschen werden, nichts mehr anfangen. Ich meine, die Reflexion dieser Symbolik dürfe nicht länger mehr verdrängt werden. Ich weiß nicht, welche Folgen es haben wird, wenn wir das Paradigma einer Versöhnung durch Blut weiterhin akzeptieren. Vielleicht hilft der Hinweis auf den Satz Jesu, daß er von diesem Weinstock erst im Reiche Gottes wieder trinken wird. Hat nicht die Blutsymbolik etwas mit dem schrecklichen Verdrängungsakt, den das Kriegsende für die Deutschen bedeutete, die danach im Ernst überzeugt waren, nichts gewußt zu haben, zu tun? (Und was passiert, wenn an diese Verdrängung gerührt wird?)
Schweigen die Götter wirklich in einer Welt, in der, soweit ich sehe, bis heute kein Theologe Anstoß daran genommen hat, daß die „Kriegsgräberfürsorge“ auch nach dem zweiten Weltkrieg nicht nur nicht beendet wurde, sondern zu einer endlosen Geschichte zu werden droht? (Welche Rolle spielt eigentlich der Israel-Nationalismus einiger Theologen bei der Restauration des deutschen Nationalismus?)
Ideologie ist Rechtfertigung: Beide stehen unter dem Bann der Schuld, den sie nicht zu sprengen vermögen. Die Rechtfertigung reagiert ex post, während die Gotteserkenntnis an das ante, an den Geist der Weissagung heranzukommen trachtet.
Gehört nicht die Identifizierung des Fleisches mit der Beschneidung in den Scholem-/Gollwitzer-/Marquardt-Komplex?
Vor einem Schaufenster, in dem u.a. Objekte archaischer „Kunst“ angeboten werden, überfällt mich der Gedanke: „Da halte ich mich lieber ans Original“, und denke an Klee. – Ist der Gedanke nicht ungeheuerlich, daß ein Bild von Klee das Orginal und die archaischen Objekte bloße Nachahmungen sind?
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01.07.93
Bezeichnet nicht das liberum arbitrium die Freiheit von Privateigentümern (die freie Verfügbarkeit über das Eigentum und die freie Wahl der Ziele und der Mittel), und gründet diese Freiheitsvorstellung nicht in den (drei) „Freiheits“-graden des Raumes?
Waren die alten Schriftsprachen Alltagssprachen, gesprochene Sprachen? Unverkennbar ist im Hebräischen wie im Griechischen und Latein das konstruktive, systematische Element, etwas, das eher an die Rationalität der Technik als an das, was die Moderne Empfindung, Gefühl, Emotion nennt, erinnert und in erheblichem Umfange als künstlich erfahren wird. Die Flexionen (Konjugation und Deklination), die je nach Kontext unterschiedlich sich auskristallisieren, sind gleichsam Formen der technischen Durchorganisation, und deren Medium waren die Elemente der Artikulation (die in der Schrift sich vergegenständlichenden Konsonanten und später auch Vokale) und dann die Prä- und Suffixe (die Nachfolger der sumerischen „Determinanten“: War insbesondere die sumerische außer in Verwaltung und Religion je eine gesprochene Sprache?). Je nach Kontext: Kann es sein, daß in der strukturell (und nicht biologisch-genetisch, gar rassisch) begründeten Unterscheidung der semitischen von den indogermanischen Sprachen unterschiedliche Stellungen zur Objektivität sich ausdrücken, die in der frühgeschichtlichen Gesellschaftsgeschichte (Ursprung der Städte, der Religion und des Opferwesens, des Königtums und der Geldwirtschaft) ihre Wurzeln haben und insbesondere in der Differenz von Philosophie und Prophetie erkennbar werden? Sind die Geschichten von der Sintflut und vom Turmbau von Babel nicht Hinweise hierauf?
Ist nicht die Stadt die Keimzelle sowohl des Privateigentums und der Geldwirtschaft als auch der Sprachentwicklung, und ist beides nicht zusammengefaßt in dem Symbol des Turmbaus zu Babel?
Bezeichnet im bereschit bara elohim et haschamajim we’et ha’arez das schamajim den Konstruktionsraum der Sprache (nicht zufällig ist mit dem Verschwinden des Himmels auch die benennende Kraft der Sprache erloschen)? Und gewinnt nicht vor diesem Hintergrund das Wort am Ende des Buches Jona von den Menschen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, eine ungeheure Bedeutung; verleiht sie nicht dem „Raumproblem“ überhaupt erst sein metaphysisches Gewicht?
schamajim oder die Sintflut und der brennende Dornbusch: das Desiderat einer Theorie des Feuers (Dornen und Disteln, das Jesus-Wort „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen“, die indogermanischen und die semitischen Sprachen).
Im Namen des Himmels verbinden sich nach kabbalistsicher Tradition das Wasser und das Feuer. Nach der Sintflut: next time fire. Gibt es eine Beziehung des Feuers zum Blut und zur Scham? Sind nicht die Übernahme der Sünde der Welt und die Aufopferung der Sünde andere Bezeichnungen für das Feuer (daß Jesus vom Himmel bringen wollte, und er wollte, es brennte schon)?
Ist nicht die Sintflut die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, und das Feuer die Erinnerung an die vergangene Zukunft? Im Feuer verbrennt die Sünde der Welt, wird die vergangene Zukunft befreit. So steht das Feuer in Beziehung zur Idee der Auferstehung der Toten (nur unter dem Bild des Wassers sind die Toten tot). Welche Bedeutung hat der Regenbogen nach der Sintflut?
Gibt es einen Zusammenhang der deutschen Namen Himmel und Gott mit den hebräischen Namen der Himmel und Gottes (schamjim, Elohim und JHWH)?
Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, ist dann darin nicht die Idee der Auferstehung bereits mit einbegriffen?
Hodie, si vocem ejus audieritis: Hat nicht das Hören etwas mit dem Feuer zu tun? – So wie das Sehen mit dem Licht: Im Licht durchdringt das Feuer die Vergangenheit und ihre Finsternis. Im Bogen erscheint der farbige Rand der Grenze von Licht und Finsternis. (Sind nicht die schwarzen Objekte der Physik allesamt realsymbolische Objekte: von der Materie über die die Strahlung des „schwarzen Hohlraums“ bis zu den „Schwarzen Löchern“ der Astronomie, beides Reflexionsbestimmungen des Dunkels im Begriff der Materie, Stufen des projektiven Elements in der Physik, vergleichbar den „Stufen“ in der Entwicklung der drei Leugnungen Petri?)
Kann es sein, daß die von Weizsäckersche Formel für die Energiebilanz der Sonne die richtige Frage ans falsche Objekt stellt: Geht es nicht eigentlich um die „Energiebilanz“ der schwarzen Strahlung und der Schwarzen Löcher?
Im Unterschied zur christlichen war mit der jüdischen und dann der rabbinischen Tradition kein Staat zu machen (mit dem empirischen Beweis durch Sabbatai Zwi).
Erst mit der „Überwindung des Mythos“, mit der Verinnerlichung der Schicksalsidee und des Opfers wurde das technische Konzept, das Konzept der Instrumentalisierung, (von der Philosophie und dem Recht über das Dogma bis zu den Naturwissenschaften) nach draußen verlagert. Den Opfern darußen entsprach die technische Durchorganisation der Sprache, der Verinnerlichung des Opfers die Instrumentalisierung der Welt.
Die arrogante Bescheidenheit der katholischen Theologie (vgl. den neuen Katechismus).
Hat das Rosenzweigsche dreifache Nichts etwas mit der Form des Raumes, mit der Form der Beziehungen der Dimensionen im Raum, zu tun, und gründet die Beziehung des Nichts zum Tode im Konstrukt des Inertialsystems als Todesgrenze? Ist nicht die tote Materie die von uns „fertiggemachte“ Materie (fertiggemacht in dem Sinne, wie ein Ausbilder beim Kommiß einen Rekruten, der sich herausnimmt, selber zu denken, „fertigmacht“: aber ist dieses „Fertigmachen“ nicht der Kristallisationskern aller hierarchischen System, vom Kommiß über die Verwaltungen bis hin zu den Kirchen)?
Die Theologie unterscheidet sich von den Wissenschaft (wie die Prophetie von der Philosophie) dadurch, daß für sie die Vergangenheit nicht nur vergangen ist; Voraussetzung der Wissenschaft ist hingegen die verewigte Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft oder der Weltbegriff. Deshalb kann es eine Theologie, die diesen Namen verdient, ohne Erinnerungsarbeit nicht geben. Sie beantwortet die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit mit der Erinnerung der vergangenen Zukunft (Kritik des Raumes und des Weltbegriffs). Schon für Kant war die Frage, „if the future will be like the past“ (die heute jeden Theologen ins Grübeln, wenn nicht in Melancholie versetzen müßte), keine nur empirische Frage. Im Kontext eines Begriffs der Vergangenheit, der deren Unveränderlichkeit mit einschließt, und d.h. im Kontext des modernen Naturbegriffs gibt es keine Entsprechung mehr für die Idee der göttlichen Gerechtigkeit.
Der Weltbegriff macht das Prinzip, wonach die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird, zum Apriori der Erkenntnis: Ist das Gesehenwerden der Statthalter der Zukunft im Raum (der Blick der Schlange und der Blick des Hundes)? -
26.03.92
Das Konzept von Robert Kurz ist – wie es scheint – doch noch arg idealistisch: Der Sprung in die Utopie (Abschaffung der Arbeit, des Geldes und der Warenform) ist überhaupt nicht durchsichtig und scheint sich einer redundanten, selbstreferentiellen Logik zu verdanken (Vergleich: Kritik der „klassischen Physik“ durch die Kopenhagener Schule). Ein Heisenberg des Marxismus (sucht auch eine Weltformel)?
Wo sieht er in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die empirische Entwicklung, die einen direkten Anhaltspunkt für die eben deshalb als dunkel erscheinende Logik der Marxschen Kritik biete? (S. 88)
Ist Robert Kurz ein Sabbatai Zwi des Marxismus?
S. 99: Dieser Schein ist nicht endgültig verflogen, sondern er verknotet sich hier zur Undurchschaubarkeit, und daraus scheint Robert Kurz zu glauben, die Befreiung ableiten zu können.
Das sieht mir doch etwas zu sehr nach ökonomischer Elementarteilchenforschung aus. Und eine Sackgasse für einen Ausweg zu halten, macht keinen glücklichen Eindruck.
Bei aller notwendigen Kritik an der Kasernenhofwirtschaft des Ostens ist doch nicht zu leugnen, daß auch ein Wirtschaftskrieg geführt worden ist, so wie heute immer noch ein Wirtschaftskrieg gegen Kuba geführt wird; auch die westliche Gestalt des Kapitalismus hat ihre in vieler Hinsicht militaristischen Aspekte (die Rüstung ist ein reales ökonomisches Systemproblem: ihre explosive Ausdehnung nach dem zweiten Weltkrieg verlief in direkter Abhängigkeit von der ebenso explosiven Ausdehnung des Bankgeschäfts, zur Absicherung des aggressiven Kredit- und Geldgeschäfts und als Mittel zur Disziplinierung der Armen draußen und drinnen). Die Rüstungswirtschaft ist keine bloße Kriegswirtschaft, und ein nicht unerheblicher Teil der Friedenswirtschaft ist längst ein Teil potentieller Kriegswirtschaft: der kalte Krieg war der Motor der Weltraumforschung, der Atom- und Automobilindustrie und des Wirschaftswunders in der BRD.
Zusammenhang der explosiven Ausbreitung des Bankengeschäfts, der Armut, der Schuldenkrise in der Dritten Welt und der Rüstung. Der Kolonialismus war ähnlich wie die Sklaverei in dem Augenblick überflüssig, in dem es andere Mittel gab, die den gleichen Zweck erfüllten.
Der steigende Anteil des fixen, gebundenen Kapitals an der Produktion wird gespeist durch Kredite, durch Schuldenkapital. (Zusammenhang von Credo und Kredit?)
Zu kurz kommt das Problem der organischen Zusammensetzung des Kapitals und seiner Nachkriegsgeschichte (mit dem tendentiellen Sinken der Profitrate, das nur scheinbar aufgefangen wird durch das ökonomische Gravitationsgesetz, das die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht). Kern des Mega-Schuldverschubsystems.
Eindruck, daß Robert Kurz gelegentlich fehlende analytische Fähigkeiten durch (projektive) Polemik ersetzt (Hinweis auf einen unvermeidbaren logischen Defekt jeder linken Theorie?).
Der Weltbegriff als Schuldverschubsystem und Schuldverdrängungsmaschinerie?
Der Weltbegriff schließt tendentiell die Barbaren aus, das aber heißt: er schließt die Hebräer aus; er schließt die aus, die bara bara sagen; er schließt eben damit den Schöpfungsbegriff aus und mit dem Schöpfungsbegriff den Namen des Logos und die Reflexion der Schuld der Welt.
Dieser Schuldbegriff wird in der Vorstellung der absoluten Abhängigkeit der Kreatur (und in dem davon abhängigen diffamatorischen Gebrauch des Kreaturbegriffs) falsch reflektiert. Die absolute Abhängigkeit ist die Abhängigkeit vom Schicksal, während durch die Beziehung zur Schöpfungsidee gerade die Aufhebung, die Auflösung des Schicksals und der Vorstellung der Abhängigkeit von einem Übermächtigen einzig möglich ist.
An den Ursprungszusammenhang mit der Schuldkechtschaft erinnert noch der Begriff des Symbolum, und zwar nicht sein Begriff, sondern auch sein Inhalt, das Dogma (Trinitätslehre, Christologie, Opfertheologie).
Was hat zu bedeuten, wenn die Pharisäer an die Auferstehung und die Engel glauben, die Sadduzäer hingegen nicht?
Was drückt sich geschichtsphilosophisch darin aus, wenn
– nach dem zweiten Weltkrieg ein Friedensschluß nicht mehr möglich war (Rechtssetzung als Grenzsetzung),
– es möglich war, das Strafrecht auf die Politik und die Regierenden selber angewendet wurde (wie jetzt wieder gegen Honecker),
– und in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft wurde?
Sind Faschismus und Auschwitz nicht doch nur vor diesem Hintergrund real zu begreifen, und sind diese Folgen nicht doch reale Folgen des Faschismus und des Holocaust?
Die Rüstungsexplosion ist ein Indiz für den Rückfall in Naturgeschichte.
Ergänzend zu Walter Benjamin wäre festzuhalten, daß Schicksal und Charakter nicht nur begrifflich, sondern geschichtsphilosophisch geschieden sind. Auch hier gilt: Wo Schicksal ist ist kein Charakter, und wo Charakter, kein Schicksal. Der Charakter entspringt in der gleichen Bewegung, in der das Schicksal verinnerlicht wird. In dem gleichen Prozeß entspringt der Weltbegriff.
Wenn das homologein („bekennen“) auf den Namen des Logos sich bezieht, der Logos in der Übernahme der Sünde der Welt sich konstituiert, dann wird auch der Begriff des Bekenntnisses verständlichen: es ist in der Tat ein Schuld-Bekenntnis.
Nach der Vergebung der Sünden kommt die Auferstehung der Toten.
„Wer nicht für mich ist, der ist wider mich“: Dieser Satz hat von seinem Kontext her eine andere Bedeutung als Adorno unterstellt, und er ist erst durch die Bekenntnislogik direkt und unmittelbar böse geworden (Teil des autoritären Syndroms).
Der Prozeß der Verinnerlichung des Schicksals und der Genesis des Begriffs, die Entzündung des Subjekts im Schicksal (oder des Subjekts durch Infektion durchs Schicksal), müßte an der Geschichte der Vorsokratiker nachzuvollziehen sein.
Der Ausdruck „Entfremdung“ ist insoweit korrekt, als er einen Vorgang bezeichnet, in dem das Moment der Fremdheit aus den Dingen verdrängt wird, der die Dinge zu Dingen für mich macht (Stichwort: Das Eine ist das Andere des Anderen).
Unkenntlich gemacht wurden in der Geschichte der Philosophie jene Momente, die die Erfahrung des Schicksals kennzeichnen:
– die Bindung an die Schuld,
– Erfahrung des Zweideutigkeit und
– der Schrecken.
Diese drei Momente sind im Begriff des Objekt und der Materie untergangen.
Alle Logik ist Schicksalslogik; der logische Zusammenhang ist ein Schuldzusammenhang und hat teil an der Zweideutigkeit dieses Schuldzusammenhangs, die nur durch die „List der Vernunft“ sich zur Dialektik domestizieren läßt.
Die „verandernde Kraft des Seins“ ist die präziseste Bestimmung des im Sein unkenntlich gemachten Schicksals.
Wenn es denn eine Beziehung Rosenzweigs zu Heidegger gibt, dann liegt sie darin, daß Rosenzweig die Zweideutigkeit, die Heidegger bloß ausbeutet („Sinn des Seins“), aufschlüsselt. Diese Beziehung ist ähnlich invers wie die der Hebräer zu den Barbaren.
Gewitzt ist der, der andere über die Opfer seines eigenen Handelns zum Lachen bringt, und das heißt: jede mögliche Solidarität mit den Opfern schon im Ansatz erstickt..
Die dialektische Beziehung des Lachens zur Waffe drückt sich im Begriff der Entrüstung aus. (Wie hängen Entrüstung und Entfremdung zusammen?)
Der biblische Begriff des Fremden hängt sprachphilosophisch mit der Reflektion des Schreckens zusammen, der sich grammatisch im Gebrauch der dritten Person (Sing. und Pl.) ausdrückt; er hängt mit den Begriffen des Schreckens und des Opfers zusammen, die beide im Ursprung des Begriffs der dritten Person erinnert werden. Die Philosophie ist auf dieser Versachlichung, die sich im Gebrauch der dritten Person ausdrückt, abgefahren; das war sozusagen ihre Geschäftsgrundlage. Dagegen hat die jüdische Tradition genau das, was hier verdrängt wird, erinnert und aufbewahrt. Gegen den Hegelschen Satz, daß das Eine das Andere des Anderen ist, hält die jüdische Tradition daran fest, daß darüber das Eine nicht vergessen werden darf. Diese Differenz, die an den Begriff des Fremden sich anschließt, drückt sich in der Differenz von Barbaren und Hebräern aus. Abraham war ein Hebräer, und er lebte als Fremder im Land, d.h. als „Barbar“. Der heutige diffamatorische Gebrauch des Kreaturbegriffs erinnert an diesen Zusammenhang: des Selbstbewußtseins der Fremdheit mit der Schöpfungslehre, mit dem bara. Die Objekte des bara, nämlich Himmel und Erde, die großen Seetiere und der Mensch (als Ebenbild Gottes, als Sein Ebenbild – Übergang Gottes in die dritte Person – , als Mann und Weib), sind die Reflexionsgestalten der Fremdheit, die im Begriff der Schöpfung sich selbst begreift.
Zur Differenz von Natur und Schöpfung; Zusammenhang beider mit dem Schuldbegriff: Beide verhalten sich zu einander wie der Name des Barbaren zu dem des Hebräers.
Schicksal und Charakter: Wer die Sünde der Welt auf sich nimmt, muß die Verantwortung für seinen eigenen Charakter übernehmen. Der Charakter aber drückt sich aus im Gesicht, und d.h.: er muß sogar die Verantwortung für sein Gesicht auf sich nehmen. Beziehung zu Antlitz und Angesicht?
Zu Derrida: Wenn es eine Beziehung des Begriffs der göttlichen Gewalt zu Auschwitz, zum Holocaust, gibt, dann läßt er sich einzig beziehen auf die Urheber, auf die Täter; und erst der Schrecken, der dem Anblick dieser göttlichen Gewalt entsprechen würde, wäre die angemessenste Bestimmung der Gottesfurcht heute.
Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war der Kampf gegen das Vergessen. Was die Hegelsche Idee als Natur frei aus sich entläßt, ist präzise das Deckbild dessen, was in der Hegelschen Erinnerung der Idee vergessen wurde, und dieses Vergessen ist eine Leistung des Begriffs.
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